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Viktoria Beck träumt schon lange von einem eigenen Café und findet in einer alten Mühle den perfekten Ort, um ihre Leidenschaft fürs Backen zu verwirklichen. Doch als längst verdrängte Erinnerungen sie einholen, wird ihr Glück auf die Probe gestellt Leonard Hofer zeigt sich skeptisch gegenüber der Entscheidung seiner Familie, Vicky die alte Mühle zu verpachten. Doch er lernt durch sie die Magie des Backens kennen und fühlt sich immer stärker zu ihr hingezogen. Bis eines Tages ein unerwartetes Geheimnis seine aufkeimenden Gefühle zu ihr bedrohen. Tauche ein in eine Liebesgeschichte voller Emotionen und süßer Versuchungen, die den Weg des Neubeginns und der unerwarteten Begegnung mit der Liebe beschreibt.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Viktoria Beck träumt schon viele Jahre davon: ein eigenes Café. Schließlich ist Backen nicht nur ihr Beruf, sondern auch ihre Leidenschaft. Dem Zauber der alten Mühle kann sich die sympathische Konditorin daher nicht entziehen, denn es ist der perfekte Ort, an dem sie ihre Träume wahr werden lassen kann. Sie wagt den großen Schritt und fühlt sogleich, dass das alte Gemäuer ihr eine neue Heimat ist und ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat. Mit neu gewonnenen Freunden an ihrer Seite und einem florierenden Geschäft scheint ihr Glück perfekt – bis sie an einem Abend längst verdrängte Erinnerungen einholen.
Leonard Hofer ist skeptisch. Seine Familie vertraut einer unbedarften, kleinen Konditorin ihre alte Mühle an. Werden sie mit dieser Entscheidung das Vermächtnis seiner Großmutter weiterhin bewahren können? Als er selbst in den Genuss von Viktoria Becks Backkünsten kommt, legen sich seine anfänglichen Zweifel. Die süße Versuchung lockt ihn immer wieder in die alte Mühle, bis er einer Versuchung zu viel nachgibt – und einen Korb von Vicky erhält. Gibt es einen anderen Mann? Wer ist es? Etwa sein Bruder David? Leonard ist sich sicher, dass es noch mehr gibt, was sie vor ihm verbirgt.
- Menschen sind unverwechselbare Originale –
Finny & Ludwig
Wärmende Sonnenstrahlen fielen durch das bunt gefärbte Laub der Baumwipfel. Die angenehme Ruhe, die im Wald herrschte, wurde lediglich durch das leise Knacken von Ästen und das Rascheln von Blättern unterbrochen – verursacht von Vickys wenig geländetauglichen, dafür aber hochglanzpolierten Lack-Halbschuhen.
Sie hielt inne, blickte zum Himmel und sog jeden einzelnen Sonnenstrahl in sich auf, den sie erhaschen konnte.
Vicky genoss diese Jahreszeit. Die Wälder wurden bunter. Das Klima wurde rauer. Die dicken Winterjacken durften wieder aus dem Schrank geholt werden und man war nie davor gefeit, dass mit dem nächsten Wetterumschwung die ersten Schneeflocken fielen. Dann nämlich kam die Jahreszeit, die Vicky liebte – die Vorweihnachtszeit. Die kitschige Dekoration wurde vom Speicher geholt. Man konnte melancholisch sein und den ganzen Tag alte Weihnachtslieder rauf und runter spielen. Und in ihrer Küche roch es köstlich nach frisch gebackenen Plätzchen. Allerdings roch es in ihrer Küche immer köstlich. Schließlich war sie Konditorin.
Und bis Weihnachten waren es nur noch zehn Wochen.
So gerne sie auch an die Weihnachtszeit dachte, so ungewiss war das, was vor ihr lag. In den letzten Monaten hatte sie mehr Turbulenzen erlebt, als ihr lieb war. Angefangen beim aufdringlichen Verhalten ihres Chefs, das sie über viele Monate erduldet hatte. Vor einigen Wochen hatte er die Grenze überschritten und war während einer Nachtschicht über sie hergefallen.
