Kinderlachen - Folge 027 - Laura Hanson - E-Book

Kinderlachen - Folge 027 E-Book

Laura Hanson

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Beschreibung

Julian ist aufsässig! Julian kann sich nicht anpassen! Julian ist verhaltensgestört!

Erschüttert hört Anne Rottmann, wie die Leute abfällig über ihren Adoptivsohn reden. Ja, sie haben recht, Julian ist ein schwieriges Kind. Aber das ist ja auch kein Wunder, nach all dem, was er mit seinen acht Jahren bereits durchgemacht hat - doch das interessiert natürlich niemanden.

Anne lässt sich nicht unterkriegen. Sie kämpft für das Glück ihres Sohnes. Doch die junge Frau weiß, dass es ein langer, vielleicht sogar unmöglicher Weg ist, die zerrüttete Kinderseele zu heilen. Aber sie ist fest entschlossen, ihre ganze Kraft und Liebe zu geben ...

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Seitenzahl: 104

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Junge, der nicht lächeln wollte

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Monkey Business Images

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4260-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Der Junge, der nicht lächeln wollte

Erschütternder Roman um ein enttäuschtes Kinderherz

Von Laura Hanson

Julian ist aufsässig! Julian kann sich nicht anpassen! Julian ist verhaltensgestört!

Erschüttert hört Anne Rottmann, wie die Leute abfällig über ihren Adoptivsohn reden. Ja, sie haben recht, Julian ist ein schwieriges Kind. Aber das ist ja auch kein Wunder, nach all dem, was er mit seinen acht Jahren bereits durchgemacht hat – doch das interessiert natürlich niemanden.

Anne lässt sich nicht unterkriegen. Sie kämpft für das Glück ihres Sohnes. Doch die junge Frau weiß, dass es ein langer, vielleicht sogar unmöglicher Weg ist, die zerrüttete Kinderseele zu heilen. Aber sie ist fest entschlossen, ihre ganze Kraft und Liebe zu geben …

Nur einen Augenblick zögerte Anne, bevor sie auf den Klingelknopf neben dem weißen Emailleschild drückte. »Dr. Gert Dörremeier, Frauenarzt und Geburtshelfer, Sprechzeiten nur nach Vereinbarung«, stand darauf.

Gedankenverloren musterte sich die Vierunddreißigjährige in der verspiegelten Eingangshalle der gepflegten Jugendstil-Villa, korrigierte den Sitz ihres schmalen Rockes und zupfte am silbergrauen, taillenkurzen Jäckchen.

Sehr hübsch sah das aus, dezent genug, um in dieser kleinen Stadt Schleswig-Holsteins nicht aufzufallen, und doch von so unnachahmlicher Eleganz, dass Anne sich fast ein wenig verkleidet fühlte. Sie lächelte bei dem Gedanken an ihren Mann. Ihre Kleider konnten ihm gar nicht kostbar genug sein. Oft bat er sie, ihre schulterlangen, hellblonden Haare streng zurückzubinden.

»Das gibt dir etwas Nordisch-Kühles, Liebling«, meinte er, und manchmal fügte er lächelnd hinzu: »Ich möchte eben, dass mich jeder Mann hier um dich beneidet.«

Anne seufzte. Es gab Tage, an denen sie es als ziemlich anstrengend empfand, als Frau eines hohen Beamten, der bald für die Bürgermeister-Wahl kandidieren wollte, repräsentieren zu müssen.

Immer nur lächeln, Hände schütteln und mit für alle sichtbarem Stolz zu Dirk hochschauen, ihn bewundern für sein blendendes Aussehen, seinen beruflichen Erfolg … und die Kunst, mit der es ihm gelang, Menschen um den Finger zu wickeln.

Anne klingelte. Helga, die Sprechstundenhilfe, begrüßte sie freundlich.

»Der Herr Doktor erwartet Sie schon, Frau Rottmann. Gehen Sie bitte ins Sprechzimmer hinüber.«

Da war es wieder … dieses seltsame Gefühl in Anne, das sich aus Angst und Ratlosigkeit zusammensetzte. Was würde ihr der erfahrene Mediziner sagen? Mit weit ausgebreiteten Armen kam er ihr entgegen, dieser würdige, ältere Herr, der schon so vielen betroffenen Paaren zu einem Baby verholfen hatte.

