Kiefer, Kopf und Gesicht - John Langendoen-Sertel - E-Book

Kiefer, Kopf und Gesicht E-Book

John Langendoen-Sertel

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  • Herausgeber: TRIAS
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Ihre Physiotherapie für zu Hause

Migräne, CMD, Nerven- und Nackenschmerzen – Probleme im Gesicht, Kiefer, Nacken oder der Wirbelsäule hängen oft miteinander zusammen. Verursacht werden die Schmerzen und andere Beschwerden meist durch Gelenkprobleme, verspannte Muskeln und Faszien oder auch innerer Anspannung. Die erfahrenen Physiotherapeuten sind bekannte Experten und unterstützen Sie bei der Linderung.

  • Den Ursachen auf der Spur: Durch Selbstanalyse ergründen und verstehen, woher die Schmerzen und Beschwerden kommen.
  • Schatzkiste zur Selbsttherapie: Ob Taping, Faszientraining, gezielte Übungen, Selbstmassage oder Entspannung – für jedes Problem in dieser sensiblen Region finden sich zahlreiche Therapiemöglichkeiten, die Sie selbst ausprobieren und anwenden können.
  • Ganz praktisch: Schritt für Schritt gezielt und einfach üben, massieren oder entspannen.

Aktiv gegen den Schmerz: Kiefer gut, alles gut.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 258

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Kiefer, Kopf und Gesicht

Das große Selbsthilfe-Buch. Taping, Massagen & Übungen bei Schmerzen & Beschwerden

John Langendoen-Sertel, Karin Sertel, Jürgen Berkmiller

1. Auflage 2024

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns sehr, dass Sie unseren praktischen Ratgeber zur Selbstbehandlung von Kiefer-, Gesichts- und verschiedenen Typen von Kopf- und Nackenbeschwerden in Händen halten. Wenn Sie das Buch lesen, gehen wir davon aus, dass Sie selbst Beschwerden haben. Und das wahrscheinlich schon länger. Und mit überschaubaren Behandlungsergebnissen.

In diesem Ratgeber haben wir unsere langjährige Erfahrung als Behandler von Patienten mit craniomandibulärer Dysfunktion (CMD) und Stressproblematik gebündelt.

Ohne Hintergrundwissen geht es nicht, jedoch halten wir die theoretischen Erläuterungen kurz und bündig. Dagegen beschreiben wir die vielseitigen praktischen Techniken, Übungen und Maßnahmen bezüglich Anzeige (Indikation), Ausführung und Wirkung ausführlicher.

Erfolg bei CMD-Beschwerden hängt entscheidend davon ab, wie – erstens –Zahnarzt, Kieferorthopäde, ggf. Physiotherapeut fachmännisch eingreifen, und wie – zweitens – Sie, ganz natürlich, wie von selbst, mitarbeiten. Ihre Selbstbehandlung können Sie durch eine Reihe von einzelnen geeigneten Maßnahmen, Übungen und Veränderungen, ohne Stress und Kopflastigkeit, in Ihren Alltag integrieren und zu einem angenehmen, wohltuenden Ritual machen.

Dieser Ratgeber hat das Ziel, so umfassend wie möglich, ja ganzheitlich, alle Aspekte, die bei CMD eine Rolle spielen können, zu berücksichtigen. Und, darauffolgend, praktikable, pragmatische Lösungen, basierend auf Erfahrungswerten und wissenschaftlichen Erkenntnissen, anzubieten. Erfolgreich bedeutet nicht nur, dass Beschwerden für immer wegbleiben, sondern auch, dass Sie wissen, was los ist und welche Maßnahme von Ihnen selbst, oder von einem Fachmann, erneut durchgeführt werden sollte, damit Sie Linderung erlangen.

Ihre John Langendoen, Karin Sertel und Jürgen Berkmiller

CMD Academy Mitglieder

Kempten im Allgäu, März 2023

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Liebe Leserinnen und Leser,

Hintergrundwissen, um Beschwerden zu beschreiben

Hintergründe zur Selbsthilfe

Drei Subsysteme der Stabilität

Das passive Subsystem

Das Kontrollsubsystem

Das aktive Subsystem

Emotionales Motorisches System

Selbstbefund

Was stört oder behindert Sie in Ihrem Alltag am meisten?

Wo spüren Sie Ihre Beschwerden?

Wann treten die Beschwerden auf?

Was könnten alternative Auslöser sein?

Warum haben Sie diese Beschwerden bekommen?

Weitere Fragen zum Verständnis der Problematik und zur Abklärung eventueller Risiken

