Kinderlachen - Folge 019 - Laura Hanson - E-Book

Kinderlachen - Folge 019 E-Book

Laura Hanson

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Beschreibung

Andy ist erst sechs. Doch manchmal wirkt sein Gesicht so ernst und verspannt wie das eines Erwachsenen.

Andy hat große Angst. Aber mit wem soll er darüber reden? Sein Papa ist sowieso immer so traurig, weil die Mama doch tot ist. Und seine Oma gibt ihm sogar die Schuld daran, weil die Mama ja krank geworden ist, nachdem sie ihn geboren hat.

Andy jammert nicht, er weint nicht. Er stellt sich selbst vor ein unbarmherziges Gericht.

So lernt Perdita den kleinen Jungen kennen - eine junge Frau, die als Kind ein ähnliches Schicksal erlebt hat. Sie weiß also, wie dringend Andy Trost und Zuspruch braucht, wenn seine Seele ohne Schaden bleiben soll. Noch hat er eine Chance - denn Andy ist erst sechs!

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Inhalt

Cover

Impressum

Ich werde da sein, wenn du weinst

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Monkey Business Images

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-3709-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ich werde da sein, wenn du weinst

Wie eine junge Frau dem kleinen Andy das Lachen zurückgab

Von Laura Hanson

Andy ist erst sechs. Doch manchmal wirkt sein Gesicht so ernst und verspannt wie das eines Erwachsenen.

Andy hat große Angst. Aber mit wem soll er darüber reden? Sein Papa ist sowieso immer so traurig, weil die Mama doch tot ist. Und seine Oma gibt ihm sogar die Schuld daran, weil die Mama ja krank geworden ist, nachdem sie ihn geboren hat.

Andy jammert nicht, er weint nicht. Er stellt sich selbst vor ein unbarmherziges Gericht.

So lernt Perdita den kleinen Jungen kennen – eine junge Frau, die als Kind ein ähnliches Schicksal erlebt hat. Sie weiß also, wie dringend Andy Trost und Zuspruch braucht, wenn seine Seele ohne Schaden bleiben soll. Noch hat er eine Chance – denn Andy ist erst sechs!

Das Kind stand am Grab, kerzengerade, fast unnatürlich aufgerichtet.

»Armer Kleiner!«, tuschelte jemand. »Ja, das ist ein Schicksal, Frau Meyer … meinen Sie nicht?«

Die Sargträger verneigten sich. Einer, der Älteste von ihnen, sah Karsten Sundermann an. Der nickte.

Eine Trompete blitzte im Schein der Sonne auf. Der Spieler schloss die Augen, ganz so, als wollte er verhindern, dass jemand seine Tränen sah.

Das Kind weinte nicht.

»Er spielt so schön, Papa«, sagte es. »Kann die Mama das da oben auch hören? Weiß sie, dass das Lied für sie ist?«

Der Papa nickte. »Ja, Andy, sie hört es. Und sie sieht uns, jetzt und immer. Vergiss das nicht!«

Jetzt hielt der Pfarrer seine Rede.

»Wir, die wir hier stehen … fassungslos vor Schmerz und Trauer …«

Andy verstand ihn nicht, obwohl er schon fünf war. Der Pfarrer hatte die Mami gar nicht gekannt. Warum sprach er jetzt so viele Worte?

»Ja, so ein Schicksal, Frau Meyer … nicht wahr?«, jammerte die Frau dort rechts wieder. »Und was wird bloß aus dem Kleinen? Der Vater muss doch arbeiten.«

Die Angesprochene hob die Schultern.

»Wie das so geht«, seufzte sie. »Kindergarten oder Babysitter. Aber vielleicht steckt er Andreas ja auch ins Heim.«

Das Kind lauschte und verstand doch nichts. Es fror ein wenig, von innen her.

»Mami«, flüsterte es. »Wenn du da oben bist, auf einer Wolke, und du kannst mich sehen – warum seh ich dich denn nicht?«

Er blickte hoch zum lichtgrauen Frühlingshimmel. Kein Wölkchen war da. Ein Schwarm Tauben umkreiste den kleinen Friedhof.

»Mami!«, wisperte der Kleine. »Mami, guck doch mal weit runter von deiner Wolke! Damit ich dich seh!«

Der Vater drückte ihm das Mimosensträußchen in die Hand.

