Klausentod - Nicki Fleischer - E-Book
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Klausentod E-Book

Nicki Fleischer

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  • Herausgeber: Midnight
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Von wegen Besinnlichkeit ... Gerade Vater geworden hat PHK (Polizeihauptkommissar) Egi Huber eigentlich ganz andere Dinge im Kopf als die verbrecherischen Machenschaften im Allgäu. Und Zeit hat er für solchen Unfug sowieso nicht, es ist schließlich bald Weihnachten. Wie alle Oberstdorfer will er sich auch dieses Jahr das Klausentreiben nicht entgehen lassen. Blöd nur, dass nach dem Schabernack einer der verkleideten Männer samt Klausenkostüm tot im Brunnen liegt. Direkt vor Egis Nase! Und schon hat der PHK wider Willen nicht nur einen Mordfall, sondern auch wieder die Kripo Kempten am Hals. A Graus is des! Egi stürzt sich wie immer halbwegs motiviert in die Ermittlungen. Bald wird klar, dass sowohl Opfer als auch Täter unter den vielen verkleideten Klausen zu suchen sein müssen, aber auch, dass kein Klaus im richtigen Kostüm steckte. Egi ahnt, das wird sein härtester Fall … Lust auf mehr Krimis aus dem Allgäu? Alle Fälle von Kommissar Egi Huber: - Band 1: Nebelhorm - Band 2: Breitachklamm - Band 3: Klausentod - Band 4: Seealpmord - Band 5: Kanzelwand - Band 6: Waldesruhe

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Klausentod

Die Autorin

Nicki Fleischer wurde in den 1970er Jahren geboren und hat in Essen und Bamberg Informatik studiert. Ihre Masterarbeit zum Thema IT-Forensik hat sie der Polizeiarbeit näher gebracht, dies war der Anstoß für ihre Romane. Heute arbeitet sie für ein Beratungsunternehmen der Umweltbranche und als Autorin. In ihrer Freizeit tanzt sie - auch auf der Bühne. Sie lebt mit ihrer Familie bei Frankfurt am Main und schreibt Allgäukrimis, Thriller und Sience-Fiction.

Das Buch

Schon wieder ein Toter in Oberstdorf! Und das kurz vor Weihnachten...

Gerade Vater geworden hat PHK (Polizeihauptkomissar) Egi Huber eigentlich ganz andere Dinge im Kopf als die verbrecherischen Machenschaften im Allgäu. Und Zeit hat er für solchen Unfug sowieso nicht, es ist schließlich bald Weihnachten. Wie alle Oberstdorfer will er sich auch dieses Jahr das Klausentreiben nicht entgehen lassen. Blöd nur, dass nach dem Schabernack einer der verkleideten Männer samt Klausenkostüm tot im Brunnen liegt. Direkt vor Egis Nase! Und schon hat der PHK wider Willen nicht nur einen Mordfall, sondern auch wieder die Kripo Kempten am Hals. A Graus is des! Egi stürzt sich wie immer halbwegs motiviert in die Ermittlungen. Bald wird klar, dass sowohl Opfer als auch Täter unter den vielen verkleideten Klausen zu suchen sein müssen, aber auch, dass kein Klaus im richtigen Kostüm steckte. Egi ahnt, das wird sein härtester Fall…

Von Nicki Fleischer sind bei Midnight erschienen:NebelhornBreitachklammKlausentod

Nicki Fleischer

Klausentod

Ein Allgäukrimi

Midnight by Ullsteinmidnight.ullstein.de

Originalausgabe bei MidnightMidnight ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinDezember 2018 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN: 978-3-95819-229-4

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Klausenliste

Prolog

Mörderisches Treiben

Drunter und Drüber

Forever Kripo Kempten

Auf der Jagd

Ausgequetscht und irregeleitet

Familieninterna und andere Erkenntnisse

Wanze ade

Die Aussagen der Würmer

Die Aussagen der Jugend

Im Rathaus und daheim

In der Videokonferenz

Russisch für Anfänger

Auf keiner Spur

Auf der Pritsche (1)

Schnüffelspur zur Feuerwehr

Auf der Pritsche (2)

Zusammenhalt und andere Unannehmlichkeiten

Auf der Pritsche (3)

In der Schlinge

Unter der Pritsche

Gefangen

Epilog

Wörterbuch Russisch – Deutsch:

Dankeschön

Leseprobe: Nebelhorn

Empfehlungen

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Klausenliste

Widmung

Für meinen Schwager Andi,der freiwillig ins Allgäu zog.

