Ketzer, Chemtrails und Corona - Ingo Grabowsky - E-Book

Ketzer, Chemtrails und Corona E-Book

Ingo Grabowsky

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Beschreibung

Die mysteriöse Welt der Verschwörungstheorien  Lenken Illuminaten oder Freimaurer die Geschicke der Welt? Vergiften uns Regierungen mit Chemtrails oder Barcodes? Gerüchte um Verschwörungstheorien und Geheimbünde gibt es vermutlich, seitdem Menschen zusammenleben. Den einen belustigen, den anderen erschrecken sie. Ignorieren sollte sie gerade in Zeiten von "Fake News" und Internet-Filterblasen niemand. Dr. Ingo Grabowsky hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und schließlich eine Ausstellung dazu kuratiert.  Wie und woran erkenne ich eine Verschwörungstheorie?  In diesem Buch erhalten Sie Antworten auf die Fragen, wie man eine Verschwörungstheorie erkennt, was sie von echten Verschwörungen unterscheidet und wie Verschwörungstheorien überhaupt funktionieren. Daneben werden einige der größten Theorien besprochen, von Sodomie und Hostienfrevel im Mittelalter, über die jüdische Weltverschwörung bis hin zur nicht stattgefundenen Mondlandung, um daran zu zeigen, wie wir im heutigen Zeitalter mit Verschwörungstheorien umgehen und sich zu fragen, ob wir nicht sogar aus ihnen lernen können.  -  Geheimbünde und mysteriöse Orden vom Profi betrachtet  -  Wissenswertes zu aktuellen Theorien – von Chemtrail bis Chronavirus -  Wie erkenne ich eine Verschwörungstheorie?   -  Was unterscheidet sie von echten Verschwörungen?   -  Wie funktionieren Verschwörungstheorien? 

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Ingo Grabowsky

Ketzer, Chemtrails und Corona

Die mysteriöse Welt der Verschwörungstheorien und Geheimbünde

Ingo Grabowsky

Ketzer, Chemtrails und Corona

Die mysteriöse Welt der Verschwörungstheorien und Geheimbünde

HEEL

Impressum

HEEL Verlag GmbH

Gut Pottscheidt

53639 Königswinter

Tel.: 02223 9230-0

Fax: 02223 9230-13

E-Mail: [email protected]

Internet: www.heel-verlag.de

© 2020 HEEL Verlag GmbH

Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen, behält sich der Herausgeber vor. Es ist ohne schriftliche Genehmigung des Verlages nicht erlaubt, das Buch und Teile daraus auf fotomechanischem Weg zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer bzw. mechanischer Systeme zu speichern, systematisch auszuwerten oder zu verbreiten.

Autor: Ingo Grabowsky

Projektleitung: Hannah Kwella

Lektorat: Elisabeth Lewerenz

Satz und Gestaltung: Ralph Handmann

Bildnachweis:

© Adobe Stock: carloscastilla (S. 4), peterschreiber.media (S. 6), dachux21 (S. 9), markus dehlzeit (S. 10), ruskpp (S. 16), Erica Guilane-Nachez (S. 17), AVTG (S. 28), Engineer (S. 42), Emilio Ereza (S. 49), dimazel (S. 110), dottedyeti (S. 113), elen31 (S. 117), Jean-Marie MAILLET (S. 121), Ulf (S. 130), xiaoliangge (S. 134), phichak (S. 141), lotusa (S. 142), ink drop (S. 144), David Edwards (S. 152)

© Dr. Klaus Waschik | www.russianposter.ru: S. 95

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© Stiftung Kloster Dalheim. LWL-Landesmuseum für Klosterkultur: S. 7, S. 25, S. 32, S. 35, S. 40, S. 55, S. 76, S. 78, S. 86, S. 101, S. 104, S. 108, S. 119, S. 123, S. 137

© Wikipedia.de: S. 12, S. 15, S. 71

– Alle Rechte vorbehalten –

– Alle Angaben ohne Gewähr –

Printed in Latvia

ISBN: 978-3-96664-130-2

eISBN: 978-3-96664-161-6

INHALT

Einleitung

Klassische Vorbilder? – Verschwörungstheorien in der Antike

Sodomie und Hostienfrevel? – Das Mittelalter

Phantastische Anfänge und weltkluge Berechnung – Die Jesuiten

Heimliche Streiter für Weisheit und Tugend – Freimaurer, Rosenkreuzer und Illuminaten

