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Das Leben von Jana Reichenbach wird mächtig durcheinandergewirbelt, als sie die Nachricht erhält, dass sie ihr Schicksal als Adoptivkind mit jemandem teilt. Kurzentschlossen sagt sie ihre lang geplante Studienreise ab und nimmt für ein halbes Jahr einen Job als Grundschullehrerin an, um in der Nähe ihres leiblichen Bruders zu sein und um ihn endlich kennenzulernen. Doch schon am ersten Tag ihrer Ankunft gerät sie ins Visier des charmanten und äußerst attraktiven Polizisten Dominik, der sie auf frischer Tat bei einem vermeintlichen Einbruch ertappt. Die Missverständnisse nehmen ihren Lauf, doch täuschen sie nicht über die magische Anziehung und das gewaltige Knistern zwischen ihnen hinweg. Wird Jana am Ende den Mut aufbringen, ihrem Bruder David die Wahrheit zu sagen und damit ihrer Liebe zu Dominik eine Chance zu geben?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Jana wächst als Adoptivkind in behüteten Verhältnissen auf. Sie liebt ihre Eltern von ganzem Herzen, doch über viele Jahre hinweg stellt sie sich die Frage, ob es jemanden gibt, der ihr Schicksal teilt. Als sie endlich den Mut aufbringt, einen Privatdetektiv zu engagieren, erhält sie endlich Gewissheit: Sie hat einen Bruder – und nichts kann sie jetzt noch davon abhalten, ihn kennenzulernen. Wagemutig nimmt Jana vertretungsweise einen Job als Grundschullehrerin an, der sie in die Nähe ihres Bruders führt. Doch schon am ersten Tag ihrer Ankunft gerät sie ins Visier der Polizei. Der charmante und äußerst attraktive Polizist Dominik Hagen ertappt sie auf frischer Tat bei einem vermeintlichen Einbruch. Nur dass alles nicht so ist, wie er denkt und Jana nicht weiß, wie sie ihm erklären soll, dass sie keine Straftat begangen hat …
Schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen ist Dominik von Jana fasziniert. Die zierliche Person mit dem kleinen Schwips, die ihn mit schlagfertigen Argumenten davon überzeugt, dass sie keine Einbrecherin ist, weckt seine Neugier. Doch so ganz wird er aus der wunderschönen Lehrerin und ihrem Verhalten nicht schlau. Irgendetwas verheimlicht sie ihm. Hat sie es am Ende auf seinen frisch verheirateten Freund David abgesehen?
»Ihr seid mein Schicksal!«
Finny & Ludwig
Janas Hand zitterte, als sie nach dem großen braunen Umschlag griff, den ihr der Kurierfahrer entgegenhielt.
»Alles in Ordnung?« Die Stimme des Mannes klang weniger besorgt als skeptisch, sein Blick war irritiert.
Sie deutete ein kurzes Nicken an, nahm das Kuvert und stieß den Atem aus, als wäre sie gerade einen Marathon gerannt. »Vielen Dank.«
Routiniert hielt der Kurier ihr eine Art Handy unter die Nase. »Sie müssen noch unterschreiben.«
»Natürlich.« Da ihr kein Stift angeboten wurde, fuhr sie mit dem Zeigefinger über das Display und war wenig verwundert, dass die Kritzelei kaum etwas mit ihrer Unterschrift zu tun hatte und sie vielmehr an die ersten Schreibversuche ihrer Schüler erinnerte.
Kein weiteres Wort, kein Gruß – der Kerl drehte auf dem Absatz um und ging davon.
»Ja, Ihnen auch noch einen schönen Tag«, brummte sie frustriert vor sich hin.
Mit einem kleinen Stoß fiel die Wohnungstür ins Schloss und sie blieb allein zurück. Nur sie und der Umschlag, der ihr die erhofften Antworten liefern sollte. Doch war sie bereit dafür? Was, wenn das Geheimnis besser unerforscht bleiben sollte? Würde sie das Kuvert öffnen, gäbe es kein Zurück mehr. Dann würde sie endlich wissen, mit wem sie ihr Schicksal teilte. All die Wochen, Monate und Jahre des Wartens hätten ein Ende.
