Klausurenkurs im Staatsrecht II - Christoph Degenhart - E-Book

Klausurenkurs im Staatsrecht II E-Book

Christoph Degenhart

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Beschreibung

Gezielte Examensvorbereitung: Für die vorliegende 10. Auflage wurden einige Fälle durch neue ersetzt bzw. aktualisiert und teilweise neu gefasst. Dieser auf die Lehrbücher von Degenhart, Staatsorganisationsrecht und Kingreen/Poscher, Grundrechte abgestimmte Klausurenkurs mit Repetitorium gibt dem Leser einen verlässlichen Leitfaden zur Vorbereitung auf staatsrechtliche Klausuren im Examen an die Hand. 19 typische Klausuren - auch solche in verwaltungsrechtlicher Einkleidung mit staatsrechtlichem Schwerpunkt und mit europarechtlichen Bezügen - mit zugeordneten Repetitorien vermitteln den Kernbestand des staatsrechtlichen Wissens und decken damit examensrelevante Fragen zu einem erheblichen Teil ab. Die Fälle sind realitätsnah gelöst, im Staatsrecht besonders wichtige Argumentationsmuster und die Technik der Fallbearbeitung werden eingeübt. Vorüberlegungen und eine vorangestellte Lösungsskizze dienen der raschen ersten Orientierung. Die Entstehung der Lösung kann anhand von ausformulierten Musterlösungen Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Auf jede Falllösung folgt ein Abschnitt "Repetitorium", in dem das Wichtigste zu besonders klausurrelevanten Problemen zusammengefasst und somit die Möglichkeit der vertiefenden Wiederholung eröffnet wird. Kommentierte Aufbauschemata zu allen Verfahrensarten und klausurtypischen Fallkonstellationen bieten eine zusätzliche Lernhilfe.

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Klausurenkurs im Staatsrecht II

Staatsorganisationsrecht,Grundrechte, Bezüge zum Europarecht

Ein Fall- und Repetitionsbuch für Examenskandidaten

von

Dr. Christoph Degenhart em. o. Professor an der Universität Leipzig Richter am Sächsischen Verfassungsgerichtshof a.D.

10., völlig neu bearbeitete Auflage

www.cfmueller.de

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <https://portal.dnb.de> abrufbar.

 

ISBN 978-3-8114-8919-6

 

E-Mail: [email protected]

Telefon: +49 6221 1859 599Telefax: +49 6221 1859 598

 

www.cfmueller.de

 

© 2024 C.F. Müller GmbH, Heidelberg

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Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Der Verlag räumt Ihnen mit dem Kauf des e-Books das Recht ein, die Inhalte im Rahmen des geltenden Urheberrechts zu nutzen.

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Vorwort

Schon seit der 5. Auflage 2010 ist der „Klausurenkurs im Staatsrecht II – Mit Bezügen zum Europarecht“ konsequent auf die Anforderungen im Staatsexamen bzw in der staatlichen Pflichtfachprüfung ausgerichtet. Für den „Kleinen Schein“ und die Zwischenprüfung steht seither der speziell hierauf ausgerichtete „Klausurenkurs im Staatsrecht I“, derzeit in 5. Auflage 2019, zur Verfügung. Diese Aufteilung des Stoffs entsprach einem vielfach geäußerten Wunsch der Leser. Die bewährte, mittlerweile auch vielfach kopierte Konzeption des Klausurenkurses wurde beibehalten. Fälle – im vorliegenden Band ausschließlich auf Examensniveau – werden exemplarisch und realitätsnah gelöst, mit dem Ziel der Einarbeitung in die Technik der Fallbearbeitung und der Einübung typischer Argumentationsmuster, wie sie gerade im Staatsrecht so wichtig sind. Die Entstehung der Lösung kann dabei Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Jeder Musterlösung folgt ein Abschnitt „Repetitorium“, in dem das Wichtigste zu besonders klausurrelevanten Problemen zusammengefasst wird.

Für die vorliegende 10. Auflage wurden die Fälle 1, 2, 3, 9, 16 und 18 aus der Vorauflage durch neue Fälle ersetzt und die Fälle 6, 7, 10 und 19 aktualisiert und teilweise neu gefasst. Die Repetitoriumsabschnitte wurden ebenfalls durchweg aktualisiert und teilweise neu strukturiert. Hier wurde besonderes Gewicht auf aktuelle Entwicklungen gelegt, um so – entsprechend dem Anliegen des Fall- und Repetitionsbuches – dem Nutzer auch weiterhin eine verlässliche Hilfe für die Vorbereitung auf das Staatsexamen an die Hand zu geben.

Der Verfasser dankt für die zahlreichen Rückmeldungen, die ihn aus der Leserschaft erreicht haben und die ihn in diesem Konzept bestärken. Er bittet um Verständnis, wenn er nicht in jedem Fall persönlich antworten kann. Hinweise, Anregungen und Kritik sind stets willkommen ([email protected]).

Leipzig, im Januar 2024 Christoph Degenhart

Vorwort zur 1. Auflage

Klausurenbände im öffentlichen Recht gibt es etliche. Meist handelt es sich um Lehrbücher, die den Stoff in Klausurfälle packen oder um Entscheidungssammlungen in Klausurenform. Der hier vorgelegte, auf die Schwerpunkte-Bände Staatsrecht I und Grundrechte. Staatsrecht II abgestimmte Klausurenkurs mit Repetitorium verfolgt ein anderes Konzept: typische Musterklausuren werden exemplarisch und realitätsnah gelöst, mit dem Ziel der Einarbeitung in die Technik der Fallbearbeitung und der Einübung typischer Argumentationsmuster, wie sie gerade im Staatsrecht so wichtig sind. Die Entstehung der Lösung kann dabei Schritt für Schritt nachvollzogen werden. Jeder Musterlösung folgt ein Abschnitt „Repetitorium“, in dem das Wichtigste zu besonders klausurrelevanten Problemen zusammengefasst wird.

Aufbauend auf den bewährten Schwerpunkte-Lehrbüchern, will der vorliegende Band dem Leser einen verlässlichen Leitfaden für die Vorbereitung auf die staatsrechtlichen Klausuren in der Zwischenprüfung und im Examen an die Hand geben: zunächst und vor allem durch die klausurmäßige Einübung des Stoffes der Schwerpunktebände in 16 Fällen; des Weiteren durch die Möglichkeit der vertiefenden Wiederholung unter Zugrundelegung der Staatsrechtsbände im Repetitoriumsteil zu den einzelnen Klausuren; unabhängig davon erhält schließlich der Leser die Chance, sich „in letzter Minute“ noch der wichtigsten staatsrechtlichen Problemschwerpunkte zu vergewissern.

Die in diesem Band enthaltenen 16 Fälle und die ihnen zugeordneten Repetitorien vermitteln einen Kernbestand des Wissens und decken damit prüfungsrelevante Fragenkreise zu einem erheblichen Teil ab. Dies gilt für Zwischen- und Staatsprüfung, für die der staatsrechtliche Pflichtstoff ja im Wesentlichen der gleiche ist – mit dem Unterschied allerdings, dass bei Letzterer staatsrechtliche Probleme häufig in verwaltungsrechtlicher Einkleidung auftreten. Auch hierauf will dieser Band vorbereiten.

Meinen Mitarbeitern Frau Nannette Ruß und Herrn Dr. Stefan Haack danke ich für ihre Hilfe beim Lesen der Korrekturen und manches anregende Gespräch. Wie stets freue ich mich über Rückmeldungen aus dem Leserkreis (e-mail: [email protected]).

Leipzig, im August 2002 Christoph Degenhart

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Vorwort zur 1. Auflage

 Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

 1. TeilAllgemeiner Teil

  1. AbschnittZur Arbeit mit diesem Buch1 – 7

  2. AbschnittStaatsrecht in der Fallbearbeitung – typische Fallkonstellationen8 – 19

   I.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde9 – 13

   II.Staatsorganisationsrechtlicher Schwerpunkt14 – 17

   III.Verwaltungsrechtliche Fallkonstellationen18

   IV.Fälle ohne prozessualen Einschlag19

  3. AbschnittAllgemeine Hinweise zu Aufbau und Inhalt20 – 147

   I.Zur Prüfungsreihenfolge: Zulässigkeit und Begründetheit20, 21

   II.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerden22 – 80

    1.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Gesetz51 – 62

    2.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde gegen Akte der Exekutive63 – 69

    3.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde gegen Akte der Judikative70 – 78

    4.Exkurs: Landesverfassungsbeschwerde79, 80

   III.Normenkontrollverfahren81 – 106

    1.Abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG82 – 96

    2.Konkrete Normenkontrolle (Richtervorlage), Art. 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG97 – 106

   IV.Staatsorganisationsrechtliche Fragestellungen107 – 138

    1.Organstreitverfahren, Art. 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG108 – 124

    2.Bund-Länder-Streit, Art. 93 I Nr. 3 GG, §§ 13 Nr. 7, 68 ff. BVerfGG125 – 138

   V.Weitere Verfahrensarten139

   VI.Verwaltungsrechtliche Fragestellungen140 – 144

   VII.Exkurs: Zur Darstellungsweise145 – 147

  4. AbschnittPrüfungsrelevante staatsrechtliche Fragestellungen im Überblick148

 2. TeilKlausurfälle

  Fall 1Wahlrechtsreform – cui bono?