Prager Friedhöfe und Berner Prozesse – Die Protokolle der Weisen von Zion

Der „Dolchstoß“ und die Folgen – Verschwörungstheorien zwischen den Kriegen und im Nationalsozialismus

Festung der Würdigen – Verschwörungstheorien in der Sowjetunion

Von Käfern und Kraken – Verschwörungstheorien im Kalten Krieg

Nicht von dieser Welt – Verschwörer aus dem All

Brandgefährlich – Politische Verschwörungstheorien heute

Gekaufte Wissenschaft? – Chemtrails, Corona und der Antichrist

Schluss: Verschwörungstheorien und Eliten

Dank

Weiterführende Literatur

Namensregister

Einleitung

Realität ist etwas für Menschen, die mit Verschwörungstheorien nicht umgehen können. Gegenwärtige Ereignisse bestätigen die Gewissheit, dass sich Verschwörungstheorien auch in einer Zeit, die sich eigentlich für aufgeklärt hält, so schnell verbreiten können wie ein aggressives Virus. Sie verdrängen die Wirklichkeit und zeigen so, welche Gefahr von ihnen ausgehen kann, zumal es für Verschwörungstheorien mit Sicherheit nie eine wirksame Impfung geben wird.

Ob Wuhan, Bergamo, Gütersloh oder New York: Das Corona-Virus hält im Jahr 2020 die Welt im Griff. Hunderttausende sterben, die Wirtschaft leidet wahrscheinlich noch jahrelang an den Folgen der Pandemie. Museen schließen, Konzerte, Theateraufführungen und Fußballspiele werden abgesagt. Die bisher größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts ist eingetreten – und gebracht hat sie eine Katastrophe, die keinen Sinn zu haben scheint. Da die Stammtische sich nicht mehr treffen können, kursieren die Gerüchte stattdessen im Internet: Wer trägt die Schuld an diesem Unglück biblischen Ausmaßes? Verschwörungstheorien machen die Runde, um das zu deuten, was unerklärbar scheint. Der amerikanische Präsident Donald Trump, ein versierter Verschwörungspropagandist, macht Chinesen und Europäer für die Ausbreitung des Virus verantwortlich. In China sucht man den Sündenbock wiederum beim amerikanischen Geheimdienst. Medien aus den arabischen Staaten bleiben bei den üblichen Verdächtigen: Schuld sind ihrer Meinung nach die Juden, in Kooperation mit den Vereinigten Staaten. Ungewöhnlich an den Verschwörungstheorien rund um Corona ist höchstens, wie viele von ihnen sich um dieses eine Thema ranken und wie wenig diese miteinander zusammenzuhängen scheinen. Über kurz oder lang wird sich jedoch – das ist beinahe sicher – jemand finden, der die unterschiedlichen Erzählstränge miteinander verbindet.

Eine Erfindung böser Mächte? Corona-Viren bedrohen die Gesellschaft in mehrfacher Hinsicht

Zur Schau gestellt: Blick in die Sonderausstellung „Verschwörungs-theorien - früher und heute“ im LWL-Museum Kloster Dalheim

Das Virus an sich mag neu sein, doch Verschwörungstheorien, die den Ausbruch von Seuchen begreiflich machen sollen, sind es nicht. Bereits in der Antike und im Mittelalter wurde auf diese Methode der Welterklärung zurückgegriffen.

Was ist eine Verschwörungstheorie?

Ob beim Blick in die Fernsehnachrichten oder in die Zeitung, auch schon vor der Corona-Pandemie begegneten uns Verschwörungstheorien beinahe täglich. Der Philosoph Karl Popper prägte den Begriff in seinem 1945 erschienenen Werk über Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Verschwörungstheorien behaupten, so Popper, dass alle „Kriege, Arbeitslosigkeit, Armut, Mangelerscheinungen“ auf einen Plan „von Seiten gewisser mächtiger Individuen oder Gruppen“ zurückzuführen sind. Hinter jedem auch noch so unbedeutendem nachteiligen Ereignis stecke demnach eine Bande von Verschwörern, die versucht, das Land oder auch die ganze Welt zu kontrollieren.