Unter diesen Umständen konnte sie auf keinen Fall länger für ihn – Clemens Brockmann, den renommiertesten und national berühmtesten Konditormeister – arbeiten. Sie hatte sofort fristlos gekündigt.
Doch all ihre Bemühungen, einen neuen Job zu finden, der sie forderte und in dem sie all ihre Talente und ihr Können verantwortungsvoll einbringen konnte, scheiterten ebenso kläglich, wie es ihr unmöglich war, den Übergriff zu vergessen. Und dabei war sie nachweislich eine der talentiertesten Konditorinnen der Nation. So stand es jedenfalls auf der Urkunde der Konditoreninnung, die sie im Jahr zuvor erhalten hatte und die ihr bescheinigte, sämtliche Zusatzqualifikationen mit Auszeichnung bestanden zu haben. Doch bei allen Gesprächen wurde ihr attestiert, dass sie überqualifiziert für die zu besetzenden Stellen war. Insgeheim hatte sie schon immer davon geträumt, einmal ihr eigenes Café zu eröffnen. Die Überlegung, sich selbstständig zu machen, lag daher auf der Hand.
Vicky deutete es als einen Wink des Schicksals, als ihr die Anzeige der alten Mühle in die Hände fiel. Sie hatte sofort gespürt, dass das alte Gemäuer etwas Besonderes war. Obwohl sie ihre Familie und ihre Freunde hierfür in Frankfurt würde zurücklassen müssen, war sie am frühen Morgen in ihren Wagen gestiegen und mehrere Hundert Kilometer in den Süden Deutschlands gefahren. Sie war erleichtert, dass ihre Eltern ihre Entscheidung unterstützten. Auch die wenigen Freunde, die ihr durch ihre bisherigen unmenschlichen Arbeitszeiten noch geblieben waren, bestärkten sie in ihrem Entschluss. Sie alle glaubten an sie und ihren Traum, wenngleich sie traurig darüber waren, dass so viele Kilometer zwischen ihnen liegen würden. Doch genau diese Distanz brauchte Vicky jetzt. Vielleicht fiel es ihr dann leichter, Clemens Brockmann und diese eine schreckliche Nacht zu vergessen.
Zu dumm nur, dass es wohl noch weitere Interessenten für die Immobilie gab. Da sie in ihrer Aufregung am Morgen viel zu früh aufgebrochen war, war sie auch viel zu früh an ihrem Ziel angekommen.
Dadurch bot sich ihr jedoch die Möglichkeit, einen Blick auf das Paar zu werfen, das in einem schicken Sportwagen zur Besichtigung vorgefahren kam. Es schien äußerst unwahrscheinlich, dass diese Leute mit der alten Mühle dieselben Pläne verfolgten wie sie. Das extravagante Auftreten der beiden wirkte an diesem Ort unpassend, ja geradezu grotesk.
Das abschätzige Naserümpfen der Frau beim Blick auf das wunderschöne alte Gebäude vermittelte den Eindruck, dass sie sich in dieser Umgebung nicht wohlfühlen würde.
Vicky hingegen malte sich anhand der Fotografien schon seit Tagen aus, wie sie alles gestalten würde, welche Produkte sie vertreiben und welche Köstlichkeiten sie backen würde. In ihrer Fantasie lebte sie bereits in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung im Obergeschoss und wartete darauf, dass der Wecker für sie klingelte, um sich an die Arbeit zu machen.
Die Wartezeit bis zu ihrem Termin mit dem Immobilienmakler wollte sie sinnvoll nutzen und sich die nähere Umgebung genauer ansehen. Sie folgte dem asphaltierten Weg hinter der Mühle, der sie zunächst am Waldrand entlangführte, vorbei an zahlreichen Wiesen und Feldern. Auf ihrem Weg entdeckte sie auch einen wunderschönen Gutshof in der Ferne und vermutete, dass die Mühle zu diesem imposanten Anwesen gehörte.