Gerade als sie ihren Mut zusammennahm, kamen ihr ihre Eltern in den Sinn. Was würden die beiden dazu sagen? Wären sie sehr verletzt, dass sie ihnen nicht früher von ihrer Suche erzählt hatte? Vielleicht sollte sie besser zuerst mit ihnen sprechen?
»Jana Reichenbach, sei einmal in deinem Leben mutig!«
Ihr Finger glitt unter die selbstklebende Lasche des Briefumschlags und löste ihn. Zunächst unsicher, dann riss sie immer schneller daran, bis sie einen Blick auf den Inhalt werfen konnte. Sie zog die Schriftstücke heraus und ließ das Kuvert achtlos auf den Boden fallen, während sie den Inhalt überflog. Ihre Augen verharrten erst, als sie einen Namen entdeckte. Sie erschauderte und mit einem Mal schossen unaufhaltsam Tränen aus ihren Augen. David Hofer!
Jana schloss die Augen und atmete tief ein. In der kleinen, hellen Ferienwohnung roch alles noch neu. Ihre Unterkunft war frisch renoviert und eingerichtet worden. Ihr kam es wie ein Wink des Schicksals vor, dass sie die Erste war, die dieses kleine Juwel auf der Website des Immobilienmaklers gefunden hatte.
Die Wohnung war genau das, was sie gesucht hatte. Überschaubar groß, im Kostenrahmen, möbliert und für die nächsten sechs Monate verfügbar. Perfekt!
»Entschuldigen Sie bitte, dass meine Tochter wie ein Wirbelwind durch Ihr neues Zuhause fegt, aber mein Vater hat mir leider sehr kurzfristig von der Besichtigung erzählt, weshalb ich mich nicht mehr um einen Babysitter kümmern konnte.«
Mit einem Lächeln auf den Lippen sah Jana dem kleinen Mädchen hinterher, das um den hellbeigen Lesesessel herumrannte und begeistert ihren Teddybären in die Luft warf.
»Das ist schon in Ordnung. Ich habe Kinder sehr gern. Und Ihre kleine Tochter ist ein ganz besonderer Sonnenschein.«
»Nett, dass Sie das sagen. Nur manchmal wäre es nicht verkehrt, wenn sie einen Gang herunterschalten würde.«
»Wie alt ist sie denn?«
»Fünfzehn Monate. Im Juni feierten wir ihren ersten Geburtstag. Seitdem will sie unaufhaltsam die Welt erkunden.«
Kaum hatte die Mutter ausgesprochen, griff das Mädchen nach einem Kerzenständer aus Glas und hielt ihn begeistert in die Höhe, als wäre er eine Trophäe.
»Annie Hofer, das gehört dir nicht. Stell es bitte wieder zurück auf den Tisch.«
Janas Herz drohte in ihre Hose zu rutschen. Hatte sie gerade richtig gehört? Hofer?
»Annie Hofer? Sagten Sie nicht, Sie heißen Lindner? Leni Lindner?«
»Wie?« Die Frau sah Jana irritiert an. »Ach so. Ja, mein Name ist Lindner. Mein Mann, ähm also nein, mein Freund, der Vater von Annie und ich haben beschlossen, dass sie gleich zur Geburt seinen Namen erhalten soll. Damit ist die Kleine mir schon einen großen Meilenstein voraus.«
»W-wie meinen Sie das?« War es möglich, dass allein der Name Hofer Jana schon derart aus der Fassung bringen konnte?
»Nun, Annie heißt bereits Hofer.« Sie lachte. »Bei mir dauert es noch zwei Wochen, bis ich endlich den Namen des Mannes trage, den ich von ganzem Herzen liebe.«
»I-ich verstehe nicht.«
»Das ist doch ganz einfach: Ich werde heiraten.« Lenis Strahlen ließ keinen Zweifel daran, wie glücklich sie über die Tatsache war. »Nach langer Zeit werde ich endlich die Frau von David Hofer.«
Kaum hatte die junge Mutter ihren Satz beendet, drohten Janas Knie nachzugeben. Leni Lindner wollte David Hofer heiraten? Und das zauberhafte kleine Mädchen, das durch ihr neues Zuhause tobte, war die Tochter der beiden?