Heute unterscheiden Wissenschaftler zwischen unterschiedlichen Kategorien des Verschwörungsdenkens: Ereignisverschwörungstheorien vermuten eine Gruppe von Verschwörern hinter einem klar abgrenzbaren, einzelnen historischen Ereignis. Der Mord an John F. Kennedy oder auch die Anschläge des 11. September sind Beispiele dafür. Systemverschwörungstheorien hingegen gehen davon aus, dass eine Gruppe von Verschwörern über einen langen Zeitraum im Geheimen agiert und versucht, die Macht zu erringen oder zu verteidigen. Illuminaten, Juden oder Jesuiten sind angebliche Systemverschwörer.

Eine weitere Kategorie ist die Superverschwörungstheorie. Von einer solchen ist die Rede, wenn unterschiedliche Systemverschwörungstheorien miteinander verschmolzen werden, wenn etwa davon ausgegangen wird, dass Illuminaten, Freimaurer und Juden Hand in Hand arbeiten, um die Welt unter ihre Gewalt zu bringen. In der Praxis lassen sich diese Modelle nicht klar voneinander abgrenzen, denn häufig vermischen sich die unterschiedlichen Typen: Die meisten Unterstellungen zu den Anschlägen vom 11. September sehen hinter der angeblichen Ereignisverschwörung ein dunkles System, das dafür verantwortlich ist.

Ins Netz gegangen? Angebliche Verschwörer werden häufig mit Spinnen verglichen

Theorie ohne Wissenschaftlichkeit?

Nicht alle Forscher halten den Begriff „Verschwörungstheorie“ für geglückt. Manche Wissenschaftler empfehlen, stattdessen zwischen Verschwörungshypothesen, Verschwörungsideologien, Verschwörungsmythen und Verschwörungstheorien zu unterscheiden. Der Begriff Verschwörungstheorie ist in der Wissenschaft auch deswegen umstritten, weil es sich bei Theorien gemeinhin um rational begründete, wissenschaftliche Annahmen handelt. Verschwörungstheorien aber gaukeln Wissenschaftlichkeit lediglich vor.

Vereinzelt wird der Begriff aber aus ganz anderen Gründen kritisiert. So bezeichnete der französische Kulturphilosoph Michel Foucault Verschwörungstheorien als „disqualifiziertes Wissen“. Seiner Meinung nach würden Verschwörungstheoretiker automatisch als Paranoiker oder Extremisten abgestempelt und vom Mainstream abweichendes Denken würde durch den Begriff Verschwörungstheorie delegitimiert und disqualifiziert – eine Behauptung, die unserer Tage auch bei den Corona-Protesten zu hören ist. Damit ist gemeint: Vielleicht ist auch irgendetwas dran an der ein oder anderen Verschwörungstheorie. Insgesamt jedoch hat sich in der Wissenschaft die Auffassung Poppers durchgesetzt: Verschwörungstheorien sind nahezu sämtlich als Phantasieprodukte einzuordnen.

Verschwörungstheorien durch die Jahrhunderte

Der vorliegende Band erzählt die Geschichte des verschwörungstheoretischen Denkens von den Anfängen in der Antike bis in die unmittelbare Gegenwart. Die Geschichte der Verschwörungstheorien beginnt mit den Alten Griechen und Römern. Im Mittelalter wurde verschiedensten Gruppen wie Templern, „Hexen“ und Juden unterstellt, mit dem Teufel zu paktieren und Ketzerei zu treiben. Weltumspannende Gruppen wie Jesuiten oder Freimaurer gerieten in der Neuzeit ins Visier der Verschwörungstheoretiker. Grundlegend für die Staatsräson wurden Verschwörungstheorien in den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts, im Nationalsozialismus und im Kommunismus – mit tödlichen Folgen für Millionen von Menschen. Galten Verschwörungstheorien nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein als verpönt, erleben sie mit dem Siegeszug des Internets und mit dem Aufkommen mächtiger populistischer Bewegungen in vielen Ländern der Erde einen neuen Aufschwung: Der Glaube an Reptiloide, Chemtrails und eine angeblich nur erfundene Pandemie namens Corona richtet sich gegen die Demokratie, nicht zuletzt auch in Deutschland.

Geheime Zeichen? Zirkel, Winkelmaß und allsehendes Auge sind Symbole der Freimaurer

Klassische Vorbilder? – Verschwörungstheorien in der Antike

Biegsame Geschichtsschreiber, erfinderische Juristen, singende Kaiser, christliche Sündenböcke – und Verschwörungstheorien: In der Antike scheint alles schon einmal da gewesen zu sein, was uns bis heute begleitet. Aber sollten wir uns wirklich immer an den Klassikern ausrichten?