Hinweis

Die Handlung und alle handelnden Personen in diesem Roman sind von der Autorin frei erfunden worden, jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Klausenliste

Der folgende Ausschnitt aus der Klausenliste stellt den Sollzustand dar.

Nummer

Name

Spitzname

Kostüm

1

Alois Moosberger

Alter Hund

helles Kostüm mit Büffelkopf

6

Martin Moosberger

Matti

braunes Kostüm, schwarze Kuhmaske

8

Karl Grasser

Karli

schwarzer Orang-Utan

9

Hans Hinterbacher

das Hänsle

Braune Neandertalermaske, weiße,Fellhose

14

Bastian Kämmer

Basti

beiger Kuhkopf, braune Fellhose

24

René Holzer

Renni

weißer Bulle

32

Konstantin Weißgut

Konsti

graues Kuhkostüm

Prolog

Der Kuckuck schmiss mit einem Ruck die kleine Tür auf, schoss hervor und gab mit weit aufgerissenem Schnabel sechsmal voller Inbrunst seinen eingängigen Laut von sich. Vor ihm kämpfte Moosbergers Sohn Matti (Martin Moosberger) mit einem gehörnten, schwarzgesichtigen Dämon. Das dunkle, zottelige Klausenkostüm mit der unheimlichen, kuhschädelähnlichen Maske, den teuflischen Hörnern und den mächtigen Glocken am Gürtel zerrte an Matti wie ein tonnenschwerer Betonklotz. Es war heiß unter dem dicken Fell, der Schweiß lief ihm in Bächen am Körper herunter. Sein Gesicht war klatschnass, und er versuchte durch die schmalen Schlitze der Kuhnase zu atmen.

Während der Anprobe hatte Matti den anschleichenden Einbrecher nicht hereinkommen hören. Mit einem Schraubenzieher hatte der gerade eben erst die Terrassentür aufgehebelt und stand nun in der guten Stube vom Moosberger und schaute auf den schreienden Kuckuck. Er wandte den Blick schnell wieder von dem gefiederten Freund ab und näherte sich Matti von hinten mit einer zur Schlagwaffe umfunktionierten Holzlatte in der erhobenen Hand. Sie sauste durch die Luft und traf Matti am Hinterkopf. Die Kuhmaske konnte Matti nicht vor dem drohenden Schaden bewahren, sie bestand nur aus Fell und dazu noch aus recht dünnem. Er brach stumm zusammen, der Schrei blieb ihm im Hals stecken.

Der alte Moosberger polterte gerade im Obergeschoss herum, er hatte nichts von dem Zusammenbruch seines Sohnes gehört. Aus der Küche jaulte ein Radio, die Moosbergerin lauschte den auf Zittern gezupften Heimatmelodien und summte mit. Der Kuckuck verstummte, verzog sich nach getaner Arbeit in sein Uhrenhaus und knallte die Tür zu. In sechzig Minuten musste er ja wieder raus. Zu dem Einbrecher und dessen Angriff auf Matti würde er nichts sagen können, aber er würde wieder seinen Stundenruf kundtun, der dann niemanden mehr interessieren würde.

Mörderisches Treiben

Heute war der sechste Dezember, Sankt-Nikolaus-Tag, und die Klausen mussten dieses Jahr ihre Nummern gut sichtbar an der Brust befestigen, damit sie jederzeit identifizierbar waren. In den letzten Jahren war der Tumult ausgeartet, und so hoffte man, dem Ganzen eine ruhigere Note zu verschaffen. Das Hänsle (Hans Hinterbacher) hatte die Nummer 9 zugeteilt bekommen. Er hatte sie unter Einfluss von Biggis (Birgit Grassers) flinken Händen, die mehr an ihm als an seinem Klausenkostüm fingerten, an seinem weißen Brustfell anbringen wollen, das Schild war ihm dabei jedoch entglitten. Die Biggi hatte es aufgehoben und ihm angeklebt.