Ein undefinierbares Geräusch, es hörte sich beinahe an wie ein Grunzen, riss Vicky aus ihren Gedanken. Erschrocken schaute sie sich um und hoffte sogleich, ihre Augen würden ihr einen Streich spielen. Doch das riesige Wildschwein am anderen Ende des Waldweges war real. So real, dass sie es umgehend mit der Angst zu tun bekam. Wie gut standen ihre Chancen auf eine erfolgreiche Flucht? Konnten Wildschweine eigentlich schnell rennen?
Ein weiteres Geräusch unweit von ihr ließ Vicky aufhorchen. Sie sah einen großen Mann mit Gewehr und Hund auf sich zukommen. Hatte er dieses monströse Wildschwein nicht gesehen? Sollte sie ihn vor dem Tier warnen? Er trug eine Waffe, vermutlich wüsste er sich also zur Not zu helfen.
Oh Gott. Er trägt eine Waffe. Erschreckende Szenen spielten sich vor ihrem inneren Auge ab. Schon einmal war sie in eine vermeintlich ausweglose Situation geraten. Damals hatte sie sich retten können. Dieses Mal sah sie sich gleich mit zwei Kontrahenten konfrontiert. Einem bewaffneten und einem sehr haarigen.
Der Mann kam immer näher. Er war groß und trug eine schwarze Wollmütze. Seinen Schal hatte er bis zu den Mundwinkeln nach oben gezogen. Seine Kleidung war dunkel und robust.
Ein weiteres Grunzen lenkte Vickys Aufmerksamkeit wieder auf das tierische Problem, ehe sie erkannte, dass der Fremde sie zwischenzeitlich beinahe erreicht hatte. Sein Hund lief neben ihm her und knurrte das Wildschwein schon von ferne an. Als der Mann schließlich neben Vicky stehen blieb und langsam den Arm hob, war es um sie geschehen. Vor Angst zitternd, begann sie laut zu schreien und rannte, so schnell es ihr ihre unsportlichen Beine erlaubten, davon. Er folgte ihr nicht – doch ein laut hallender Schuss dröhnte in ihren Ohren.
*
Leonard Hofer saß in seinem Geländewagen. Er warf einen Blick in den Rückspiegel, wo das tote Wildschwein auf der Ladefläche lag. Er war sauer – richtig sauer.
Was hatte dieses hysterische Frauenzimmer in ihren Lackschühchen in seinem Wald zu suchen? Hatte sie sich verlaufen? Und jetzt, da sie einfach davongerannt war, musste er womöglich auch noch nach ihr suchen?
Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass er für seinen Termin in der alten Mühle schon wieder einmal viel zu spät dran war. Aber vielleicht hatte dort jemand die Fremde gesehen. Dann hätte sich dieses Problem wenigstens gelöst.
Er stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz ab und bedeutete seinem treuen Weggefährten Caruso, dort zu warten. Der Labrador-Retriever-Mischling folgte ihm aufs Wort, sah ihm jedoch traurig hinterher.
Das Rad seiner Mutter lehnte an der Hauswand und durch das Fenster konnte er seine beiden Geschwister entdecken: David und Ellen. Neben ihnen stand Frank Lindner, ein guter, alter Freund der Familie. Der einstige Schulkamerad seiner Eltern stand ihnen schon viele Jahre als Immobilienmakler mit Rat und Tat zur Seite und hatte sich der alten Mühle angenommen.
Fehlten nur noch die eigentlichen Interessenten, zu denen vermutlich dieser aufgemotzte Sportwagen gehörte, der gleich zwei Parkplätze für sich beanspruchte. Dessen Besitzer konnte Leonard bisher nicht ausmachen.
Sobald er durch die hölzerne Eingangstür eingetreten war, zog er seine Mütze vom Kopf und öffnete seine Jacke. Zielstrebig steuerte er seine Mutter an und küsste ihre Wange.
»Du bist zu spät«, flüsterte sie ihm ein wenig anklagend ins Ohr. Seine Mutter wusste, dass er stets die Zeit vergaß, wenn er im Wald unterwegs war.