   Umfangreicher und anspruchsvoller ExamensfallWahlrechtsgrundsätze – politische Parteien Repetitorium: Wahlrecht – Recht der politischen Parteien in der Fallbearbeitung

  Fall 2Heizungsgesetz

   Kürzerer, aber anspruchsvoller ExamensfallRechte des Abgeordneten, insb. gleichberechtigte Teilnahme an der parlamentarischen Willensbildung – Gesetzgebungsverfahren – Organstreitverfahren – einstweilige Anordnung des BVerfG Repetitorium: Die Rechtsstellung des Abgeordneten

  Fall 3Nur Bares ist Wahres

   Mittelschwerer ExamensfallGesetzgebungskompetenzen – Gesetzgebungsverfahren, Vermittlungsausschuss – allgemeines Persönlichkeitsrecht – Eigentumsschutz – Berufsfreiheit – Verfassungsbeschwerde Repetitorium: Gesetzgebungskompetenzen

  Fall 4Energiewende – oder: „… der durch sie hindurchging der Wind“

   Umfangreicher und anspruchsvoller ExamensfallGesetzgebungskompetenzen – Bundestreue – Eigentumsgarantie – Rückwirkung und Vertrauensschutz – Anspruch auf behördliches Einschreiten Repetitorium: Rückwirkung und Vertrauensschutz, ne bis in idem

  Fall 5Die Mietbremse

   Mittelschwerer ExamensfallArt. 14 GG, Inhalts- und Schrankenbestimmungen – Rückwirkungsverbot – Erlass von Rechtsverordnungen, Art. 80 I 2 GG – Sozialstaatsprinzip, Art. 3 GG – Verfassungsbeschwerde, Subsidiarität Repetitorium: Untergesetzliches Recht/Rechtsverordnungen – Sozialstaatsprinzip

  Fall 6Der Bundestag in der Pandemie (Wahlrecht und Wahlperiode)

   Umfangreicher ExamensfallGesetzgebungsverfahren – zustimmungspflichtige Gesetze – Wahlrechtsgleichheit – freies Mandat Organstreit – Abstrakte Normenkontrolle Repetitorium: Gesetzgebungsverfahren

  Fall 7Filz (Untersuchungsausschuss)

   Umfangreicher und anspruchsvoller ExamensfallRecht der Untersuchungsausschüsse – Befugnisse gegenüber der Regierung, gegenüber Privaten – Auftragsverwaltung – Art. 12 GG und Informationseingriff – Organstreit – Bund-Länder-Streit – Verfassungsbeschwerde Repetitorium: Parlamentarische Kontrolle, insb. Untersuchungsausschüsse – Bund-Länder-Verhältnis, Auftragsverwaltung, Bundestreue

  Fall 8Nanny-Staat (Werberichtlinie)

   Umfangreicher und anspruchsvoller Examensfall mit Bezügen zum EuroparechtBundesrat – Rechte nach Art. 23 GG – Gesetzgebungskompetenzen – Richtlinien und Grundrechte – Art. 12 I GG – Grundrechte-Charta – Organstreit – Bund-Länder-Streit Repetitorium: Bundesrat – Europäische Grundrechte

  Fall 9Solidarität

   Umfangreicher und anspruchsvoller Examensfall mit Bezügen zum EuroparechtÜbertragung von Hoheitsrechten – Art. 23 GG – Verfassungsbeschwerde als Wahlbürgerbeschwerde, Art. 38 I 1 GG – Prüfungsrecht des Bundespräsidenten – Volksentscheid Repetitorium: Prüfungsrecht des Bundespräsidenten – Direkte Demokratie – Unionsrecht und Grundgesetz

  Fall 10Catch as catch can

   Umfangreicher und anspruchsvoller Examensfall mit Bezügen zum EuroparechtGrundrechtsfähigkeit, Art. 3 GG, Art. 12 GG, Art. 101 I 2 GG – Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt für Grundrechtseinschränkungen – Rundfunkfreiheit – Unionsrecht – Dienstleistungsfreiheit Repetitorium: Vorbehalt des Gesetzes und Parlamentsvorbehalt – Art. 1 GG in der Fallbearbeitung

  Fall 11Die im Dunkeln … – „Licht aus gegen Rechts“

   Umfangreicher und mittelschwerer Examensfall, in Ausschnitten auch für die FortgeschrittenenübungVersammlungsfreiheit – Allgemeines Persönlichkeitsrecht – mittelbarer Grundrechtseingriff – staatliche Informationstätigkeit – grundrechtlicher Unterlassungsanspruch – einstweilige Anordnung und Grundrechte

  Fall 12I want a famous face II (Schönheitsoperationen)

   Umfangreicher ExamensfallNormenkontrollantrag – Gesetzgebungskompetenzen – Allgemeines Persönlichkeitsrecht – Berufsfreiheit – Meinungsfreiheit – Dienstleistungsfreiheit Repetitorium (Fälle 11 und 12): Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Fallbearbeitung – allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG – Staatliches Informationshandeln: Warnungen, Hinweise, Empfehlungen

  Fall 13Integration II (Kopftuch)

   Anspruchsvoller und umfangreicher ExamensfallArt. 4 GG – verfassungsimmanente Schranken – negative Freiheit – Art. 6 I und Art. 7 GG – grundrechtliche Schutzpflichten Repetitorium: Ehe-Familie-Schule, Art. 6 I und 7 I GG – Glaubens- und Gewissensfreiheit, Art. 4 I, II GG – Grundrechtliche Schutzpflichten, grundrechtlicher Anspruch auf Einschreiten

  Fall 14Toujours Caroline oder: die Ferien des Monsieur P.

   Umfangreicher und anspruchsvoller ExamensfallPersönlichkeitsrechte – Meinungs- und Pressefreiheit – Drittwirkung der Grundrechte – Recht auf Gehör – Urteilsverfassungsbeschwerde – Bedeutung der EMRK Repetitorium: Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 I, II GG – Zur Geltung der EMRK – grundrechtliche Drittwirkung – Justizgrundrechte – Exkurs: Art. 5 III GG in der Fallbearbeitung

  Fall 15Die Bloggerin, der Staatsanwalt und die Früchte des verbotenen Baums

   Mittelschwerer ExamensfallPresse- und Rundfunkfreiheit, Internet – Grundrechtsträgerschaft – Unverletzlichkeit der Wohnung – Fernmeldegeheimnis – Persönlichkeitsrecht – Justizgrundrechte Repetitorium: Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG – Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG – Abgrenzung Unverletzlichkeit der Wohnung, APR, Fernmeldegeheimnis

  Fall 16Aktivisten

   Umfangreicher und anspruchsvoller Examensfall, evtl. 1. Teil isoliert in der FortgeschrittenenübungMeinungs- und Versammlungsfreiheit – Grundrechtsschranken – – Rechtsschutzgarantie – Unterbindungsgewahrsam Repetitorium: Art. 8 GG in der Fallbearbeitung – Freiheit der Person, Art. 2 II 2, Art. 104 GG

  Fall 17Open Access

   Umfangreicher ExamensfallArt. 14 GG – Eigentum – öffentlichrechtliche Ersatzleistungen – Richtliniengesetzgebung – Gesetzgebungsverfahren – Gesetzesverfassungsbeschwerde Repetitorium: Art. 14 GG in der Fallbearbeitung

  Fall 18No sports

   Mittelschwerer Examensfall mit europarechtlichem BezugBerufsfreiheit – Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechte – Schutzpflichten – Versammlungs- und Meinungsfreiheit – der Gleichheitssatz in der Fallbearbeitung Repetitorium: Art. 12 in der Fallbearbeitung – Der Gleichheitssatz in der Fallbearbeitung – Grundfreiheiten des AEUV, insb. Warenverkehrsfreiheit

  Fall 19Die Aktivistin in der Extremisten-Datei

   Umfangreicher und anspruchsvoller ExamensfallRecht der inneren Sicherheit – informationelle Selbstbestimmung und Informationsfreiheit, Art. 10, Art. 13 GG – Gesetzgebungsverfahren Repetitorium: Grundrechte und innere Sicherheit

 Sachverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis und Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur

Im Folgenden werden neben der abgekürzt zitierten Literatur einige häufig gebrauchte Abkürzungen wiedergegeben; iÜ werden die üblichen Abkürzungen gebraucht.

aA

andere(r) Auffassung

aaO

am angegebenen Orte

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

aF

alter Fassung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

APR

Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Baldus/Grzeszick/Wienhues

Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2018

Bay

Bayern

BayVerfGH

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

BbgVerfG

Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

Benda/Klein

Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl., Heidelberg 2020

BerlVerfGH

Berliner Verfassungsgerichtshof

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BonnK

Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Hamburg/Heidelberg 1950 ff., zit. nach Bearbeitern

BremStGH

Bremer Staatsgerichtshof

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGG

Bundesverfassungsgerichtsgesetz (Textbuch Nr. 20)

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BWahlG

Bundeswahlgesetz (Textbuch Nr. 30)

Degenhart

Staatsrecht I – Staatsorganisationsrecht, 39. Aufl., Heidelberg 2023

DÖV

Die öffentliche Verwaltung

Dreier I, II, III

Grundgesetz, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Bd. III, 3. Aufl. 2018

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt

e.A.

einstweilige Anordnung

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJS

Erste Juristische Staatsprüfung

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

Erbguth/Mann/Schubert

Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl., Heidelberg 2020

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EUV

Vertrag über die Europäische Union

FAG

Finanzausgleichsgesetz

FBA

Folgenbeseitigungsanspruch

Fn

Fußnote

GRCh

Grundrechtecharta

Grote/Kraus

Fälle zu den Grundrechten, 2. Aufl., München 2001

HdBStR

Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2./3. Aufl., zitiert nach Band und Auflage, Heidelberg

HdBVfR

Benda (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Bd. I und II, Berlin/New York 1994

Hesse

Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl., Heidelberg 1995, Neudruck 1999

