Killerstunde für Serientäter: Krimi Sammelband - Alfred Bekker - E-Book

Killerstunde für Serientäter: Krimi Sammelband E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Die Sache mit Caroline (Alfred Bekker) Die McNamara Codes (Glenn Stirling) Giftgas, Gangster und Granaten (A.F.Morland) Schattentat (Ines Schweighöfer) Durststrecke für einen Bankräuber (John F. Beck/Ines Schweighöfer) Der Killer und sein Zeuge (Alfred Bekker) Alexander von Strehlitz, der "Baron", ist ein Draufgänger und Abenteurer, der das Leben voll auskostet, aber er hilft auch Menschen in Not. Unterstützt wird er von seinem Chauffeur James, dem Sekretär Robert und seinem Freund Michel, genannt "Le Beau". Als der Baron mit Sir Winnibald im Ausland weilt, werden seine Leute von Unbekannten angegriffen und Robert Burton entführt. Die schöne Maria soll den Baron dazu bringen, eine Produktionsliste mit Codes der McNamarra-Fabriken zu besorgen. Aber auch als "Le Beau" in die Hände der Verbrecher fällt, lässt von Strehlitz sich nicht ins Bockshorn jagen - sondern dreht den Spieß um ...

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Seitenzahl: 562

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Alfred Bekker, Glenn Stirling, A.F.Morland, John F. Beck, Ines Schweighöfer, Horst Friedrichs

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Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (http://write.streetlib.com) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Killerstunde für Serientäter: Krimi Sammelband

​Copyright

Die Sache mit Caroline

Die McNamarra-Codes

Giftgas, Gangster und Granaten

Entführung ins Nirgendwo

Schattentat

Durststrecke für einen Bankräuber

Der Killer und sein Zeuge

Killerstunde für Serientäter: Krimi Sammelband

Alfred Bekker, Glenn Stirling, A.F.Morland, John F. Beck, Ines Schweighöfer, Horst Friedrichs

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Die Sache mit Caroline (Alfred Bekker)

Die McNamara Codes (Glenn Stirling)

Giftgas, Gangster und Granaten (A.F.Morland)

Schattentat (Ines Schweighöfer)

Durststrecke für einen Bankräuber (John F. Beck/Ines Schweighöfer)

Der Killer und sein Zeuge (Alfred Bekker)

Alexander von Strehlitz, der „Baron“, ist ein Draufgänger und Abenteurer, der das Leben voll auskostet, aber er hilft auch Menschen in Not. Unterstützt wird er von seinem Chauffeur James, dem Sekretär Robert und seinem Freund Michel, genannt „Le Beau“. Als der Baron mit Sir Winnibald im Ausland weilt, werden seine Leute von Unbekannten angegriffen und Robert Burton entführt. Die schöne Maria soll den Baron dazu bringen, eine Produktionsliste mit Codes der McNamarra-Fabriken zu besorgen. Aber auch als „Le Beau“ in die Hände der Verbrecher fällt, lässt von Strehlitz sich nicht ins Bockshorn jagen – sondern dreht den Spieß um ...

​Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER Tony Masero

© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

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Alles rund um Belletristik!

Die Sache mit Caroline

Alfred Bekker

Ich lernte Caroline auf einer Party kennen, zu der ich mir mit einem gefälschten Ausweis und einer gefälschten Einladung Zugang verschafft hatte.

Sie sprach eine ganze Weile nur von sich selbst und ich hörte ihr zu. Manchmal sagte ich: “Ah, ja!” Oder “So, so” oder auch ein interessiertes: “Okay…”

Anscheinend kam das gut an.

Irgendwann fragte sie mich dann: “Und was machen Sie so?”

Das war der Moment, den ich gerne vermieden hätte.

Eigentlich hatte ich gedacht, dass ihre Eitelkeit noch ein bisschen ausgeprägter wäre und ich noch den halben Abend nichts weiter als “Ah, ja!” zu sagen brauchte.

Aber anscheinend war sie doch neugierig.

“Sicherheitsbranche”, sagte ich.

“Ah, ja”, sagte sie jetzt.

Ich konnte mir das Grinsen kaum verkneifen.

“Ja”, sagte ich.

“Und etwas genauer?”

“Ich darf nicht drüber reden.”

“Aber vielleicht doch so…. eher allgemein?”

“Das war schon sehr speziell - für meine Verhältnisse.”

“Ein Mann mit Geheimnissen. Das gefällt mir.”

“Sieh an!”

Ich glaube, sie hatte es sich vielleicht ein bisschen zuviel bei dem Sekt bedient, der hier überall herumstand. Irgendwie wirkte sie auf mich wie eine Frau, die normalerweise alles und jeden und vor allem sich selbst zu kontrollieren versuchte, das aber jetzt im Moment gerade nicht mehr so besonders hinbekam.

Mir sollte es nur recht sein.

“Komisch, eigentlich laufen hier immer dieselben Leute bei denselben Parties herum”, sagte sie.

Ich hob die Augenbrauen.

“Ja, und?”

“Sie habe ich hier bislang nie gesehen.”

“Ich komme nicht viel zum Feiern.”

“Immer richtig busy, was?”

“Von nichts kommt nichts.”

“So kann man es auch ausdrücken.”

“Man muss sehen, dass man den Anschluss hält.”

“Sicher.”

“Und noch besser ist, wenn man allen anderen ein Stück voraus sind.”

Sie sah mich an.

Ihre Augen waren blau.

Blau wie das Meer.

Oder der Himmel.

Auf jeden Fall blau.

“Ist nicht ganz einfach, oder?”

“Was?”

“Das Voraus-sein.”

“Das nennt man Anticipation.”

“Muss man alle Dinge auf Englisch sagen.”

“Nein, aber es klingt professioneller”, lachte ich. “Und es wird einem schneller abgekauft. Selbst wenn noch so hohles Gelaber ist.”

“Ja, das ist leider wahr…”

Ich zuckte mit den Schultern. “Es gibt allerdings keinen Grund, das Spiel nicht mitzuspielen, wenn man begriffen hat, wie es läuft.”

“Auch wieder wahr.”

“Ich sehe das so.”

“Finden Sie es nicht auch furchtbar langweilig hier?”

Ihr Blick war abwartend. Lauernd. Sie war plötzlich sehr aufmerksam.

“Es geht so”, sagte ich.

“Was halten Sie von unverbindlichem Sex?”

“Sie sind sehr direkt.”

“Ist irgendetwas nicht in Ordnung daran, direkt zu sein?”

“Nein, daran ist alles vollkommen in Ordnung.”

“Es beruhigt mich, dass Sie das auch so sehen wie ich.”

Ich sah auf Ihre Brüste.

“Sie haben schöne Titten”, sagte ich.

“Sie sind aber auch direkt.”

“Das bin ich.”

“Dann sind wir uns also einig?”

“Insofern - ja.”

Sie lächelte. Und sie nahm eine Pose ein, bei der die Silhouette ihrer Kurven gut zur Geltung kam. Man musste ihr wirklich eins lassen: Das hatte sie sehr gut drauf. Sie sagte: “Ich finde es süß.”

“Was finden Sie süß?”

“Dass Sie mich noch siezen, wenn Sie mir sagen, dass ich schöne Titten hätte.”

“Ach, ja?”

“Das hat Stil.”

“Wenn Sie meinen.”

“Und es spricht für eine gewisse Galanterie.”

“Nun…”

“Ich bin ja auch durchaus direkt, wie Sie ja schon gemerkt haben.”

“Allerdings!”

“Aber ich bin keineswegs vulgär. Und das schätze ich auch bei anderen nicht.”

“Dann kann ich ja von Glück sagen, dass ich durch Ihr strenges Auswahlraster hindurch gekommen bin!”

Ihr Lächeln wurde breit.

Sehr breit.

“Und was für ein Glück Sie haben! Das wird Ihnen noch aufgehen…”

“Beim Vögeln.”

“Genau.”

“Wie geht es jetzt weiter?”

“Ich suche irgendwo einen Platz, wo ich mein halb leeres Sektglas hinstellen kann und dann verschwinden wir. Geschäftlich wichtige Kontakte mache ich heute sowieso nicht mehr. Und wenn… Dann sollte ich wohl ohnehin besser jedes Treffen mit jemandem vermeiden, der wichtig ist.”

“Weil Sie schon zu viel Sekt getrunken haben.”

“Genau.”

“Dann verschwinden wir doch”, sagte ich.

“Ich heiße übrigens Caroline”, sagte sie.

Aber das wusste ich längst.

*

Wir nahmen ein Taxi. Sie bewohnte ein nobles Penthouse mit fantastischer Aussicht. Die Stadt wirkte wie ein Lichtermeer. Wie eine Galaxie, in der sich raumschiffartige Gebilde bewegten. In Wahrheit waren es nur Autos, Flugzeuge und die S-Bahn. Aber man muss sich nicht jede Fantasie durch die Wahrheit zerstören lassen. Man kann sie manchmal auch einfach genießen.

Wir waren kaum in ihrer Wohnung, als ihr fast wie beiläufig das Kleid von den Schultern rutschte. Sie trug nichts darunter.

Nackt, wie sie war, drehte sie sie sich zu mir um. “Was ist? Plötzlich schüchtern?”

“Nein”, sagte ich.

“Aber irgendetwas ist.”

“Nein.”

“Na, dann ist es ja gut.”

“Ja.”

“Manchmal muss man einfach alles, was mit dem Job zu tun hat, aus dem Kopf kriegen.”

Ich nickte. “Ja, das muss man”, stimmte ich ihr zu.

*

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nach dieser Nacht als erster aufzuwachen. Eigentlich wäre es sogar verdammt wichtig gewesen, dass ich als erster aufwachte. Aber manchmal klappen die Dinge eben nicht ganz so, wie sie sollen.

Sie war vor mir wach und stand nackt neben dem Stuhl, auf dem ich meine Sachen abgelegt hatte. Das Licht der Morgensonne fiel durch die Fensterfront und zauberte Schattenmuster auf ihre vollen Brüste.

Unglücklicherweise fingerte sie an meiner Jacke herum und hatte wenig später die Pistole in der Hand, die ich bei mir trug.

“Ich sagte doch, ich bin in der Sicherheitsbranche”, erklärte ich.

“Die Waffe ist echt?”

“Sicher.”