»Komm«, sagte er leise. »Gib es der Mami. Darüber freut sie sich.«

Hand in Hand machten sie die beiden Schritte bis ans offene Grab. Karsten Sundermann warf eine rote Rose auf den Sarg.

»Lebwohl, Geliebte«, murmelte er. »Danke für alles!«

Das Kind umklammerte die Mimosen.

»Ich will lieber, dass du zurückkommst«, sagte es. »Die Wolken sind sooo weit weg!«

Dann begann es zu weinen, leise und klagend.

***

Die freie Tankstelle lag mitten an der verkehrsreichen Kreuzung, umgeben von Ausfallstraßen in Richtung Autobahn. Eine Goldgrube allein schon von der Lage her, doch dass Otmar Matz sich vor Kunden kaum retten konnte, hatte andere Gründe. Niemand im Umkreis von dreißig Kilometern verkaufte Benzin so günstig wie er, erledigte kleinere Reparaturen kostenlos und hatte trotz des randvollen Terminkalenders immer Zeit, sich die kleinen Probleme der Autobesitzer anzuhören.

»Wir könnten stinkereich sein, Paps, wenn du nicht ständig irgendwo was zuschustern würdest!«

Die Fäuste in die Taille gestemmt, stand Pim vor ihm. Wie immer, wenn sie zornig war, runzelte sie ihre Brauen und schaute finster vor sich hin.

Natürlich hieß sie nicht Pim, aber jeder nannte sie so, weil ihre drei Vornamen – Perdita, Ina und Margaretha, eine Idee ihrer romantisch veranlagten Mutter – einfach nicht zu einer Kfz-Mechanikerin mit blondem Wuschelkopf, Stupsnäschen mit tausend Sommersprossen und ironisch funkelnden, seegrünen Augen passten … Und schon gar nicht zu ihrem ölbeschmierten, superweiten und mit unzähligen Taschen versehenen Monteuranzug.

Wer durchdringend nach Abschmiermitteln anstatt Parfüm roch und sonntags bei Autorennen die jungen Herren der Schöpfung das Fürchten lehrte, konnte sich nicht Perdita rufen lassen, aber Pim schon. Pim Matz, das klang kurz und bündig und auch so, dass jedermann sich vorstellen konnte, eine Formel 1-Rennfahrerin dieses Namens auf den Titelseiten der Fachzeitschriften zu sehen, mit einem Siegerkranz um das schmale Hälschen.

»Wie? Was?«, tat Otmar Matz, als hätte er die kritischen Worte nicht verstanden. »Wir haben Geld genug. Also, lass mich meinen Betrieb führen, wie ich das will. Vorerst«, er grinste breit, »vorerst hast du deinen Meister ja noch nicht in der Tasche, oder?«

Pim nagte an der Unterlippe. Diese verdammte Prüfung! Mit links hatte sie die Lehrzeit damals durchgestanden, nicht bei Paps natürlich, sondern bei dem Scheusal Poppewitz, der seine Azubis drangsalierte. Eine Eins durchweg – Pim griente. Das sollte ihr mal einer nachmachen! Einer, wie gesagt, nicht etwa eine. Die wenigen Frauen, die es in diesen Beruf zog, kuschten doch samt und sonders vor den Männern. Aber Pim natürlich nicht, nein, sie gewiss nicht!

Und jetzt die Plackerei mit dem Meister! War gar nicht so leicht. Das Praktische lief natürlich wie geschmiert, aber im Schriftlichen haperte es noch. Und ohne ihren Meisterbrief konnte sie Papas Traum, bald in der Hängematte neben dem eigenen Wohnwagenverkauf zu liegen, nicht erfüllen.

»Mach’s halblang, Papa!« Kampfeslustig streckte die Achtundzwanzigjährige ihm ihr Kinn entgegen. »Wenn der Laden mir gehört, dann …«

Otmar Matz grinste breit. »… dann kannst du dich vor Kunden nicht retten, die dir auch noch in die Abschmiergrube hinterherhüpfen wie der Typ neulich … du weißt schon.«

Pim kicherte. »Den albernen Vogel«, wie sie den ausgesprochen sympathischen Mann nannte, hatte sie »aus Versehen« derart mit Altöl bespritzt, dass er sicher einen Kleinkredit aufnehmen musste, um sich einen so schicken neuen Anzug wieder kaufen zu können.