»Machst mal schön einen Lärm heut, Hänsle«, säuselte sie ihm ins Ohr und schob ihre Linke nochmal tief in seine Fellhose, um ihm das Unterhemd richtig hineinzustecken. Sie drückte es bis in seine Unterhose. »Und wennst wieder daheim bist, machen wir noch zu zweit ein bissle Unfug, gell?«, frohlockte sie und lutschte dabei an seinem Ohrläppchen.

Dem Hänsle wurde jetzt richtig heiß in seinem Kostüm, er musste dringend raus in die winterlich kalte Luft, sonst würde er gleich das Kostüm in die Ecke werfen und hier bleiben. Er zog Biggi noch näher an sich, küsste ihre glühenden Lippen und schob sie fix wieder auf Abstand. Dann schnappte er sich seine braune Fellmaske, die wie das Antlitz eines Neandertalers mit aufgesetzten Hörnern aussah. Er presste seinen Kopf hinein, hängte sich die Ketten um, griff nach den Schellen und Glocken und rannte unter ohrenbetäubendem Geläut los.

»Mach’s gut!«, rief sie hinter ihm her, und weg war er.

Sie schloss die Tür, ging ins Bad und ließ die Wanne volllaufen. Sie goss Bratapfel-Zimt-Badeöl hinein und schwenkte ihre rechte Hand im warmen Wasser hin und her, bis der Schaum anfing sich aufzutürmen. Wenn das Hänsle heimkäme, würde er hoffentlich dem verführerischen Duft folgen und sie gekonnt vernaschen wie ein winterliches Dessert. Aber bis dahin würden einige Stunden vergehen, so ein Klausentreiben dauerte seine Zeit.

Während Biggi in der Wanne lag, lief das Hänsle mit einer Flasche Weizenbier in der Fellpranke die Hauptstraße entlang und bog in die Nebelhornstraße ein. Hin und wieder nahm er einen Schluck. Es war bereits dunkel, und die aneinandergereihten Geschäfte schienen sich mit ihrer bunt leuchtenden Weihnachtsdekoration übertrumpfen zu wollen. Hinter den wenig besinnlichen Scheiben herrschte ein Spielhallen-Ambiente, das die konsumwütigen Touristenmassen in die Läden zog, damit sie willig ihre Geldbörsen zückten, um ihre Familien mit sinnvollen Gebrauchsgegenständen wie Nebelhorn-Kühlschrankmagneten, Nebelhorn-Schlüsselanhängern, Nebelhorn-Aschenbechern oder WC-Bürsten in Nebelhornform zu versorgen. Jedes Schaufenster wirkte wie eine eigene, kleine Miniaturwelt, in die die Betrachter hineingezogen wurden, um sie anschließend zum Kauf zu überreden. Darin blinkten Nikoläuse, Schneemänner, goldene Engel, Sternschnuppen und Rentiere vor voluminösen, mit Geschenkepaketen bepackten Holzschlitten. Im Glitter-Kunstschnee lagen kaum sichtbare weiße Kabel, die die gierigen Stromverbraucher mit der notwendigen Spannung versorgten. Kleine Kinder zogen ihre Eltern und Großeltern an den Händen zu den verheißungsvollen Geschäften und zeigten mit ihren Fingern auf die dargebotene Ware. Ihre erwachsenen Begleiter beantworteten die bittenden Blicke meist mit einem Kopfschütteln, woraufhin die Kinder brüllten, hüpften, boxten und traten wie aufbrausende kleine Klausen. Aber kaufen konnten sie heute sowieso nichts, die Oberstdorfer Geschäfte blieben beim Klausentreiben aus gutem Grunde geschlossen.

Das Hänsle lief achtlos an dem ganzen Trara vorbei, setzte seine Flasche durch die runde Fellöffnung an den Mund, und der letzte Rest Alkohol gluckerte durch seinen Hals. Er stellte das Pfandstück für den nächsten Sammler dekorativ auf die Fensterbank eines Geschäfts, genau vor einen herausblickenden Elch mit schielenden, roten Leuchtaugen. Dann ging er weiter. Die Straßen waren mit glitzernder Weihnachtsbeleuchtung geschmückt, die den zusammengeschobenen Schnee am Straßenrand funkeln ließ. In den Gassen tummelten sich bereits andere Klausen, die kleine Grüppchen bildeten und unter steigender Promillezahl ihren anstehenden Schabernack planten. Das Hänsle war trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt noch von Biggis gehauchten Verlautbarungen erhitzt. Der eingeatmete, eisig kalte Sauerstoff schmerzte in seinen Lungen. Er musste sich jetzt konzentrieren, um mit seinen Fingern, deren Spitzen aus dem weißen Fellkostüm herauslugten und mit der winterlichen Kälte konfrontiert wurden, eine Message auf seinem Smartphone zu tippen.