»Bitte, setzen Sie sich doch, Frau Rottmann! Wie geht es Ihrem Ehemann? Er hat wohl große Chancen, unser neuer Bürgermeister zu werden, wie? Eine große Karriere hat er noch vor sich, da bin ich mir sicher. Sie müssen sehr stolz auf ihn sein.« Er schwieg und fuhr sich ein wenig verlegen durch das dichte, graue Haar. »Ja, um zum Punkt zu kommen, Frau Rottmann: Es ist so, wie ich schon lange befürchtete. Sie und Ihr Mann werden niemals gemeinsam ein gesundes Kind bekommen. Sehen Sie mal, Sie müssen sich das so vorstellen …« Er schlug die Abbildung eines medizinischen Lexikons auf und erklärte ihr die Bedeutung der Chromosomen. »Bitte, Frau Rottmann«, fast flehentlich klang seine Stimme jetzt, »sehen Sie mich doch nicht so todunglücklich an. Ich weiß ja, wie sehr Sie sich nach einem Kind sehnen, aber …«

Anne spürte, wie das Blut aus dem Gesicht wich.

»Zehn Jahre sind Dirk und ich verheiratet«, murmelte sie mehr zu sich, als um dem Arzt etwas zu erklären. »Zehn Jahre warten, warten darauf, dass auch ich einen Sinn in meinem Leben finde. Dirk … er ist doch so beschäftigt mit seinem Beruf und seinen politischen Zielen.«

Ja, sie hatte den Mann, der ihr gegenübersaß, jetzt fast vergessen, hielt halblaute Zwiesprache mit sich allein.

»Ich bin Erzieherin«, sprach sie weiter. »Und dass ich meinen Beruf nicht mehr ausübe, liegt nur daran: Dirk braucht mich. Alle Alltagsdinge halte ich von ihm fern. Das gelingt nur, wenn eine Frau auf eigene Aufgaben außerhalb des Hauses verzichtet.«

Erschrocken hielt sie inne. Klang ihre Stimme nicht ein wenig bitter? Gab sie gar ihrem Mann die Schuld daran, dass sie sich oft nutzlos fühlte und andere junge Frauen beneidete?

Dr. Dörremeier streichelte väterlich ihre Hand.

»Adoptieren Sie ein Kind, Frau Rottmann! Ein Ehepaar, wie Sie eines sind, hat jede Chance, auf der Adoptionsliste des Jugendamtes schnell ein paar Stufen hochzuklettern.« Er schrieb ihr eine Telefonnummer auf. »Wenden Sie sich an diese Dame. Sie wird Ihnen weiterhelfen. Alles Gute, und grüßen Sie bitte Ihren Mann ganz herzlich von mir!«

In der verspiegelten Eingangshalle blieb Anne ein zweites Mal stehen. Das war also das Ende … jedenfalls dann, wenn sie Dirk nicht dazu überreden konnte, sich an den Gedanken an ein »fremdes« Kind zu gewöhnen. Wie konnte sie ihm helfen, alle Vorurteile über Bord zu werfen? Vielleicht, indem sie ihm noch einmal vor Augen hielt, wie langweilig es für sie war, immer auf ihn warten zu müssen?

Die Absätze ihrer Pumps klapperten über den regennassen Asphalt. Dort drüben schob eine junge Frau einen Kinderwagen. Anne ging schneller, um rasch und wie zufällig einen Blick hineinzuwerfen. Ein süßes, blondes Baby lag darin mit strahlendblauen, staunenden Augen.

»Genauso würde mein Kind aussehen«, flüsterte sie. »Es hätte sicher meine leicht gelockten Haare, meine blauen Augen. Eine Emma wäre es oder ein Leon …«

Tränen schossen in ihre Augen, und sie wischte sie nicht einmal fort. Passanten starrten ihr im Einkaufszentrum der kleinen Stadt hinterher. Vielleicht erkannten sie Anne sogar.

Morgen tuscheln sich die Leute bestimmt gegenseitig zu: »Ich habe gestern die Rottmann gesehen, du weißt schon. Geheult hat sie. Ob es in der Ehe etwa kriselt?«

Sie öffnete die Tür des schmalen, denkmalgeschützten Hauses, das dem Rathaus gegenüberstand, und blieb tief atmend in der Diele stehen. Ihr Zuhause, ihr Heim! Schön war es, perfekt restauriert und in einer gekonnten Mischung aus antiken und extrem modernen Möbeln eingerichtet.