Die Kundenklingel schrillte. Das war ihre neueste Errungenschaft. Dort, zwischen den Zapfsäulen, baumelte sie. Es gab immer Leute, die über Nacht vergessen hatten, wie sich ihr Tankverschluss öffnen ließ, und wenn sie niemanden an der Kasse sahen, der ihnen behilflich sein konnte, klingelten sie halt.

Rechts, an den Säulen für die Lkws, tummelten sich etliche Fernlaster samt Fahrer. Die frühstückten gerade und erzählten sich dabei Witze. Links, an den Säulen für die Pkws, reihten sich drei chromblitzende Wägelchen aneinander.

Nanu? Wer hatte geklingelt? Kein Fahrer sah aus, als brauchte er unbedingt Hilfe.

Pim wollte gerade in die Werkstatt gehen, um den Motorschaden eines Sportwagens zu reparieren, da sah sie den Knirps.

Niedlich sah er aus, der Winzling. Etwa fünf war er wohl, und die glatten, blonden Haare fielen ihm bis in den Nacken. Ein Pausbackengesicht, himmelblaue, sehr ernste Augen, ein kleiner, herzförmiger Mund.

»Tach«, sagte er. »Ich bin der Andy, und ich hab geklingelt. Kannst du mir meinen Laster heilmachen, du?«

Er sah sehr kritisch hoch. Vielleicht entdeckt er erst jetzt, dass sie ein Mädchen war.

Der Laster war knallrot, die Ladefläche dottergelb, die Räder schwarz. Pim lächelte, aber mehr innerlich.

»Hm«, machte sie, »mal sehen. Große Reparaturen machen wir hier natürlich nicht, denn wir sind ja eine Tankstelle.«

Der Kleine nickte. »Weiß ich doch«, sagte er. »Und ich will’s auch nicht umsonst.«

Er kramte in den Taschen seiner Jeans und förderte ein zerrissenes Gummiband, zwei Kieselsteine, eine verrostete Heftzwecke und ein Fünfzigpfennigstück zutage. Und eine Blüte.

Pim staunte. Eine kleine, abgerissene Mimosenblüte … Sie passte eigentlich nicht in die Tasche eines Kindes.

»Komm mal mit in die Werkstatt«, forderte sie ihn auf. »Und erklär mir genau, was mit deinem Laster los ist. Oberflächlich gesehen ist er doch in Ordnung.«

Andy tippte auf das Hinterrad.

»Das eiert«, sagte er. »Wir machen immer Unfälle.«

Pim seufzte. Sie hatte wirklich alle Hände voll zu tun. Der Schnösel, dessen ramponierter Sportwagen dort oben auf der Bühne wartete, würde in spätestens drei Stunden kommen.

»Paps!«, rief sie.

Otmar Matz schlurfte näher, entdeckte das Kind mit seinem Laster und lächelte.

»Ein neuer Kunde?«, fragte er und streckte weit seine Hand aus. »Ich heiße Otmar Matz – und du?«

Andy machte einen kleinen Diener. Sehr wohlerzogen wirkte das.

»Andy Sundermann heiß ich. Ich bin bald sechs.«

Zukünftige Kunden – was hieß hier eigentlich zukünftig? – musste man gut behandeln. Pim wusste das. Sie kamen dann immer wieder und sorgten dafür, dass Perdita Ina Margaretha die Unsummen verdienen konnte, die ein eigener Rennwagen verschlang.

»Das linke Hinterrad eiert, Paps«, erklärte sie. »Können wir da was tun?«

Otmar Matz hatte Zweifel, aber er führte den Kleinen ins Lager, wühlte unter Hunderten von Schraubenschlüsseln den Richtigen heraus und montierte die Räder ab.

»Hm«, machte er. »Ein kniffliges Problem. Nein, junger Mann, so wird das nichts. Aber wenn du morgen wiederkommst, habe ich deine Reparatur fertig.«

Der Knirps sah ihn prüfend an. »Um welche Uhrzeit?«

Otmar Matz überlegte. »Um vier!«

Eine vertrauensvolle Kinderhand legte sich in seine.

»Abgemacht, Meister! Um vier!«

Dann war das Kind verschwunden.