An der Ecke Obere Bahnhofstraße lungerte ein Schatten an der Hauswand des Reformhauses Renner, auf den sich das Hänsle nun zubewegte. Er bemerkte ihn nicht, da er gerade mit Konsti (Konstantin Weißgut, der unter der Nummer 32 registriert war) chattete, um einen Treffpunkt zu vereinbaren. Matti konnte er nicht erreichen. Als das Hänsle von seinem Smartphone hochsah, löste sich der Schatten von der Hauswand. Ein gehörnter Orang-Utan mit der Nummer 8 baute sich vor ihm auf, rasselte mit seinen Ketten und brüllte ihn furchteinflößend an. Dem Hänsle fuhr ein Schreck durch die Glieder. Was wollte der denn von ihm? Der Orang-Utan griff sich mit beiden Fellhänden an den Kopf und hob die affige Maske ab. In dem Klausenkostüm steckte Karli Grasser (der Biggi ihr Vatter) und grinste ihn an: »Hast dir ein neues Kostüm angeschafft, damit du deinem Alten, dem schmierigen Zahlendreher, einen verpassen kannst, oder was? Hahaha.«

Karlis Atem erzeugte eine mächtige Dampfwolke in der eisigen Luft. Als sie Hänsles Fellnasenlöcher erreichten, nahm er eine hohe Konzentration an Enzianausdünstungen war. Die herbe Kombination mit den erst kürzlich vom Karli verdrückten frischen Knoblauchzehen wirkte wie ein Vorschlaghammer auf das arme Hänsle. Er hielt die Luft an und grübelte. Er konnte mit dem Vorwurf nichts anfangen, sein Vatter lebte mit Mutter in Altusried, denen könnte er hier in Oberstdorf bestimmt keinen Streich spielen. Und ein schmieriger Zahlendreher war der auch nicht, sondern ein redlicher Schreiner.

»Hä?«, meinte das Hänsle da nur, seine Stimme verriet ihn bei der fürs Allgäu üblichen Nachfrage.

»Ach du bist‘s, zukünftiges Schwiegersöhnle! Was machst denn hier allein mit der falschen Nummer? Hast schon einen abgemurkst, oder was? Hahaha.«

Die penetrante Enzianwolke mit Knoblauchnote wurde immer stärker, das Hänsle musste einen Schritt zurücktreten. Mit dem leicht abgewandelten Vorwurf konnte das Hänsle erst recht nichts anfangen, und das mit der falschen Nummer verstand er auch nicht. Der zukünftige Schwiegervatter musste schon besoffen sein. Das Hänsle versuchte sich elegant um ihn herum zu verdrücken, aber der Karli ließ es nicht zu. Er griff nach Hänsles Zottelfell und zog ihn zurück.

»Wennst sowieso schon getauscht hast, dann lass uns noch einen draufsetzen«, forderte die schwarze Nummer 8 die weiß-braune Nummer 9 auf.

Das Hänsle sträubte sich, er hatte gar nicht vorgehabt mit der Biggi ihrem Vatter was zusammen zu verbrechen, er war mit seinen Kumpeln Konsti und Matti verabredet. Die hatten aus der Biomülltonne vom Edeka Ebner verfaultes Gemüse stibitzt, das sie den Oberstdorfer Schandmäulern nun in die Briefkästen stopfen wollten.

»Was willst denn?«, fragte er widerwillig, um die lästige Nummer 8 schnell abfertigen zu können.

»Na, wir tauschen unsre Kostüme!«, schlug Biggis Vatter vor.