HessStGH

Hessischer Staatsgerichtshof

Hillgruber/Goos

Verfassungsprozessrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2020

hM

herrschende Meinung

Hufen

Staatsrecht II – Grundrechte, 5. Aufl., München 2016

idF

in der Fassung

idR

in der Regel

iE

im Ergebnis

i.e.S.

im engeren Sinn

iFd

im Falle des

Ipsen II

Staatsrecht II, 19. Aufl., München 2016

iW

im Wesentlichen

JA

Juristische Arbeitsblätter

Jarass/Pieroth

Grundgesetz, Kommentar, 15. Aufl., München 2018

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung

K&R

Kommunikation & Recht

Kingreen/Poscher

Grundrechte Staatsrecht II, 39. Aufl., Heidelberg 2023

Klausurenband I

Degenhart, Klausurenkurs im Staatsrecht I, 6. Aufl., Heidelberg 2022

Kloepfer

Verfassungsrecht I, München 2011

Kopp/Schenke

VwGO, Kommentar, 21. Aufl., München 2015

Lenz/Hansel

BVerfGG, Kommentar, 3. Aufl., Baden-Baden 2020

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

lt SV

laut Sachverhalt

LVerfGMV

Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern

LVersG

Versammlungsgesetz (Textbuch Nr. 80)

Maunz/Dürig

Grundgesetz, Kommentar, München 1958 ff., zit. nach Bearbeitern

mE

meines Erachtens

MMR

Multimedia und Recht (Zeitschrift)

nF

neue(r) Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NK

Normenkontrolle

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NWVBl

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

PartG

Parteiengesetz (Textbuch Nr. 35)

Peine/Siegel

Klausurenkurs im Verwaltungsrecht, 8. Aufl., Heidelberg 2024

PUAG

Untersuchungsausschussgesetz (Textbuch Nr. 17)

RhPfVerfGH

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz

Rn

Randnummer

Rspr

Rechtsprechung

Sachs

Grundgesetz, Kommentar, 8. Aufl., München 2018, zit. nach Bearbeitern

SächsVBl

Sächsische Verwaltungsblätter

SächsVerfGH

Sächsischer Verfassungsgerichtshof

Schenke

Verwaltungsprozessrecht, 18. Aufl., Heidelberg 2023

Schlaich/Korioth

Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl., München 2012

Schweitzer/Dederer

Staatsrecht III, 12. Aufl., Heidelberg 2020

Stern I, II

Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl., München 1984, zit.: Stern I – Bd. II, München 1980, zit.: Stern II

Streinz

Europarecht, 12. Aufl., Heidelberg 2023

SV

Sachverhalt

Textbuch

Textbuch Deutsches Recht – Staats- und Verwaltungsrecht Bundesrepublik Deutschland, 63. Aufl., Heidelberg 2023

ThürVBl

Thüringer Verwaltungsblätter

ThürVerfGH

Thüringer Verfassungsgerichtshof

uU

unter Umständen

VA

Vorauflage/Verwaltungsakt

VB

Verfassungsbeschwerde

v. Münch/Kunig I-II

(Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 6. Aufl., München 2011, Bd. 2, 6. Aufl., München 2012, zit. nach Bearbeitern

VerwArch

Verwaltungsarchiv

vMKS

von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl., Bd. 1-III, München 2018, zitiert nach Bearbeitern

VO

Verordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

zw

zweifelhaft

1. TeilAllgemeiner Teil

1. AbschnittZur Arbeit mit diesem Buch

1

Mit den nachstehenden 19 Klausurfällen sollen die für Staatsexamen bzw staatliche Pflichtfachprüfung wichtigsten Themenbereiche des Staatsrechts, also des Staatsorganisationsrechts und der Grundrechte abgedeckt werden, unter Einbeziehung europarechtlicher Bezüge. Dabei sollen auch die wichtigsten Fallkonstellationen durchgespielt werden, in denen diese Themenbereiche typischerweise zu behandeln sind. Deshalb werden in den Fällen Verfassungsbeschwerden gegen Einzelakte, gegen Gesetze und Urteilsverfassungsbeschwerden ebenso behandelt, wie Organstreitverfahren und Verfassungskonflikte im Bund-Länder-Verhältnis. Sehr häufig wird der Kandidat im Examen auch materiell verfassungsrechtlichen Fragestellungen in verwaltungsrechtlicher Einkleidung begegnen, sei es, dass Verwaltungsakte in Grundrechte eingreifen, sei es, dass ein Anspruch auf behördliches Einschreiten aus grundrechtlichen Schutzpflichten abgeleitet wird. Auch diese Fallgestaltungen werden hinreichend berücksichtigt. Mit Fall 18 wird ein im engeren Sinn europarechtlicher Fall behandelt, doch bleiben auch iÜ unionsrechtliche Bezüge innerhalb staatsrechtlicher Fragestellungen selbstverständlich nicht ausgeklammert. Dies betrifft etwa Fragen der Gesetzgebung zur Umsetzung von Richtlinien ebenso wie verfassungsrechtliche Grenzen einer europäischen Integration, Fragen des Grundrechtsschutzes in grenzüberschreitenden Sachverhalten und die Grundfreiheiten des Vertrags.

2

Selbstverständlich können die 19 vorliegenden Fälle nicht den gesamten examensrelevanten Stoff abdecken. Der Klausurenband musste sich insoweit auf das absolut Notwendige beschränken, kann also nicht die in den Schwerpunktebänden selbst angesprochenen Probleme umfassend behandeln. Dies ist auch nicht Sinn und Zweck dieses Buches. Es soll entsprechend der Konzeption der Reihe Schwerpunkte Klausurenkurs einen Kernbestand des Wissens enthalten. Doch dürften die in den Klausuren behandelten Probleme und die dort entwickelten, typischen Fallgestaltungen nach Einschätzung des Verf. auf der Grundlage langjähriger Erfahrung als Prüfer und als Mitglied des Prüfungsausschusses im Sächsischen Landesjustizprüfungsamt ein ausreichendes Grundwissen vermitteln und examensrelevante Fragenkreise zu einem erheblichen Teil abdecken. Zu praktisch besonders wichtigen Themenbereichen, im Grundrechtsbereich sind dies die Grundrechte aus Art. 1, 2, 3, 4, 5, 8, 12, 13 und 14, findet sich deshalb auch im Anhang zu den Falllösungen ein Abschnitt „Repetitorium“. Hier sollen verallgemeinernd die wichtigsten Probleme stichwortartig angedeutet und vor allem jene Fragen behandelt werden, mit denen nach den Erfahrungen des Verf. sich die Kandidaten in der Fallbearbeitung meist besonders schwer tun. Hier sollen auch die gerade für das Staatsrecht so wichtigen Argumentationsmuster aufgezeigt werden, deren Kenntnis für eine rechtlich strukturierte Fallbearbeitung erforderlich ist.

3

Den Einzelklausuren vorangestellt ist der allgemeine Teil, der neben Hinweisen auf typische Fallkonstellationen im folgenden 2. Abschnitt insbesondere im 3. Abschnitt die Prüfungsreihenfolgen (Aufbauschemata) für staatsrechtliche Fälle enthält, auch hier entsprechend dem Anliegen dieses Buchs, die typischen Fallkonstellationen zu erfassen. Der 4. Abschnitt bringt einen tabellarischen Überblick über die wichtigsten Problembereiche, von denen jedenfalls der Examenskandidat zumindest Grundkenntnisse haben sollte. In dieser tabellarischen Übersicht wird auf die Klausurlösungen verwiesen, in denen diese Probleme behandelt werden. Soweit sie in den Klausuren nicht enthalten sind, werden Hinweise auf die entsprechenden Fundstellen in den Schwerpunktebänden gegeben. Ferner werden die Fundstellen im vorliegenden Klausurenbuch wie auch in den Schwerpunktebänden genannt, in denen zu den hier behandelten Fragen weiter nachgelesen werden kann. Damit soll dem Leser auch ein praktikabler Arbeitsplan für die Vorbereitung auf Zwischenprüfung und Staatsexamen an die Hand gegeben werden.

4

Im Schwierigkeitsgrad und im Umfang sind die Aufgaben auf das erste juristische Staatsexamen bzw die staatliche Pflichtfachprüfung abgestimmt. Allerdings unterscheiden sich zumindest anspruchsvollere Zwischenprüfungsklausuren und einfachere Examensklausuren mitunter nur durch ihre Länge, da der staatsrechtlich relevante Stoff bis zur Zwischenprüfung in der Lehre behandelt sein sollte. So könnten von einigen der hier wiedergegebenen Examensklausuren, soweit sie in mehrere Teilfragen unterteilt sind, einzelne dieser Teilfragen auch in einer Zwischenprüfungsklausur oder in der Vorgerücktenübung auftauchen.

5

Die Darstellung der einzelnen Fälle erfolgt jeweils nach dem gleichen Muster. Dem Aufgabentext schließen sich Vorüberlegungen an, die der idealtypische Bearbeiter anstellen würde, ehe er in den Entwurf einer Arbeitsgliederung und in die schriftliche Ausarbeitung eintritt. Es folgt eine Gliederung, in der stichwortartig auch wesentliche Probleme benannt werden und die Lösung durch Symbole oder Kürzel angedeutet wird. Eine derartige Arbeitsgliederung sollte auch in der Prüfung angefertigt werden. Vorüberlegungen und Erstellung der Arbeitsgliederung sollten etwa ein Drittel, die schriftliche Ausarbeitung sollte dann etwa zwei Drittel der Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Es folgt die eigentliche Klausurlösung, als Musterlösung nicht deshalb bezeichnet, weil sie die allein richtige Lösung darstellen soll, sondern weil sie beispielhaft das wiedergeben soll, was in der Bearbeitung erwartet würde. Die Lösung entspricht dem, was von einem guten bis sehr guten Kandidaten erwartet würde, geht aber anders als die Musterlösungen in den meisten Fallsammlungen nicht darüber hinaus. Der vorliegende Klausurenkurs soll eben gerade kein Lehrbuch in Klausurenform sein. Während die Vorüberlegungen auch Hinweise zum Aufbau enthalten, enthält der Text der Musterlösung selbst nur das, was auch in die Klausur gehört. Hinweise zum Aufbau, wie auch vertiefende und weiterführende Hinweise sind ausschließlich in den Fußnoten enthalten. Es schließt sich dann das schon erwähnte Repetitorium zu den wichtigsten in der Klausur behandelten Themenbereichen an. Es enthält abschließend die Rubrik „Zur Wiederholung – Aus der Ausbildungsliteratur – Aktuelle Rechtsprechung – Weitere Fälle im thematischen Zusammenhang“.