“Du bist ein Leibwächter?”

“Sowas Ähnliches.”

“Ich könnte jemanden brauchen, der mir Leute vom Leib hält, mit denen ich nichts zu tun haben will. Fällt das in dein Gebiet?”

“Unter Umständen ja.”

“Was machst du genau?”

“Ich bin dagegen, Berufliches und Privates zu vermischen.”

“Ach komm, das ist doch Blödsinn.”

Ich war aufgestanden, hatte mir meine Hose übergezogen und trat ihr nun entgegen.

Sie ließ sich die Waffe aus der Hand nehmen.

Zum Glück.

“Ich habe ein paar Schwierigkeiten”, sagte sie. “Mit unangenehmen Leuten. Und ich würde viel Geld dafür bezahlen, wenn das jemand für mich regelt.”

“Schön für dich. Dann wird sich jemand finden, der das für dich macht.”

“Und was ist mit dir?”

Ihre Haltung wirkte provozierend. Sie hatte den Arm in die Hüfte gestemmt. Ich gönnte mir noch einen Blick auf ihre Brüste, die noch in Bewegung waren und leicht zitterten.

“Für mich ist das nichts”, sagte ich.

“Schade.”

"Ist aber so."

“Ich bin wirklich in Schwierigkeiten.”

“Ich weiß.”

Ich langte in die Jackentasche und bekam den Schalldämpfer zu fassen. Dann schraubte ich ihn auch.

Sie sah mich an.

Ich feuerte zweimal kurz hintereinander. Ob sie begriff, was ihr geschah, weiß ich nicht. Allenfalls im allerletzten Moment wurde ihr klar, dass die Leute, mit denen sie Schwierigkeiten hatte, mir den Auftrag gegeben hatten, sie zu beseitigen.

Irgend wer stört immer irgendwen.

Was genau der Grund war, interessierte mich nicht.

Nur eins zählte für mich an allererster Stelle: Die Loyalität zum Auftraggeber.

Ich steckte die Waffe wieder ein, zog mich zu Ende an und sammelte sehr sorgfältig alle meine Sachen zusammen. Allzu vorsichtig brauchte ich nicht sein. Meine DNA war nirgends gespeichert. Meine Fingerabdrücke auch nicht.

Immer mit der Ruhe, dachte ich, als ich fertig war. Ich sah nochmal zurück auf die Tote auf dem Boden.

Erledigt, dachte ich.

ENDE

Die McNamarra-Codes

von Glenn Stirling

Der Umfang dieses Buchs entspricht 121 Taschenbuchseiten.

Alexander von Strehlitz, der „Baron“, ist ein Draufgänger und Abenteurer, der das Leben voll auskostet, aber er hilft auch Menschen in Not. Unterstützt wird er von seinem Chauffeur James, dem Sekretär Robert und seinem Freund Michel, genannt „Le Beau“. Als der Baron mit Sir Winnibald im Ausland weilt, werden seine Leute von Unbekannten angegriffen und Robert Burton entführt. Die schöne Maria soll den Baron dazu bringen, eine Produktionsliste mit Codes der McNamarra-Fabriken zu besorgen. Aber auch als „Le Beau“ in die Hände der Verbrecher fällt, lässt von Strehlitz sich nicht ins Bockshorn jagen – sondern dreht den Spieß um ...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER TONY MASRO

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Das sind die Leute, die Sie kennenlernen sollten:

Alexander von Strehlitz, genannt der „Baron“, 38 Jahre, 1,88 m groß, dunkelhaarig, gut aussehend, schlank und muskulös, sehr sportlich, abgeschlossenes Zoologiestudium, Hobbysegler und Hochseeschiffer mit Kapitänspatent für große Fahrt, bekannter Schriftsteller von Reiseberichten und Expeditionserlebnissen, Leiter von verschiedenen Expeditionen in Afrika und Südamerika, in Übersee durch seine Goodwillreisen zugunsten unterentwickelter Gebiete in Südamerika bekannt geworden, Sieger vom Indianapolis-Rennen für schwere Tourenwagen 1969, ebenso bekannt in Monte Carlo und der Jet-Society als brillanter Pokerspieler und Gesellschafter. Frauen vergöttern ihn, Männer schätzen ihn als prächtigen Partner und umsichtigen Leiter oft abenteuerlicher Unternehmungen.

Robert Burton, der Sekretär des Barons, 35 Jahre alt, 1,70 m groß, spärliches dunkelblondes Haar, korpulent, Brillenträger, gelernter Bankkaufmann, ein Mathematiker aus Passion, spricht sieben Fremdsprachen und hat ein fabelhaftes Gedächtnis, viel Sinn für Statistiken und Daten. Robert arbeitet seit Jahren für den Baron und weiß über dessen Finanzen besser Bescheid als der Baron selbst. Hat die Eigenart, immer dann französisch mit dem Baron zu sprechen, wenn es um Geldfragen geht.

Michel Dupont, genannt „Le Beau“, 28 Jahre alt, 1,75 m groß, drahtiger durchtrainierter Mann mit dunklem Haar, kantigem, nicht sehr schönem Gesicht mit zerschlagener Nase. Seit vielen Jahren dem Baron ein treuer Freund und Begleiter auf vielen abenteuerlichen Reisen. Le Beau ist gebürtiger Franzose, sehr leidenschaftlich, liebt Frauen und gutes Essen und Trinken, ist leicht zu erregen, ein ausgezeichneter Karatekämpfer, Motorbootfahrer aus Leidenschaft und begeisterter Reiter. Außer Frauen und Pferden liebt er auch rasante Wagen. Er ist gelernter Motorenschlosser und Flugzeugmechaniker.

James Morris, der Chauffeur des Barons, 31 Jahre alt, 1,94 m groß, sehr stark und breit, wiegt über zwei Zentner, Stirnglatze, sonst struppiges, dunkelblondes Haar, breites Gesicht mit Stupsnase. James war früher Artist, nämlich Untermann einer menschlichen Pyramide. Nach einer Knöchelverletzung verlor er sein Engagement und geriet in schlechte Kreise. Der Baron holte ihn gegen Kaution aus einem Lissaboner Untersuchungsgefängnis und fand in James den treuesten Anhänger, den ein Mensch sich denken kann. Wo James hinschlägt, blüht keine Blume mehr, aber gleichzeitig hat der Hüne ein friedliches gutartiges Gemüt, tut für den Baron alles, aber dass der Baron einen so mäßigen Autofahrer wie ihn zum Chauffeur gemacht hat, begreift James selbst nicht.

Das also sind der BARON und seine Freunde ROBERT, LE BEAU und JAMES. Ein echter und draufgängerischer Mann und seine Freunde. Ihr Feld ist die Welt, heute sind sie reich, morgen haben sie keinen roten Heller, und immer sind sie bereit, dem Teufel auf den Schwanz zu treten, wenn es gilt anderen zu helfen, die in Bedrängnis sind. Keiner von ihnen ist ein Tugendbold, aber wenn die Lage es erfordert, halten sie eiserne Disziplin. Sie sind vier knallharte Männer, und für manch einen sind sie die letzte Hoffnung. Sie lieben das Abenteuer, sie lieben das Leben. Ob im Orkan auf See, im dampfend heißen Urwald oder auf schillerndem Parkett des Casinos von Monte Carlo, sie sind überall zu Hause. Es gibt Zeiten, da trinken sie Sekt und essen Kaviar, und es gibt Situationen, da teilen sie sich den letzten Tropfen lauwarmen und brackigen Wassers und kauen auf harter Brotrinde. Und immer bleiben sie Kameraden und halten zusammen ... der Baron und seine Crew.

1

Die Geschichte mit der Loreley, die sich kämmt, vom Felsen herunter die Schiffersleute irritiert, dass die auf Riffe fahren, kennt jeder. Eine neuere Version ist die, dass ein Autofahrer von den rassigen Beinen einer Schönen so verwirrt gemacht wird, dass er bei Rot über die Kreuzung fährt.

Bei James war es im Prinzip ähnlich und doch wieder ganz anders. Als er mit dem Rolls-Royce von Sir Winnibald die Rochester Road dahinfuhr, hatte er keine Riffe und Klippen vor sich, sondern eine schöne, ziemlich breite und kerzengerade Landstraße, keine Bäume an den Seiten, sondern kleine Markierungspfähle, die schon beim geringsten Stoß umklappten. Rechts und links nicht etwa Steilhänge oder tückische Wassergräben. Nein, flache Felder, harmloser als ein Sandhaufen. Es brausten auch nicht etwa andere Autos durch die Lande. James war mutterseelenallein, mit Sir Winnibalds Rolls-Royce, versteht sich. Und dieser Silver Shadow hatte präzise in dieser Ausstattung hundertdreißigtausend Mark gekostet, besaß etwa 250 DINPS, trank pro hundert Kilometer seine fünfundzwanzig Literchen und war für seine viele Kraft und den unbändigen Durst gar nicht einmal so mobil; jeder deutsche Opel-Admiral oder Mercedes 280 war schneller und beschleunigte besser. Aber darauf kam es den Leuten, die den Gegenwert eines Einfamilienhauses für ein Auto ausgaben, nicht an.

James fuhr etwa achtzig Stundenkilometer. Der Motor summte nur leise, und die Reifen rauschten. Es war geradezu eine Fahrt für Anfänger, wo sich Fahrlehrer meist eine Pfeife stopfen, weil, wie man so schön sagt, nichts passieren kann.

Es passierte aber etwas, eigentlich eine ganze Menge. Und all das hier könnte gar nicht geschrieben werden, wenn James nicht am Abend zuvor im Kino Violet Lindon gesehen hätte, im Film natürlich. Und Violet Lindon war für James der Traum, der absolute Wunschtraum seiner schlaflosen Nächte. Violet, das dunkelhaarige Mädchen, schön wie einst Liz Taylor, temperamentvoll und rassig. Und während aus dem Autoradio zärtliche Musik erklang, hatte James plötzlich eine Vision. Er dachte, dass er das träumte, was er sah.

Da stand neben der Straße, wie aus dem Nichts aufgetaucht, Violet Lindon. Sie stand da, im knappen Supermini, rank, hundert Pfund leicht, das Haar wie schwarzer Lack bis hinab zur Brust, diese Brüste verdeckt von einem Blüschen, das so knapp saß, dass man um die Nähte bangen musste. Filmstar Violet Lindon, ausgerechnet Violet, Liebling von Tausenden, die sie aus Film und Fernsehen kannten.