Nun ja, so schlecht war der Vorschlag gar nicht, überlegte sich das Hänsle. Wenn ihn einer am Briefkasten sehen würde, dächten alle, es wäre der Karli Grasser gewesen. Das Hänsle zog seine zottelige Kopfbedeckung willig ab, grinste und übergab seinem zukünftigen Schwiegervatter die weiße Kluft Nummer 9 mit der braunen Neandertalermaske. Als er ihm beim Anziehen zusah, durchzuckte das Hänsle ein kurzer Gedanke, dass der ja nun unter seiner Registrierung Schandtaten verüben könnte. Aber so schlimm würde es bestimmt nicht werden, der alte Karli hatte seine wilden Zeiten längst hinter sich, der würde bestimmt nichts Verwerfliches mehr anstellen. Heute galt er nur noch als Kleinstkrimineller im Frühruhestand. Zufrieden verabschiedete sich das Hänsle und zog mit Kostüm Nummer 8 weiter.

Kurz darauf traf er sich mit Konsti am Marktplatz, der wunderte sich etwas über Hänsles Kluft, grinste dann aber nur unter seiner Maske. Sie gingen durch die Kirchstraße Richtung Edeka. Nach einigen Minuten kam Matti an, er trug auch ein fremdes Kostüm mit der Nummer 28 und behauptete, dass ihm jemand seines mit der Nummer 6 daheim im Wohnzimmer gestohlen hätte. Und die 28 wäre von einem Kumpel, der krank daheim im Bett liegen würde. Das Hänsle und Konsti lachten lauthals, bestimmt hatte Matti auch nur getauscht, um für eine potentielle Extremsituation gerüstet zu sein.

»Komm, ich schreib dir mal mit’m Edding eine 6 drüber, dann stimmt alles wieder«, riet Fabi (Fabienne Steiger), Mattis Freundin, die ihn wegen seiner leichten Migräne-Attacke herbegleitet hatte. Er meinte unter der gefleckten Kuhmaske eine pochende Beule am Kopf zu haben. Fabi ging von einer Druckstelle aus, die bei einer Holzmaske mit solch einem Gewicht nicht unüblich war. Und von einem mächtigen Kater, der Matti hatte sich bestimmt schon was gehoben. Nachdem sie ihm auf dem Weg zum Treffpunkt noch drei Bierdosen zum sofortigen Verzehr in die Fellpranken gereicht hatte, waren die Schmerzen recht bald verflogen gewesen. Nun steckte sie ihren Edding zurück in die Handtasche und zog sich zurück, um die jungen Burschen ihrem Schicksal zu überlassen. Nach ein paar Metern drehte sie sich noch einmal um und zwinkerte Konsti zu.

Der siebenundvierzig Jahre alte Egi (Egon Huber) war seit anderthalb Jahren Polizeihauptkommissar (PHK) in Oberstdorf. Zeitgleich mit seiner Beförderung hatten die Kriminellen in seinem Heimatdorf überhandgenommen, aber seit der letzten erfolgreichen Verhaftung hatte er endlich wieder einige Monate einen ruhigeren Dienst schieben können. Das war auch dringend notwendig gewesen, Egis Frau Elli hatte im Frühjahr sein drittes Kind, eine Tochter, zur Welt gebracht. Lilli war mittlerweile sieben Monate alt, robbte tagsüber durch sein feines Mehrgenerationenhäusle am Moorweiher und des Nachts durch sein Ehebett. Aktuell hockte sie mit wolliger Bommelmütze und überdimensionalen Ohrenwärmern in dicke Kuschel-Fleece-Decken gehüllt im Kinderwagen und beobachtete mit großen Augen das obskure Treiben des heutigen Abends. Ihre neunjährige Schwester Belli und die zweiundvierzigjährige Mama Elli standen daneben. Der fünfzehnjährige Tommi hatte nicht mit seinen kleinen Schwestern mitgehen wollen, war viel zu peinlich. Er hatte sich mit seinen Schulfreunden daheim vor ein Ballerspiel gesetzt.

Die Oberstdorfer Straßen waren proppenvoll. Überall standen neugierige Schaulustige, die die wildgewordenen Klausen beobachten wollten. So viele Einwohner zählte die Marktgemeinde gar nicht, klar, dass sich da einige Touristen unter die Zuschauer gemischt hatten. Ein Trupp gruseliger Monster näherte sich nun mit der Absicht, in der Dunkelheit mit möglichst viel Lärm durch die Gassen zu ziehen, Beobachtern Hiebe zu verpassen und derben Unfug zu veranstalten. Sie trugen furchterregende, riesige Fellmasken mit Hörnern, schwangen Ketten, lärmten mit Schellen und Glocken und jagten johlend einige Zuschauer zur Seite. Ein Weißer Bulle mit der Nummer 24 brüllte Egis Töchter an und bespritzte sie mit einer roten Flüssigkeit aus einer überdimensionalen Spritze.