6

Zwei unterschiedliche Vorgehensweisen bieten sich an, das Buch durchzuarbeiten. Zur Vorbereitung auf Zwischenprüfung und Examen kann etwa die Stofftabelle am Ende des einführenden Teils durchgegangen werden, um gezielt die Themenbereiche einzuüben bzw zu wiederholen, in denen Lücken gesehen werden. Oder aber die Klausuren werden der Reihe nach abgearbeitet. Bei der Durcharbeitung der einzelnen Klausuren ist es natürlich ideal, wenn zunächst in der angegebenen Zeit die Klausur bearbeitet und dann mit der Musterlösung verglichen wird, um schließlich Lücken gezielt zu schließen. Fehlt hierfür die Zeit, sollte doch zumindest für jeden Fall ohne weitere Hilfsmittel außer den Gesetzestexten eine Arbeitsskizze entsprechend der vorangestellten Gliederung erarbeitet werden.

7

Für die Fallbearbeitung werden nur die in den zugelassenen Textsammlungen enthaltenen Gesetze benötigt, etwa weitere erforderliche Vorschriften werden wiedergegeben. Es wird dringend empfohlen, beim Durcharbeiten der Lösungen die angegebenen Vorschriften nachzulesen. Man wird feststellen, dass auch sehr vertraute Vorschriften mitunter überraschende Details enthalten, und man wird auf Vorschriften stoßen, die man noch nie bewusst aufgenommen hat. Wer aber in der Examenssituation zB mit einer Vorschrift wie der des Art. 87 GG konfrontiert ist und den Text der Vorschrift noch nie bewusst in sich aufgenommen hat, wird unwiederbringliche Arbeitszeit verlieren, ehe er überhaupt zu einem Textverständnis der Vorschrift gelangt; ebenso der Bearbeiter, der bei der Gesetzesprüfung erstmals staunend den Kompetenzkatalog des Art. 74 GG zu erfassen sucht.

2. AbschnittStaatsrecht in der Fallbearbeitung – typische Fallkonstellationen

8

Staatsrechtliche Klausuren lösen im Referendarexamen mitunter ein gewisses Unbehagen aus: Staatsrechtsvorlesungen und Anfängerübung bzw Zwischenprüfung liegen schon länger zurück, in der Folgezeit standen verwaltungsrechtliches Klagesystem, polizeiliche Eingriffsnormen und Ermessensfehler im Vordergrund des Interesses – der Kandidat sieht sich staatsrechtlichen Fällen dann nicht sonderlich gut vorbereitet gegenüber. Dass es grob fahrlässig ist, das Staatsrecht aus der Examensvorbereitung auszuklammern, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben – annähernd jede zweite Klausur im Referendarexamen dürfte zumindest einen staatsrechtlichen Schwerpunkt aufweisen. Dabei begegnen dem Bearbeiter staatsrechtliche Fragestellungen einerseits in rein staatsrechtlichen Fällen, andererseits aber auch in verwaltungsrechtlichen Zusammenhängen.

I.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde

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Rein staatsrechtliche Klausuren werden häufig in prozessualer Einkleidung gestellt. Die Beteiligten suchen um Rechtsschutz nach, wenden sich an das Gericht – in verfassungsrechtlichen Streitigkeiten ist dies das Bundesverfassungsgericht, seltener das Verfassungsgericht eines Landes. Bei den Beteiligten kann es sich zum einen um Verfassungsorgane wie den Bundestag, die Bundesregierung oder auch die Regierung eines Landes handeln, um Teile dieser Verfassungsorgane wie zB eine Fraktion im Bundestag oder auch einzelne ihrer Mitglieder, einen einzelnen Abgeordneten, einen Bundesminister, den Bundeskanzler. Beteiligt kann aber auch ein Bürger sein, der sich in seinen verfassungsmäßigen Rechten beeinträchtigt sieht und dagegen das Verfassungsgericht anrufen will.

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In letzterem Fall kommt iw nur der Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde in Betracht. Verfassungsbeschwerde kann nach Art. 93 I Nr. 4a GG „jedermann“ mit der Begründung erheben, durch einen Akt öffentlicher Gewalt in einem seiner Grundrechte bzw grundrechtsgleichen Rechte verletzt zu sein. „Jedermann“ bedeutet: jeder, der Träger von Grundrechten sein kann, also natürliche Personen und – wegen Art. 19 III GG – auch juristische Personen, wenn auch unter bestimmten, etwa in Fall 10, 14 näher ausgeführten Voraussetzungen, nicht aber: der Staat und seine Organe. Bei der Verfassungsbeschwerde geht es um Grundrechte – genauer: um die Beeinträchtigung von Grundrechten durch den Staat, durch Gesetze, Verwaltungsakte und gerichtliche Entscheidungen. Der materielle Schwerpunkt des Falles liegt also bei der Grundrechtsprüfung, hieran orientiert sich der Aufbau. Typische und wohl häufigste Fallgestaltung bei staatsrechtlichen Klausuren ist die Verfahrenskonstellation der Verfassungsbeschwerde. Sie ist immer dann einschlägig, wenn der Einzelne sich durch die hoheitliche Gewalt des Staates – Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung – in seinen Grundrechten verletzt sieht, Art. 93 I Nr. 4a GG. Mit der Verfassungsbeschwerde wird die unmittelbare Bindung aller staatlichen Teilgewalten an die Grundrechte des Grundgesetzes als positiv geltendes Recht entsprechend Art. 1 III GG aktualisiert und zur Wirksamkeit gebracht. Demgemäß kann sich die Verfassungsbeschwerde gegen Akte aller staatlichen Teil-gewalten richten.

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Sie kann sich unmittelbar gegen ein Gesetz richten; dann ist im Rahmen der Begründetheit das Gesetz auf seine Grundrechtskonformität und hierbei generell auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, s dazu die Aufbauhinweise nachstehend Rn 23 ff.

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Die Verfassungsbeschwerde kann sich auch gegen einen Verwaltungsakt richten, gegen den dann allerdings wegen § 90 II 1 BVerfGG der Rechtsweg beschritten werden muss. In der Sache kann hierbei entweder die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in Frage stehen, auf dem der Verwaltungsakt beruht, oder aber eine selbstständige Grundrechtsverletzung bei Erlass des Verwaltungsaktes selbst. So könnte zB das Verbot einer Versammlung deshalb verfassungswidrig sein, weil das LVersG, auf das es sich stützt, verfassungswidrig ist (etwa weil es bestimmte politische Meinungen diskriminiert). Ist das Gesetz aber verfassungsmäßig, kann es immer noch in verfassungswidriger Weise angewandt worden sein (wenn etwa die Behörde eine Versammlung zu Unrecht als unfriedlich eingestuft und sie deshalb verboten hat, wenn die Polizei die Versammlung wegen einer Störung durch Dritte aufgelöst und dabei ihr Ermessen fehlerhaft gebraucht).

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Schließlich kann die Verfassungsbeschwerde sich unmittelbar gegen eine gerichtliche Entscheidung richten. Auch hier kann es in der Sache um die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes gehen, auf dem die Entscheidung beruht. Ein Grundrechtsverstoß kann aber auch in Anwendung des Gesetzes erfolgt sein. Ein derartiger Grundrechtsverstoß kann insbesondere auch darin liegen, dass das Gericht in einem Rechtsstreit zwischen Privaten die Grundrechte in ihrer objektiven, wertsetzenden Funktion (im Sinn mittelbarer Drittwirkung wie im Fall 14) verkannt hat. Bei der sog. Urteilsverfassungsbeschwerde ist stets zu vergegenwärtigen, dass das BVerfG nur Verstöße gegen spezifisches Verfassungsrecht prüft, nicht aber die fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts.

II.Staatsorganisationsrechtlicher Schwerpunkt

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In staatsorganisatorischen Fällen sind die möglichen Ausgangslagen noch vielgestaltiger. Wohl häufigste Fallgestaltung ist die, dass die Beteiligten sich um gegenseitige Rechte und Pflichten streiten – Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz, aber auch aus einfachgesetzlichen Normen des Staatsrechts, wie dem Gesetz über die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse (PUAG – Fall 7) oder dem Gesetz über die Zusammen-arbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EuZBLG). In einer derartigen Fallkonstellation ist in erster Linie das Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG einschlägig. In diesem Verfahren geht es um Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz. Der Verfahrensgegenstand bestimmt auch hier den Aufbau: bei der Begründetheit geht es um die Frage, ob der Antragsgegner gegen das Grundgesetz verstoßen und hierdurch Rechte des Antragstellers verletzt hat. Dabei muss es sich stets um Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz handeln. Während im Organstreitverfahren nach Art. 93 I Nr. 1 GG über wechselseitige Rechte und Pflichten von Organen des Bundes zu entscheiden ist, sind entsprechende Streitigkeiten zwischen Bund und Ländern im Bund-Länder-Streit nach Art. 93 I Nr. 3 GG zu klären. Das Verfahren ist dem Organstreitverfahren nachgebildet. Für etwaige Verfassungskonflikte zwischen den Verfassungsorganen eines Landes sind die Organstreitverfahren nach der jeweiligen Landesverfassung einschlägig.