Er sah, wie sie winkte, sein Traum. Wie sie ihren schlanken Arm hob, wie sie ihm zulächelte, bittend, verführerisch ... Sein Traum! Ausgerechnet sie! An die er dauernd dachte, von der er träumte, die er sich immer herbeigewünscht hatte! Und sie stand ausgerechnet hier, an dieser Straße, ein Anhalter! Und er kam im Rolls, niemand sonst im Wagen. Ein fantastischer Zufall!

Ein Wunder! Violet Lindon auf dieser Straße! Gerade jetzt!

Da war er schon neben ihr, wollte bremsen, aber alles war bei ihm vor Fassungslosigkeit durcheinander. Statt zu bremsen, gab er Gas, und er sah immer noch auf sie, sah, wie sie lächelte, wie sie den Mund öffnete, als wolle sie ihm etwas zurufen ...

Und da war er schon von der Straße herunter. Klapp, klapp machte es, als er die Markierungspfähle umfuhr wie Schießbudenfiguren. Und der ehrwürdige Rolls wühlte sich auf einmal durch einen weichen Acker, und dann kam das Loch.

Es war mehr ein Graben, angelegt, um über den Winter Futterrüben einzumieten. Jetzt waren keine Futterrüben drin. Jetzt war da nur mehr eine Pfütze, etwas verfaultes Kraut, Gestank und weiche Erde, sehr viel, sehr weiche Erde. Und in die plumpste der Rolls hinein.

Es tat einen Klatsch. Wasser, Schlamm spritzten hoch, übergossen den vornehmen, so tadellos polierten dunkelblauen Silver Shadow, verwandelten gleißend blinken den Chrom in ein unansehnliches, von trüber Brühe überzogenes Etwas. James schlug mit der Brust gegen das Lenkrad, als der Rolls so plötzlich zum Stehen kam, und dann war seiner Stirn auch noch die Sonnenblende im Wege. Er donnerte genau gegen die Gusshalterung, und das hätte sogar einen Ochsen betäubt. James sank in einen tiefen Schlaf.

2

Zuerst sah er wogende Nebel und rote Schleierfetzen dazwischen, aus denen ein Geisterbild wuchs, das Bild einer Frau. Ihr dunkles Haar umrahmte das helle Gesicht mit den großen Augen. Die vollen Lippen, rot wie Kirschen, bewegten sich, und er sah die beiden Reihen ihrer perlweißen Zähne. Allmählich hörte dieser Anblick auf, vor seinen Augen zu verschwimmen. Klare Konturen wurden sichtbar, und sein Traum begann sich immer mehr zu einem wirklichen Bild zu formieren.

Aber es war nicht Violet Lindon. Gewiss, dieses Gesicht ähnelte dem im Film gestern Abend. Aber Violet war das nicht. Violet war nicht mehr so jung. Plötzlich fielen ihm auch die Skandalgeschichten ein. Diese Frau hier war nicht nur jünger, sie wirkte auch mädchenhafter.

„Mein Gott, kommen Sie doch zu sich!“, hörte er sie sagen, und auch diese Stimme war anders als gestern im Film.

Violet Lindon besaß eine Sopranstimme. Dieses Mädchen hier hatte ein dunkles, schwingendes Organ, das wie eine Glocke anschlug.

Er spürte ihre Hand an seiner linken Wange. Ein Gefühl, das ihn glauben ließ, er befände sich doch in Violet Lindons Armen.

Doch dann riss ihn die dunkle, etwas rauchige Stimme wieder aus diesen Träumen heraus. „Wie konnte denn das nur passieren? Warum sind Sie von der Straße heruntergefahren? Ich meinte, Sie würden halten und mich mitnehmen. Ihr Auto sieht nicht gut aus, Sie selbst auch nicht gerade.“

Sie legte ihm etwas Kühles, Feuchtes auf die Stirn. Es schmerzte erst, aber dann tat es ihm wohl.

„Eine Beule“, meinte sie fachkundig, „aber wir haben die bald wieder weg. Ich fürchte nur, eine Gehirnerschütterung ist auch drin. Richten Sie sich mal auf! Haben Sie Schmerzen im Leib?“

Wie, so fragte er sich, kann ich Schmerzen haben, wenn mir so eine Fee die Stirn kühlt und ihre zarten Hände beruhigend an meine Schläfe legt. Wie lange war es her, dass ihm so etwas zum letzten Male widerfahren war?

„Sie sind aber kräftig gebaut“, meinte das Mädchen anerkennend. „Und so groß!“

Er wusste, dass er keine Schönheit war, aber wenn eine Frau seine Größe und seine Kraft bewunderte, hatte ihm das schon immer gutgetan. Doch er begann Kopfschmerzen zu spüren. Auch sein Brustbein schmerzte, und die Sorge, was mit dem Rolls geschehen sein konnte, wuchs auch. Es war der Rolls von Sir Winnibald, nicht der vom Baron, James’ Chef. Er sollte den Rolls zurück zum Cottage von Sir Winnibald bringen. Eine Gefälligkeit, weil Sir Winnibalds erster Chauffeur erkrankt war und Sir Winnibald selbst mit Baron Strehlitz in dessen Leihflugzeug nach Paris geflogen war.

Der Gedanke, dass ihm nun auch der Baron nicht helfen konnte, weil er gar nicht in England war, verstärkte James’ Depressionen noch um einiges. Aber da war wieder das Gesicht.

„Sind Sie Violet Lindon?“, fragte er heiser.

Sie sah ihn verblüfft an, dann lachte sie. „Nun, Sie sind gut! Liegt da, hat eine Riesenbeule, und redet von Violet Lindon. O nein, die bin ich nicht. Mein Name ist Ruth Bardal.“

Er hörte, dass sie einen leichten Akzent besaß, wusste aber nicht, woher sie stammen könnte. „Sind Sie aus Italien nach England gekommen?“

Sie lachte wieder. „Nein, als ich ganz klein war, sind meine Eltern von Ungarn hergekommen. Mein Vater war Ungar, aber er ist tot. Meine Mutter war Österreicherin. Sie hat hier wieder geheiratet, und ich bekam durch Adoption den Namen meines Stiefvaters. Er ist ein Postbeamter. Ein guter Vater.“ Sie hielt inne, sah ihn an und fragte: „Und Sie?“

„Ich heiße James Morris und bin Chauffeur, ein schlechter dazu. Ich hatte eine Vision, als ich Sie so plötzlich sah.“

„Plötzlich? Nun hören Sie mal! Sie müssen geträumt haben. Ich habe eine Stunde dort gestanden und sah Sie von Weitem kommen. Sie waren meine ganze Hoffnung. Hier fahren ja kaum Autos. In der Stunde ist eines gekommen, aber es war ein Schaftransporter, und der Fahrer hielt zwar, sagte aber, ich sollte besser nicht mitfahren, weil ich noch in drei Wochen danach riechen würde. Nun, dann kamen Sie. Gleich ein so großartiger Rolls. Und fährt ins Feld!“ Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie es noch immer nicht verstehen.

„Ich meinte, Sie wären Violet Lindon. Ich war gestern noch in einem Film gewesen, in dem sie gespielt hat.“

Sie lachte. „Sie mögen Violet Lindon, nicht wahr? Und nun sind Sie enttäuscht, was?“

„Im Gegenteil, sehr im Gegenteil“, meinte er aufgeregt. „Sie sind noch schöner ... Sie ...“

„Nett, wie Sie das gesagt haben, James! Nennen Sie mich Ruth!“ Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und fuhr fort: „Können Sie aufstehen?“

Ihr Anblick hätte ihm dazu selbst mit einem Bauchschuss die Kraft gegeben.

3

Le Beau biss behaglich von seinem mit Butter und Marmelade bestrichenen Hörnchen ab, streckte sich wohlig aus, sodass der Schaum des Bades, in dem er saß, wie Schnee über seine behaarte Brust rieselte. In der Linken hielt Le Beau ein Glas mit Orangensaft.

Das Tablett mit Tee, Säften und diversen belegten Hörnchen hing an der Badewannenseite an einer Klammer, und die beiden leeren Teller bewiesen, dass Le Beau und Ilona schon die Eier mit Schinken verzehrt hatten.

Ilona saß dem agilen Franzosen gegenüber in der Wanne, splitternackt wie Le Beau auch; sie löffelte gerade einen Becher Joghurt aus.

Ilona, das waren hundert Pfund verführerisches Fleisch, Kurven und hinreißender Sex. Blond war sie übrigens auch. Ihre Augen schienen zu leuchten, wenn das Licht in sie fiel. Es waren graublaue Augen. Aber keine kalten, im Gegenteil. Denn sogar jetzt, während sie Joghurt schaufelte, schien sie an eine Neuauflage dessen zu denken, was kurz vor dem Bad noch gelaufen war. Um das Manöver gleich einzuleiten, krabbelte sie mit dem rechten großen Zeh an Le Beaus Bauch, dann etwas tiefer, und er grunzte nur wohlig, widmete sich aber trotzdem mehr dem Marmeladenhörnchen als Ilonas neckischem Fußballspiel.

„Schnurri?“, meinte sie voller Verlangen.

Er blinzelte über sein Hörnchen hinweg zu ihr hin. „Ja, meine kleine wilde Taube?“

„Ich verbrenne!“

„In einer Badewanne voller Wasser ist das eine ziemlich schwierige Sache, Täubchen. Wie machst du das?“

„Ich verglühe, Schnurri!“ Sie machte Anstalten auf seine Seite zu klettern, schob eine Woge Schaum vor sich her und stellte zudem die statischen Berechnungen der Wannenkonstrukteure durch solch plötzliche Gewichtsverlagerung auf die Probe. Die Wanne kippte nicht, die Halterungen hielten, aber die Schaumwoge überrollte Le Beaus Hörnchen, und in solchen Dingen verstand er herzlich wenig Spaß.

„Aber, Ilona, nun pass doch auf!“, maulte er.