Verschwörungsdenken war bereits den Alten Griechen nicht fremd. Schon der Trojanische Krieg, den die Griechen als historisches Ereignis verstanden, rührt aus einer Verschwörung der Götter. Und Verschwörungen prägten, glaubt man dem Dichter Homer, den Krieg selbst. Die Eroberung Trojas gelang durch die konspirative Idee, ein hölzernes Pferd voller Krieger in die Stadt zu schmuggeln. Auch in der als geschichtlich geltenden Welt der Griechen waren Verschwörungen oder die Rede davon an der Tagesordnung.

In der Rhetorik tauchten Verschwörungen ebenfalls häufig auf. Redner wie der gegen die aufkommende makedonische Macht kämpfende Athener Demosthenes operierten ausgiebig mit Verschwörungsunterstellungen. Diese richteten sich allerdings, anders als in der Gegenwart, nicht gegen anonyme, übermächtig scheinende Gruppen, die im Hintergrund die Fäden zogen. Vielmehr zielten die athenischen Oratoren mit ihren Unterstellungen auf konkrete Personen: Demosthenes etwa unterstellte seinen politischen Gegnern, heimlich mit König Philipp II. von Makedonien im Bunde zu sein. Weltverschwörungspläne gehörten nicht zum Repertoire der Vorwürfe, den angeblichen (oder tatsächlichen – das lässt sich heute kaum noch entscheiden) Verschwörern wurden stattdessen konkrete Ziele unterstellt. Auch in der Antike fanden Verschwörungstheorien besondere Resonanz in Krisensituationen – hier etwa infolge der Bedrohung der athenischen Freiheit durch Makedonien. Persönliches oder gesellschaftliches Unglück wurde auf Gruppen von Übelwollenden zurückgeführt.

Catilina, Cicero und Caesar – Die Römische Republik

In der späten Römischen Republik gesellten sich dann die Verschwörungstheorien zu den Verschwörungen. Zentrale Figuren in diesem Gewebe waren die Staatsmänner und Literaten Marcus Tullius Cicero und Caius Iulius Caesar. Beide wirkten Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Cicero, der etwas Ältere, verteidigte als Politiker und Literat die hergebrachte Römische Republik. Caesar hingegen räumte das alte System beiseite und schwang sich zum Alleinherrscher auf. Damit bereitete er den Weg für das römische Kaisertum, das die folgenden Jahrhunderte prägte.

Im Prinzip schien die politische Struktur in Rom zunächst nicht eben förderlich für Verschwörungen zu sein, denn Politik galt als res publica (lat. öffentliche Angelegenheit). Politische und juristische Entscheidungen wurden öffentlich diskutiert und entschieden, nächtliche Versammlungen waren verboten. Cicero zum Beispiel wohnte in einem Haus, das seinerzeit der Volkstribun Livius Drusus hatte erbauen lassen. Es war so konstruiert, dass alles, was er tat, „von jedermann beobachtet werden“ konnte.

Im Jahr 70 v. Chr. führte Cicero als Anwalt der Geschädigten einen Prozess gegen den ehemaligen Statthalter von Sizilien, Verres. Dieser hatte sich während seiner von 73 bis 71 dauernden Amtszeit brutal auf Kosten der Bevölkerung bereichert. Ciceros Reden gegen Verres werden als „Urtext des römischen Konspirationismus“ bezeichnet, denn Cicero habe Verres neben den tatsächlichen Vergehen außerdem Dinge unterstellt, die dieser nicht begangen habe. Unter anderem habe er ihn mit Hilfe „vermeintlich eindeutiger Zeugenaussagen und dubioser Deduktionen“ bezichtigt, Sklavenaufstände, die in Wirklichkeit gar nicht stattfanden, unterstützt zu haben. Diese Einordnung erscheint etwas überspitzt, denn vieles in den Verrinischen Reden Ciceros ist sicher Teil gerichtsüblicher Übertreibung und Effekthascherei, die vermutlich auch das Publikum als solche wahrnahm. Ohne Zweifel hatte Verres als Statthalter Siziliens bei der Ausbeutung der Provinz unzählige Verbrechen begangen. Vor allem hatte er die Zeit seiner Statthalterschaft dazu genutzt, seine zerrütteten Vermögensverhältnisse zu sanieren, indem er den Einwohnern der Insel Millionensummen abpresste. Zudem konnte Cicero in seiner Darstellung auf frische Ängste zurückgreifen, denn der Aufstand des Spartacus hatte ein Jahr vor dem Prozess Rom vielleicht nicht existentiell bedroht, so aber doch immerhin in erhebliche Aufregung versetzt.