Haltsuchend krallte sich Jana an der Rückenlehne des Esszimmerstuhles fest. Konnte das sein? Sie war noch nicht einmal eine Stunde hier und hatte bereits die zukünftige Frau von David und seine Tochter kennengelernt?
»Ist Ihnen nicht gut? Sie wirken so blass.« Besorgt legte Leni eine Hand auf ihren Oberarm und sah sie fest an, ehe das Geräusch von zerberstendem Glas sie erschrocken aufhorchen ließen.
Annie hatte den Kerzenleuchter versehentlich fallen lassen und stand nun in einem Scherbenmeer. Ihr Mund zitterte verdächtig und Jana war sich sicher, dass jeden Augenblick das Sirenengeheul losgehen würde.
»Danke, meine Kleine«, richtete sie ihre Worte an das Mädchen. »Der war überhaupt nicht schön. Gut, dass wir ihn losgeworden sind.« Sie streckte ihr die Hand entgegen. »Möchtest du zu uns kommen? Dann können wir die Scherben wegräumen, damit du weiterspielen kannst.«
Annie sah sie argwöhnisch an, raste auf ihre Mutter zu und versteckte sich hinter ihren Beinen.
»Sie haben ein tolles Gespür für Kinder.«
»Danke.« Jana lächelte und war gleichzeitig erleichtert, dass der unerwartete Vorfall sie abgelenkt hatte. »Wissen Sie zufällig, ob es in der Wohnung schon eine Kehrgarnitur gibt?«
»Im kleinen Abstellraum in der Diele müsste alles zu finden sein. Aber bitte«, sie bedeutete Jana, stehenzubleiben, »ich mache das. Schließlich sind wir für den Scherbenhaufen verantwortlich.«
»Das müssen Sie nicht tun, Frau Lindner. Die Kleine hat sich erschreckt. Sie würde Ihnen in die Scherben hinterherrennen. Ich mach das gleich in aller Ruhe.«
»Das ist sehr lieb von Ihnen. Vielen Dank. Die Schule kann sich glücklich schätzen, dass sie Sie als Vertretung für Frau Mendel gefunden haben. Die Kinder werden Sie lieben.«
»Das will ich hoffen, sonst sind die nächsten Monate sowohl für die Kinder als auch für mich sehr lang.«
»Und ich kann Ihnen wirklich nicht helfen und zur Hand gehen?«
»Nein, wirklich nicht. Annie musste schon viel zu lang hier ausharren. Und falls noch etwas sein sollte, habe ich ja Ihre Nummer.« Sie deutete auf die Visitenkarte, die auf dem Küchentisch lag.
»In Ordnung. Aber erlauben Sie mir, Sie als kleine Wiedergutmachung für den Scherbenhaufen bei nächster Gelegenheit unten ins Dorfcafé einzuladen. Wir haben zwei großartige Konditorinnen, die dürfen Sie sich nicht entgehen lassen. Eine von ihnen ist meine zukünftige Schwägerin Vicky. Ihr und ihrem Mann Leonard gehört das Gebäude hier. Die Zweite im Bunde ist Eva Winter. Sie und Vicky sind Geschäftspartnerinnen und Eva betreibt das Café, das sich unten im Haus befindet. Ich habe ihr schon Bescheid gegeben, dass Sie heute einziehen werden. Also erschrecken Sie nicht, wenn sie in Kürze an Ihrer Wohnungstür klingeln wird.«
»Danke für die Vorwarnung.«
»Melden Sie sich einfach, wenn Sie noch etwas brauchen.«
»Das werde ich tun.«
Nachdem Jana kurze Zeit später die Wohnungstür hinter Leni und Annie verschlossen hatte, lehnte sie sich mit der Stirn gegen das kühle Holz. Dies war nicht das erste Mal, dass sie ihre Entscheidung hinterfragte. Vielmehr wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass es nun kein Zurück mehr gab.
Seufzend stieß sie sich ab, öffnete die Tür zum Abstellraum und nahm die Kehrgarnitur an sich. Je früher sie die Scherben beseitigt hatte, umso schneller konnte sie mit dem Entladen ihres Wagens beginnen und umso früher würde sie die Sektflasche öffnen, die ihre Eltern ihr eingepackt hatten.