Sie war ganz auf das eingestellt, was sie so beschäftigte. „Schnurri, ich will nur Liebe, sonst gar nichts!“ Und da verlor sie das Gleichgewicht und landete mit einem Planscher auf seinem Bauch, begrub das Hörnchen mitsamt Butter und Marmelade unter ihrem Busen, tauchte den abgerutschten Le Beau in den Schaum, dass er sprudelte wie ein Vulkan beim Ausbruch, und schließlich ging sie selbst unter! Ihr Schrei „Meine Frisur!“, erstickte in einem unartikulierten Gebrabbel.

Als sie beide wieder auftauchten, waren sie schaumgekrönt, machten Gesichter wie halb ertränkte Katzen und prusteten, schnieften und niesten. Das Marmeladenhörnchen klebte an Le Beaus Brusturwald, und die Orangenscheibe aus dem Saftglas hing in Ilonas Haar, das jetzt alle Pracht eingebüßt hatte und in kleinen Ringellöckchen am Schädel klebte.

„Verglühst du immer noch?“, fragte er.

„Du bist gemein!“, keuchte sie, aber dann musste sie wieder niesen, und ihm flog eine Handvoll Schaum ins Gesicht.

In dieses Idyll der Zweisamkeit schellte das Telefon. Le Beau hatte es sinnigerweise ins Badezimmer geschleppt, wozu die lange Schnur gerade noch reichte.

„Verdammt!“, fauchte Le Beau, stieg aus der Wanne, sprengte den Fußboden wie ein Blumenbeet, stapfte, während wahre Bäche von ihm rannen, zum Telefon und nahm den Hörer.

Ilona, die sich daran nicht störte, keifte wütend: „Du Schuft! Warum lässt du mich allein?“

„Sei doch mal still, ich verstehe nichts!“, fuhr er sie an und meldete sich noch einmal: „Dupont hier ...“

„Schnurri, so komm doch! Lass doch das dumme Telefon, Liebling!“, plapperte Ilona dazwischen und streckte ihr schlankes linkes Bein aus der Wanne, um ihn damit anzustupsen.

Er stopfte den Finger ins rechte Ohr und blökte in den Hörer: „Was sagst du da? Verunglückt? Mit Sir Winnibalds Rolls? Wo, zum Donnerwetter? — Hah, sprich doch lauter, Ilona ist hier und spielt Schaufelraddampfer! — Ilona, sei doch mal still, zum Teufel!“

Ilona planschte, als sei sie bestrebt, auch noch den Teil des Badezimmers unter Wasser zu setzen, der noch trocken war. Und dabei schlug sie mit Händen und Füßen ins Badewasser, dass es noch mehr schäumte, und dieser Schaumberg quoll auch prompt wie übergärender Hefeteig über den Wannenrand.

„Ja“, brüllte Le Beau, um den Lärm zu übertönen, „es ist gut. Ich werde kommen, aber erst muss ich Ilona den Hintern versohlen. Ja, Robert, ich beeile mich. Mann, wenn unser Häuptling zurückkommt, wird der sich aber freuen! Ende, Robert.“ Er legte auf.

Im Badezimmer war es plötzlich sehr still geworden. Ilona hatte das mit dem „Hintern versohlen“ noch sehr gut gehört. Jetzt, als Le Beau mit hängenden Armen und wütender Miene auf sie zu kam, ging sie auf Tauchstation. Die ohnehin ramponierte Frisur brauchte sie nicht mehr zu beachten.

Aber sie war keine gute Taucherin. Ihr ging schon nach ein paar Sekunden die Luft aus. Zudem brannte das Schaumbad in den Augen, und so tauchte sie prustend und schniefend wieder auf. Aber Le Beau ließ ihr nur einen Atemzug, dann legte er die flache Hand auf ihr Haupt und versenkte sie wie einen torpedierten Schlachtkreuzer. Als er sie wieder anhievte, kreischte sie wie irr. Er zog den Stöpsel aus der Wanne, stellte die Dusche genau über Ilona an — mit Kaltwasser, versteht sich —, dann ging er, das Badetuch um die Lenden, nach draußen.

Das hinter ihm losbrechende Gequieke erinnerte ihn an seine Geburtsstadt Clermont-Ferrand, wenn dort die Straßenbahn um die Kurven kreischte.

4

Ruth Bardal blickte durch die Scheiben der Telefonzelle in den Gastraum der Chausseewirtschaft. Sie presste den Hörer dicht ans Ohr und sagte: „Ja, er ist gerade gekommen. Jetzt sind sie alle drei hier. Was soll ich tun?“

Eine Männerstimme fragte vom anderen Teil der Leitung: „Ist er schlimm verletzt?“

„Nein, nur der Wagen sieht schlecht aus. Er sagt, da wäre die Vorderachse gebrochen.“

„Was schert uns der Wägen?“, meinte die Männerstimme. „Es ist ein toller Zufall gewesen, wie sich alles ergeben hat. Sie wollten ja eigentlich nur mitfahren. Haben Sie das Schlafpulver weggetan?“

„Ja, seien Sie nur beruhigt. Und was haben Sie von Maria gehört?“

„Alles in Ordnung. Hören Sie auf, so etwas am Telefon zu fragen. Gehen Sie jetzt zu ihnen zurück. Das andere machen wir. Und verraten Sie sich nicht!“

Sie hängte ein, blickte kurz durch die Scheibe und sah nun zwei Männer neben James Morris sitzen. Der eine war untersetzt, hatte eine Stirnglatze und wirkte ein wenig dicklich. Die Brille gab ihm einen professoralen Anblick. Der andere erinnerte Ruth Bardal an Belmondo, den französischen Mimen. Mittelgroß, drahtig und nicht gerade schön, doch irgendwie von magnetischer Ausstrahlungskraft auf Frauen war er, dieser dritte Mann, der eben gekommen war. Sie wusste, dass es Michel Dupont sein musste, den Freunde Le Beau nannten. Le Beau, der Schöne, und genau das war er nicht.

Sie verließ die Zelle, schnippte sich eine Locke ihres dunklen Haares aus der Stirn und ging mit wiegendem, graziösem Schritt zurück zum Tisch.

James Morris, der Unglücksrabe, um dessen Stirn ein Verband gewickelt war, wuchtete sein Schwergewicht vom Stuhle hoch und sagte mit Stentorstimme: „Darf ich Ihnen meinen Freund Michel Dupont vorstellen ...“

Sie wurde ebenfalls bekannt gemacht, und als sie Le Beau die Hand gab, spürte sie, dass es kein Märchen war, was man von ihm erzählte. Sie tat, als habe sie nie von ihm gehört, dabei war sie in den letzten Tagen über alle Einzelheiten informiert worden, die es überhaupt von ihm gab. Das galt übrigens auch von den beiden anderen.

Le Beau hielt ihre Hand ein paar Sekunden länger fest, als das üblich war. Er sah ihr tief in die Augen, und sie spürte eine Welle kribbelnden Stroms durch die von ihm gehaltene Hand durch den Arm bis zum Rücken fließen. Der Blick seiner Augen wirkte auf sie wie hypnotisierend. Sie wehrte sich dagegen, ahnte, dass er ihr wirklich gefährlich werden konnte und sie praktisch nichts entgegensetzen würde, aber auch gar nichts.

„Sie sind eine bezaubernde Frau“, sagte er leise, und jede der Silben war wie ein Ruf: „Komm zu mir! Komm!“

„Oh, machen Sie nur keine Komplimente“, sagte sie abwehrend, doch in ihrem Innern waren schon alle Abwehrmaßnahmen zusammengebrochen. Sie wusste in diesem Augenblick, dass sie diesem Manne bald gehören würde ... und wollte.

„Miss Bardal hat eben mal zu Hause angerufen. Damit die sich nicht sorgen um sie“, sagte James und rückte mit besitzergreifender Selbstverständlichkeit näher an Ruth heran, als sie sich gesetzt hatte. „Ruth“, fuhr er an sie gewandt fort, „zu Hause alles okay?“

Sie gab sich Mühe, ihn nicht anmerken zu lassen, dass er für sie nur ein netter großer Teddy war und sagte schmeichelnd: „Wenn Sie bei mir sind, muss ja alles okay sein, James.“

Er sonnte sich in diesem Kompliment, und Le Beau, der eine scharfe Bemerkung auf der Zunge hatte, verbiss sie sich und knurrte nur: „Der Rolls ist immerhin abgeschleppt worden. Ich bin der Fuhre begegnet. Wie ich die Preise bei Rolls-Royce kenne, wird man auf der Rechnung eine fünfstellige Zahl finden. Ich finde, James, der Baron wird dich eine ganze Weile Jim nennen.“

„Ruth lachte. „Jim? Was ist dabei?“, fragte sie.

Le Beau erklärte ihr: „Er nennt ihn nur dann Jim, wenn er auf ihn stocksauer ist. — Und nun mal eine andere Frage, an dich, Robert. Was soll ich denn hier? Hättet ihr die Probleme nicht ohne mich regeln können?“

Robert schob sich die Brille hoch und blickte Le Beau an wie einen, der den Finanzminister fragt, ob der nicht auf die Steuern verzichten könnte.

„Nun, hör mal!“, meinte er pikiert. „Baron Strehlitz hat gesagt, dass wir dich rufen sollten, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.“

„Aha, aber allein essen und trinken könnt ihr, nicht wahr? Oder soll ich euch vor dem Schlafengehen noch aufs Töpfchen bringen?“

James meinte knurrig, während Ruth lachte: „Nun hör mal zu, Le Beau: Es geht ja auch um Sir Winnibald. Ich wollte, dass du dir die Geschichte mal ansiehst. Und Ruth sagte auch, dass es ziemlich knifflig werden wird.“

„Knifflig? Dafür haben wir doch unseren wandelnden Computer.“ Le Beau sah Robert an. Doch dann flog sein Kopf herum. Durch die Tür der kleinen Chausseewirtschaft kamen fünf bullige Männer in Lederjacken. Im ersten Moment mochten sie wie Lastwagenfahrer aussehen. Aber als sie so zielstrebig auf den Tisch zustapften, an dem Le Beau und seine Begleiter saßen, roch Le Beau Lunte. Er war einfach viel zu oft in solchen Situationen gewesen, um kein Gespür dafür zu haben.

„James, aufgepasst!“, raunte er James zu. Doch an den rankte sich plötzlich Ruth Bardal wie Efeu, und er schien darüber völlig zu vergessen, dass er nicht allein am Tische saß. Er legte gerade seine riesige Pranke um Ruths Taille, als die fünf, die alle Mann fast James’ Figur hatten, am Tische stehen blieben.

