Kinderland - Richard Lorenz - E-Book

Kinderland E-Book

Richard Lorenz

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Beschreibung

Dreizehn Jahre später, und der Albtraum hält an: Noch immer birgt das Murr-Haus auf dem Grabhügel das Geheimnis des Kinderlandes, noch immer legt sich das Grauen vergangener Tage über die regennassen Dächer der Stadt, und wieder einmal sind es Kinder, die diesem Albtraum ein Ende bereiten wollen. Die Überlebenden kämpfen gegen das Vergessen, die Schuldigen ums Überleben, denn die Toten ... vergessen nie! Ihr Kinderlein kommet ... »Ich habe sie singen hören, dort draußen, als der Sturm kam, und der Regen die Häuser einschloss. Einmal glaubte ich, ein Gesicht zu erkennen. Vor dem Küchenfenster, damals, in der Allerheiligennacht. Und noch heute kann man ihre Stimmen hören, wenn der Wind gut steht. So wie jetzt …« Während im restlichen Süden Deutschlands frostige Oktoberkälte herrscht, bricht über die kleine Stadt in Bayern ein Jahrhundertunwetter herein. Ein Unwetter, das tote Ratten durch die überfluteten Gassen und Geister aus ihren Gräbern treibt. Die Geister jener Kinder, die vor Jahren verloren gegangen sind, und die nun zu denen zurückkehren, die sie längst vergessen haben. Der Knochenmann aber erinnert sich. Nur er weiß, was vor genau dreizehn Jahren geschehen ist, und nur er ahnt, was in dieser Allerheiligennacht passieren wird. Nichts Gutes, nur das ist gewiss, denn die Geister wollen spielen ... »Unheil kommt über die Stadt« ist der zweite Teil der Mystery serial novel »Kinderland« – willkommen zu Hause!

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Richard Lorenz

Kinderland

Zweiter Teil

Copyright der eBook-Ausgabe © 2013 bei Hey Publishing GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: FinePic®, München

Autorenfoto: © privat

ISBN: 978-3-95607-006-8

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Richard Lorenz, Kinderland – Teil 2: Unheil kommt über die Stadt

Dreizehn Jahre später, und der Albtraum hält an: Noch immer birgt das Murr-Haus auf dem Grabhügel das Geheimnis des Kinderlandes, noch immer legt sich das Grauen vergangener Tage über die regennassen Dächer der Stadt, und wieder einmal sind es Kinder, die diesem Albtraum ein Ende bereiten wollen. Die Überlebenden kämpfen gegen das Vergessen, die Schuldigen ums Überleben, denn die Toten ... vergessen nie!

Ihr Kinderlein kommet ...

»Ich habe sie singen hören, dort draußen, als der Sturm kam, und der Regen die Häuser einschloss. Einmal glaubte ich, ein Gesicht zu erkennen. Vor dem Küchenfenster, damals, in der Allerheiligennacht. Und noch heute kann man ihre Stimmen hören, wenn der Wind gut steht. So wie jetzt …«

Während im restlichen Süden Deutschlands frostige Oktoberkälte herrscht, bricht über die kleine Stadt in Bayern ein Jahrhundertunwetter herein. Ein Unwetter, das tote Ratten durch die überfluteten Gassen und Geister aus ihren Gräbern treibt. Die Geister jener Kinder, die vor Jahren verloren gegangen sind, und die nun zu denen zurückkehren, die sie längst vergessen haben.

Der Knochenmann aber erinnert sich. Nur er weiß, was vor genau dreizehn Jahren geschehen ist, und nur er ahnt, was in dieser Allerheiligennacht passieren wird. Nichts Gutes, nur das ist gewiss, denn die Geister wollen spielen ...

Murr starb 1973, der alte Stettler (den ich manchmal auf dem Friedhof treffe) hat ihn unten beim Kinderland gefunden. Ich selbst bin nie gern dort hingegangen. Es ist kein schöner Landstrich, die Bäume sind merkwürdig hoch gewachsen und erdrückend zugleich.

Natürlich kenne ich die Geschichten über Murr. Auch die Sache mit den Judenkindern, damals. Und dass sie angeblich im Kinderland begraben seien. Meine ehrliche Meinung dazu? Ich glaube, alle hier waren verrückt genug, um solche scheußlichen Dinge zu tun. Jede Stadt hat eine Portion Dunkelheit in sich. Und vielleicht gibt es einfach Städte und Orte, die ausschließlich dunkel sind. Dunkel im Sinne von böse, Sie wissen schon. Meine Mutter hat immer gesagt: »Schlechte und dumme Menschen finden sich, da kann man hingehen wo man mag«. Ich denke, sie hatte damit ziemlich recht, und ich denke auch, dass vor allem Kinder so etwas spüren.

Ich habe mich oft gefragt, warum wir nicht weggegangen sind. Nach München oder in eine andere Stadt. Vielleicht glaubt man immer, alles würde sich ändern können, wenn man nur ein wenig Geduld hätte. Natürlich ist das Unsinn. Heute weiß ich allerdings, dass sich tatsächlich manches Mal etwas zum Guten wendet. Aber auch, dass ein Unglück über eine Stadt kommen kann, das man nicht mehr abzuwenden vermag, egal was man auch tut. Eigentlich war mir das schon nach den merkwürdigen Geschehnissen im Herbst 1973 klar.