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Eine Sonderstellung nehmen die Normenkontrollverfahren ein, also die abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG und die konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 I GG. Das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ist ein „objektives“ Verfahren – es gibt einen Antragsteller, aber keinen Antragsgegner. Die Begründetheitsprüfung erfolgt als Normprüfung; hieran orientiert sich der Aufbau. Dies gilt auch für die konkrete Normenkontrolle – auch hier steht dem Antragsteller, also dem vorlegenden Gericht, kein Antragsgegner gegenüber. Letztere ist allerdings wohl eher seltener Gegenstand staatsrechtlicher Arbeiten.

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Insgesamt kann festgehalten werden, dass für Aufgaben mit Schwerpunkt im staatsorganisatorischen Bereich die häufigste prozessuale Einkleidung die des Organstreitverfahrens ist, seltener die des Bund-Länder-Streits und die der Normenkontrollverfahren. Mittelbar können hier auch grundrechtliche Fragen eine Rolle spielen, wenn hiervon das Verhalten eines Staatsorgans abhängt. So kann die Verpflichtung des Bundespräsidenten zur Ausfertigung eines Gesetzes dann entfallen, wenn dieses gegen Grundrechte verstößt. Die Verpflichtung der Bundesregierung, einem Untersuchungsausschuss des Bundestags Akten zugänglich zu machen, kann dann entfallen, wenn hierdurch schutzwürdige Grundrechtspositionen Privater, von denen in den fraglichen Akten die Rede ist, verletzt würden. Will der Bürger seine verfassungsmäßigen Rechte geltend machen, ist die prozessuale Einkleidung regelmäßig die der Verfassungsbeschwerde. Hier können wiederum in der Begründetheit Fragen des Staatsorganisationsrechts, etwa der Gesetzgebungskompetenzen oder des Gesetzgebungsverfahrens und allgemeine Verfassungsprinzipien wie das Rechtsstaatsprinzip eine Rolle spielen. Denn typische Fragestellung im Rahmen der Verfassungsbeschwerde ist die nach der Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs durch oder auf Grund eines Gesetzes. Hierzu muss das Gesetz in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sein.

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Abgrenzungsprobleme können sich dann ergeben, wenn der potentielle Antragsteller bzw Beschwerdeführer, der seine verfassungsmäßigen Rechte beeinträchtigt sieht, einerseits als Person Grundrechtsträger, andererseits auch Beteiligter am Verfassungsleben ist. Dies ist der Fall beim einzelnen Bundestagsabgeordneten. Er ist dann, wenn der Bundespräsident den Bundestag vorzeitig auflöst, im Bestand seines Mandats und damit als Beteiligter des Verfassungslebens betroffen. Demgegenüber ist er als Träger des grundrechtsgleichen passiven Wahlrechts aus Art. 38 II GG betroffen, wenn die Bundesregierung unzulässig in den Wahlkampf eingreift.[1] In ersterem Fall ist das Organstreitverfahren einschlägig, im letzteren die Verfassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde konnte auch von jenen Bundestagsabgeordneten erhoben werden, die sich durch den Vertrag von Lissabon in ihren Rechten als Staatsbürger, insbesondere auch in Art. 38 I 1 GG verletzt sahen.[2] Die Abgrenzung dieser beiden Verfahren ist von besonderer Bedeutung, wenn die rechtliche Stellung der politischen Parteien in Frage steht. Denn diese sind einerseits Grundrechtsträger, andererseits Beteiligte am Verfassungsleben.

III.Verwaltungsrechtliche Fallkonstellationen

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Der Sache nach im Schwerpunkt staatsrechtliche, insbesondere grundrechtliche Fälle können schließlich dem Bearbeiter in verwaltungsrechtlicher, insbesondere auch verwaltungs-prozessualer Konstellation begegnen.[3] Aufgabenstellungen, in deren Mittelpunkt die Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG steht, knüpfen sehr häufig an verwaltungs-rechtliche Versammlungsverbote an, gegen die Anfechtungsklage oder, wegen prozessualer Überholung, Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben wird, die aber auch Gegenstand einstweiligen Rechtsschutzes sein können – tatsächlich scheint das Eilverfahren nahezu ebenso häufig in Aufgabenstellungen aufzutauchen wie das Regelverfahren.[4] Dies ist auch die Ausgangssituation im aktuellen Fall des Ausschaltens der Rathausbeleuchtung als Protest „gegen Rechts“ (Fall 11). Sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist hier die verwaltungs-rechtliche Fragestellung grundrechtlich determiniert. Bestimmungen der VwGO sind im Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG anzuwenden – dies betrifft in den Fällen des erledigten Grundrechtseingriffs das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 113 I 4 VwGO; neben Versammlungsverboten bei termingebundenen Veranstaltungen sind es erledigte Durchsuchungsaktionen oder auch Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 GG durch Überwachungsmaßnahmen.[5] Grundrechtlich abgeleitet sind Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche,[6] ebenso wie Abwehrklagen gegen wirtschaftliche Aktivitäten von Gemeinden[7] oder Ansprüche auf polizeiliches oder anderweitiges behördliches Einschreiten,[8] wie im Fall 4. Dass ein im Schwerpunkt verfassungsrechtlicher Fall auch in strafprozessualer Einkleidung gestellt werden kann, belegt eine Fortgeschrittenenhausarbeit im öffentlichen Recht zum Thema „Der Staatsanwalt im Zeitungsverlag“.[9]

IV.Fälle ohne prozessualen Einschlag

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Selbstverständlich ist auch zu rechnen mit Aufgaben ohne jeden prozessualen Einschlag. Hier geht es dann schlicht darum, ob ein Gesetz verfassungsmäßig ist oder ob der eine oder andere Beteiligte an einem verfassungsrechtlichen Konflikt gegen verfassungsrechtliche Pflichten verstoßen hat oder aber in seinen Rechten aus dem Grundgesetz verletzt wurde. – Erfahrungsgemäß hindert dies den einen oder anderen Bearbeiter nicht, die Bearbeitung gleichwohl mit der Prüfung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde zu beginnen,[10]– ebenso, wie auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungshandelns erst einmal die verschiedenen Theorien zur Rechtswegfrage ausgebreitet werden. Deshalb gilt für jede Klausur: der Bearbeitervermerk ist genau zu lesen. Wenn auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde geprüft wird, die einer der Beteiligten erheben könnte, ist dies nicht nur überflüssig, sondern falsch, davon abgesehen, dass der Bearbeiter die erfahrungsgemäß selten zu reichlich bemessene Bearbeitungszeit vergeudet.

Dies ist ein generelles Problem. Erfahrungsgemäß wird oft ein zu großer Anteil der Bearbeitungszeit auf die Zulässigkeitsprüfung verwandt. Tatsächlich jedoch liegt hier in aller Regel nicht der Schwerpunkt der Arbeit; in den seltensten Fällen wird der Zulässigkeitsteil mehr als ein Drittel des Umfangs der Klausurbearbeitung in Anspruch nehmen – wenn überhaupt.

3. AbschnittAllgemeine Hinweise zu Aufbau und Inhalt

I.Zur Prüfungsreihenfolge: Zulässigkeit und Begründetheit

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Wenn bereits ein Rechtsbehelf eingelegt wurde und nun nach dessen Erfolgsaussichten gefragt wird, ist der Aufbau klar: Der Rechtsbehelf – sei es nun Verfassungsbeschwerde, Antrag im Organstreitverfahren oder Normenkontrollantrag – muss, um Erfolg zu haben, zulässig und begründet sein. In dieser Reihenfolge prüft das Gericht, in dieser Reihenfolge ist die Aufgabe zu bearbeiten. Sollte der Antrag unzulässig sein, ist die Begründetheit hilfsgutachtlich zu prüfen.

Dies ist im Übrigen der einzige Fall, in dem ein Hilfsgutachten erforderlich ist. Wenn demgegenüber sich zB in der Begründetheitsprüfung herausstellt, dass das Gesetz, das den Gegenstand der Verfassungsbeschwerde oder des Normenkontrollantrags bildet, schon aus formellen Gründen nichtig ist, wird die materielle Verfassungsmäßigkeit nicht etwa in einem Hilfsgutachten geprüft, sondern unverändert im eigentlichen Gutachten. Der Bearbeiter hat alle zur Begründetheit des Rechtsbehelfs führenden Verfassungsverstöße zu untersuchen. Er ist auch nicht so frei wie das Gericht, das ggf. die eine oder andere Frage, auf die es nicht mehr ankommt, offenlassen kann.

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In der Reihenfolge Zulässigkeit – Begründetheit ist regelmäßig auch zu prüfen, wenn gefragt wird, ob ein Beteiligter sich mit Aussicht auf Erfolg an das Bundesverfassungsgericht wenden kann; hier muss zunächst untersucht werden, welcher Rechtsbehelf in Betracht kommt. Wenn allerdings ein Beteiligter verfassungsrechtliche Bedenken – zB gegen ein Gesetz, gegen das Verhalten eines anderen Beteiligten – äußert und nun wissen will, ob seine Bedenken zu Recht bestehen und ob er ggf. das Verfassungsgericht anrufen kann, sollte erst die materielle Rechtslage geprüft werden – entscheidend ist also immer der Bearbeitervermerk. Hier kann es auch geboten sein, die Zulässigkeit unterschiedlicher verfassungsgerichtlicher Verfahren zu erörtern. Insbesondere dann, wenn nur ganz allgemein davon die Rede ist, dass ein Beteiligter „das Bundesverfassungsgericht anrufen“ will, ist vor Eintritt in die Zulässigkeitsprüfung in einem eigenen Prüfungspunkt die statthafte Verfahrensart zu erörtern; vgl Rn 239 zu den Rechten des Abgeordneten, wo Organstreitverfahren und Verfassungsbeschwerde abzugrenzen sind: geht es um Statusrechte des Abgeordneten aus dem Grundgesetz, ist Ersteres einschlägig.