Selbstmanagement

Kiefergelenk

Drehübung

Traktionstechnik

Übung-Technik-Kombination

K5-Tape: Kiefergelenk

K5 bis-Tape: Kiefergelenk, seitlicher Bewegungsschmerz

Obere Halswirbelsäule

Lockerung der oberen HWS im Stand

Lockerung in Rückenlage mit Ball

Ansteuerung der tiefen Nackenbeuger

Lernhilfe: Daumenlutsch-Trick

Lateralsehen für die Drehbeweglichkeit der HWS

Ausdauertraining der tiefen Nackenbeuger

Drehbeweglichkeit der HWS

Kombinationsübung für die obere HWS

Brustwirbelsäule

Übung zur Verbesserung der Beweglichkeit

B8-Tape: Brustwirbelsäule

Übergang Hals- zu Brustwirbelsäule

Übung 1

Übung 2

H3-Tape: Halswirbelsäulen-Beugung und -Streckung

E3-Tape: erste Rippe

Muskeln

Kaumuskulatur

Der Kaumuskel

Der Schläfenmuskel

Die Flügelmuskeln

Hals- und Nackenmuskulatur

Der Kopfwender

Der Trapezmuskel

Der Riemenmuskel des Kopfs

Der Schulterblattheber

Gesichtsmuskeln

Übungen für die großen und kleinen Jochbeinmuskeln

Übungen für die Oberlippen- und Nasenflügelheber

Übung für den schlanken Muskel und den Augenbrauenrunzler

Übung für den Stirn- und Hinterhauptmuskel

Übungen für Augenringmuskel

Platysma-Dehntechniken

Taping Mundwinkelheber und Nasen-Lippen-Falte

Lippenschlusstraining

Innere und äußere Zungenmuskeln

Die inneren Zungenmuskeln

Die äußeren Zungenmuskeln

Übung

Zungenfitness-Programm für Beweglichkeit und Kraft

Zungenbeinmuskeln

Die oberen Zungenbeinmuskeln

Die unteren Zungenbeinmuskeln

Massage M. digastricus

Training der Zungenbeinmuskeln

M2-Tape: Mundboden, untere Zungenbeinmuskeln

M2bis-Tape: Mundboden, obere Zungenbeinmuskeln

Kinn-Druck-Übung

Rachen- und Kehlkopfmuskeln

Beckenmuskeln

Ischiocrurale Muskelverlängerung im Sitzen mit maximalem und gehaltenem Hohlkreuz

I2-Tape: Ischios

Übungen für den großen Hüftbeuger, M. psoas major

Übungen für die Adduktoren

H6-Tape: Hüftbeuger

B5-Tape: Beckenaufrichtung

A2-Tape: Adduktoren

Übungen untere Rückenstrecker

L2-Tape: Lendenwirbelsäule

Stress verstehen – Selbstregulation erfahren

Warum wir so funktionieren und reagieren

Das Nervensystem und seine Hierarchie

Das Stresssystem und die Stressachsen

Die Rolle von Glutamat bei Migräne und Spannungskopfscherz

Hauptprägung des Begriffs »Stress«

Kontrolle gewinnen über den Gedankenstress

Was sind Stressoren?

Individuelle körperliche Stressreaktion

Stress: von der normalen Reaktion bis zur Erkrankung

Stressbedingte Schmerzempfindlichkeit

Körperregulation

Mögliche Reaktionen auf äußere Reize

Die Darm-Hirn-Achse

Kontrolle über negative Gedanken

Die Ressource Schlaf

Klassische Entspannungsverfahren

Stressreduktion durch Weiterentwicklung der Fähigkeiten

Salutogenese – der Pfad der Gesunderhaltung

Verstehbarkeit

Handhabbarkeit

Bedeutsamkeit, Sinnhaftigkeit

Atemtraining

Nasenatmung

Physiologisches Seufzen

Eupnoe

Lippenbremse

Nasenatmung im optimalen Rhythmus

Atemtechniken mit Atempause

Wechselatmung

Genusstraining: Entspannung mit allen Sinnen

Rosinen-Übung für alle Sinne

Geruchssinn und Düfte

Entspannung mit Düften

Intensität

Geschmacksinn und Kauen

Kautraining bei CMD

Kaugummikauen

Sehsinn, Farben und Licht

Die Farbe Blau

Blaues Licht

Hörsinn und Musik

Geräusche, Stimmen und Musik

Tinnitus

Tastsinn und Berührung

Gefühlsbetonte Berührungsmassage (Affective Touch)

Massagegriffe an Kopf und Hals als Selbsthilfe

Akupressur

Aktivierung von parasympathischen Funktionen

3. Hirnnerv, der Augenbewegungsnerv

Lateralsehen und Cinéma interne Technik

Druck oder Kühlung mit einer Augenmaske

Akkommodationsübungen

N3-Tape: Kombiniertes Stirn-Gesicht-Tape

7. Hirnnerv, der Gesichtsnerv

9. Hirnnerv, der Zungen- und Rachennerv

10. Hirnnerv, der Vagusnerv, Nervus vagus

Sensibler Kern

Geschmackskern (Nucleus solitarius)

Weitere Möglichkeiten zur parasympathischen Aktivierung

Yoga

Literatur

Autorenvorstellung

Sachverzeichnis

Impressum/Access Code

Hintergrundwissen, um Beschwerden zu beschreiben

Wenn Sie Ihre eigenen Beschwerden besser verstehen und einordnen können, können Sie nicht nur Ihre Ärzte und Therapeuten besser informieren, sondern auch sich selbst besser helfen: weniger Leiden, mehr Selbsthilfe, mehr Kontrolle.

Hintergründe zur Selbsthilfe

Unsere eigene kontinuierliche Reise als lernende Behandler im komplexen Bereich der craniomandibulären Dysfunktionen (CMD) begann 1988, als Zahnärzte und Kieferorthopäden in der Stadt Kempten im Allgäu uns zur Zusammenarbeit einluden.

Nach und nach entwickelten wir gemeinsam eine Fortbildungsreihe für Physiotherapeuten, damit beide Fachbereiche zusammenfinden konnten. Die Inhalte können wir seitdem international lehren.

Anfänglich war es eine große Herausforderung, die zahnärztlichen und physiotherapeutischen Sichtweisen zu verknüpfen. Beide Fachbereiche unterscheiden sich stark und sprechen dazu eine andere Fachsprache. Zudem gibt es auch innerhalb dieser Disziplinen unterschiedliche Sichtweisen bzw. anhaltende Kontroversen.

Entscheidend für das Gelingen einer einleuchtenden und erfolgreichen Kursreihe waren viele, fast gleichzeitige Entwicklungen und Forschungsrichtungen in der Medizin, Biomechanik, Neurophysiologie, Psychologie, Physiotherapie usw.

Klinische Überlegungs- und Entscheidungsprozesse bei der Befundaufnahme und Behandlung entwickelten sich in der Manuellen Therapie, einem Spezialgebiet der Physiotherapie. Auch das Verständnis für die verschiedenen Arten von Muskeln im menschlichen Körper, die unterschiedlich behandelt und trainiert werden sollen, nahm durch klinische Forschung schnell zu.

Zahnärztliche Forschung entwickelte sich international durch an Funktionslehre interessierte Professoren und deren Studenten und führte zu verbesserter Diagnostik, auch mit Magnetresonanztomographie (MRT), Schienentherapie und Okklusionskonzepten (Lehre der Kaufläche- und Zahnkontakte und -führung).