Unter dem Dach sollte das Reich der Kinder sein … Zwei gegenüberliegende Zimmer, getrennt von einem Bad mit niedrig angebrachtem Waschbecken und Armaturen, die selbst ein Kleinkind allein erreichen konnte.

Ja, alles war bereit für Emma oder Leon.

Das Telefon klingelte. Anne meldete sich, und als sie die Stimme von Dirks Sekretärin hörte, zuckte sie zusammen.

»Eine Sondersitzung«, erklärte Birgit kühl. »Ihr Mann wird sicher erst nach Mitternacht heimkehren. Ich soll Ihnen bestellen, dass Sie nicht auf ihn warten müssen.«

Jetzt war es vier Uhr nachmittags. Die Dämmerung senkte sich bereits über das Städtchen. In einer oder zwei Stunden wären fast alle Männer daheim, bei ihrer Frau, ihrer Familie. Sie würden erzählen, lachen, zu Abend essen, vielleicht gemeinsam fernsehen oder Musik hören.

»Nur für mich gilt das alles nicht«, murmelte Anne mit ungewohnter Bitterkeit.

Stundenlang wanderte sie durch die Räume ihres Hauses. Viel zu sauber, viel zu gepflegt erschien es ihr, und selbst das schmale, winterlich kahle Gärtchen wirkte so, als wäre es völlig unberührt, läge in einem Dornröschenschlaf für mindestens hundert Jahre.

Sie ließ Wasser in die Badewanne laufen, musterte ihren schlanken, wohlgeformten Körper im Wandspiegel. Die sanfte Rundung ihres Busens und der ebenmäßige Schwung ihres Beckens erschienen ihr wie ein sinnloses Geschenk des lieben Gottes. Warum sah man ihrem Körper denn nicht einmal an, dass er unfähig war zum Mutterwerden?

Weit nach Mitternacht hörte sie, wie im Erdgeschoss der Schlüssel im Schloss herumgedreht wurde. Langsam stieg sie die Treppe hinunter. Ihr flauschiger Morgenmantel – ein Geschenk von Dirk – schwang dabei um ihre Fesseln.

»Abend«, brummelte Dirk. Wie üblich ließ er sich den Mantel abnehmen, trug seine prall gefüllte Aktenmappe jedoch selbst ins Arbeitszimmer hinüber. »Du bist noch wach?« Er küsste sie auf die Wange, fast ohne sie dabei zu berühren. »Sei nicht böse, Liebling, aber ich bin total geschafft. Diese Sitzungen! Aber im Augenblick muss das sein. Geh schlafen, ja? Ich muss noch ein paar Unterlagen durchsehen.«

Er sah müde aus und sehr blass. Siebenunddreißig Jahre war er, der jüngste Politiker dieser Stadt, doch manchmal sah er zehn Jahre älter aus, trotz des jungenhaften Haarschnitts, trotz des unwiderstehlichen Lächelns, mit dem er alle bezauberte.

»Du bekommst graue Haare«, bemerkte Anne leise.

»Ein Mann wie ich muss nicht schön sein«, erwiderte er und zwinkerte ihr zu, weil sie beide nur zu genau wussten, dass ein so großer, gut aussehender Mann keinen Vergleich scheuen musste.

»Dirk … ich war bei Dr. Dörremeier«, begann Anne. »Er bestätigt die Diagnose der anderen Ärzte. Wir werden nie ein gesundes Kind bekommen, weil unsere Chromosomen unvereinbar sind.«

Dirk nickte. »Wir reden morgen darüber, Liebling, ja?«

Wie gut sie das kannte! Immer verschob er dringende Gespräche auf den nächsten, den übernächsten Tag. Und wenn er dann wirklich einmal Zeit hatte, war ihr der Gedankenaustausch plötzlich nicht mehr wichtig.

»Nein, Dirk! Wir reden heute darüber. Dr. Dörremeier rät uns, wie alle anderen Ärzte, ein Kind zu adoptieren. Ich möchte das. Und du?«

Lange schwieg er. Ohne sie anzusehen, durchmaß er sein Arbeitszimmer. Die Spannung zwischen ihnen verstärkte sich, wurde unerträglich.