„Willst du wohl unsere Schwester loslassen, du Hanswurst?“, rief der vorderste, der eher wie Rübezahls Bruder, vielleicht auch wie ein Verwandter irgendwelcher Menschenaffen, doch ganz und gar nicht wie jemand aussah, der nur einen einzigen entfernten gemeinsamen Vorfahren mit Ruth Bardal besaß.

James ließ Ruth langsam los, und seine mächtigen Fäuste wurden sichtbar. „Tut es dir irgendwo weh, lieber Freund?“, fragte James. „Wie kannst du denn diese Dame beleidigen und sie deine Schwester nennen, du Sohn eines Neandertalers?“

„Es sind meine Brüder!“, sagte Ruth und machte ein furchtsames Gesicht. „Bitte, Orson, bitte seid friedlich. Alle!“

Da lachten die fünf Urwaldrecken, und mit einem Male legten sie los.

Sie kamen wie fünf Lokomotiven, fünfmal Schwergewicht, fünfmal Kraftpakete. Es sah kümmerlich um James, Robert und Le Beau aus.

Aber so einfach, wie es sich dieser Orson zum Beispiel gedacht hatte, wurde es nicht, konnte es nicht werden. Da war einmal James. Der nahm sich noch die Zeit, Ruth, die hübsche Doppelgängerin seines Schwarms Violet Lindon, wie eine Puppe um die Taille zu fassen, aufzuheben und ein Stück hinter sich neben den Ofen zu setzen. Dort stand sie erschrocken, denn gerade zuckte Le Beau vom Stuhl wie eine Sprungfeder. Und er entging damit dem Wischer von Orson, der ihn damit wohl beiseite wedeln wollte. Dafür fing Orson gleich zweimal Schläge ein. Einmal bekam er einen Handkantenschlag an seine edelste Stelle, dass er aufschrie wie ein Löwe, den ein Speer getroffen hat, und bevor er überhaupt Luft bekam, hatte ihm Le Beau bereits den Daumen genau auf den Adamsapfel gestoßen, ihn gepackt und sich über die Schulter gerissen.

Orson, gut zwei Zentner zwanzig schwer, wurde Flieger und segelte mit dem Kopf voran in Richtung auf den Ölofen, neben dem seine angebliche Schwester stand. Der Hersteller des Ofens hatte am Material gespart, für Orson das Glück seines Lebens. So gab es nur eine riesige Beule im Blech, und Orson prallte davon zurück und blieb benommen auf dem Gesicht liegen. Ein eiserner Gussofen hätte Orson vielleicht für immer aus dem Verkehr gezogen.

Aber außer Orson waren da noch vier ebenbürtige Jungs, und denen ging ein Licht auf so hell wie Neon, als sie das Schicksal ihres Artgenossen erkannten. Den vordersten schickte James noch mit einem Pulverschlag quer durch den Raum, doch der nächste hatte bereits einen Stuhl in den Händen, als er ankam, und der wäre haargenau auf Robert gelandet. Doch Le Beau warf sich dazwischen, fing den Schlag ab, sodass Robert verschont blieb. Robert war ein Mann des Geistes, keiner der Faust. Er flüchtete daher in Richtung Ofen, wo sich mittlerweile außer Ruth, Orson und Robert nun auch der händeringende Gastronom des Hauses einfand. Er schrie aufgeregt ins Getümmel, aber ihm verschlug es im wahren Sinne des Wortes jedwede weitere Äußerung, als es dem Manne mit dem Stuhl gelang, Le Beau durch die Luft zu stoßen. Le Beau landete dem Wirt auf der Brust, sprang schon wieder vor, und der Wirt machte eine Notlandung auf dem zum Glück kalten Ofen. Le Beau griff schon wieder an, aber James hatte dasselbe Ziel, und der Mann mit dem Stuhl verlor dieses Utensil und wurde von James durch einen Faustschlag getroffen, der so ungefähr die Wucht einer Ramme besaß. Unser Freund flog, von diesem Schlag getroffen, und dies am Kinn, durchs halbe Lokal, wischte drei Tische beiseite, um dann am vierten mit dem Gesicht in einer frisch zubereiteten echten Southampton-Fischsuppe zu landen. Wie gut die Suppe war oder nicht war, vermochte der Mann kaum noch festzustellen, denn James’ Schlag hatte ihn schon an den Rand der Bewusstlosigkeit geschickt, bevor es zur Suppenlandung gekommen war.

Zwei waren noch übrig. Doch den einen zog sich Le Beau im Karatestil über die Schulter und schlug dann mit der Handkante zu, stieß ihn völlig überflüssigerweise noch mit einem Fußtritt durch die Luft und wollte sich gerade dem anderen zuwenden, als James ihm diesen letzten Gegner entgegenstieß und dabei schrie: „Verschaff dem Jungen ein paar frohe Stunden, Le Beau, schick ihn schlafen!“

Aber dazu kam Le Beau nicht. Er spürte plötzlich einen knochenharten Schlag auf dem Kopf, merkte, wie sich auf einmal alles um ihn drehte und er in einen unendlich tiefen Schacht zu fallen schien. Dann wurde es dunkel vor seinen Augen. Er hörte nur noch den verzerrt klingenden Ruf von James: „Warum tun Sie das, Ruth?“ Danach war um ihn Nacht.

James stand wie erstarrt vor Ruth, die auf einmal eine 6.35er Pistole auf ihn gerichtet hielt und scharf sagte: „Rühren Sie sich nicht! Ich schieße ganz bestimmt!“

Und die Zeit, die er tatsächlich innehielt, um nachzudenken, um seine Überraschung zu überwinden, die reichte dem wiederauferstandenen Orson, von hinten an James heranzukommen und mit einem Stuhlbein zuzuschlagen. Der nicht mehr völlig intakte Schädel von James, noch vom Unfall her ramponiert, verdaute das nicht. James sackte in sich zusammen wie ein Schlauchboot, aus dem man die Luft lässt.

Orson ließ sich auf einen Stuhl sinken und krächzte: „Mann o Mann, das sind ja zwei Kameraden! Aber wo ist denn der dritte?“

Er sah sich suchend um. Auch Ruth, die Pistole noch immer in der Hand, suchte nach Robert, aber der hatte sich im Getümmel auf und davon gemacht.

„Mein Gott, wir müssen ihn finden!“, rief Ruth.

Da hörten sie das Klingeln und Heulen von britischen Polizeiautos.

„Nichts wie weg!“, rief Orson. „Los, hilf mir, die Kerle hochzubringen!“

Aber der Wirt, dessen Gäste bis auf die Kämpfer alle geflohen waren, war entschlossen, hier einzugreifen. Mit einem Feuerlöscher in den Händen, die Rechte am Abzug, stellte er sich vor Orson hin und schrie: „Hände hoch!“

Orson wollte sich auf ihn werfen, aber da drückte der Wirt den Schaumhebel nach unten. Es kam zischend und sprudelnd aus dem Rohr. Dicker klebriger Schaum, und er fauchte mit Hochdruck Orson entgegen. Als Ruth ihre Pistole wieder aus der Jackentasche zog, richtete der Wirt die Schaumladung auf sie. Völlig mit Schaum bedeckt, um Luft ringend, blind und hilflos tappte Ruth neben Orson herum, dem es nicht besser ging.

Indessen kam das Läuten und Sirenengeheul näher. Der Wirt fühlte sich schon als Sieger, da waren zwei weitere Männer von Orson wieder auf den Beinen, überwältigten den Wirt von hinten, nahmen ihm den Schaumlöscher ab und duschten damit die mit einem Bratenmesser herbeistürmende Frau des Wirts. Während die Frau auf die Knie fiel und sich fast selbst noch mit dem Bratenmesser verletzte, schleppten die beiden Orson, Ruth und ihren in der Fischsuppe gelandeten Kameraden aus dem Raum; der fünfte Mann konnte mit eigener Kraft nachkommen. Er war auch wieder halbwegs bei Sinnen.

Draußen erreichten sie ihren Rover V 8, stiegen hastig ein, wobei der Wagen infolge des Übergewichts der schwergewichtigen Insassen ziemlich in die Knie ging. Mit aufheulender Maschine und durchdrehenden Reifen des 150PS-Wagens jagten sie davon. Und hinter ihnen bog gerade der erste dunkle Polizeiwagen um die Ecke ...

5

Le Beau ließ sich in den Sessel sinken und sah gequält auf Ilona, die ihre hübschen Fäuste in die Hüften stemmte und ihn so vorwurfsvoll ansah, als hätte er die Kronjuwelen der Königin in die Themse geworfen.

„Aber wenn ich doch nur ein Wort begreifen könnte, Schnurri! Nur ein Wort! Du bist doch nicht zu diesem Chausseehaus gefahren, damit dort fünf Supermänner über dich herfallen!“

Ihm schmerzte der Kopf. Ilonas Fragen fielen ihm auf den Nerv. Er winkte ab, aber sie gab nicht auf und bombardierte ihn mit Fragen. Um ihn seelisch aufzumuntern, hatte sie sich ein Supermini-Röckchen angezogen, von dem sie wusste, dass er sie darin am liebsten sah. Die Bluse, durchsichtiges schwarzes Nylon wie früher die Unterröcke aus der Gründerzeit der Kunstfaser, darunter ein Gürtel mit Patronenschlaufen, als wollte Ilona damit jeden Augenblick an einer Anarchisten-Rebellion teilnehmen. Sie sah gut aus, und sie wusste das. Ihr Haar war wieder in Fasson, aber sie hatte es durch ein Haarband gebändigt, und auch das stand ihr großartig. Zu allem Überfluss trug sie rote Stiefel, sodass ihr ganzer Anblick einen beträchtlichen Hauch Sex ausströmte.