Das Konzept der »Drei Subsysteme der Stabilität« von Prof. Dr. Manohar M. Panjabi, Yale University USA, ist hervorzuheben, weil es fast alle klinischen Phänomene erklären kann und scheinbare Widersprüche aufhebt.

Die neurophysiologische Forschung mit funktioneller Kernspintomographie, quantitativer Elektroenzephalographie, Botenstoffproduktionen des zentralen Nervensystems ist wohl entscheidend für das Gesamtverständnis von komplexen Systemen und deren Dysfunktionen. Erkenntnisse über Gehirnstrukturen, deren funktionelle Netzwerke, und Botenstoffe, die im Zentralnervensystem zwischen Hirnstamm und Großhirn für die Behauptungs- und Überlebensfunktionen und somit für Emotionen und Verhaltensmuster zuständig sind, entwickeln sich rasant.

Seit den 1970er-Jahren entwickelte sich in der westlichen Schulmedizin das multidimensionale, sprich ganzheitliche Modell der Gesundheit und Krankheit. Verständnis für die Zusammenhänge zwischen strukturellen Störungen (biologisch-medizinisch-strukturell), psycho-emotionalen Prozessen und sozio-ökonomischen Faktoren veränderten nach und nach das Denken und Handeln von Ärzten und Therapeuten.

Multidimensionales bio-psycho-soziales Gesundheits- bzw. Krankheitsmodell mit interaktiven Wirkfaktoren (Engel 1977)

Aus dieser Zeit stammt auch die Sichtweise in der Zahnmedizin, dass ein strukturelles System viel aushalten kann, aber irgendwann eine Toleranzgrenze erreicht und überschritten wird, das System dekompensiert und Beschwerden folgen. Kleine Auslöser können so das Fass zum Überlaufen bringen. Und wenn der Geist mal aus der Flasche ist, ist dieser nicht oder nur teilweise und mühsam wieder einzufangen. Emotional negative Erfahrungen oder anhaltende belastende Stresssituationen können zum übermäßigen nächtlichen Knirschen und Pressen (Bruxismus) führen und können so Beschwerden auslösen. Bereits vorhandene strukturelle Störungen und Schäden können sich dadurch weiter verschlimmern. Diese mit Kernspintomographie nachweisbaren Schäden zu behandeln, kann an sich schon schwierig genug sein. Und eine Akut-Behandlung reicht nicht immer, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Dazu sollten auch die Ursachen erkannt und gemanagt werden.

Eine komplexe CMD-Problematik erfolgreich zu behandeln, erfordert eine präzise Befragung, eine genaue Untersuchung und Beurteilung, einen umfassenden Behandlungsplan durch die behandelnden Personen und eine konsequente Durchführung aller Beteiligten. Tatsächlich müssen sich Zahnärzte, Kieferorthopäden, Therapeuten u. a., wenn gleichzeitig mehrere Maßnahmen von verschiedenen Behandlern durchgeführt werden, absprechen. Im Regelfall hat hier der Zahnarzt oder Kieferorthopäde die Federführung. Jedenfalls nie der Leidtragende selbst.

Einige wichtige Grundlagen für das Verständnis der Problematik und für die Gesamtbehandlung werden vorab erläutert. Diese Grundlagen waren auch der Leitfaden für die Gliederung unseres Ratgebers.

Drei Subsysteme der Stabilität

Anfang der 1990er-Jahre veröffentlichte Manohar Panjabi das Modell der drei Subsysteme der Stabilität (M3SS) und es wurde zu einer fundamentalen Unterstützung für das Verständnis und die Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden. Die drei Subsysteme setzen sich zusammen aus: der Wirbelsäule als passives Subsystem, das die intrinsische Stabilität gewährleistet; den Muskeln als aktives Subsystem, das die dynamische Stabilität gewährleistet, und der neuronalen Kontrolleinheit, die die Bedürfnisse des Körpers bezüglich Stabilität und Koordination der Muskelantwort erfasst und bewertet.

Stabilität steht hier für Kontrolle bei Haltungen und Bewegungen. Sehen Sie Stabilität also nicht als etwas Statisches, sondern als eine fortlaufende dynamische Kontrolle der Haltung und Bewegung von Gelenken und Wirbelsäulenabschnitten. Ein Modell ist nicht mehr als eine Vereinfachung der komplexen Wahrheit. Es hilft uns jedoch, alles systematisch zu beurteilen, nichts zu vergessen und nach Symptom und Ursache zu suchen.

Wenn in einem oder mehreren dieser Subsysteme ein Defizit bzw. Problem entsteht, kann das eine Instabilität oder auch den Verlust der posturalen Kontrolle nach sich ziehen. Da es aber kaum zu isolierten Problemen in nur einem Subsystem kommt, werden grundsätzlich alle drei Subsysteme in die Untersuchung und Behandlung einbezogen.

Das M3SS-Model lässt sich sehr gut, wenn auch etwas komplexer, auf den craniomandibulären Bereich anwenden. Es bildet die erste Grundlage unserer Kursreihe und somit auch für diesen Ratgeber. Aus diesem Grund wird das M3SS zuerst erläutert, vieles geht anschließend daraus hervor. In unserem Fall stehen Kiefergelenk und Halswirbelsäule für das passive Subsystem, das aktive Subsystem umfasst die Kau-, Nacken- und Halsmuskulatur, die Gesichtsmuskeln, die Beckenmuskeln und die unteren Rückenstrecker. Das Kontrollsubsystem ist das Nervensystem, das auch in diesem Fall Signale empfängt, verarbeitet und darauf reagiert.

Modell der drei interaktiven Subsysteme der Stabilität von Panjabi (1992), übertragen auf das Kausystem.