Auf den Schrecken der Erkenntnis, dass sie soeben völlig unvorbereitet ihre zukünftige Schwägerin und ihre Nichte kennengelernt hatte, war sie durchaus gewillt, nicht erst bis zum Abend zu warten, um die Flasche zu öffnen. Wobei ihr etwas Stärkeres lieber wäre, auch wenn sie wusste, dass sie Alkohol nicht vertrug.
Heute würde sie das aber nicht stören. Schließlich galt es, erst einmal die Information zu verdauen.
*
»Du musst es mir versprechen. Hörst du, Onkel Dominik? Versprich es mir.«
Ein Lächeln huschte über Dominiks Gesicht, als er am anderen Ende der Leitung die Vehemenz in der Stimme seiner Nichte hörte, die darauf bestand, dass er sie am Tag ihrer Einschulung unbedingt begleiten musste.
»In Ordnung, ich verspreche es dir.«
»Cool. Können wir mit dem Polizeiwagen fahren?«
Dominik lachte. Weshalb war er nicht schon früher darauf gekommen, dass Lea gern mit dem Polizeiwagen vorfahren wollte? Vermutlich in der vollen Absicht, gleich für geordnete Verhältnisse auf dem Schulhof zu sorgen.
»Du weißt, dass das nicht geht.«
»Menno.«
»Bin ich trotzdem willkommen?«
»Ja.«
Bei der freudigen und erwartungsvollen Stimme seiner Nichte ging sein Herz auf.
»Du brauchst auch kein Geschenk mitbringen.«
Er lachte ein weiteres Mal. »Und was ist, wenn ich schon eines gekauft habe?«
»Das ist nicht schlimm. Du kannst es trotzdem mitbringen.«
»Puh, dann bin ich ja erleichtert. Ich hätte sonst nicht gewusst, was ich damit machen soll.« Sein Blick glitt zum Armaturenbrett. »Sag mal, müsstest du nicht schon längst im Bett sein? Es ist fast neun Uhr und draußen ist es dunkel. Weiß Mama überhaupt, dass du mich anrufst?«
»Ähm, nein.«
»Dann aber ab mit dir ins Bett, Prinzessin Lea. Und lass dich nicht von Mama erwischen.«
Bei ihrem Kichern wurde ihm ganz warm ums Herz.
»Gute Nacht, Onkel Dominik. Ich hab dich lieb.«
»Gute Nacht, Prinzessin. Ich hab dich auch lieb.«
Wer hätte gedacht, dass sein stressiger Arbeitstag mit einem so wunderschönen Telefonat enden würde. Den ganzen Tag über hatte er es nur mit übelgelaunten Menschen zu tun gehabt, die ihn beschimpften. Ob das nun der Nachbarschaftsstreit gewesen war, zu dem er und sein Kollege Markus gerufen worden waren, um zu schlichten, oder der Verkehrsunfall, bei dem jeder Unfallbeteiligte versucht hatte, dem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Stundenlang hatte er sich das Genörgel der Menschen angehört und alles über sich ergehen lassen. Nun war er froh, wenn er endlich zu Hause war und seine Uniform gegen bequeme Klamotten tauschen konnte. Dazu ein kühles Bier auf dem Sofa genießen und der Tag würde doch noch entspannt ausklingen. Von diesem Hoffnungsschimmer getragen, lenkte er den Polizeiwagen sicher durch das Dorf. Es war nicht mehr weit bis zu dem Haus, wo er eine Wohnung angemietet hatte.
Sein Weg führte ihn am Dorfcafé vorbei, das dunkel und verlassen dalag. Vielleicht war genau das der Grund, warum ihm sofort die Person auffiel, die auf umständliche Art und Weise versuchte, am Balkon hochzuklettern.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt: Ein Einbruch!
Ein Einbruch? Unmöglich! Kein Einbrecher würde derart tollpatschig und stümperhaft im Licht der Laterne versuchen, in eine Wohnung einzusteigen.