II.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerden

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Die häufigste Fallgestaltung in staatsrechtlichen Klausuren ist sicher die der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Das Aufbauschema hierfür sollte der Bearbeiter also parat haben, um insbesondere die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ohne unnötigen Zeitverlust abarbeiten zu können – der Schwerpunkt der Problematik liegt im Verfassungsbeschwerdeverfahren in aller Regel im Begründetheitsteil; die sich bei der Zulässigkeitsprüfung möglicherweise ergebenden Probleme sind überschaubar – auf die wichtigsten wird nachstehend hingewiesen.

Für die Zulässigkeitsprüfung kann dieses Schema zugrundegelegt werden:

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Zulässigkeit

I. Beschwerdeführer:

1.

Beschwerdefähigkeit (= Grundrechtsfähigkeit)

2.

Prozessfähigkeit

II. Beschwerdegegenstand: Akt öffentlicher Gewalt

Gesetzgebung: sowohl Bundes- als auch Landesgesetze sind zulässiger Beschwerdegegenstand: Bundes- wie Landesstaatsgewalt sind an das Grundgesetz gebunden;

Kein zulässiger Beschwerdegegenstand sind Normen des (sekundären) Gemeinschaftsrechts (Richtlinien/Verordnungen), jedenfalls solange auf europäischer Ebene adäquater Grundrechtsschutz gewährleistet ist (Degenhart Rn 266 f.);

Akte der Exekutive (insbesondere Verwaltungsakte);

Akte der Rechtsprechung.

III. Beschwerdebefugnis:

1.

Möglichkeit der Grundrechtsverletzung;

2.

Bf. muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein; bei Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Gesetz ist insbesondere Letzteres sorgfältig zu prüfen.

IV. Rechtswegerschöpfung/Subsidiarität:

Akte der Exekutive: Rechtswegerschöpfung;

Akte der Judikative: Ausschöpfung aller Rechtsmittel;

gegen Gesetze ist an sich kein Rechtsweg eröffnet; gleichwohl verlangt das BVerfG – hierin nur schwer berechenbar – mitunter vom Bf., zunächst den Vollzug des Gesetzes abzuwarten und durch die Fachgerichte eine Vorabklärung und „Aufbereitung“ des Verfahrensstoffs zu erreichen.[11]

V. Form und Frist: Schriftform, § 23 I BVerfGG; Monatsfrist des § 93 I BVerfGG bzw Jahresfrist des § 93 III BVerfGG.

(VI. Rechtskraft – nur ausnahmsweise zu prüfen, Rn 47.)

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Ist bereits Verfassungsbeschwerde eingelegt oder ist nach den Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gefragt, so wird wie üblich in der Reihenfolge Zulässigkeit – Begründetheit geprüft. Ehe in die Prüfung der einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen eingetreten wird, sollte zunächst kurz ausgeführt werden, warum gerade dieser Rechtsbehelf erörtert wird: Wenn ein Bürger sich durch einen Hoheitsakt in seinen Grundrechten verletzt sieht, ist die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG geeigneter Rechtsbehelf.

Diese Überlegung kann auch als erster Gliederungspunkt in der Zulässigkeitsprüfung unter „Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts“ gebracht werden, die nachfolgend angegebenen Gliederungspunkte verschieben sich dann in der Zählung entsprechend.

Wird allgemein nach den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gefragt, so könnte etwa wie folgt formuliert werden:

„Da A sich hier durch ein staatliches Handeln in einem seiner Grundrechte verletzt sieht, könnte er Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4a GG einlegen. Diese hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.“

A. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

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An erster Stelle sollten die Zulässigkeitsvoraussetzungen geprüft werden, die sich auf den Beschwerdeführer beziehen, also Beschwerdefähigkeit und Prozessfähigkeit.

I. Beschwerde- und Prozessfähigkeit

1. Beschwerdefähigkeit

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Beschwerdefähig ist, wer grundrechtsfähig ist.

Dies festzustellen, bereitet keine Schwierigkeiten bei natürlichen Personen – hier genügt also die Feststellung „A ist als natürliche Person grundrechtsfähig und damit beschwerdefähig.“

Derartige eindeutige Feststellungen können mE im Urteilsstil getroffen werden. Im Gutachtensstil würde man formulieren:

„A müsste zunächst beschwerdefähig sein. Beschwerdefähig ist gemäß Art. 93 I Nr. 4a GG jeder, der Träger von Grundrechten sein kann. A als natürliche Person ist grundrechtsfähig. Er ist also beschwerdefähig.“

Besitzt der Beschwerdeführer nicht die deutsche Staatsangehörigkeit und beruft er sich auf Grundrechte, die nur Deutschen zustehen, wie vor allem Art. 12 I GG, so sollte ergänzt werden, dass er als Nichtdeutscher sich zwar nicht auf die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG, aber doch jedenfalls auf die Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG berufen kann. Bei EU-Ausländern dürfte das Diskriminierungsverbot des Art. 18 EUV jedoch Geltung auch der Deutschengrundrechte erfordern.[12]

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Handelt es sich beim Beschwerdeführer um eine juristische Person, so muss die Grundrechtsfähigkeit eigens begründet werden; sie ergibt sich aus Art. 19 III GG. Es muss sich dann bei der Beschwerdeführerin um eine inländische juristische Person handeln (effektiver Sitz ist entscheidend) BVerfGE 129, 78 erweitert den Grundrechtsschutz bei Sitz in der EU. Die geltend gemachten Grundrechte müssen auch ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sein. Dies kann begründet werden für solche Grundrechte, die im „arbeitsteiligen Verbund“ einer juristischen Person verwirklicht, die von einer juristischen Person ausgeübt werden können: eine juristische Person kann einem Gewerbe, also einem „Beruf“ nachgehen, sie kann Eigentum haben, sie kann auch mit Meinungsäußerungen an die Öffentlichkeit gehen, besitzt aber keine Menschenwürde.

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Der Wortlaut des Art. 19 III GG ist insofern zu weit, als juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsfähig sind – die Grundrechte sind Rechte des Bürgers gegen den Staat, nicht des Staates. Dies betrifft auch juristische Personen des Privatrechts, die sich ausschließlich oder mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden.[13]

Hiervon gelten Ausnahmen: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind gerade zur Wahrnehmung der Rundfunkfreiheit geschaffen worden und deshalb Träger dieses Grundrechts – nicht aber zB des Art. 12 GG, wenn sie sich gewerblich betätigen. BVerfGE 107, 299 gestattet ihnen darüber hinaus auch die Berufung auf das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG, wenn es um den Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis geht, so beim Zugriff auf Telekommunikationsverbindungsdaten. Ebenso sind die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften grundrechtsfähig.

2. Prozessfähigkeit (Verfahrensfähigkeit)

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Darunter versteht man die Fähigkeit, selbstständig, also selbst oder durch einen selbst bestimmten Vertreter, Verfassungsbeschwerde zu erheben und Prozesshandlungen vornehmen zu können. Sie ist nur dann näher zu prüfen, wenn sich hierfür besondere Anhaltspunkte aus dem Sachverhalt ergeben – andernfalls genügt die Feststellung, dass mangels solcher Anhaltspunkte von der Prozessfähigkeit auszugehen ist; bei juristischen Personen genügt der Hinweis, dass die Verfassungsbeschwerde durch ihren gesetzlichen Vertreter einzulegen ist.

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Besondere Anhaltspunkte können sein: Minderjährigkeit; hier wird Verfahrensfähigkeit des Minderjährigen für die Grundrechte aus Art. 4 I, II GG deshalb angenommen, weil der Gesetzgeber im Gesetz über religiöse Kindererziehung Minderjährigen eigene Rechte unabhängig von ihren gesetzlichen Vertretern einräumt (die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften müssten dann im Sachverhalt genannt sein). Man spricht hier von „Grundrechtsmündigkeit“.

II. Beschwerdegegenstand

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Die sorgfältige Herausarbeitung des Beschwerdegegenstandes ist die entscheidende Weichenstellung – hiernach bestimmt sich die Begründetheitsprüfung, hiervon hängen aber bereits weitere Zulässigkeitsprobleme ab.

Als Beschwerdegegenstand kommt in Betracht: jeder Akt der öffentlichen Gewalt in allen ihren Teilgewalten, also Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung.

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Der Beschwerdeführer kann sich unmittelbar durch ein Gesetz in seinen Grundrechten beeinträchtigt sehen – hier ist dann bei der Zulässigkeitsprüfung näher auf das unmittelbare Betroffensein (nachstehend III.2) und auf die Subsidiarität (IV.) der Verfassungsbeschwerde einzugehen.

Der Beschwerdeführer kann sich durch eine Entscheidung der Verwaltung in seinen Grundrechten beeinträchtigt sehen. In diesem Fall muss er zunächst den Rechtsweg beschreiten, § 90 II BVerfGG. Wenn Verfassungsbeschwerde eingelegt wird, wird also bereits die Entscheidung eines Gerichts vorliegen. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind dann die Maßnahmen der Verwaltung und die sie bestätigenden Gerichtsentscheidungen; es liegt aber nur eine Verfassungsbeschwerde vor.