Zunächst gelungen: Eine der berühmtesten Verschwörungen der Geschichte richtete sich gegen Iulius Caesar

Mag es also etwas übertrieben erscheinen, Cicero als Verschwörungstheoretiker zu sehen, so griff er in seinen Reden dennoch auf einen ausgeprägten Dualismus von Gut und Böse zurück: Den improbi (lat. die Bösen), den Feinden der Republik, standen die boni (lat. die Gutgesinnten) gegenüber – eine Polarisierung, die auch heutigem verschwörungstheoretischen Denken nicht fremd ist. Cicero wusste aber auch, dass seine Zuhörer jederzeit mit Komplotten rechnen mussten. Die von ihm aufgedeckte Verschwörung des Catilina, der sich das Amt des Konsuls durch eine Intrige verschaffen wollte, ist nur ein Beispiel für die Krise des römischen Staatswesens. Nicht zu Unrecht führte daher Ciceros Zeitgenosse, der Geschichtsschreiber Sallust, den Untergang der Republik auf den Verfall der Werte zurück. „Habgier und Machtstreben“ hätten die Oberhand gewonnen – und dieses Urteil fasst wohl tatsächlich die herrschende Mentalität unter der Oberschicht zusammen. Der Mord an Caesar gilt bis heute als Musterbeispiel einer erfolgreichen Verschwörung. Und doch bilden diese beiden Ereignisse, die Catilinarische Verschwörung gegen die Republik und das Komplott gegen den Diktator, der diese beerbt hatte, lediglich die Spitze des Eisbergs.

Der Mord an Caesar, die neben dem Oktoberputsch in Russland 1917 wohl berühmteste Verschwörung der Weltgeschichte, konnte die Republik jedoch nicht retten, zumal die Verschwörer für den Fall, dass sie erfolgreich sein würden, kein zielführendes Vorgehen durchdacht hatten. Fast mag es nicht ganz zutreffend sein, hier überhaupt von einer Verschwörung zu sprechen. Eingeweiht in den Plan, Caesar im Senat zu töten, waren über 60 Personen. Ihre Aktion sahen sie nicht als illegales Vorhaben, sondern als Akt, die legitime Ordnung wiederherzustellen. Daher tauschten sie keine Eide aus, legten nicht auf besondere Geheimhaltung wert und verschonten – das war vielleicht ihr größter Fehler – den amtierenden Konsul Mark Anton, Caesars vertrauten Mitstreiter.

Caesar selbst – psychisch und körperlich angeschlagen nach Jahrzehnten der Kriege gegen außen- und innenpolitische Feinde – sah sein Leben fatalistisch in Händen der Schicksalsgöttin Fortuna. Er wusste, dass er bedroht war, hielt entsprechende Gerüchte also nicht für eine Verschwörungstheorie. Dennoch traf er keine Maßnahmen zu seinem Schutz.

Und so war diese Verschwörung erfolgreich. Ein glückliches Unternehmen mag man sie dennoch nicht nennen. Weil die Beteiligten überfordert damit waren, die notwendigen weiteren Schritte zu durchdenken, und mit ihrem Tyrannenmord lediglich eine Schuld des Gewissens abzahlen wollten, scheiterte das wichtigste Ziel, nämlich die Wiederherstellung der alten Ordnung. Die unbeabsichtigte Folge der Verschwörung waren jahrelange neue Kriege und letztlich die Etablierung des römischen Kaisertums – ein Beispiel dafür, dass eine erfolgreiche Verschwörung nicht automatisch auch nach Plan läuft. Geschichte ist nicht planbar.