Das passive Subsystem

Im passiven Subsystem treten Störungen und Beschwerden auf, die eine direkte Behandlung erfordern. Dieses Subsystem beinhaltet alle knöchernen, knorpeligen und Kapselbandstrukturen einer Bewegungseinheit, beispielsweise das Kiefergelenk. Gibt es eine Bänderdehnung oder einen Kapselriss, eine Arthrose oder einen Diskusprolaps im Kiefergelenk, diagnostiziert mit Computertomographie bzw. Kernspintomographie, sind das Diagnosen des passiven Subsystems. Im Kieferbereich können auch die Zähne mit ihren Kontakten oder Schienen und kieferorthopädische Hilfsmittel wie Spangen, Drähte zum passiven Subsystem gezählt werden. Wenn Verzahnungsprobleme zu gestörten Bewegungsabläufen (des Unterkiefers und im Kiefergelenk) oder durch fehlenden Lippenschluss auch zu Mundatmung führen, können Zahnärzte bzw. Kieferorthopäden bereits vor dem Eintreten von Beschwerden Maßnahmen ergreifen. Jedenfalls sollten Kinder vor dem Beginn des Wachstumsspurts schon kieferorthopädisch evaluiert werden.

Der Zustand des passiven Subsystems und evtl. Probleme werden durch Nervenverbindungen aus dem Kiefergelenkbereich an das zentrale Nervensystem (ZNS) übermittelt (das Kontrollsubsystem). Das ZNS wird diese eingehenden Signale registrieren, interpretieren, überprüfen und darauf vielschichtig reagieren. Das Wahrnehmen von Schmerzen ist oft der Beginn einer ganzen Reihe von Reaktionen, die oft gut gemeint, aber nicht immer hilfreich sind. Selbstmanagement beginnt somit mit Verständnis für das Problem und führt dann zur geeigneten Therapie und, mit oder ohne Anleitung, Selbstbehandlung.

Akute, bisher unbekannte Beschwerden, beispielsweise starke Schmerzen vor dem bzw. im Ohr, Knackgeräusche bei Unterkieferbewegungen oder Bewegungssperren des Unterkiefers, müssen umgehend geklärt werden. Eine primäre Behandlung wird meistens vom Zahnarzt durchgeführt. Eine Verordnung für Physiotherapie bekommt der Patient ebenfalls meistens vom Zahnarzt.

Die Ursache der Gelenkbeschwerden zu erkunden und zu behandeln, ist der Schlüssel zu einer dauerhaften erfolgreichen Behandlung. Oft betrifft das eine Optimierung des Zahnstatus, der Kauflächenkontakte und der Zahnführung.

Das Kontrollsubsystem

Das Kontrollsubsystem spielt bei der Entstehung der Beschwerden oftmals eine eher kleine Rolle, ist dafür aber entscheidend für den Verlauf der Beschwerden im passiven Subsystem. Das Kontrollsubsystem beinhaltet das periphere und zentrale Nervensystem – und zwar alle Nerven, die mit der Versorgung des Kopfbereichs zu tun haben, und alle Zentren im Hirnstamm, Mittel- und Großhirn, die mit der Verarbeitung ihrer Signale zu tun haben. Entscheidend ist, wie das zentrale Nervensystem mit Schmerzen, physischen und seelischen Traumata und mit anhaltenden emotionalen Belastungen (Dauerstress oder Disstress) umgeht. Das erklärt zum Teil, warum manche Menschen mit großen Zahnproblemen keine oder kaum Beschwerden haben und andere Patienten bei minimalen Kauflächenstörungen starke Schmerzen und Verspannungen spüren. Wir unterscheiden uns darin, wie unser Nervensystem Signale verarbeitet. Bei jedem von uns sind die gleichen Nervenbahnen etc. angelegt, da wir aber unterschiedlich geprägt sind, reagieren wir unterschiedlich – mit Angst oder Wut, aktiv oder passiv, mit Angriff oder Flucht …

Das männliche und weibliche Hormonsystem, die vom zentralen Nervensystem gesteuert werden, sind ebenfalls Teil dieses Kontrollsubsystems. Dies hat zu der Erkenntnis geführt, dass Frauen und Männer mit CMD unterschiedliche Beschwerden haben können und unterschiedlich behandelt werden sollten. Eine Zusammenarbeit von Zahnärzten und Frauenärzten bei CMD-Patientinnen ist mittlerweile etabliert. Eine hormonelle Feinjustierung kann Beschwerden entscheidend ändern. Speziell junge Frauen mit CMD könnten von einem Wechsel des Kontrazeptivums (Verhütungspille/Antibabypille/Wunschkindpille) profitieren.

Aber auch ohne Schmerzen kann das Kontrollsubsystem gefordert werden.

Schmerz ist zwar meist der erste Hauptfaktor, der einen dazu bringt, sich behandeln zu lassen, dennoch kann anhaltender Stress ebenso eine Vielzahl von Beschwerden in Körper und Geist auslösen.

Das Kontrollsubsystem wird von außen durch die Sinnesorgane »gefüttert«, »nährt« sich selbst aber auch von innen mit Gedanken. Gedanken machen uns oft das Leben schwer. Sind Sie sich immer bewusst, was Sie denken und wie sich diese Gedanken auf den Körper auswirken? Können Sie Ihre Gedanken einfach gehen lassen, sie lediglich beobachten, bis sie sich verziehen? Oder grübeln Sie über alles? Sind Sie in Gedankenkreisen gefangen? Oder können Sie sich dazu bringen, an etwas Schönes zu denken, beispielsweise beim Einschlafen? Sind Sie sich bewusst, dass Sie nicht Ihre Gedanken sind, dass Sie in jedem Moment selbst bestimmen können, an etwas anderes zu denken?

Unsere fünf Sinne nehmen durchgehend wahr, was auf sie einprasselt. Auch im Schlaf können Sie riechen und Geräusche hören, die Sie vielleicht sogar wecken. Signale, die unsere Sinnesorgane aufnehmen, können als störend oder wohltuend empfunden werden. Negative Signale versuchen wir zu erkennen und zu eliminieren. Positive Signale versuchen wir besser und bewusster für uns zu nutzen. Im Kapitel ▶ »Genusstraining« finden Sie viele Tipps für ein multisensorisches Leben. Das führt zu neuen Gewohnheiten und wohltuende Rituale finden ihren Platz in Ihrem Alltag. Sie brauchen dazu eigentlich nur etwas Zeit. Nehmen Sie sich diese Zeit für sich.