»Entschuldige bitte.« Er drückte kurz ihre Hand, schaute sich suchend nach den Interessenten um und wandte sich an seine Geschwister. »Und? Kommen die Leute infrage?«
Ellen und David traten einen Schritt auf Leonard und ihre Mutter zu. »Am besten, du hörst es dir selbst an«, meinte David und deutete zum Nebenraum.
Leonard hörte fremde Stimmen, doch ehe er sich in Bewegung setzen konnte, um sich das Paar genauer anzusehen, kehrten die beiden bereits in den großen Gastraum zurück.
»… und dann reißen wir die Wand ein und diese dort drüben auch. Ach was sag ich: Das ganze Interieur müsste raus. Ich sehe auch schon die Lichtinstallationen und die Edelstahlelemente vor mir. Auch dieser Boden«, der Mann im Anzug stampfte kurz mit den Beinen auf den Jahrhunderte alten Steinboden. »Der müsste auf jeden Fall auch erneuert werden.«
Die Blondine an seiner Seite nickte zustimmend und kräuselte beim Blick auf die alte Kommode im Gastraum ihre rot geschminkten Lippen.
»In Ordnung. Und wer von Ihnen würde die Backstube betreiben und für die Bewirtung der Gäste sorgen?« Leonard ahnte bereits, worauf die beiden Interessenten abzielten.
»Um Gottes willen. Wir stehen doch nicht selbst hier im Laden.« Die Frau im Pelzmantel starrte Leonard entrüstet an. »Wir besitzen zahlreiche Cafés in den umliegenden Städten und arbeiten mit den besten Bäckereien zusammen. Hier muss niemand mehr selbst backen.«
Leonard wusste, dass sich ein reines Café in dieser Gegend nicht rechnen würde. Daher mutmaßte er, dass die Stadtmenschen von dem Golfplatz erfahren haben mussten, den ein Hotelmagnat in der Nähe der Mühle zu bauen beabsichtigte. Allerdings, da war er sich sicher, würden diese Pläne nie umgesetzt werden. Dafür wären nämlich Grundstücke seiner Familie notwendig. Und die Hofers würden ihr Land nie freiwillig hergeben.
David schüttelte resigniert den Kopf und blickte zu seinem älteren Bruder. »Verstehst du jetzt, was ich meine?«
»Es wird Zeit, dass wir den Spuk hier beenden.« Leonard setzte sich auf einen der alten Tische und ließ seine Beine baumeln. Ein Blick in die Gesichter seiner Familie verriet ihm, wie wenig begeistert sie von der Vorstellung waren, dass in diesen alten Gemäuern ein modernes Fließbandcafé entstehen sollte.
»Herr Lindner«, sprach er Frank betont förmlich an, obwohl er doch schon seit seinen Kindertagen zu den engsten Freunden der Familie zählte, »wir haben uns entschieden, die Mühle nicht an Ihre Klienten zu verpachten.«
Frank atmete erleichtert auf, ließ sich den Interessenten gegenüber jedoch nichts anmerken.
»Nun, Sie haben es gehört, Herr Kaminski. Familie Hofer hat sich entschieden.«
»Aber das ist doch …« Der Maßanzug des Mittvierzigers schien beinahe aus seinen Nähten zu platzen, als dieser sich aufplusterte und sein Gesicht die Farbe einer Tomate annahm. »Das ist ja wohl die Höhe. Wie können Sie es wagen? Wir haben Ihnen ein mehr als faires Angebot gemacht.«
Leonard schmunzelte. »In Anbetracht der Pläne zu dem neuen Golfplatz wäre ich an Ihrer Stelle mit dem Wort fair ein wenig vorsichtiger.«
»Ich … Ich …« Hilflos blickte sich der Mann um, doch auch seine Frau schien wie vom Donner gerührt. Aufgebracht setzte er zum Rückzug an. »So etwas ist mir ja noch nie passiert. Komm, Liebling, wir gehen.« Ehe er aus der Tür verschwand, drehte er sich noch einmal zu dem Immobilienmakler um. »Und mit Ihnen sind wir fertig. Wir werden uns nach einem kompetenteren Makler umsehen.« Er zog seine Frau hinter sich her und ließ die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss fallen.