Der Bock als Gärtner – Nero und der Brand von Rom

Zwar wurde Rom mit der Einführung der Monarchie stabiler – Verschwörungen und Verschwörungstheorien blieben dennoch an der Tagesordnung. Ein eifriger Verschwörungstheoretiker war der römische Kaiser Nero. Wenn der Überlieferung Glauben zu schenken ist, kam Nero, der Adoptivsohn des Kaisers Claudius, im Jahr 54 n. Chr. durch eine Verschwörung an die Macht. Seine Mutter Messalina bezahlte den Leibarzt des Claudius dafür, diesen zu vergiften, weil sie befürchtete, dass der Kaiser seinen leiblichen Sohn Britannicus statt des von Messalina in die Ehe mitgebrachten Nero zum Nachfolger bestimmen könnte. Diese Verschwörung war erfolgreich. Messalina konnte sich jedoch nicht lange an den Früchten der Tat erfreuen. Einige Zeit später, im Jahr 59, ließ Nero seine Mutter ermorden, tarnte dieses Verbrechen jedoch mit der Verschwörungstheorie, sie habe sich das Leben genommen, weil sie einen Anschlag gegen ihn habe unternehmen wollen, der jedoch gescheitert sei.

Eine umfangreichere Verschwörungstheorie benötigte Nero, als die zu einem großen Teil aus Holz gebaute Stadt Rom am 18. und 19. Juli 64 brannte. Dass Nero selbst den Brand aus ästhetischen Gründen hat legen lassen, um die Stadt danach noch schöner wiederaufbauen lassen zu können, ist vermutlich eine böswillig unterstellte Verschwörungstheorie. Der Kaiser benötigte für die Katastrophe aber in jedem Fall einen Sündenbock, und als solcher boten sich die Christen an, die gleichsam als Sekte im Geheimen ihre Rituale pflegten. Er ließ Christen verhaften und grausam hinrichten, obschon sie nicht zugegeben hatten, die Stadt angezündet zu haben, und auch sonst keine Beweise vorlagen. Die erste bekannte Christenverfolgung der Geschichte basierte also auf einer Verschwörungstheorie. Nero nutzte sie, um von der mutmaßlich falschen Unterstellung, er habe den Brand selbst legen lassen, abzulenken.

Katastrophe mit Folgen: Als Vorwand für Christenverfolgungen diente der Brand von Rom

Von alten Schlangen und Superverschwörern

Ein Produkt der Zeit Neros ist auch die neutestamentarische Offenbarung des Johannes - ein Text, auf den sich Verschwörungstheoretiker bis heute berufen. Darin wird der „große Drache, die alte Schlange, die den Namen Teufel und Satan trägt“, beschrieben. Ihm zur Seite stehen zwei weitere Geschöpfe, zum einen das Tier aus dem Meere, „das hatte zehn Hörner und sieben Köpfe und auf seinen Hörnern zehn Diademe und auf seinen Köpfen Namen voll Lästerung“ (Offb. 13,1). Dieses Tier wird häufig als Verkörperung der antichristlichen politischen Macht gedeutet. Zum anderen wird noch ein zweites Tier beschrieben, das die Menschen zur Anbetung des ersten verführt. Dieses Tier verkörpert die geistigen Kräfte, die dazu verführen wollen, dem Satan zu dienen. Zu erkennen ist das Tier an seiner Zahl, nämlich der 666.

Bis heute wird diese Zahl von christlich-fundamentalistischen Verschwörungstheoretikern als Zeichen der Macht des Antichrists gedeutet. Zwar erscheint es als Überinterpretation, die metaphorisch geprägte Offenbarung als Verschwörungstheorie zu deuten, in der Gott im Hintergrund als Superverschwörer fungiert. Doch zweifelsohne beeinflusst dieser Text bis heute das Denken von Verschwörungstheoretikern. Die Aufforderung, den Verstand zu nutzen, um die Zeichen des Bösen zu erkennen, nutzen christlich fundierte Verschwörungstheoretiker nach wie vor, um überall Zeichen für das beginnende Zeitalter des Antichrists zu suchen. Der bei Verschwörungstheoretikern ausgeprägte Zeichenwahn hat vermutlich hier seinen Ursprung.

Großer Drache mit dem Namen Satan: Auf die Bilderwelt der Offenbarung des Johannes berufen sich Verschwörungstheoretiker bis heute

Sodomie und Hostienfrevel? – Das Mittelalter

Im Mittelalter sehen Verschwörungstheoretiker hinter allem Übel das Wirken des Teufels. Ob Sodomie bei den Templern, Schadenzauber bei Hexen (und übrigens auch Hexern) oder jüdische Ritualmorde: Keine Unterstellung ist so abwegig, dass sie nicht von willigen Vollstreckern geglaubt würde.