»Bähähähääää«, kreischte die kleine Lilli los, pantschte mit ihren behandschuhten Händchen in der roten Pampe auf ihrer Kuscheldecke und trat mit ihren Beinen im Fußsack herum.

»Ist doch nur Ketchup«, meinte die große Schwester Belli und leckte ihren Jackenärmel ab.

»Lass uns gehen, Brummerle. Ich habe gleich gesagt, dass das nichts für die Kleine ist«, forderte Elli ihren Mann auf und wendete den Kinderwagen.

Egi, das Brummerle, notierte sich die flüchtende Nummer 24, um sie später in der Klausenliste des Heimatschutzvereins zu überprüfen, diesem Missetäter drohte eine PHK-Anzeige!

Als sich Egi auf den Rückweg machen wollte, näherte sich noch größeres Getöse. Er schaute die Kirchstraße entlang und sah eine tobende Meute auf sie zukommen. Es war bekannt, dass die meisten Touristen das jährliche Happening auf dem Marktplatz begaffen wollten, genau deshalb mieden die Klausen diesen Bereich und trieben sich lieber in den Gassen herum. Sie näherten sich nun geräuschvoll mit einem Lärmpegel, dem ein Trommelfell kaum gewachsen war, PHK Egi taten seine Lauscherchen weh.

Plötzlich rannten die Dämonen los und stürmten auf die Schaulustigen zu. Sie trieben auseinander, es mussten mehrere Dutzend Klausen sein, die ihnen nun drohend entgegenpreschten. Die erschrockenen Beobachter sprangen zurück und quetschten sich schutzsuchend in Hauseingänge, Einfahrten und zwischen parkende Autos. Als die Klausen kurz vor Egi ankamen, bildete sich ein Pulk. Eine Handvoll Damen im Bärbelekostüm (hexenähnliche Gestalten) gesellten sich plötzlich aus dem Nichts hinzu, und fingen hysterisch an zu tanzen. Drei von ihnen schnappten sich passierende Klausen und schwoften ein paar Schritte mit den Unfreiwilligen, um sie danach von sich zu stoßen und kreischend um sie herum zu hüpfen.

Einige Meter von Egi entfernt stand ein Wassertrog, in den im Sommer frisches Bergwasser aus einem Hahn sprudelte. Heute war der Bottich nur mit einer Schneeschicht gefüllt. Als die wütende Masse den PHK passierte, verschwand der Wassertrog im Getümmel. Es wurde gegrölt, geschrien und gebrüllt. Die lärmenden Ketten, Schellen und Glocken brachten die Glasscheiben in den Fenstern zum Vibrieren. Die hilflosen Menschen duckten sich, hielten sich die Ohren zu, schlossen die Augen und schrien vereinzelt um Hilfe. Es kam keine.

Als es endlich leiser wurde, richteten sie sich wieder auf und schauten sich um. Die Klausentruppe stürmte gemeinsam mit den Bärbele ihrem nächsten bemitleidenswerten Ziel entgegen und verschwanden. Die Zuschauer atmeten erleichtert auf, sie waren noch einmal davongekommen. Egi drehte sich um und suchte nach seiner abhandengekommenen Familie. Der Kinderwagen kam in sein Blickfeld, er war leer! Belli stand einige Meter entfernt, hielt ihre kleine Schwester Lilli auf dem Arm, tröstete und schaukelte sie hin und her, damit sie die soeben durchlebten alptraummäßigen Erfahrungen schnell wieder vergaß. Wenn Lilli eine Heranwachsende wäre, würde sie das Ganze mit anderen Augen sehen und wie ihr großer Bruder mit einem Täuschungsmanöver ohne Genehmigung des Elternbeirats losziehen. Vor Belli und Lilli stand ihre kreidebleiche Mama Elli mit weit aufgerissenen Augen und versperrte ihren Töchtern die Sicht, damit sie nichts von dem elendigen Anblick mitbekamen.

»Elli, was ist mit dir?«, fragte Egi erschrocken.