Werden Sie sich Ihrer Sinneseindrücke bewusst und vermeiden Sie die negativen und nutzen Sie die positiven Inputs.

Ein funktionierendes Kontrollsubsystem ist für anhaltende Behandlungserfolge und Gesundheit im Allgemeinen entscheidend. Diesen Bereich können und sollten Sie selbst am meisten beeinflussen. Dazu sind Hilfestellungen und Erläuterungen unumgänglich. Sie werden über die vielen und vielseitigen Optionen und Tipps staunen. Die Veränderungen im Alltag und die Weichenstellungen, die Sie vornehmen können oder sollen, sind oft eine reine Freude und keineswegs eine lästige Pflichtaufgabe. Ein Bewusstsein für Ihr Tun und Lassen ist dabei ein wichtiger Erkenntnisschlüssel.

Das aktive Subsystem

Das dritte Subsystem ist das aktive Subsystem und es betrifft bei CMD die Muskeln am Kopf, im Mund, im Rachen und auch an Hals und Nacken. Die Muskeln werden vom Kontrollsubsystem angesteuert – und da liegt häufig die Ursache der Muskelprobleme.

Die Muskeln des menschlichen Körpers können zu wenig oder zu viel arbeiten. Dann werden sie schwach, unteraktiv, insuffizient oder verspannt und überaktiv. Muskelgruppen mit einer entgegengesetzten Funktion zeigen dann häufig ein Ungleichgewicht, eine Dysbalance. Wenn die ischiocruralen Muskeln (»Ischios«) hinten am Oberschenkel verspannt sind, ist der Quadrizeps vorne am Oberschenkel oft zu schwach. Oder die Gesäßmuskeln, die die Hüfte strecken und spreizen, sind schwach und die Hüftbeuger und Adduktoren verspannt. Das gilt auch für die verschiedenen Muskeln in einer Gruppe. Die tiefen Nackenbeuger sind zum Beispiel häufig schwach, der großen Kopfwender (Sternocleidomastoideus-Muskel) ist hingegen verspannt.

Bei Schmerzen sorgt das Kontrollsubsystem dafür, dass Muskeln ausgesetzt (unteraktiv) oder verspannt (überaktiv) werden können. Das ist primär eine Schutzfunktion. Diese kann aber übertrieben werden oder zu lange anhalten. Das trägt zu den Beschwerden bei und ist kontraproduktiv.

Angst, auch im Gehirn gespeicherte Angstmuster, spielt dabei eine große Rolle. Die Ursache für Muskelprobleme und -dysbalancen muss nicht Schmerz, zum Beispiel im passiven Subsystem, sein. Bei anhaltendem Stress wird nachts häufiger übermäßig mit den Kaumuskeln geknirscht und gepresst (Bruxismus). Diese Muskeln sind also überaktiv und, vor allem frühmorgens, schmerzhaft verspannt. Die allermeisten Patienten haben tatsächlich Beschwerden, die von den Muskeln ausgehen. Gleichzeitig gibt es weitere Beschwerden, sogenannte assoziierte Symptome, die damit einhergehen könnten. Solche können sein: Kopfschmerzen, Ohrgeräusche (Tinnitus), Sehstörungen, Schwindel. Diese Muskeln sind jedoch nicht verletzt, geschädigt, verzerrt oder gerissen.

Stress, Ängste, Emotionen können direkt mit Muskelverspannungen verknüpft sein. Damit sind wir wieder im Kontrollsubsystem. Dass Sie die Gründe für Ihren anhaltenden negativen Stress (Disstress) und Ihre Reaktionen darauf verstehen, ist ungemein wichtig. Welche Zentren im Gehirn, welche Regelkreise, welche funktionalen Netzwerke, welche Botenstoffe dabei eine Rolle spielen, wie das unwillkürliche (»autonome«) Nervensystem darauf reagiert und welche Möglichkeiten Sie haben, darauf positiv Einfluss zu nehmen, wird im Laufe des Buches erörtert.

Emotionales Motorisches System

In den 1990er-Jahren entwickelte die Forschung im Bereich des Kontrollsubsystems das Gehirn-Netzwerk-Konzept des Emotionalen Motorischen Systems (EMS). In den letzten 25 Jahren wurde das Wissen über das EMS ständig erweitert und vertieft. Es führte uns zum umfassenden Verständnis von übermäßigen Bruxismus, Gesichtsmuskelverspannungen, sogar Lenden-Becken-Hüft-Muskel-Problematiken. Und es ermöglichte es uns, spezifischere und erfolgsversprechende Behandlungsoptionen zu entwickeln.

Das EMS wird hier stichpunktmäßig erläutert, damit Sie als Betroffener verstehen, warum manche Beschwerden auftreten können und wie Sie diese wieder loswerden.

Bis ins 20. Jahrhundert dachte man: »Ich denke, also bin ich.« (Discours de la méthode, René Descartes, 1637). Menschen sind aber keine denkenden Maschinen mit Gefühl, sondern emotionale Wesen mit Gefühlen, die auch denken (Antonio Damasio: Descartes’ Error: Emotion, Reason and the Human Brain, 1994).

Als sofortige Reaktion auf einen Stimulus (Bedrohung) folgt zuerst eine unbewusste, automatisierte Reaktion: Das benötigt 0,25 Sekunden Eingangszeit und 0,25 Sekunden Verarbeitungszeit im zentralen Nervensystem (ZNS). Das ist superschnell und hilft dabei, zu überleben. Herz, Atmung, Blutstrom werden aktiviert. Das Nervensystem ist in Alarmbereitschaft. Es folgen die Reaktionen Erschrecken, Wegspringen, Wegducken, Arm heben, Angstschrei, vielleicht sogar Schlagen, Kämpfen.