Philipp IV., König von Frankreich, galt als frommer Mann. Seine Epoche, die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, war in dieser Hinsicht eine Zeit der klaren Verhältnisse: Gott und der Teufel rangen miteinander, Sünder und Gerechte kamen entweder in den Himmel oder aber ins Fegefeuer und die Hölle. Dämonen bevölkerten die Lüfte. Magier und Hexen ritten auf dem Teufel in Tiergestalt durch die Lüfte - ob in Wirklichkeit oder im vom Teufel inspirierten Traum, darüber stritten Volk und Gelehrte.

Die Religion beanspruchte den ersten Platz im Leben und Denken aller Menschen, Könige wie Bauern, Kleriker wie Bürger, Männer wie Frauen. Einfach schien es, bei Unheil im Leben der Menschen, sei es Krieg oder Missernte, Krankheit oder Hungersnot, die Schuldigen und Missetäter dingfest zu machen. Selbst da, wo nur mit der Einbildungskraft des mittelalterlichen Menschen ein Übel zu sehen war, erlaubten es Verschwörungstheorien, vermeintlich Schuldige beim Schopf zu greifen.

Auf dem Scheiterhaufen: „Hexen“ als Opfer des Verschwörungsdenkens

Anfänge der Templer

Bei mittelalterlichen Verschwörungstheorien hatte stets der Teufel seine Hand im Spiel. Einen Bund mit dem Teufel unterstellte Philipp IV. auch dem Orden der Templer, als er im Jahr 1307 einen Angriff gegen die Fratres militiae templi (lat. Ritterbrüder des Tempels) führte.

Die Tempelritter wurden 1120 von dem französischen Jerusalempilger Hugo von Payens gegründet. Aus einer losen Bruderschaft europäischer Ritter entstand ein geistlicher Orden, der das Ziel hatte, die Pilger im Heiligen Land zu beschützen und damit die bereits dort ansässigen Johanniter, die durch Seelsorge und Krankenpflege das Leben in Jerusalem erträglicher machten – Ritter wurden sie erst später – zu entlasten. Templer nannten sie sich, weil sie ihr Hauptquartier auf dem Tempelberg in Jerusalem in der Nähe des einstigen Tempels des Salomo bezogen. Als erste verbanden sie das Ideal des Mönchs mit dem des Ritters. Wie andere Ordensleute auch legten sie das Gelübde von Armut, Keuschheit und Gehorsam ab. Zugleich waren sie aber auch bereit, um der Sache Christi Willen Blut zu vergießen – damit erweiterten sie das ursprünglich der Friedfertigkeit verpflichtete Ideal der Mönche beträchtlich.

Das Siegel der Templer klärt darüber auf, wie sie sich verstanden: Es zeigt zwei Ritter, die gemeinsam auf einem Pferd reiten – damit signalisieren sie Armut und Gemeinschaft. „Schmucklos und kahl“, so formuliert es der Historiker Arno Borst, „war ihre Unterkunft“. Die Templer trugen „einen weißen leinenen Mantel mit achteckigem blutroten Kreuz, dem ausdrucksvollen Symbol des Märtyrertums, und einen weißen leinenen Gürtel, das Zeichen der Reinheit des Herzens“, wie es ein Historiker der vorvergangenen Jahrhundertwende beschreibt.

Die Regel des Ordens stammte von Bernhard, einem einflussreichen Zisterzienser und Abt im von ihm selbst gegründeten Kloster von Clairvaux. Im Laufe der beiden Jahrhunderte seines Bestehens sammelte der zunächst Armut und Entsagung verpflichtete Orden immer mehr Besitz an. So wurden die Templer offenbar von immer mehr Menschen als überheblicher Ritterorden betrachtet, der die Askese gegen gutlaufende Geschäfte getauscht hatte. Zu seinen besten Zeiten zählte der Orden etwa 7.000 Angehörige. Zu seinem Besitz gehörten wohl 870 Burgen und andere Eigentümer. Einen schlechten Ruf erarbeiteten sich die Templer nicht zuletzt dadurch, dass sie in ihr Ordensleben manche suspekt scheinenden Einflüsse des Orients aufgenommen hatten. Verlorene Schlachten im Heiligen Land führten schließlich zu einer Schwächung des Ordens und zu Ansehensverlust.