Elli antwortete nicht, sie starrte an ihrem Göttergatten vorbei. Während er ihrem Blick folgte, hörte er vereinzelte Schreie hinter sich. Und dann sah er ihn. In dem hölzernen Wassertrog lag kopfüber die Nummer 1, extrem verrenkt, die felligen Beine regungslos in die Luft gestreckt. Die gehörnte Maske lag im Schnee.

»Stopp!«, schrie der PHK nach Dienstvorschrift. »Geht ihr mal alle ein paar Schritte z’rück und bringt eure Kinder fort.«

Elli packte sich Belli und Lilli und ging mit ihnen um die nächste Hauswand, bevor sie einen Blick auf das dramatische Ereignis erhaschen konnten. Egi trat näher an den Wassertrog heran und kratzte seinen Vollbart. Aufgrund der unnatürlichen Körperhaltung war es sofort klar, Nummer 1 lebte nicht mehr. Egi schob das Klausenfell am Hals etwas zur Seite und legte seinen Zeigefinger an die Stelle, wo er die Halsschlagader vermutete. Kein Puls mehr.

»Der isch mausetot«, meinte ein Opa zu Egis Linken und zeigte mit seinem Krückstock auf das Klausenopfer.

»Es war die Nummer 6, die hat den gewürgt!«, rief die alte Dame neben ihm.

»Die 6 war’s, ich hab’s gesehn, mit’m Bärbele daneben!«, schrie ein junger Bursche von hinten.

»Ich auch!«, bestätigte eine Frau mittleren Alters auf der anderen Seite.

»Ja, die 6 muss es gewesen sein!«, stimmten mehrere mit ein.

Forever Kripo Kempten

Egi und Rudi humpelten angeschlagen nach vorne in den PI-Empfangsbereich. Chefmeiers Bariton dröhnte ihnen mit jedem Schritt lauter entgegen. Als sie an der Eingangspforte angekommen waren, wurde ihnen klar, warum.

»Na, Erwin, braucht ihr Gebirgstölpel mal wieder Unterstützung von topp-qualifizierten Fachleuten?«, fragte Akay Tok den Gift und Galle spuckenden PI-Leiter.

Dem Egi fiel dabei wieder auf, dass der Chefmeier nicht gerade eine glückliche Figur machte mit seiner mittleren Körpergröße und seinem weit ausladenden Bierbauch. Auch weiter oben war’s nicht grad ein Augenschmaus, aus seinem dunklen Haarkranz ragte eiförmig ein glänzendes Haupt hervor, das von einem beachtlichen Doppelkinn getragen wurde.

»Gebt mal nicht so an, ihr verkappten Kriminalisten, bisher habt ihr uns alleweil blockiert«, vernahm der Egi die zwischen den Reißzähnen vom Chefmeier ertönenden Worte.

Der schönste Kriminalhauptkommissar Bayerns mit Namen Akay Tok, der Mitdreißiger mit türkischem Migrationshintergrund, von Frankfurt am Main nach Kempten im Allgäu abgezogen, schliff einen mit Handschellen gebändigten, zweibeinigen Streuner hinter sich her. Neben ihm die gleichaltrige blonde Model-Profilerin Dr. Silvia Stern, eine promovierte Polizeipsychologin sowie gebürtige Münchnerin mit astreinem Stammbaum aus dem Zentralien Oberbayerns, einen besseren Lebenslauf konnt’s nicht geben. Beide schafften seit zwei Jahren für die Kripo Kempten, und würden auch leider so schnell nicht wieder von dort verschwinden.

Egi wandte seinen Blick wieder ab, die zwei Schönheiten hatte er während seiner PHK-Dienstzeit bereits ausreichend betrachten können. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den zotteligen Zweibeiner, dem das Ganze recht unangenehm zu sein schien. Egis durchdringende PHK-Peiler bleiben an dessen Nummernschild hängen. Erst wurden dem Egi die Knie weich, dann stockte ihm der Atem, bevor er in ein gemäßigtes Taumeln verfiel.

»Egi, grüß dich! Geht’s dir nicht gut? Hast ja eine mächtige Beule am Kopf«, erkannte Akay, aber der Grund für Egis Unpässlichkeit war ein ganz anderer.