Aus dem emotionalen Erfahrungsgedächtnis erfolgt dann eine Reaktion, die man im Körper wahrnimmt: Kloß im Hals, Druck auf der Brust, ein flaues Gefühl im Magen, Schmetterlinge im Bauch, weiche Knie, zittrige Beine, auch rote, warme Wangen, Schweißausbruch, Wut, Angst, Resignation – von Antonio Damasio als somatische Markierung (Somatic Marker) beschrieben. An all diesen Reaktionen können Sie nicht viel und vor allem nicht auf Anhieb etwas ändern.

Anschließend daran erklärt der Verstand, die Vernunft (Ratio), die Beweggründe für das Gefühl, Verhalten, die Reaktion. Er erklärt, warum auf diese Art und Weise auf die Situation reagiert wurde. Diese Reaktion basiert weniger auf Fakten, sondern vielmehr auf dem, was aus den emotionalen Erinnerungszentren aktiviert wurde. Dadurch erklärt sich auch, warum wir alle unterschiedlich reagieren, schließlich haben wir auch alle unterschiedliche und individuelle Erfahrungen gemacht, die unsere Reaktionen prägen.

In der Psychologie war es schon immer klar, dass wir unserem Denken nicht trauen können und unser Handeln oft sehr irrational ist. Wenn Sie das verstehen und annehmen, können Sie wunderbar relativieren, die Perspektive wechseln, etwas aus einem anderen Blickwinkel betrachten und sogar loslassen.

Emotionen und Gefühle fallen über uns her. Da haben Sie keine Wahl. Das lässt sich nicht (so schnell) vermeiden oder ändern. Dennoch, unsere Gedanken und unser Handeln können, sollen, müssen wir frei bestimmen. Auch wenn Sie sich schlecht fühlen, können Sie gut handeln. Welche Vorbilder fallen Ihnen hierzu ein?

Die Gehirnzentren, die stark mit Emotionen, Gefühlen und Überlebungsstrategien verknüpft sind, sind auf kurzem Wege zu Zentren, die muskuläre Reaktionen (motorische Muster) initiieren, geschaltet. Wenn man etwas Bestimmtes denkt, folgt eine muskuläre Reaktion, innere Anspannung lässt die Muskulatur verspannen.

So entsteht das Emotionale Motorische System (EMS).

Bislang sind einige EMS-Muster entschlüsselt worden:

der Gesichtsausdruck

Lecken, Beißen, Kauen, Schlucken

Vokalisation

das Lordoseverhalten

Mögliche Beschwerden-, Übungs- und Behandlungsoptionen werden nach und nach dargestellt.

Schematische Darstellung der Grundlage des EMS

Die Motorik der willkürlichen Muskulatur kann in zwei Systemen aufgeteilt werden: willkürlich und emotional

Die vier Wirkungskreise des Emotionalen Motorischen Systems

Muskuläre und myofasziale Beschwerden lassen sich meist sehr gut lindern, auch wenn es etwas Zeit und mehrere Versuche benötigt, um herauszufinden welche Maßnahme die Symptome am besten lindert. Eine erfolgreiche Behandlung des passiven und oder aktiven Subsystems mit sofortigen Ergebnissen ist in den allermeisten Fällen möglich, reicht für einen anhaltenden Erfolg eventuell jedoch nicht aus.

Wichtig ist es, herausfinden, was die Muskelverspannungen verursacht, und diese Ursache dann effektiv zu behandeln. Zahnkorrekturen durch den Zahnarzt können hier sehr schnelle Erfolge bringen. Eine Behandlung durch den Kieferorthopäden benötigt oftmals mehr Zeit. Der Zahnarzt bzw. Kieferorthopäde ist und bleibt der erste Ansprechpartner und ist meistens federführend. Entweder wurden okklusale Korrekturen bereits durchgeführt oder stehen an. Alles, was ein Physiotherapeut und Sie selbst tun können, baut darauf auf. Nicht alle Beschwerden können, vollständig oder nachhaltig, durch den Zahnarzt beseitigt werden. Wenn aber das passive Subsystem nicht weiter stört, können Physiotherapie und Selbsthilfe Erfolg versprechen.

Noch schwerer ist es für viele Leidtragende, die Stressursachen zu finden, anzuerkennen und zu beseitigen. Oder zu akzeptieren. Eventuell erwünschte Verhaltensänderungen können professionelle Unterstützung erfordern. Die Komfortzone zu verlassen, ist schwer, wenn der Leidensdruck nicht hoch genug ist, Motivation und Ausdauer fehlen und eine Angst vor dem Unbekannten herrscht vor. Manche sinnvollen und erfolgversprechenden Veränderungen sind jedoch einfach in den Alltag zu integrieren und machen Spaß. Also, warum nicht?

Neue und gesunde Gewohnheiten und Rituale sind oft entscheidend für den dauerhaften Erfolg. Wissen Sie noch, was Sie als Kind beruhigt, zufrieden, glücklich gemacht hat? Wie lässt sich so etwas im Erwachsenenalter gestalten?

Was möchten Sie schon immer tun, sein lassen, ändern? Was tut Ihnen gut und warum tun Sie es nicht? Welches Hobby streben Sie an? Welchen Traum möchten Sie sich endlich erfüllen? Welche Altlasten möchten Sie endlich loswerden? All das könnte Ihrem Knirschen und Pressen zu Grunde liegen.

Sie sehen, der Schlüssel zum Dauererfolg liegt in solchen Fällen nicht in einer symptomatischen Behandlung des passiven oder aktiven Subsystems, sondern in einer stabilen Veränderung des Kontrollsubsystems. Das erfordert Mut, Ausdauer oder einfach Lust, eventuell auch Unterstützung. Sie wissen, jede Reise fängt mit dem ersten Schritt an. Seien Sie aber nicht übereifrig und ungeduldig (mit sich). Machen Sie kleine Schritte, diese aber kontinuierlich, unaufhaltsam. In diesem Ratgeber finden Sie viele Optionen, Tipps und Tricks. Einige gefallen Ihnen eventuell nicht, andere könnten Sie begeistern.

Wir werden in diesem Ratgeber der Reihe nach zuerst das passive, danach das aktive und zu guter Letzt das Kontrollsubsystem mit allen Sinnen und mit allen Hirnnerven angehen und eine Vielzahl von allgemeinen und spezifischen Selbsthilfe-Ideen und -Maßnahmen erläutern.