»Die sind wir los.« Leonard klatschte in die Hände und stieß sich vom Tisch ab. »Oma hatte im Küchenschrank immer noch eine Geheimration Kräuterschnaps. Möchte jemand einen?« Sämtliche Hände schossen in die Höhe und Leonard trottete in die Küche, die an das Ladenlokal anschloss.
Während er die Schränke durchstöberte, öffnete sich die Eingangstür erneut und eine junge Frau trat ein. Sie wirkte nervös und auch ein wenig verstört. Ihre langen braunen Haare waren zerzaust, Laub hatte sich darin verfangen. Und an ihren polierten Lackschuhen klebten Dreckklumpen.
*
»Entschuldigen Sie bitte die Störung. Mein Name ist Viktoria Beck. Ich habe hier einen Termin mit Herrn Lindner.«
Ein stattlicher Mann mit grauen Schläfen im noch vollen Haar trat auf sie zu, reichte ihr die Hand und stellte sich Vicky als Frank Lindner vor.
»Frau Beck, sehr angenehm.« Er bat sie, weiter einzutreten, und deutete zu den Personen, die sich ebenfalls im Raum befanden. »Darf ich Sie auch gleich mit Familie Hofer bekannt machen? Familie Hofer gehört dieses Anwesen und sie suchen nach guten Händen, in die sie dieses historische Gebäude übergeben können.«
Vicky nickte Familie Hofer zu, dann begannen ihre Augen zu leuchten, als sie sich langsam drehte und sich ein erstes Mal umsah. Sie hatte selten einen Raum mit so viel Charme gesehen. Allein die alte Einrichtung hatte es ihr sofort angetan. Wenn es die Liebe auf den ersten Blick gab, dann erlebte sie sie in diesem Moment.
»Leo, kannst du mal kurz kommen.« Die jüngere der beiden Frauen – Vicky schätzte sie ein wenig älter als sie selbst ein – rief in den Nebenraum.
Vickys Blick folgte dem Geklapper, das von dort zu ihnen drang. Als eine dunkle Gestalt im Türrahmen erschien, hörte ihr Herz für einen Augenblick auf zu schlagen. Sie musste in eine Art Schockzustand gefallen sein, denn sie konnte sich keinen Millimeter bewegen. Nicht einmal, als der Mann auf sie zukam und dicht vor ihr stehen blieb.
»Sie? Was um alles in der Welt haben Sie sich dabei gedacht, einfach loszurennen? Das Wildschwein hat postwendend zur Jagd auf Sie angesetzt.« Er sah wütend aus. »Nun?«
»I-ich …«
Plötzlich dämmerte es Vicky, dass sie es nicht mit einem Gewaltverbrecher zu tun gehabt hatte, sondern nur mit einem kaltblütigen Tierkiller, dem sie an diesem Tag in die Quere gekommen war.
»Ist Ihnen schon einmal in den Sinn gekommen, dass ich nicht vor dem Tier, sondern vor Ihnen geflüchtet sein könnte?«
»Was? Vor mir?« Der grimmige Kerl wirkte jetzt verwirrt.
»Wie würden Sie sich fühlen, wenn eine wildfremde, vermummte Person im Wald auf sie zukommt und noch dazu bewaffnet ist? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie viel Angst ich hatte?«
»Sie hatten Angst vor mir und nicht vor dem Wildschwein?«
»Natürlich hatte ich auch vor dem Wildschwein Angst, aber das hätte mich wenigstens nicht erschießen können.«
»Lasst mich raten. Ihr seid euch schon einmal begegnet.« Die ältere der beiden Frauen trat zu dem Mann und legte ihre Hand auf seine Schultern. »Frau Beck, glauben Sie mir: Mein Sohn würde Ihnen nie ein Leid zufügen.«
Das war also Frau Hofer. Der unliebsame Tierkiller war demnach ihr Sohn und die beiden anderen, die vor sich hin grinsten, seine Geschwister.
Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch seine Mutter kam ihm zuvor und bat ihn, für Vicky ein weiteres Schnapsglas aus dem Küchenschrank zu holen.