Von unserem Schlafzimmerfenster aus konnte ich sie sehen. Vergessen werde ich das nie, wie sie dort standen unter der Straßenlaterne, die einen fahlen Schein über sie warf. Meine Frau schlief wie eine Tote, müssen Sie wissen. Aber ich stand am Fenster, und für einen Augenblick, der so schnell verstrich, dass man ihn nicht zu fassen bekam, wollte ich das Fenster öffnen und ihnen zurufen. Wollte hinuntergehen und sie nach Hause schicken, aber ich blieb stehen und sah, wie sie in der Dunkelheit verschwanden. Sara, Robert, Alfons und der Knochenjunge.

Ich sah die Kinder nie wieder. Hin und wieder frage ich einige Leute danach. Aber je mehr Zeit verstreicht, desto weniger Menschen können sich an sie erinnern. Die Kinder waren von einem Tag zum anderen Gespenster geworden. Wir wussten, dass sie bei Murr waren. Aber niemand ging hinauf und brachte sie herunter. Sie blieben dort. Für immer.

Und so hatten wir unser ganz eigenes Spuk-Haus, dort oben auf dem Grabhügel.

Zugleich verloren wir unsere Arbeit, da die Zigarettenfabrik geschlossen wurde. Meine Frau tat sich in den meisten Dingen des Lebens leichter als ich. Bereits zwei Wochen später hatte sie in der Nähe von München eine Arbeit in einem Buchladen gefunden. Dort arbeitete sie, bis sie krank wurde. Bücher waren ihr Leben, ich machte mir nie sonderlich viel daraus. Vielleicht habe ich fünf Bücher in meinem Leben gelesen, und das war es dann auch schon. Meine Frau erzählte mir Geschichten aus den Büchern, die sie gelesen hatte, am Morgen, beim Essen und sogar vor dem Schlafengehen. So kann ich beruhigt sagen, kein ganz unbelesener Mensch zu sein. Seit sie tot ist, blättere ich manchmal in ihren Büchern, aber eigentlich nur, um die kleinen Zeichnungen zu finden, die sie manches Mal an die Rändern gemalt hat.

Jedenfalls: Ich fand keine Arbeit (wie viele andere aus der Stadt auch). Ich hatte nichts zu tun, keine richtige Beschäftigung. Und so fing ich mit diesen Aufzeichnungen an. Legte sogar eine Karte an, in der ich einzeichnete, wo ich die meisten unsichtbaren Kinder durch die Kamera gesehen hatte. Vor meiner Frau verbarg ich das alles, und sie fragte auch nie danach. Die unterste Schreibtischschublade blieb immer verschlossen. Nebenbei fotografierte ich weiterhin Vögel auf Überlandleitungen; Krähen, Raben, Tauben – alles Mögliche eben. Manchmal, wenn sie nicht einschlafen konnte, zog sie mich damit auf. Nannte mich den Vogelmann und stupste mich in die Seite. Aber das war in Ordnung. Besser als der Verrückte zu sein, der Kinder sieht, die sonst niemand sehen kann. Oder?

Wenn man weiß, dass der eigene Tod naht, kann man über alles sprechen. Mein Arzt will mir zwar einreden, ich würde hundert Jahre alt werden, aber was weiß dieser Junge schon vom Leben? Was weiß der schon von den langen, ruhelosen Nächten, von den Dingen dort draußen? Und Sie? Sie wollen Geschichten von mir hören, nicht wahr? Ich habe nur diese. Da ich bald tot sein werde, ist es mir gleichgültig, ob Sie mir glauben oder nicht. Ich habe nur diese eine Geschichte. Und sie ist wahr. So wahr wie mein Sterben.

Ob ich an Wunder glaube? Was für eine seltsame Frage. Ich glaube nicht an den Kirchenkram mit Auferstehung und Heiligen, soviel steht fest. Aber dennoch muss ich die Frage mit ja beantworten. Denn ich habe ein Wunder gesehen. Wir alle haben das. Aber um dieses Wunder verstehen zu können, muss ich zunächst von der Tragödie erzählen. Von Karla. Karla Gerber. Ich wette um das nächste Bier, dass man sie auch heute noch das Allerheiligenmädchen nennt.

Damals dachte ich oft: Dieses Mädchen hätte unser Mädchen sein können. Ein wunderschönes Mädchen. Ihre Eltern mochte ich nicht sonderlich. Vor allem nicht ihren Vater. Ein Mann, dem man nicht über den Weg trauen konnte. Es lag an seinen Augen.

Menschen werfen Schatten. Und in Saras Schatten stand Karla. Karla war eine Königin mit dem Herzen einer Löwin. Manchmal hab ich sie gesehen, als sie mit ihrem Fahrrad an unserem Haus vorbeifuhr, und ein-, zweimal hab ich mit ihr gesprochen. Die Familie wohnt nicht weit von hier, wenn ich ans Küchenfenster gehe und nach Westen blicke, kann ich das Gerber-Haus sogar sehen.

Wo war ich? Ach ja, Karlas Tragödie. Das war 1986. Dreizehn Jahre nach Murrs Tod und dem Verschwinden der Kinder. Ich glaube nicht an diesen Hokuspokus, Sie wissen schon, die Unglückszahl dreizehn, aber ich glaube sehr wohl daran, dass es Zyklen gibt, in denen sich die Welt verändert. Und mit ihr die Menschen.

Ich sehe gerade, über die ersten Aufzeichnungen habe ich ein Wort geschrieben: Schuld. Kinder sind ums Leben gekommen, schon immer. 1973 aber war außergewöhnlich. Danach verschwanden weitere Kinder, aber bei Gott nicht mehr so viele ... Und 1986 ... ja, für dieses Jahr gibt es wohl auch ein Wort: Sühne.