Selbstbefund

Sowohl für Sie als auch für die behandelnden Ärzte und Therapeuten ist es sicherlich eine große Hilfe, eine klare Übersicht über Ihre Beschwerden zu haben.

Hier folgen nun einige Fragen, damit Sie Ihre Beschwerden besser einordnen können. So können Sie Ihren Arzt oder Therapeuten präziser informieren. Und Sie können selbst besser entscheiden, welche Übungen und Maßnahmen für Sie als Selbsthilfe erfolgversprechend sind. Die Fragen helfen Ihnen bei der Selbstanalyse, die genannten Beispielantworten veranschaulichen die möglichen Problematiken und Beschwerden zusätzlich.

Die »W«-Fragen in der Übersicht:

Was? Was stört oder behindert Sie im Alltag am meisten?

Wo? Wo genau spüren Sie Ihre Beschwerden?

Wobei? Bei welchen Aktivitäten, Bewegungen, Haltungen treten Ihre Beschwerden auf oder wobei verschlimmern sie sich?

Wann? Zu welchem Zeitpunkt – am Morgen, am Tag, am Abend, in der Nacht, wie oft im Monat – treten die Beschwerden auf?

Warum und wie? Warum haben Sie Ihre Beschwerden bekommen? Was ist passiert? Liegt der Beginn lange zurück? Haben Sie erst seit kurzem (wieder) Beschwerden?

Was wurde bisher unternommen? Haben Sie sonst irgendwelche Krankheiten und nehmen Sie dafür Medikamente ein? Wurden bereits Untersuchungen durchgeführt?

Was stört oder behindert Sie in Ihrem Alltag am meisten?

Einige Beispiele:

Es schmerzt und knackt beim Essen, beispielsweise wenn Sie in einen Apfel oder das Käsebrot beißen.

Wenn Sie beim Kauen den Unterkiefer etwas zur Seite bewegen, treten Schmerzen auf.

Sie bemerken Ohrenpfeifen, leichte Tinnitusgeräusche im Ohr.

Direkt nach dem Aufwachen leiden Sie unter Kopfschmerzen im Gesichts-, Stirn- und Schläfenbereich.

Kopf- und Nackenschmerzen treten beim Aufwachen oder am Ende eines Bürotags auf.

Sie haben oftmals einen trockenen Mund, der beim Essen etwas besser wird.

Ab und an haben Sie einen Kloß im Hals, Schwierigkeiten beim Schlucken und Kopfschmerzen, möglicherweise wegen Stress.

Nach dem Essen oder beim Aufwachen haben Sie einen Krampf am Mundboden.

Beim Gähnen blockiert der Kiefer und Sie können den Mund nicht mehr schließen.

Nach dem Geigespielen (als Beispiel) bleibt eine Druckstelle am Unterkiefer lange empfindlich.

Sie leiden unter andauerndem Tränenfluss und haben Schwierigkeiten, scharf zu sehen.

Nach intensiver Arbeit am PC treten scharfe/stechende Ohrmuschel- und Hinterkopfschmerzen auf.

Nach dem Essen schmerzt die Gegend um das Jochbein.

Wo spüren Sie Ihre Beschwerden?

Hier geht es um alle Beschwerden, die Sie oberhalb der Schlüsselbeine im Kopf-, Hals- und Nackenbereich spüren.

Online finden Sie ein Arbeitsblatt mit den Umrissen eines Kopfes (Arbeitsblatt »Kopfschmerzen«). Dieses können Sie wunderbar dazu nutzen, Ihre Beschwerden bzw. die Schmerzpunkte so genau wie möglich einzuzeichnen. Das hilft zum einen Ihnen selbst, sich der Schmerzen mal voll bewusst zu werden, und zum anderen hilft es den behandelnden Ärzten, wenn sie wissen, wo genau Ihre Schmerzen auftreten. Natürlich gibt es auch noch andere Beschwerden als Schmerzen, beispielsweise: Knackgeräusche, Sperren, Pfeiftöne, Flattern im Ohr, Flimmern (Augen), Riechstörungen wie komische oder schlechte Geruchs- oder Geschmackswahrnehmung, trockenen Mund, tränende Augen, unterschiedliche Größe der Pupillen, Schwierigkeiten, scharf zu sehen, Schwindel, Doppeltsehen, Übelkeit, Brechreiz, Schluckstörungen, Sprachstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Schwitzen am Schädel usw. Auch diese Symptome können Sie auf dem Arbeitsblatt notieren und beschreiben.

Wie fühlt sich das Symptom an? Ist es eher drückend, ziehend oder stechend, verspannt, müde, Knacken, Reiben, Knistern, Schnackeln, dumpf, hell, stechend, (ein)schneidend, bohrend, brennend, kribbeln, taub, pochend, pulsierend, wie Zahnweh, wie Muskelkater, wie eine Klemme, wie eingeklemmt, wie wund, wie lahm, wie lähmend usw.?

Um hier nicht allzu viel aufzuschreiben, können Sie auch folgende Abkürzungen verwenden:

Wenn Sie den Schmerz oder das Symptom ertasten können: o wie oberflächig.

Wenn der Schmerz tief im Kopf sitzt und Sie ihn nicht fassen können: t wie tief.

Wenn Sie den Schmerz oder das Symptom nicht konstant spüren, sondern beispielsweise nur bei bestimmten Bewegungen: i wie intermittierend.

Wenn Sie den Schmerz oder das Symptom ständig spüren: k wie kontinuierlich

Auch wenn der Schmerz oder das Symptom ständig spürbar ist, ist er/es vielleicht nicht immer gleich stark, sondern variiert: v wie variabel.

Wenn der Schmerz immer präsent und immer gleich intensiv ist: k wie konstant.

Wenn eine Beschwerde »K k« – »kontinuierlich und konstant« ist, sollten Sie sich umgehend beim Arzt vorstellen.

Einige verschiedene Beispiele an unterschiedlichen Seiten des Kopfs finden Sie auf den Folgeseiten.