Le Beau fühlte sich tatsächlich von so viel Erotik aufgerüstet, hob wieder mit etwas mehr Unternehmungsgeist den Kopf und meinte grinsend: „Du hättest diesen Polizeiboss erleben sollen. Er begriff nicht, worum es ging. Na ja, das begreifen James und ich ja bis jetzt nicht, aber dieser Polizeimensch hat gedacht, wir müssten es wissen. James ist vielleicht sauer, sage ich dir. Er hatte sich da ein Engelchen angelacht. Und nun gehört die offenbar zu diesen fünf Steinzeitmenschen.“

Ilona setzte sich auf die Armlehne des Sessels. „Michel, es muss doch einen Grund haben. So für nichts kommen doch diese Männer nicht, um sich mit euch zu hauen. Da muss doch etwas dahinterstecken.“

„Aber wir wissen es nicht. Jetzt ist natürlich die Geschichte mit James’ Unfall ganz anders, als wir zuerst gedacht haben. Aber Robert ist weg. Der hat sich während unserer Schlacht irgendwie verkrümelt. Ich dachte, er würde nachher wieder auftauchen, aber er ist weg, einfach verschwunden.“

„Und?“

„Nichts und. Morgen kommt unser Häuptling wieder. Da tanzen vielleicht die Puppen. Er wollte mit uns nach Holland.“

„Was tut ihr in Holland?“

„Er hat ein altes, aber gut erhaltenes Hotel in Katwijk aan Zee gekauft.“

„Ein Hotel? Wollt ihr ...“

„Er will eins für alte Menschen haben. Und für Frauen, die viele Kinder besitzen. Wir haben doch vor Kurzem ein Riesengeschäft in Italien gemacht, als wir dort mit dem jungen Callini einen Fernsehvertrag abgeschlossen haben. Das Geld, den Reingewinn, hat der Baron sofort in dieses Hotel und in den Fonds gesteckt, von dem er jedes Jahr, im Vier-Wochen-Abstand jeweils vierhundert alten Leuten und kinderreichen Müttern kostenlos Urlaub bieten kann. Und immer sollen diese Leute von überallher in Europa kommen. Das hat er vor. Die holländischen Behörden, die Bahnverwaltungen überall in Europa, alle haben ihm Hilfe zugesagt. Und im Augenblick hat er Sir Winnibald am Schlips, weil der ihm zehn Millionen geben soll ... spenden, sagt man.“

Sie lachte verächtlich. „Glaubst du, dass so ein Reicher wie Sir Winnibald das tut? Bisher habe ich nur erlebt, dass die Armen spenden. Die Reichen nehmen doch nur.“

„Nicht alle. Und außerdem hat Sir Winnibald etwas Angst vor den Gewerkschaften, seit sie ihn ein paarmal bestreikt haben. Er wird schon spenden. Er will sich nur alles ansehen. Auch das Hotel, das der Baron in Paris gekauft und bereits mit Rentnern aus ganz Europa belegt hat.“

„Der trieft ja von Edelmut, dein Baron“, meinte Ilona.

„Was weißt du von ihm. Du hast ihn erst einmal flüchtig gesehen. Wir leben selbst auch ganz gut. Er steht aber auf dem Standpunkt, dass man seine Talente nicht nur für sich selbst ausnutzen sollte. Aber das ist ganz bestimmt etwas, das du kaum begreifen dürftest.“

„Ich gebe auch, wo ich kann. Dir gebe ich, was ich habe“, sagte sie. „Das müsstest du doch wissen, Schnurri.“ Sie flötete das noch schmeichelnder und räkelte sich an ihn wie eine Katze. Als sie ihm dann auf den Schoß rutschte und ihre Rechte wie zufällig seinen Schenkel emporglitt, packte er sie, nahm sie auf die Arme und schleppte sie auf die Tür zu, hinter der sich ein Raum verbarg, den normale Leute Schlafzimmer, Ilona aber ihren Wonnesalon nannte. Als er drinnen war und die Tür mit dem Fuß hinter sich zutrat, piepste sie voller Vorfreude:

„Aber Schnurri, was tun wir denn dann nach dem Essen?“

„Dann spielen wir die andere Seite der Platte“, sagte er.

„O Schnurri, es glüht wieder in mir ...“

6

„Warum schicken Sie die Männer weg?“, fragte Ruth Bardal und blickte aus dem Fenster hinunter in den Hof. Dort bestiegen jene fünf Männer gerade einen kleinen Bus. Orson, der Anführer der fünf, war im Gesicht verpflastert. Auch zwei seiner Männer sahen aus, als hätten sie versucht, mit ihren Köpfen Prellbock auf dem Victoria-Bahnhof zu spielen.

Der Mann hinter dem Schreibtisch lächelte kalt. Er war um die Vierzig, glatt rasiert, dunkelhaarig, tadellos gekleidet. Sein Gesicht wirkte straff, aber es wies keine Besonderheiten auf. Ein Mann, den man sah und vergaß. Ein Durchschnittsgesicht, von dem Blick der kalten Augen abgesehen. Aber nicht jeder bemerkte diese Feinheit. Clyde Simmons war auch nicht darauf erpicht, dass er auffiel.

„Ruth, kommen Sie her! Diese fünf Narren sind in England überzählig. Ich lasse sie wegbringen. Wir haben da einen Auftrag in Marokko, und dafür sind sie wie gemacht. Fünf Idioten, die beinahe noch selbst in die Hände der Polizei gefallen wären. — Ich bin nur froh, dass Sie, entgegen Ihrem Befehl, noch eingegriffen haben. Sonst wäre alles schiefgegangen.“

Ruth wandte sich ihm zu. „Ich musste eingreifen, Mr. Simmons. Aber nun werden Sie mich wohl hier auch nicht mehr einsetzen können.“

„Maria wird sich darum kümmern. Für Sie habe ich trotzdem noch eine Aufgabe. Sie werden allerdings Ihr Haar ändern müssen. Da ist nämlich dieser Le Beau. Eigentlich ein unerhörter Bursche. Er hat doch ziemlich was abbekommen. Aber kaum ist der aus dem Verhör der Polizei heraus, flitzt der zu diesem Mädchen zurück, und wie wir wissen, liegt er schon wieder mit ihr im Bett. Würden Sie es fertigbringen, ihn dieser Ilona, die er sich da an Land gezogen hat, auszuspannen?“

Sie schluckte. Das mit James war ihr leichtgefallen. James, der Teddy, hätte ihr nie und in keiner Situation wirklich gefährlich werden können. Aber ausgerechnet Le Beau!

„Ich weiß nicht. Er wird mich wiedererkennen.“

„Wenn Sie sich geschickt zurechtmachen, Perücke und so, dann müsste er doch zu bluffen sein. Ich muss diesen Kerl ablenken, wenn wir uns dem Baron widmen. Und der Baron, das ist Marias Auftrag.“

„Und Sir Winnibald?“

„Kein Wort!“, sagte er scharf. „An den kommen wir nie heran. Wer mit dem verkehrt, wird vorher vom Geheimdienst durchleuchtet. Nichts da! Damit platzt unser Vorhaben nur. Nein, wir werden den Baron dafür benutzen. Denn er kommt an Sir Winnibald heran; er genießt das Vertrauen des Geheimdienstes, weil die wissen, dass er mit seinem Knall, verkalkten Alten irgendwelche Ferienheime zu bauen, überall bei den Reichen herumbettelt. Diese sentimentale Masche zieht ja. In Italien musst du für Kinder sammeln, in Frankreich für gefallene Mädchen, in Deutschland für Hunde und in England für alte Leute, da hast du die Büchse immer voll.“

Sie zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch gedankenverloren zur Decke. „Sie machen möglicherweise einen Fehler“, sagte sie nachdenklich. „Sie unterschätzen die Motive dieses Mannes. Ich habe nicht viel von James gehört, aber was ich gehört habe, ist doch etwas anders als das, was Sie darstellen, Mr. Simmons. Eines weiß ich, Mr. Simmons: Wenn man einen Menschen unterschätzt, ist schon die Hälfte schiefgegangen. Das haben Sie mir selbst beigebracht.“

Er nickte. „Vielleicht haben Sie recht. Aber jetzt wollen wir erst einmal das Nächstliegende tun. Ich muss feststellen, wo dieser Sekretär abgeblieben ist. Auf den habt ihr alle nicht geachtet. Dabei ist er im Grunde viel gefährlicher als dieser Le Beau. Wenn der Sekretär Verbindung mit dem Baron aufgenommen hat, ist alles in Gefahr.“

Simmons lachte. „Also doch verliebt in ihn?“, spottete er.

„Nein“, erwiderte sie ruhig. „Nein, aber er ist ein netter Kerl.“

„Er sitzt in seinem Hotelzimmer mit einer kühlen Kompresse auf dem Kopf. Das ist jedenfalls die Information, die ich vom Zimmermädchen bekommen habe. Le Beau ist auf alle Fälle zäher und vitaler. Wollen Sie hören, was die beiden in Ilonas Schlafzimmer reden? Wir haben ein Mikrofon dort. Übrigens scheint Le Beau nicht zu wissen, um was die ganze Sache ging. Jedenfalls sagte er vorhin so etwas zu Ilona. Na, soll ich das Band mal anschalten?“ Simmons erhob sich, trat an einen Schrank, wo zwei Bandgeräte standen. Das eine lief und zeichnete auf.

„Nein, ich mag so etwas nicht. Spionage im Schlafzimmer!“ Ruth Bardal verzog angewidert das Gesicht.

Simmons konnte es sich nicht verkneifen und stellte das zweite Gerät an. „Eine Kostprobe, nur, ganz kurz. Das war vor etwa einer halben Stunde. Hören Sie mal!“

Das Gerät lief, und aus dem Lautsprecher tönte es mit Le Beaus Stimme: „Nun nicht so albern, Darling! Heute ist Mittwoch. Alles ist in Ordnung.“

„Bist du sicher? — Mein Gott, wenn ich sie vergessen habe!“, sagte eine Frau.