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Gegenstand der Verfassungsbeschwerde kann auch unmittelbar die Entscheidung eines Gerichts sein, sei es die Verurteilung im Strafprozess, sei es die Entscheidung in einem Rechtsstreit zwischen Privaten. Dass die Verurteilung zu einer Strafe einen hoheitlichen Eingriff darstellt, ist evident – beim Urteil im Rechtsstreit zwischen Privaten könnte fraglich sein, ob hier überhaupt Grundrechte gelten und ob es um die Ausübung hoheitlicher Gewalt geht. Die damit aufgeworfene Frage einer Drittwirkung der Grundrechte, also ihrer Geltung zwischen Privaten, stellt sich mE aber erst dann, wenn es um die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung geht (III.1) – dass eine gerichtliche Entscheidung einen Akt öffentlicher Gewalt darstellt, ist ohne weiteres vorauszusetzen.

In diesem Fall sollte also nur darauf verwiesen werden, dass die Entscheidung etwa des BGH und die vorgehenden Entscheidungen des OLG und des LG als Akte der Rechtsprechung Akte öffentlicher Gewalt und damit geeigneter Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sind. Als Merkposten für die Begründetheitsprüfung sollte beachtet werden, dass im Fall der Urteilsverfassungsbeschwerde das BVerfG nur spezifische Verfassungsverstöße prüft.

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Liegt die Beschwer darin, dass eine Behörde oder ein Gericht sich auf ein nach Auffassung des Beschwerdeführers verfassungswidriges Gesetz gestützt haben, so sind unmittelbar deren Entscheidungen im Wege der Verfassungsbeschwerde anzugreifen; mittelbar richtet sie sich dann auch gegen das Gesetz.

III. Beschwerdebefugnis

Unter diesem Punkt sind zu prüfen: die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung und das eigene, gegenwärtige und unmittelbare Betroffensein des Beschwerdeführers.

1. Geltendmachung einer Grundrechtsverletzung

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Hier ist zu prüfen, ob die vom Bf. gerügten Grundrechte verletzt sein können; wenn keine bestimmten Grundrechtsartikel genannt werden, ist der Antrag auszulegen. Sonstige Verfassungsverstöße wie zB unzulässige Rückwirkung oder fehlende Kompetenz können hier ebenfalls geltend gemacht werden: ist der Schutzbereich eines Grundrechts eröffnet, so müssen Grundrechtseingriffe in jeder Hinsicht verfassungsmäßig sein. Der Beschwerdeführer kann also geltend machen, in einem seiner Grundrechte deshalb verletzt zu sein, weil der Eingriff auf einem Gesetz beruht, das unter Verstoß gegen die Kompetenzordnung des Grundgesetzes oder verfahrensfehlerhaft zustandegekommen ist oder das gegen das Rückwirkungsverbot verstößt; jedenfalls unter Art. 2 I GG führt dies dann zur Beschwerdebefugnis.

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Wie stets, muss im Rahmen der Zulässigkeit der Verfassungsverstoß nur plausibel geltend gemacht werden – ob er vorliegt, ist dann eine Frage der Begründetheit. Grundrechte, die ersichtlich nicht einschlägig sind, können bereits auf dieser Stufe aus der weiteren Prüfung ausgeschieden werden.

Bei Verfassungsbeschwerden gegen Akte der Judikative in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten ist hier der geeignete Ort, die Frage der Drittwirkung anzusprechen.[14]

2. Eigene, gegenwärtige und unmittelbare Beschwer

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Der Beschwerdeführer muss durch den angegriffenen Hoheitsakt selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein.

a) Eigenes Betroffensein ist in aller Regel unproblematisch – der Adressat einer Maßnahme jedenfalls ist selbst betroffen.[15] UU kann auch ein Dritter von einem Urteil oder einer Verwaltungsentscheidung betroffen sein.

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b) Gegenwärtiges Betroffensein: der angegriffene Hoheitsakt muss bereits Rechtswirkungen entfalten, und er darf sich grundsätzlich auch noch nicht erledigt haben, zB durch Zeitablauf. Bestimmte Maßnahmen der Exekutive erledigen sich typischerweise, ehe Verfassungsbeschwerde eingelegt werden kann.

Erledigung durch Zeitablauf kann zB gegeben sein, wenn eine Versammlung verboten wurde und der Tag, an den sie stattfinden sollte, verstrichen ist, wenn nach einer kurzzeitigen Freiheitsentziehung der Beschwerdeführer sich wieder in Freiheit befindet, wenn eine Durchsuchung ergebnislos durchgeführt worden ist.

Würde man in all diesen Fällen die Verfassungsbeschwerde als unzulässig betrachten, so kämen sie nie zu verfassungsgerichtlicher Prüfung – damit wäre kein umfassender Grundrechtsschutz mehr gewährleistet. Das BVerfG stellt deshalb zu Recht fest:

„Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden – wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden – Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen“.[16]

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Dies kann als Frage des (noch) gegenwärtigen Betroffenseins erörtert werden. Das BVerfG sieht hierin in seiner neueren Rspr eine Frage des Rechtsschutzbedürfnisses und bejaht dieses dann, wenn entweder die Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist oder die Maßnahme besonders belastend wirkt oder Wiederholungsgefahr besteht.[17]– s dazu Fall 15Rn 881.

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c) Unmittelbares Betroffensein bedeutet: es ist kein weiterer Hoheitsakt mehr erforderlich, die Grundrechtsbeeinträchtigung wirkt unmittelbar. Wird eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz eingelegt, so darf kein weiterer Vollzugsakt mehr erforderlich sein. Ein Abgabengesetz wirkt erst dann unmittelbar, wenn die Behörde auf Grund des Gesetzes einen Abgabenbescheid erlassen hat.

Bei Verbotsgesetzen, die einen Verstoß mit Strafe bedrohen, braucht der Adressat des Gesetzes allerdings nicht eine Bestrafung abzuwarten; dies wäre unzumutbar. Er ist also schon durch das Gesetz unmittelbar betroffen.

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Wenn aber im Gesetz vorgesehen ist, dass der Betroffene keine Kenntnis von der Maßnahme erlangen soll, so kann sich die Verfassungsbeschwerde ausnahmsweise unmittelbar gegen ein vollziehungsbedürftiges Gesetz richten[18]. Bei Abhörmaßnahmen und ähnlichen Eingriffen, wie zB auch der automatisierten Kennzeichenkontrolle[19] ist dies typischerweise der Fall. Für die eigene und gegenwärtige Betroffenheit reicht es dann aus, dass der Bf. darlegt, dass er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die auf den angegriffenen Rechtsnormen beruhenden Maßnahmen in seinen Grundrechten berührt wird.

IV. Rechtswegerschöpfung/Subsidiarität

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Verfassungsbeschwerde kann grundsätzlich erst dann erhoben werden, wenn alle anderen Rechtsbehelfe ausgeschöpft wurden, um die Grundrechtsbeeinträchtigung zu beheben. Sie ist subsidiär. Ausdruck dieser Subsidiarität ist das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in § 90 II BVerfGG.

(1) Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Gesetz:

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Richtet sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz, so genügt in der Fallbearbeitung in aller Regel die Feststellung, dass unmittelbar gegen Gesetze kein Rechtsweg eröffnet ist. Bei Rechtsvorschriften mit untergesetzlichem Rang (Rechtsverordnungen, Satzungen) wird jedoch neuerdings gefordert, diese im Weg der verwaltungsgerichtlichen Klage auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen.[20]

Allerdings verlangt das BVerfG – hierin nur schwer berechenbar – mitunter vom Bf., zunächst den Vollzug des Gesetzes abzuwarten und durch die Fachgerichte eine Vorabklärung und „Aufbereitung“ des Verfahrensstoffs zu erreichen; darauf ist nur einzugehen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür im Sachverhalt ergeben – demgegenüber ist das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung stets zu erwähnen.

(2) Verfassungsbeschwerde gegen Akt der Exekutive:

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Der Bf. muss alle Rechtsmittel ausschöpfen (näher Kingreen/Poscher Rn 1486 ff.), die gegen die angegriffene Maßnahme der Verwaltung eröffnet sind. Wird der Sofortvollzug einer Maßnahme nach § 80 II 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, so stellt das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren an sich einen selbstständigen Rechtsweg dar. Liegt hier die letztinstanzliche Entscheidung vor (Beschwerdeentscheidung des OVG), so ist an sich der Rechtsweg erschöpft. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt hier jedoch die Beschreitung des Rechtswegs in der Hauptsache, wenn auf diesem Wege Abhilfe erreicht werden kann. Dies muss allerdings zumutbar sein – wenn also bei Versagen des vorläufigen Rechtsschutzes ein unwiederbringlicher Rechtsverlust droht, kann die Verfassungsbeschwerde gegen die abschließende Entscheidung im Eilverfahren eingelegt werden.[21] Ausnahmsweise kann nach § 90 II 2 BVerfGG eine Vorabentscheidung getroffen werden (Kingreen/Poscher Rn 1494 ff.).

Beachte: Ehe der Bearbeiter auf einen schweren und unabwendbaren Nachteil iSv § 90 II 2 BVerfGG eingeht, muss festgestellt werden, dass der Rechtsweg noch offen steht oder der Bf. ihn bereits beschreitet, aber nicht abwarten will oder kann. Wenn also der Bf. den VA hat bestandskräftig werden lassen, kann nicht mehr unter Berufung auf § 90 II 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden – häufiger Fehler!