»Bye, bye, Feierabend«, sagte Dominik zu sich selbst und parkte den Wagen vor dem Dorfcafé. Er ging am Gebäude vorbei, zum Seiteneingang, wo die Gestalt kopfüber im Winkelstück des Fallrohrs der Dachrinne hing. Zu sehen waren nur dunkle lange Haare und ein schmaler Körper, der definitiv einer Frau gehören musste.
»Kann ich Ihnen helfen?«
»Hääää?«
Auch das noch. Eine Betrunkene. »Ich fragte, ob ich Ihnen behilflich sein kann?«
»Ich will nach Hause.«
»Und wo ist ihr Zuhause?«
»Da oben.«
»Sind Sie sicher?«
Die Frau schnaubte. »Ich bin vielleicht betrunken, aber nicht blöd.«
»Können Sie sich ausweisen?«
»Sehe ich aus, als hätte ich eine Handtasche dabei?«
»Ähm …«
»Ja, ähm. Und jetzt helfen Sie mir bitte hier herunter, damit ich die Polizei anrufen kann. Oder besser die Feuerwehr? Wer bricht eigentlich Türen auf?«
»Einbrecher.«
»Witzbold.«
Dominiks Brust bebte und er unterdrückte den Drang, laut loszulachen. Wer auch immer die Fremde war, sie hatte Sinn für Humor. Hilfsbereit streckte er seine Arme aus. »Kommen Sie, ich halte Ihre Beine und Sie versuchen, sich wieder aus der kleinen Lucke zu befreien.«
»Ich kann nicht.«
»Natürlich können Sie das.« Er umfasste ihre Beine und hob sie ein Stück an. »Ich bin hier und halte Sie. Sie werden nicht fallen.«
Fallen konnte sie in der Tat nicht, doch weil sie herumzappelte, hatte Dominik alle Hände voll zu tun.
»Wenn Sie mich fallen lassen, werde ich Sie verklagen.«
»Tun Sie das.« Er ersparte sich ihr gegenüber festzustellen, dass er sie auf frischer Tat bei einem vermeintlichen Einbruch ertappt hatte. »Was ist nun? Lassen Sie endlich los?«
Ungelenk befreite sich die Frau aus der unbequemen Situation und beim Klang der knarzenden Dachrinnenhalterung befürchtete Dominik bereits das Schlimmste. Doch gegen seine Erwartung hielt die Befestigung.
Vorsichtig ließ er sie heruntergleiten, penibel darauf bedacht, sie möglichst nicht unsittlich zu berühren. Er wäre schließlich nicht der erste Polizeibeamte, dem man aus seiner Hilfsbereitschaft einen Strick drehen würde. Dem Umstand geschuldet, dass ihr Top zwischen ihrem Oberkörper und der Dachrinne eingeklemmt war, gab es Dominik den Blick auf ihren flachen Bauch frei, wo sich direkt neben ihrem Bauchnabel ein Muttermal befand, das die Form einer Birne besaß.
Kaum hatte die Fremde wieder sicheren Boden unter den Füßen, schoss ihr Kopf hoch und sie funkelte ihn an. »Prima. Jetzt bin ich hier unten. Ich wollte doch aber da hoch.« Sie deutete frustriert zum Balkon, um deutlich zu machen, dass sie mit der Situation in keiner Weise glücklich war.
Ihre dunklen Augen glänzten rebellisch, während sie die Arme bockig vor ihrer Brust verschränkte. Sie rümpfte die Nase und Dominik zeigte sich fasziniert von den kleinen Sommersprossen in ihrem Gesicht, die er im Licht der Straßenlaterne entdecken konnte.
»Das mag ja alles gut und recht sein, aber ich kann Sie nicht einfach in die Wohnung lassen. Kann jemand bezeugen, dass Sie seit Neuestem hier wohnen?«
»Bezeugen?«
»Ja. Wer hat Ihnen die Wohnung vermietet? Eva Winter? Vicky Hofer? Oder …«
»Leni Lindner.«
»Wir kommen der Sache langsam näher. Jetzt sollten Sie mir nur noch Ihren Namen verraten.«
»Der geht Sie überhaupt nichts an.«
Er ersparte sich, zu erwähnen, dass er sie jederzeit mit auf die Wache nehmen könnte, wo sie ihren Schwips ausschlafen könnte. Stattdessen nahm er sein Handy aus der Hosentasche und wählte Lenis Nummer, in der Hoffnung, er würde Annie nicht aufwecken.