„Du hast sie nicht vergessen; es ist Mittwoch. Dann müsste ja eine übrig sein. Es ist aber keine einzige übrig. Hör auf damit und leg dich wieder hin! Komm zu mir, Darling!“

Die Frau erwiderte einschmeichelnd: „O Schnurri, ich hatte solche Angst, ich hätte sie zu nehmen vergessen ... Ah, nicht kitzeln, nein, das mag ich nicht! ... Aber, Michel, oh! Ich ... Ich liebe dich, Michel!“

Simmons schaltete ab. „Interessante Probleme im Liebesnest. Hat sie die Pille genommen oder nicht? Gut, was? Fast könnte man es als Lehrbeispiel ...“

„Seien Sie still!“, fuhr ihn Ruth an. „Ich mag nicht, dass Sie überall herumschnüffeln. Es ist schmutzig und widert mich an!“

„Unser Geschäft ist nun mal so“, meinte er versöhnend. Er nahm eine Flasche und zwei Gläser aus dem Schrank. „Kommen Sie, Ruth, trinken wir Whisky. Nichts können die Briten besser als Whisky brennen.“

Sie stand auf und ging zur Tür. „Danke, ich mag nicht. Ich gehe noch auf einen Sprung einkaufen.“

„Gut“, stimmte er zu. „Aber in einer halben Stunde sind Sie zurück. Das ist der Zeitpunkt, wo Sie für diesen Le Beau maskiert werden.“

„Maskiert?“

„Nun ja, etwas anders zurechtgemacht. Gehen Sie nur!“ Und als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat Simmons zum Telefon, wählte eine Nummer und wartete, bis sich jemand meldete. Dann sagte er: „Sie ist jetzt gegangen, um einzukaufen, wie sie sagt. Achte auf sie, Janosch!“

Er legte auf und wollte gerade zum Fenster gehen, als das Telefon summte. Er machte kehrt, nahm ab und meldete sich mit „Hallo?“

Eine Frauenstimme sagte mit dunkler Stimme: „Er ist eben gelandet. Seinen Gast hat er in der Maschine. Aber der Mann, der ihn abholen soll, wird nicht hier sein. Wir mussten ihn wegen einer kleinen Ohnmacht behandeln.“

„Ihr habt ihn also!“

„Ich habe ihn gefunden. Dafür möchte ich von dir nachher eine Sonderbelohnung.“ Aus der Muschel klang ein dunkles Lachen.

„Bekommst du auch, Maria. Und was für eine. Von wo aus rufst du an?“

„Eine Zelle auf dem Flughafen. — Carol passt inzwischen auf. — Also, bis nachher!“ Es knackte, und das Gespräch war beendet. Simmons legte auf, lächelte zufrieden und rieb sich siegesgewiss die Hände.

Plötzlich klopfte es. Simmons ging zur Tür, schloss auf, und ein kleiner Mann mit dünnem Haar, gekleidet wie ein unterbezahlter Mietkassierer mit Melone, abgeschabtem Anzug, ausgetretenen Schuhen, trat ein. Seine schmalen Augen verrieten den Slawen.

„Was ist, Janosch?“, fragte Simmons misstrauisch.

„Sie ist in Taxi gestiegen und weggefahren. Ich konnte nicht hinter ihr her“, erwiderte der kleine Mann, und dabei wurde sein ungarischer Akzent deutlich. „Verdammt. Noch etwas?“

„Ein Doktor ist zu diesem James gekommen.“

„Dann pass auf, was noch geschieht! Und merke dir: Rede nicht so viel am Telefon. Komm selbst, wenn was ist, so wie jetzt.“

„Mach ich, mach ich ja schon!“ Janosch ging wieder. Simmons verschloss hinter ihm die Zimmertür. Er lehnte sich dagegen und blickte zur Decke.

„Ich bekomme es, o ja! Ich muss es bekommen. Dann bin ich reich! Endlich reich und glücklich. Niemand kann mich dann noch wie den letzten Dreck behandeln. Ich werde es ihnen zeigen! Und ob!“

7

Der Baron sah dem Bentley von Sir Winnibald nach, der langsam durch die Reihen der geparkten Autos davonrollte. Etwas müde rieb sich der Baron über die Augen und dachte an Sir Winnibalds verdutztes Gesiebt, als er ihm das von James’ Unfall erzählt hatte, was er von Robert über Telefon erfahren hatte.

Dass Robert nicht hier am Flugplatz war, beunruhigte den Baron. Er sah sich um, als könnte er ihn jetzt irgendwo in der Menge entdecken. Aber stattdessen sah er sie.

Sie, das waren zwei herrlich geformte Beine, die in einem Paar weicher Stiefel steckten, deren Schäfte sich eng an die wohlproportionierten Waden schmiegten. Sie, das war ein kurvenreicher, geradezu klassisch geratener Körper, dessen Bewegungen voller Harmonie waren und wie eine sexuelle Herausforderung auf jeden Mann wirkten. Sie, das bedeutete außerdem ein schmales, feinporiges Gesicht mit einem Paar blauer Augen, und all das war gekrönt von einem Schopf echtblonden Haares, zum Pferdeschwanz zusammengebunden und von seidigem Glanz.

Sie trug ein knapp sitzendes dunkles Kleid. Den Staubmantel hatte sie sich lässig über die Schulter gelegt und mit den Trägern ihrer Handtasche verschlungen. Ihre große Sonnenbrille hatte sie sich hoch bis ins Haar geschoben, was ihr einen gewissen aparten Eindruck verlieh.

Wäre Le Beau an des Barons Stelle gewesen, hätte der einen Pfiff der Bewunderung ausgestoßen. Aber so war es der Baron, und der überlegte blitzschnell, wie er mit diesem Glückskind der Natur bekannt werden könnte. Doch diese Überlegung hätte er sich schenken können. Sie kam direkt auf ihn zu. Und sie lächelte ihn dabei an, als gäbe es auf der ganzen Welt nur ihn als einzigen Mann, den zu umflirten es lohnen konnte.

Er war stehen geblieben, doch jetzt tat er unbewusst einen Schritt auf sie zu. Da war sie schon heran und strahlte ihn an. „Baron Strehlitz?“, fragte sie mit einer Stimme, der man einen exotischen Akzent anhörte.

„Ja. Sie kennen mich?“, fragte er überrascht.

Sie musterte ihn, ohne dabei ihr strahlendes Lächeln aufzugeben. Er war das, was sie von den Fotos kannte, nur alles in der Potenz erhöht. Kein Bild, so meinte sie, vermochte auszudrücken, was er in Wirklichkeit ausstrahlte. Sie roch den scharfen Duft des Rasierwassers, das er benutzte, und sie spürte die starke vom ihm ausgehende Männlichkeit.

Einen kurzen Augenblick lang war sie verwirrt. „Ja“, sagte sie etwas unsicher, „ich kenne Sie, aber nur vom Bild.“

„Und was verschafft mir diese Ehre?“, fragte er mit dem Lächeln eines Mannes, der seinen Preis kennt.

Sie musste zu ihm aufblicken, obgleich sie gewiss nicht klein geraten war. „Mein Name ist Justova, Maria Justova. — Können wir irgendwo ein paar Minuten ungestört reden? Vielleicht in meinem Wagen?“ Sie deutete durch die Glastür auf einen Triumph-Zweisitzer, einen von diesen heißen Öfen.

Der Baron nickte, und sie gingen zusammen hinaus, überquerten die Fahrbahn der Auffahrt und erreichten nach wenigen Sekunden den Parkplatz. „Kompliment, wie viel Glück hatten Sie, direkt vor dem Eingang einen Parkplatz zu bekommen?“

„Ich habe meistens Glück“, sagte sie mit gewinnendem Augenaufschlag. Sie zog ihre Schlüssel aus der Handtasche, und das tat sie so behände, dass der Baron sich fragte, wann es wohl gewesen war, dass eine Frau, die er kannte, so schnell ihre Autoschlüssel aus der Handtasche gekramt hatte. Meistens artete es in wahre Höhlenforschung aus.

Maria Justova hatte auch die Türen rasch aufgeschlossen und sagte Lächelnd: „Steigen Sie nur ein! — Wohin darf ich Sie überhaupt bringen?“

„Fahren Sie nur ein Stück, ich sage Ihnen schon, wohin. Wir werden irgendwo etwas essen, denke ich. Oder lehnen Sie diese Einladung ab?“

„Wenn es eine war, nehme ich sie an“, erwiderte sie und lachte perlend.

Gespannt, wie diese Sache weitergehen würde, musterte der Baron das Mädchen von der Seite. Sie war etwa fünfundzwanzig. Ihre Augen verrieten Intelligenz. Ihr Akzent wies auf ihre Herkunft hin. Nach des Barons Schätzung offenbar Tschechoslowakei.

Langsam fuhr sie die Gasse zwischen den parkenden Autos entlang, bog in die Zubringerstraße ein und fragte: „Und wohin soll die Reise gehen?“

„Geradeaus, eine Meile von hier steht ein Restaurant. Es gehört einem Wiener, dessen Spezialität Brathändl sind.“

Er hatte deutsch gesprochen, und jetzt antwortete sie auf Deutsch: „Wissen Sie, warum ich Sie sprechen möchte?“

Er sah sie an. Sie blickte starr geradeaus, und das Lächeln um ihre Lippen war wie weggewischt. „Ich höre.“

Sie fuhr rechts heran und hielt. Ohne den Blick von der Straße zu nehmen, sagte sie: „Wie viel ist Ihnen Robert Burton wert?“

Der Baron zeigte kein Erstaunen, keine Sorge, er fragte nur: „Ist das die Einleitung einer Lösegeldgeschichte?“

„Nein“, erwiderte sie und vermied es, ihn anzusehen. „Kein Lösegeld. Robert Burton geht es gut. Und es geht ihm so lange gut, wie Sie tun, was ich Ihnen rate. Und jetzt rate ich Ihnen, das hier nicht als Scherz aufzufassen. Ich habe einen sehr triftigen Grund zu erreichen, was ich erreichen will. Ich bin nicht allein, Baron Strehlitz. Auch jetzt nicht. Sehen Sie sich um. Hinter uns parkt ein grüner Wagen. Der Mann, der in ihm sitzt, hat Ihren Sekretär neben sich. Er wird ihn erschießen, wenn Sie mich nur bedrohen.“

Er hörte eine Spur von Angst und Erregung aus ihren Worten heraus.