»Ein fremdes Kind? Ein Kind von Alkoholikern oder Prostituierten oder Drogensüchtigen? Ein Kind, das aus einer Vergewaltigung hervorging – so etwas willst du mir in mein Haus schleppen? Das kann doch nicht dein Ernst sein, Anne!«

Die Rathausuhr schlug zweimal. Ja, es war spät, zu spät, um Dirk in dieser Nacht noch zu überreden. Anne lächelte ihren Mann an.

»Ich gehe jetzt schlafen. Aber morgen kommst du mir nicht davon, wie geschickt du mir auch immer ausweichen willst.«

Irgendwann gegen drei Uhr in der Nacht fühlte sie, wie Dirk unter die Decke schlüpfte und in Sekundenschnelle einschlief. Als sie morgens erwachte, war er schon wieder fort. Wie üblich lag ein Zettel in der Küche.

»Bis heute Abend irgendwann!«

***

Die Tage schlichen nur so dahin. Grau und eintönig erschienen sie der jungen Frau, auch wenn sie von Empfängen und Partys unterbrochen waren. Erst zehn Tage nachdem Dr. Dörremeier die Diagnose seiner Kollegen bestätigt hatte, ergab sich endlich die Gelegenheit, mit ihrem Mann zu sprechen – für eine Viertelstunde.

»Also gut, Liebling«, meinte Dirk schließlich. »Ich bin mit einer Adoption einverstanden, wenn das Kind so ist, wie ich es mir vorstelle.«

Seligkeit durchflutete Anne und eine fast kindliche Dankbarkeit. Sie meldete sich sofort beim Jugendamt an. Die ältere Sachbearbeiterin stöhnte auf, als sie die üblichen Forderungen Adoptionswilliger hörte.

»Süße, blonde Babys will jeder, Frau Rottmann«, erklärte sie. »Wenn Sie darauf bestehen, wird die Wartezeit sehr lang werden.« Papiere und Erfahrungsberichte wurden ihr ausgehändigt. »Überlegen Sie sich alles sehr gut, und füllen Sie dann die Formulare aus. Das Amt prüft natürlich sorgfältig, ob Sie als Adoptiveltern infrage kommen. Aber bei Ihrem Beruf, Ihrer finanziell gesicherten Lage und dem Ansehen, das Ihr Mann genießt, dürfte es da keine Schwierigkeiten geben.«

Anne reichte Frau Denker die Hand.

»Bitte, helfen Sie mir … ich meine uns«, bat sie.

War das Lächeln der Sachbearbeiterin nicht fast ein Versprechen?

Anne verließ das Jugendamt, blieb lange an einem Spielplatz stehen und beobachtete die Kleinen, die todesmutig vom bunten Klettergerüst hinuntersprangen. Bald würde auch sie hier stehen, mit Plastikeimern und Schaufeln bepackt, damit ihr Kind dort in der Sandkiste graben und Sandkuchen backen konnte.

Dann fuhr sie aus der Stadt hinaus und lenkte ihren Wagen langsam die stille Landstraße entlang, bis ein Hinweisschild sie rechts abbiegen ließ. Dort, unter Tannen versteckt, lag das neugebaute Heim, in dem ledige werdende Mütter bis weit nach der Geburt auf Staatskosten betreut wurden. Über Dirks politischen Freund, einen Amtsrat, hatte sie die Genehmigung erhalten, sich im Haus umzusehen und mit den jungen Mädchen zu sprechen.

Wenn es ihr gelang, eine der Mütter davon zu überzeugen, dass sie es ohne Ausbildung und ohne elterliche Hilfe nie schaffen könnte, ihr Baby allein durchzubringen, dann …

Das Mädchen, das ihr in der Halle entgegenkam, war höchstens sechzehn Jahre alt und sah sehr traurig aus.

»Wenn Sie eine von den Frauen sind, die hier reinschneien und unsere Kinder wollen, dann können Sie gleich wieder abhauen.« Sie war aufgebracht. »Ich gebe mein Baby nicht weg! Und die anderen auch nicht!«

Die Heimleiterin legte der Schwangeren die Arme um die Schultern.

»Ist ja gut, Ina! Niemand verlangt von dir, dass du dein Kind zur Adoption freigibst. Das ist Frau Rottmann, die Frau unseres zukünftigen Bürgermeisters. Sie will sich nur einmal umschauen.«

Anne fühlte, wie sie vor Scham errötete. Ina hatte ja recht …

»Vielleicht kann ich euch ein wenig helfen«, meinte Anne leise. »Ich habe genug Zeit, um mir eure Probleme anzuhören.«