***

Am frühen Abend leuchtete der knallrote Sportwagen schon von Weitem. Pim hatte den Motor repariert und Ölwechsel gemacht. Dann war sie noch zweimal durch die Waschanlage gefahren, und jetzt schrieb sie die dicke Rechnung aus.

»Paps!«, rief sie. »Tipp doch mal die Daten in den Compu ein!«

Compu nannte sie den Computer, der ihnen die Arbeit erleichtern sollte. Aber keiner hatte bisher die Zeit gefunden, sich mit dem supermodernen Gerät zu beschäftigen. Überhaupt … personalmäßig fehlte es an allen Ecken und Enden, denn Heini, der Rentner, der auf dem Vorhof alles sauber hielt und auch mal kleinere Reparaturen machte, war nicht mehr fit genug, einen Achtstundentag durchzuhalten.

»Ich kann jetzt nicht!«, brüllte Otmar Matz zurück. »Habe Wichtigeres zu tun!«

Wichtigeres? Pim fand ihn im Nebenraum zur Kasse. Seine großen Hände fummelten zart an einem »Werkstück« herum, an dem es nichts zu verdienen gab.

»Was machst du denn da?«

»Andys Laster reparieren«, gab ihr Vater zurück. Und dann fügte er hinzu: »Ich baue ihm eine neue Querverbindung. Sag Heini, er kriegt noch was zu tun. Die muss angeschweißt werden. Aber sag ihm, er soll vorsichtig sein: Ist doch Plastik, dieses Zeugs!«

Es gab Augenblicke, in denen die geschäftstüchtige, zielbewusste Perdita Ina Margaretha ihren geliebten Paps hätte schütteln mögen. Dieser gehörte dazu.

Der Schnösel kam, betrachtete erst zufrieden sein Traumauto, dessen Motor wieder lautstark aufheulte, und richtete dann sein Augenmerk auf die angehende Kfz-Meisterin.

»Wunderbar!«, lobte er. »Gehen Sie heute Abend mit mir essen, Pim?«

Pim hätte lieber das Großstadt-Telefonbuch auswendig gelernt, als Mickey Löblein – wahrscheinlich hieß er ganz langweilig Michael – auch nur zehn Minuten gegenüberzusitzen.

»Keine Zeit, Herr Löblein«, schwindelte sie. »Und das Ganze macht 543,17 Euro. Wenn Sie mir bitte an die Kasse folgen wollen …«

Der Schnösel verzog keine Miene. Er hatte es dicke, und vielleicht ahnte er, dass Pim ihn ein wenig dafür mitbezahlen ließ, dass sie bei denen, die es nur dünne hatten, oft nichts berechnete.

»Fahren Sie den Wagen in Zukunft nicht so hochtourig«, muffelte sie noch. »Mensch, wenn ich so ein Ding hätte! Den muss man butterweich anfahren, etwa so …«

Sie machte ein Geräusch, das wie das Schnurren einer Nähmaschine aus vorelektronischen Tagen klang. Mickey griente.

»Ihr Mund ist wunderschön, Pim. Herzförmig und voll. So einen Mund haben nur sinnliche Frauen. Das dürfen Sie mir glauben. Ich versteh was davon.«

Fast hätte er mit der Zunge geschnalzt. Wahrscheinlich gab er das Vermögen seines Vaters dafür aus, in gewissen Etablissements nachts bei rotem Licht die Damen am Nebentisch anzurufen …

»Wiedersehen!«, sagte sie.

Mickey Löblein seufzte, stieg in sein Gefährt, gab Vollgas und röhrte davon.

»Nächstes Mal verkaufe ich dem einen neuen Auspuff«, überlegte Pim laut. »Da verdiene ich glatt …« Sie rechnete nach und lachte in sich hinein.

»Feierabend, Heini!«, rief sie wenig später dem alten Mann zu, der auf dem kleinen Rasenstück vor den Zapfsäulen klar Schiff machte.

»Ist gut, Perdita!«, gab er zurück. An Pim konnte er sich immer noch nicht gewöhnen, obwohl er sie schon kannte, als sie noch weiße Söckchen trug und sonntags in die Kirche ging. Mit Mama natürlich, denn Paps erfand immer eine Ausrede vor dem lieben Gott.