„Warum sollte ich Sie bedrohen?“ Er lachte amüsiert. „Ich habe noch nie eine Frau bedroht, schon gar keine, die so hübsch ist wie Sie. Ich mag Sie, auch wenn Sie hier mit einer Masche arbeiten, die sich in der Welt verbreitet hat wie ein Bazillus. Fräulein Justova — oder muss ich Genossin sagen?“ Ohne ihn anzusehen, erwiderte sie wütend: „Hören Sie mit solchen Anspielungen auf! Das hier ist eine sehr ernste Sache. Ich bin keine Genossin. — Ich will Ihnen sagen, worum es geht. Ich möchte von Ihnen die Produktionsliste der McNamarra-Fabriken.“

Der Baron sah sie verblüfft an. „McNamarra-Fabriken? Was habe ich damit zu tun? Ich glaube, Sie vertun sich bei mir in der Adresse.“

„O nein. Natürlich haben Sie direkt nichts damit zu tun, aber Sie wissen ja, wem diese Werke gehören.“

„Aha, also daher weht der Wind. Ich soll einen Mann, den ich kaum kenne, dazu bewegen, mir die Produktionsliste seiner Fabrik zu geben. Sir Winnibald wird mir, mit Verlaub zu sagen, etwas husten.“

Sie sah ihn an. Und er erkannte in ihren Augen den fiebernden Eifer. „Er wird das, wenn Sie es dumm anstellen. Aber überlegen Sie sich doch: Ihnen misstraut er nicht. Und wenn Sie selbst nicht an diesen Plan kommen; ich werde es schon schaffen. Sie brauchen mich nur als Ihre ständige Begleiterin überall einzuführen. Wie es weitergeht, erfahren Sie rechtzeitig.“

Er lächelte versonnen. „Sie haben daran gedacht, dass ich Sie dann womöglich gegen meinen Sekretär austauschen könnte?“

Sie sah ihn zornig an. „Natürlich habe ich daran gedacht. Es wird nur nicht möglich sein. Ich bin allein, Baron Strehlitz, aber Sie haben, außer Ihrem Sekretär, noch andere Freunde. Michel Dupont zum Beispiel. Oder James Morris. Sein Unfall war nicht in unserem Programm, den hat er selbst verschuldet. Aber danach haben wir ...“

„Mein Sekretär hat mich angerufen. Ich weiß also, was in jenem Chausseehaus passiert ist. — Nun gut, Sie glauben sich also in der Vorhand. Wie geht es weiter? Ich meine, dass ich nicht an diesen ominösen Produktionsplan komme, dürfte Ihnen ja klar sein. Ich möchte bei Sir Winnibald einen größeren Betrag für einen guten Zweck lockermachen, zum Teil ist mir das sogar gelungen. Aber so intim, dass er mir etwas über seine Fabriken erzählt, sind wir nicht.“

Sie nickte. „Weiß ich. Trotzdem wird er Sie einladen, wird mit Ihnen verkehren. Es wird für Sie leicht sein, mich einzuführen. Mehr brauchen Sie nicht zu tun. Im richtigen Augenblick genügt es, wenn Sie mir ein paar Hinweise geben oder Sir Winnibald ablenken. Ich muss diesen Produktionsplan haben.“

„Hören Sie, worum geht es? Ein Plan wovon? Militärische Objekte baut keine dieser Fabriken.“

„Das meinen Sie! Das meinen vielleicht viele. Aber er stellte und stellt noch immer Raketenteile her. Ich muss herausbekommen, welche Teile das sind und wie viel er davon produziert, und genau das steht in einem Plan, den er privat in seinem Haus irgendwo verwahrt. Es ist die einzige Kopie, die nicht im Panzerschrank innerhalb der Sicherheitszone seines Hauptwerkes verschlossen ist.“

„Sie wissen mehr als ich.“

„O ja, und leider ist es viel zu wenig, was ich weiß“, sagte sie. Sie sah ihn flammend an und sagte leidenschaftlich: „Herr Baron, haben Sie Ihre Eltern noch? Oder sonst einen Menschen Ihres Blutes, den Sie sehr lieben?“

„Ich habe keine Eltern mehr, Maria Justova. Mein Bruder fiel bei Stalingrad, und eine Schwester von mir ertrank bei einer Bootsfahrt im Mittelmeer. Außer ein paar alten Tanten, die irgendwo stecken, habe ich niemanden. Warum fragen Sie das?“

Sie hielt den Kopf gesenkt. „Ich wollte alles ganz anders anfangen. Ich weiß nicht, warum ich es nicht kann. — Ich habe nämlich jemanden, den ich sehr, sehr liebe. Meinen Vater. Er ist der beste Vater der Welt. Immer war er für mich da. Immer ...“ Sie blickte links aus dem Wagen, und ihre Stimme bekam einen fremden Beiton.

Er sah sie an. Als gewiefter Pokerspieler musste er Psychologe sein. Das gehörte dazu. Und so spürte und sah er, dass sie nicht mimte. Es schien sie etwas ernstlich zu erschüttern.

„Es ist eine merkwürdige Situation, Maria“, sagte er. „Sie sind schön, jung und sexy. Sie gefallen mir so, dass ich Sie ansprechen wollte. Und Sie haben Ihrerseits vor, mich zu erpressen und mich zu einem kriminellen Vorhaben zu missbrauchen. Und jetzt werden Sie sentimental, weinen fast um Ihren Väter, den Sie lieben. Würden Sie mir erklären, wie das alles zusammenpasst?“

Sie sah ihn an. „Sie haben ihn ins Gefängnis geworfen. Obgleich er krank ist, alt und krank!“

Er sah den Glanz in ihren Augen. „Reden Sie!“, sagte er.

„Man wird ihn damit töten. Aber sie würden ihn freilassen. Sie wollen nur wissen, was in Sir Winnibalds Produktionsplan steht. Ich werde es ihnen zeigen. Weil ich meinen Vater wiederhaben möchte. Weil ich nicht will, dass er in einem Gefängnis umkommt.“

„Warum denn ausgerechnet er? Warum Sie? Dafür gibt es doch Gründe. Und wo ist denn Ihr Vater? In welchem Land?“

Sie senkte den Kopf. Plötzlich kurbelte sie das Fenster herunter, streckte die Hand aus und winkte.

Der Baron sah sich um. Hinten fuhr der grüne Sunbeam los, schoss an dem Sportwagen vorbei, und der Baron sah nur das Profil eines Mannes um die Dreißig, ein wulstiges Gesicht, das er sich gut merken konnte und auch jederzeit wiedererkennen würde. Auch die Nummer des Sunbeams prägte er sich ein.

„Wir sind allein“, sagte sie. „Wollen Sie jetzt noch mit mir essen? Ich würde Sie einladen, falls Sie Ihr Angebot zurückziehen möchten.“

„Reden Sie jetzt nicht um die Sache herum!“, sagte er schroff. „Sie wollen ein Verbrechen ausführen, weil Sie, wie Sie wohl behaupten möchten, selbst unter Druck gesetzt wurden. Warum ist Ihr Vater eingesperrt?“

„Nichts, eine Verleumdung. Lüge. Angeblich Trunkenheit am Steuer.“

„Und wo?“ Er erwartete den Ort in irgendeinem Ostblockstaat zu hören. Aber da sagte sie:

„In Southampton.“

„Was? Hier in England? Nun hören Sie mal, Maria, jetzt fängt Ihre Story an, ziemlich unglaubwürdig zu werden.“

„Wenn in England jemand betrunken Auto fährt und dabei ein Unfall geschieht, bei dem ein Mensch umkommt, dann ...“

„So etwas lässt sich nicht so einfach fingieren. Entweder war Ihr Vater betrunken und hat einen Unfall gebaut oder nicht.“

„Er war überhaupt nicht dabei. Aber drei Zeugen behaupten, dass sie ihn weglaufen sahen, und sie schwören, dass er im Wagen hinterm Steuer gesessen hat. Sie sind jedenfalls bereit, es zu beschwören. Wenn ich die Produktionsliste von Sir Winnibald habe, wird kein einziger Zeuge mehr da sein.“

„Was ist Ihr Vater von Beruf?“

„Taxifahrer. Er hat hier im Exil, als er aus der Freiwilligentruppe von Svoboda ausschied, viel Mühe gehabt. Die fremde Sprache, die andere Lebensart. Aber dann hat er in Southampton eine Taxilizenz bekommen.“

„Der Unfall ist mit einem Taxi verursacht worden?“

„Mit seinem Taxi. Aber er war nicht im Wagen. Er hat an diesem Morgen überhaupt nicht fahren wollen. Es war sein Geburtstag. Und natürlich hatte er getrunken. Zu Hause. Und dort fanden sie ihn und behaupteten, er wäre vom Unfallort zu sich in seine Wohnung gelaufen. Drei Zeugen gibt es. Und er selbst hatte keinen, hat noch immer keinen, obgleich es welche geben müsste.“

„Wer will, dass Sie zur Spionin werden?“

Sie schwieg verbissen.

„Vielleicht ist alles, was Sie mir hier verkaufen wollen, eine Lüge, eine Falle, in die ich springen soll“, sagte Baron Strehlitz. „Sie sind eine charmante Frau, aber ich finde an Ihrer Story sehr wenig Gefallen. — Wissen Sie was? Ich werde Sie jetzt am Steuer ablösen. Lassen Sie mich hinüber!“

Sie sah ihn erschrocken an. „Was haben Sie vor?“

Er lächelte. „Komische Frage. Soll ich mit Ihnen zu Scotland Yard fahren? Immerhin geht es um Entführung, Maria Justova. Secret Service wäre vielleicht noch die bessere Adresse. Oder wie soll ich alles sonst verstehen?“

Er wollte sie sanft hinterm Lenkrad wegziehen, aber sie stemmte sich ein und sah ihn empört an.

„Ich lasse mich nicht verhaften! Sie riskieren das Leben Ihres Sekretärs!“, rief sie erregt.

Er lächelte. „Sind Sie da so sicher?“ Er griff in seine rechte Jackentasche, und seine Finger spürten das dünne Glas der Ampulle. Er schob das Taschentuch darüber, umfasste es, sodass die Ampulle innen lag. Dann drückte er die Hand zusammen. Das Glas zerbrach, und der Inhalt der Ampulle rann ins Taschentuch.

„Nun gut, dann fahren wir eben dort hinten in dieses Restaurant meines Wiener Freundes“, sagte der Baron und lächelte wieder. „Vielleicht können wir über alles wie erwachsene Leute reden und brauchen uns nicht wie Kinder zu zanken. Oder etwa nicht?“ Er hatte in der Tasche die Lagen des Taschentuches etwas entfaltet, sodass die winzigen Glassplitter der Ampulle zwischen den Stoff gerieten. Jetzt nahm er die Hand mit dem gefalteten Tuch heraus und stieß sie jäh vor Maria Justovas Gesicht, presste das Tuch vor ihre Nase und hielt sie mit der Linken im Nacken fest.