»Hey, Bulle, warum rufst du um diese Zeit noch meine zukünftige Frau an? Muss ich mir Sorgen machen?« Davids Stimme wechselte von erheitert zu besorgt. »Nein, im Ernst. Muss ich mir Sorgen machen? Ist was passiert, Dominik? Nun red schon.«
»Nichts ist passiert, David. Keine Sorge.«
Er hörte das gequälte Stöhnen der Fremden, die sich augenblicklich abwandte und zielstrebig auf das Kellerfenster zuhielt. Sie würde es doch nicht einschlagen? Mit festem Griff packte er ihre Hand und zog sie ein paar Schritte zurück. Sicher war sicher.
»Weißt du zufällig, ob eine der Wohnungen oben im Dorfcafé vermietet wurde?«
»Ja, Leni hat sie heute an die neue Grundschullehrerin vermietet. Jana Soundso – sorry, ich habe ihren Namen vergessen. Warum fragst du?«
»Ach, ich war nur verwundert, weil dort oben Licht brannte.«
»Einmal Bulle, immer Bulle. Hast du nicht längst Feierabend? Wie wäre es, wenn du noch auf ein Bier vorbeikommst?«
Wie gern hätte er Ja gesagt. Doch bis er Jana Soundso endlich in der Wohnung hatte, wäre es vermutlich zu spät für einen Absacker.
»Ein anderes Mal gern.«
»Schade. Aber wir sehen uns ja spätestens zur Hochzeit.«
»Genau. Machs gut bis dahin und grüß Leni und die Kleine von mir.«
»Ciao, Commissario.«
Dominik steckte das Handy zurück in seine Hosentasche und beäugte Jana, deren Hand er noch immer festhielt. Als hätte er sich verbrannt, ließ er von ihr ab und deutete zum Balkon.
»Da mir Ihre Identität gerade mehr oder weniger bestätigt worden ist, werde ich mal nicht so sein, und Sie in die Wohnung lassen. Bleiben Sie einfach hier stehen, ich öffne Ihnen gleich die Eingangstür.«
Dominik stieg über ein paar Querbalken zum Balkon hoch und schwang sich über das Geländer. Die Tür war nur angelehnt, weshalb er problemlos eintreten konnte. Ein großer Koffer und eine Reisetasche standen herum und er entdeckte die geöffnete Sektflasche auf dem Küchentisch. Alles klar.
Kopfschüttelnd und durchaus amüsiert verließ er die Wohnung und ging zurück ins Erdgeschoss, wo er die Eingangstür öffnete und Jana direkt gegenüberstand.
»Verraten Sie mir noch, was Sie hier unten wollten?«
»Ich war mir nicht sicher, ob ich mein Auto abgeschlossen habe, und der Sender funktionierte nicht vom Balkon aus.«
Seufzend fuhr sich Dominik durch die Haare. »Und?«
Es geschah exakt das, was er befürchtet hatte: Jana zog einen Schlüsselbund aus ihrer Hosentasche und ließ das Auto ein paar Meter entfernt aufblinken. Jeglichen Kommentar darüber, ob sich eventuell auch der Wohnungsschlüssel am Schlüsselbund befand, verkniff er sich. Stattdessen trat er zur Seite und bat sie, einzutreten.
»Seien Sie das nächste Mal ein wenig umsichtiger, wenn Sie sich von etwas vergewissern wollen.«
»Das mache ich, Herr Oberkommissarwachtmeister. Gute Nacht.«
»Gute Nacht, Jana Soundso.«
Sie sah ihn überrascht an, als sie ihren Namen hörte und schenkte ihm ein Lächeln, das ihm durch und durch ging.
Da er auf seinem Weg zur Arbeit öfter am Dorfcafé hielt, um sich einen Kaffee und etwas Süßes zu holen, würde er Jana vermutlich bald schon wiedersehen. Spätestens jedoch zur Einschulung von Lea in der kommenden Woche konnte er sich eines Aufeinandertreffens sicher sein.
»Hey, Jana. Wie geht es dir? Bist du schon aufgeregt und bereit für deinen großen Tag morgen?«