»Und Rudi, wer hat dir denn die Hose zerrissen? Konnte deine Frau es nicht erwarten, dass du endlich heimkommst?«, fuhr der Kemptener mit seinen üblichen Nettigkeiten fort.

Der Ton zwischen PI Oberstdorf und Kripo Kempten hatte sich in den letzten anderthalb Jahren enorm verschärft, genauso lang war der Egi PHK. Rudi sah, verbalen Beistand erwartend, zum Egi hinüber, erkannte aber gleich an dessem starren Erscheinungsbild, dass er vergeblich darauf warten würde. Also versuchte er, die Ursache der PHK-Starre zu erforschen und folgte Egis Blickrichtung. Rudis müde Augen blieben ebenfalls abrupt an dem Nummernschild des von der Kripo Kempten gefangengenommenen Klaus hängen. Der trug ja auch die Nummer 6!

Der Chefmeier war not amused über die allgemein herrschende Verschwiegenheit seiner PI-Beamten und brüllte zur Wiederaufnahme eines höheren PI-Schallpegels: »Mei, was steht ihr denn so tatenlos rum? Nehmt den Mörder mit nach hinten! Verhört ihn! Nagelt ihn fest! Schreibt einen Bericht und dann könnt ihr alle wieder abziehen!«

Der Zottel-Streuner hob die gefesselten Fellhände und schüttelte verneinend den Kopf.

Da Egi und Rudi in unerklärlicher Weise mental blockiert schienen, schaltete sich der adrette Daniel Müller von der Empfangstheke ein: »Chef, ähm, wir haben den Mörder schon.«

»Was?!«

»Na ja, er sitzt hinten, in der Ausnüchterungszelle.«

Der felltragende Streuner nickte zustimmend.

Der Chefmeier schaute erst den Polizeinovizen an, dann seinen PHK, um sich daraufhin im Zeitlupentempo Richtung Chefbüro in Bewegung zu setzen. Im Flur merkte er beiläufig an: »Seht zu, dass ihr euch einigt mit die Mörder, und zwar heut noch!«

Während Tommi daheim vor der Glotze saß, rannte Renni (René Holzer) mit seiner Nummer 24 ein paar Runden durchs verschneite Oberstdorf. Vorbei an der katholischen Kirche St. Johannes Baptist, wo einige zutiefst betroffene oder auch erleichterte Oberstdorfer Bürger durch die mächtige hölzerne Pforte traten, sich mit Weihwasser bekreuzigten und in den Bänken kniend für den alten Moosberger ein letztes Gebet sprachen. Vorbei an dem zum Kurzzeitsarg umfunktionierten Wassertrog, wo die Leute der Spusi, unter ihnen Hugo Hasenkamp mit der hochroten Nase, noch herumpinselten, fegten, Staub saugten und unsichtbares Tätergewebe einsammelten. Vorbei an der hell erleuchteten PI Oberstdorf, wo gerade einige Leute mit dem Chefmeier und PHK Egi im Eingangsbereich neben einem schlaffen Klaus diskutierten. Überall trug Renni seine Nummer 24 gut sichtbar zur Schau, während Egis Ehefrau Elli mit ihren Töchtern Belli und Lilli in ihr feines Mehrgenerationenhäusle am Moorweiher eintrat, die Treppe ins Obergeschoss hochging und sich die dicke Winterkleidung abstreifte.

»Ihr seids schon zurück?«, fragte Tommi aus dem Wohnzimmer.

»Egi, vielleicht hat der Basti doch nicht gelogen«, raunte Rudi dem PHK zu, während sie hinter Silvia, Akay und deren verhafteten Klaus in Richtung Verhörraum 1 schlichen.

»Wart’s ab, das kriegen wir jetzt raus«, flüsterte Egi und sprach lauter: »Du, Akay, wo habt ihr denn den Klaus mit der 6 aufgegriffen?«

»Du kennst seinen Namen?«, warf Akay ihm vor.

»Nein, kenne ich nicht!«

»Wieso dann Klaus?«

»Herrschaftszeiten, Akay, Klaus ist die Einzahl von Klausen!«, Egi schüttelte den Kopf in Anbetracht dieses Unwissens.

»Verstehe. Der lief uns vor der PI entgegen, als wir einparken wollten und ihr hier noch Pause geschoben habt. War ein Glücksgriff«, frotzelte Akay, Silvia grinste ihn an.