Machtbewusst und erfindungsreich: Philipp IV. von Frankreich

In Frankreich nun waren die Templer den dortigen Königen unbequem. Die Curia in compotis, die Rechnungskammer des Königs, tagte im Pariser Temple. Der Schatz des Königs befand sich also unter dem Schutz, aber eben auch unter der Verwaltung der Tempelritter. Die nur dem Papst unterstehenden und gleichsam als Staat im Staate agierenden Templer waren Philipp ein Dorn im Auge.

Obwohl sich der König streng religiös zeigte, hatte er sich auch in der Vergangenheit schon mit kirchlichen Institutionen angelegt. Unter anderem hatte Philipp den Machtkampf mit Papst Bonifatius VIII. gesucht, um Steuern auf kirchliche Güter erheben zu können. Seine Getreuen scheuten sich nicht, einen Anschlag auf den Papst zu verüben: An den Folgen des sogenannten Attentats von Anagni verstarb der greise Bonifatius VIII. Seine notorisch leeren Kassen hatte Philipp bereits 1306 versucht zu füllen, indem er die französischen Juden enteignen und vertreiben ließ. Ähnlich ging er in den Jahren 1301 und 1309 bei den finanzstarken Lombarden vor. Nicht zuletzt war dem König daran gelegen, seine Machtbasis zu vergrößern. Doch die bis heute aufsehenerregendste Tat Philipps bestand freilich im Angriff auf den Templerorden, den er mit der „Blitzartigkeit eines Tigersprungs“ durchführte, um es mit den Worten der Historikerin Barbara Tuchman auszudrücken.

Seit November 1305 war Clemens V. im Amt – ein Papst, der seinen Sitz 1309 auf Druck Philipps nicht in Rom, sondern in Avignon nehmen musste, das im Einflussbereich der französischen Könige lag. Der Zeitpunkt für einen Schlag gegen den Orden schien günstig. Zwielichtige (manche Historiker meinen: gekaufte) Zeugen hatten bereits Anfang 1305 schwere Vorwürfe gegen die Templer vorgebracht. Die Zeugen behaupteten, bei Aufnahme in den Orden müsse Christus dreimal verleugnet werden. Dreimal müssten die Novizen auf das Kreuz speien. Auch gebe es beim Aufnahmeritual sodomitische Praktiken – Ordensangehörige küssten angeblich den untersten Rückenwirbel, den Mund oder Nabel eines Mitbruders, sie beschworen Dämonen und beteten das Kopfidol Baphomet an – eine angesichts der Tätigkeit des Ordens im Heiligen Land plausibel scheinende Unterstellung, denn bei Baphomet handelt es sich um eine Verballhornung des Namens Mohammed. Ein weiterer schwerer Vorwurf bestand darin, dass die Templer angeblich die Heilige Messe schändeten, indem sie sie mit ungeweihten Hostien feierten. Kurz, die angeblichen Zeugen führten eine ganze Reihe von Unterstellungen an. Einige davon stammten aus dem üblichen Arsenal, das gegen mögliche Ketzer aufgeboten wurde, andere waren auf das Wirken des Ordens im Heiligen Land zurückzuführen. In jedem Fall war es eine finstere Verschwörung mit dem Teufel, die König Philipp IV. den Templern unterstellte.

Das Ende eines Ordens – und der Anfang seiner Geschichte

In aller Heimlichkeit ließ Philipp den Schlag gegen die Templer vorbereiten. Am 13. Oktober 1307 wurden – in einem klaren Verstoß gegen die Privilegien des Ordens – die französischen Ritter verhaftet. In Paris betraf das 138 Ordensbrüder, von denen 134 unter Folter die Verfehlungen gestanden, die ihnen zur Last gelegt wurden. Gegen den Widerstand anderer europäischer Monarchen und des Papstes ließ der König den Ordensangehörigen den Prozess machen. Der Widerstand des ebenfalls verhafteten Großmeisters der Templer, Jacques de Molay, konnte die Vernichtung des Ordens nicht verhindern. Eine Verhandlung nutzte der Großmeister zwar gemeinsam mit 40 anderen Brüdern, um dem Volk seine Foltermale zu zeigen und auf das abgepresste Geständnis hinzuweisen – doch trotzdem nahmen die Dinge ihren Lauf. Brüder, die den Orden verteidigten oder ihre Geständnisse widerriefen, wurden als sogenannte relapsi (lat. Zurückgefallene) behandelt und zum Tode verurteilt.