Klassisches Kiefergelenk-Beispiel. Der Schmerz ist direkt vor dem äußeren Gehörgang oder im Ohr und tritt einseitig oder asymmetrisch beidseitig auf. Er könnte auch ein wenig nach oben, unten, vorne oder hinten »ausstrahlen«.

Klassisches Kiefergelenk-Beispiel. Dieser Schmerz zieht etwas nach vorne, es könnte sich um Muskelschmerz handeln. Beide Schmerzen können, müssen aber nicht zusammen auftreten.

Typisch für Gelenkprobleme sind Geräusche vor dem Ohr oder Sperren bei Unterkieferbewegungen (Beißen, Gähnen).

Klassisches Kaumuskelbeispiel. Der Schmerz tritt meist beidseitig und einigermaßen symmetrisch auf. Wangenschmerzen rühren oftmals vom Kaumuskel (Masseter) her, Schläfenschmerz vom Schläfenmuskel.

Beispiel für Muskelschmerzen, inkl. Schmerzen der Kopfwendermuskeln im seitlichen Halsbereich mit Schmerzverbreitung (»Ausstrahlung«) zur Schläfe und zum Auge. Kaumuskelschmerz führt oft zu Hals- und Nackenmuskelschmerzen.

Schmerzmuster der inneren und äußeren Flügelmuskeln, die einzeln oder zusammen auftreten können. Der innere Muskel kann auch Schmerzen im unteren Schneidezahnbereich auslösen. Beide Muskeln können im Kiefergelenksbereich Schmerzen verursachen.

Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Symmetrische Kopfschmerzen sind beispielhaft für Beschwerden durch innere Anspannung. Diese können sporadisch, regelmäßig oder durchgehend auftreten. Kopf- und Kaumuskelschmerzen durch Knirschen und Pressen können so miteinander einhergehen.

Der bekannteste Kopfschmerz-Typ, Migräne, ist auf eine Botenstoffproblematik zurückzuführen und ist gekennzeichnet durch vielfältige auslösende Faktoren. Migräne oder Migräne-ähnliche Kopfschmerzen können eventuell durch Verspannung und Triggerpunkte des Kopfwendermuskels ausgelöst werden.

Schwindel ist ein ernstzunehmendes Symptom und muss abgeklärt werden. Manchmal spielen Verspannungen, Stress oder die Halswirbelsäule eine Rolle.

Brennende Schmerzen deuten, wie auch Missempfindungen, Pelzigkeit oder Taubheit der Haut, auf einer Nervenstörung hin.

Nicht alle Beschwerden lassen sich einfach nach Muskel- oder Nervenverlauf erklären. Eine exakte Beschreibung, Darstellung, Zeichnung des Schmerzes hilft Fachleuten bei der weiteren Abklärung.

Kontinuierliche Beschwerden sind schwierig nachzuvollziehen oder zu interpretieren und bedürfen einer umgehenden Abklärung.

Manche Beschwerden lassen sich gar nicht so einfach verstehen. Gerade, wenn mehrere verschiedene Symptome auftreten und diese auch konstant spürbar sind, ist es oftmals schwer, eine Ursache zu finden. Wenn Beschwerden wie Taubheit oder Pelzigkeit der Zunge auftreten, die Schmerzen brennen oder wenn die Sinnesorgane betroffen sind (Störungen beim Riechen, Schmecken, Sehen oder Hören), sollten Sie umgehend einen Arzt aufsuchen. Wir weisen an dieser Stelle nochmals darauf hin, dass dieser Ratgeber sinnvolle Selbsthilfe bieten kann, nachdem Sie ernstzunehmende Beschwerden ärztlich haben abklären lassen. Auch zusätzlich zu einer ärztlichen Behandlung können die nachfolgenden Übungen ausgeführt werden, sie ersetzen aber niemals den Gang zu einem Arzt!

Wann treten die Beschwerden auf?

Achten Sie darauf, bei welchen Aktivitäten, Bewegungen oder Haltungen die Beschwerden meist auftreten. Gibt es zudem bestimmte Bewegungen oder Positionen, die die Schmerzen zusätzlich verstärken? Sind es Bewegungen, bei denen der Unterkiefer gebraucht wird, beispielsweise Beißen, Lutschen, Kauen, Schlucken, Musizieren (Geige, Blasinstrumente), Telefonieren mit einem zwischen Ohr und Schulter eingeklemmtem Hörer, Sprechen, Schreien (beim Sport oder Streiten), Singen, Gähnen, Küssen?

Oder treten die Beschwerden eher bei Aktivitäten, Bewegungen, Haltungen auf, bei denen der Unterkiefer nicht bewegt wird? Beispiele hierfür sind Pfeifen, Umschauen (Kopf drehen), Hoch- und Runterschauen, schnelles Aufstehen, konzentriertes Arbeiten am Schreibtisch, Lesen ohne Lesebrille, oder mit der neuen Brille lesen … Oder treten die Schmerzen abends beim Fernsehen, beim Autofahren, nach lauter Musik (in der Disco, nach einem Konzert, mit Kopfhörern) auf?

Vielen Beschwerden rühren von Aktivitäten, bei denen sowohl Unterkiefer als auch die Halswirbelsäule beteiligt sind. Überlegen Sie mal, ob Sie bei geschlossenem Mund oder in einer ruhigen korrekten Nackenhaltung Beschwerden bekommen.

Wie lösen sich die Beschwerden wieder auf? Durch Ruhe, eine spezielle Bewegung oder Medikamente?

Was könnten alternative Auslöser sein?

Manche Beschwerden lassen sich allerdings nicht auf bestimmte Bewegungsmuster oder Haltungen zurückführen. Ab und an können die Ursachen auch ganz anderer Natur sein: Wetterumschwung, starke Luftdruckschwankungen, Aufregung vor Prüfungen oder Präsentationen, Beschwerden im Zusammenhang mit Hunger, Durst, Eisprung, Menstruation, Stresssituationen – all das kann ebenfalls zu Unwohlsein und Schmerzen führen.