V. Form und Frist

1. Form

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Es gilt das Formerfordernis des § 23 BVerfGG.

2. Beschwerdefrist

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Die Verfassungsbeschwerde ist innerhalb eines Monats zu erheben, § 93 I 1 BVerfGG; maßgeblich hierfür ist die Zustellung oder Bekanntgabe „der Entscheidung“, § 93 I 2, 3 BVerfGG. Entscheidend ist diejenige Entscheidung des Gerichts, mit der der Rechtsweg erschöpft wurde.

Unmittelbar gegen Gesetze ist kein Rechtsweg eröffnet – hier gilt die Jahresfrist nach § 93 III BVerfGG ab Inkrafttreten des Gesetzes.

Diese Jahresfrist gilt nur, wenn unmittelbar gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde erhoben wird. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen einen sonstigen Hoheitsakt und dabei mittelbar gegen das Gesetz, das diesem zugrunde lag, dann kann Verfassungsbeschwerde mittelbar gegen das Gesetz auch nach Ablauf dieser Jahresfrist erhoben werden; es gilt dann § 93 I BVerfGG.

VI. Rechtskraft/Gesetzeskraft

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Dieser Punkt ist nur zu prüfen, wenn sich hierfür besondere Anhaltspunkte ergeben.

Bei Verfassungsbeschwerde gegen Gesetz: hat das BVerfG das Gesetz in einem anderen Verfahren (zB Normenkontrollverfahren) bereits im Tenor für verfassungskonform erklärt, ist dies zwar keine Frage der Rechtskraft (die nur inter partes wirkt), doch ist wegen der Gesetzeskraft der Entscheidung nach § 31 II BVerfGG die Verfassungsbeschwerde in diesem Fall unzulässig.[22]

B. Begründetheit der Verfassungsbeschwerde

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Die Begründetheitsprüfung beginnt mit dem Obersatz:

„Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Hoheitsakt in seinen Grundrechten verletzt ist“.

Mit diesem Obersatz steht das Prüfprogramm für die Begründetheitsprüfung fest.

49

Im Fall der Urteilsverfassungsbeschwerde sollte dieser Obersatz ergänzt werden mit einer einleitenden Bemerkung über den Prüfungsmaßstab etwa des Inhalts:

„Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Die Verfassungsbeschwerde ist also dann begründet, wenn das Gericht Grundrechte des Bf. generell verkannt hat, wenn es falsche Bewertungsmaßstäbe zugrundegelegt hat, von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist, wie auch dann, wenn es die Bedeutung der Grundrechte des Bf. im Verhältnis zu den Belangen der Gegenseite falsch gewichtet hat.“[23]

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Nunmehr werden die vom Beschwerdeführer gerügten Grundrechte in der Sache geprüft. Ob auch Grundrechte, die nicht ausdrücklich gerügt wurden, in die Prüfung einbezogen werden, dazu ist die Rechtsprechung des BVerfG nicht ganz einheitlich.[24]

Hier ist in der Bearbeitung der grundrechtliche Aufbau zugrundezulegen – also grundsätzlich für jedes der Grundrechte Schutzbereich – Eingriff – Rechtfertigung zu prüfen.

Dabei sind Freiheitsgrundrechte vor Gleichheitsgrundrechten zu prüfen, im Rahmen der Freiheitsgrundrechte diejenigen Grundrechte zuerst, auf denen der Schwerpunkt der Problematik liegt, regelmäßig also die den Sachverhalt speziell erfassenden Grundrechte – wenn es also um ein Gesetz geht, das die Tätigkeit der Presse beschränkt, Art. 5 I 2 GG vor Art. 12 GG.

1.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen Gesetz

I. Freiheitsgrundrechte

1. Schutzbereich des Grundrechts

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Zunächst muss das gerügte Grundrecht überhaupt in seinem Schutzbereich berührt sein. Hier ist zu unterscheiden zwischen personalem und sachlichem Schutzbereich.

Der personale Schutzbereich ist eröffnet, wenn der Beschwerdeführer Träger des gerügten Grundrechts ist – darauf ist einzugehen bei den sog. Deutschengrundrechten wie Art. 12 I GG; ferner dann, wenn der Personenkreis, der das Grundrecht verwirklichen kann, näher einzugrenzen ist, wie zB im Fall der Pressefreiheit, wenn es darum geht, ob Angehörige der Pressehilfsberufe (zB der Zeitungsgrossist) sich auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen können.

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Stets zu prüfen ist der sachliche Schutzbereich: Das Grundrecht muss thematisch einschlägig sein und das Verhalten, um das es geht, muss vom Grundrechtstatbestand erfasst sein, also vom Grundrecht geschützt werden. Dies bedeutet zB bei Art. 12 I GG: es muss sich um einen Beruf handeln, und das Verhalten des Beschwerdeführers muss in Ausübung des Berufs erfolgt sein (Fälle 3, 10).

Wenn also zB ein Gesetz Freizeitbetätigungen einschränkt, weil es das „Reiten im Walde“ verbietet oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässt, wäre etwa wie folgt vorzugehen:

„Der Schutzbereich des Art. 2 I GG müsste berührt sein. Dann müssten auch Freizeitbeschäftigungen unter die freie Entfaltung der Persönlichkeit fallen. Freie Entfaltung der Persönlichkeit kann bedeuten: allgemeine Handlungsfreiheit oder aber nur Schutz bestimmter, für die Persönlichkeitsentwicklung wertvoller Tätigkeiten. Das Grundgesetz will aber umfassenden Freiheitsschutz gewährleisten. Der Einzelne soll selbst frei entscheiden können, was er als relevant für seine Persönlichkeit ansieht. Es ist also der Auffassung zu folgen, die in Art. 2 I GG die allgemeine Handlungsfreiheit geschützt sieht. Auch Freizeitbeschäftigungen, mögen sie auch belanglos sein, fallen darunter. Daher ist hier der Schutzbereich des Art. 2 I GG eröffnet.“

Es ist also auszuführen, ob das Gesetz Verhaltensweisen insbesondere des Beschwerdeführers (tatsächliche oder beabsichtigte) regelt, die in den Schutzbereich des in Frage stehenden Grundrechts fallen.

2. Eingriff

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In den Schutzbereich des Grundrechts muss eingegriffen worden sein. Ein Eingriff liegt dann vor, wenn ein grundrechtlich geschütztes Verhalten untersagt, unmöglich gemacht oder erschwert wird, ein Eingriff unmittelbar durch Gesetz insbesondere dann, wenn dessen Regelung das Verhalten (s 1. Schutzbereich) ganz oder teilweise untersagt oder mit Sanktionen belegt.

Da bei Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen Gesetze bereits im Zusammenhang mit der Zulässigkeitsvoraussetzung des unmittelbaren Betroffenseins das Vorliegen eines Eingriffs unmittelbar gegenüber dem Bf. bedeutsam war, wird sich im Rahmen der Begründetheitsprüfung ein Eingriff idR unproblematisch feststellen lassen. Es ist auch nicht erforderlich, auf den Unterschied zwischen „klassischem“ und „modernem“ Eingriffsbegriff näher einzugehen, wenn hierfür keine besonderen Anhaltspunkte bestehen. Bei einem Eingriff unmittelbar durch Gesetz wird in der Regel von einem Eingriff iSd klassischen Eingriffsbegriffs auszugehen sein.

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Bei einzelnen Grundrechten können sich Besonderheiten ergeben. Bei Eingriffen in die Grundrechte des Art. 5 I GG in Gestalt einer nachträglichen Sanktion wäre etwa darauf hinzuweisen, dass gerade nachträgliche Sanktionen die freie Meinungsbildung gefährden; bei Art. 12 I GG ist das Merkmal der Berufsbezogenheit bzw der berufsregelnden Tendenz zu prüfen.

Ein „Eingriff“ kann auch in einem Unterlassen bestehen: dann, wenn der Gesetzgeber seinen grundrechtlichen Schutzpflichten nicht nachgekommen ist. Allerdings kann hier ein Verfassungsverstoß erst dann festgestellt werden, wenn ein „Untermaß“ an Schutz unterschritten ist, der Gesetzgeber also evident gegen eine sich aufdrängende Handlungspflicht verstoßen hat; in diesem Fall gehen Eingriffsprüfung und Rechtfertigung ineinander über: eine Verpflichtung zu einer bestimmten Handlung besteht nur ausnahmsweise – besteht eine solche Verpflichtung, ist das Unterlassen jedoch grundrechtswidrig.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a) Einschränkbarkeit des Grundrechts

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Zunächst ist festzustellen, dass das Grundrecht überhaupt einschränkbar ist – dies sind tatsächlich alle Grundrechte, auch die ihrem Wortlaut nach schrankenlos gewährleisteten Grundrechte etwa aus Art. 4 I, II oder Art. 5 III GG, jedoch unter unterschiedlichen Voraussetzungen.

Ebenso, wie das Bundesverfassungsgericht, wenn es einen Eingriff bejaht hat, die Feststellung trifft, dass das Grundrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, um dann die Grundrechtschranken zu benennen, sollte in der Fallbearbeitung ausgeführt werden, dass zB die allgemeine Handlungsfreiheit in den Grenzen der verfassungsmäßigen Ordnung, die Meinungsfreiheit in den Grenzen der allgemeinen Gesetze iSv Art. 5 II GG besteht, die Kunstfreiheit des Art. 5 III GG verfassungsimmanenten Schranken unterliegt. Bei Art. 12 I GG wäre am besten an dieser Stelle darauf einzugehen, dass Berufswahl und Berufsausübung ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit darstellen und einem einheitlichen Schrankenvorbehalt unterliegen.

b) Verfassungsmäßigkeit des Schrankengesetzes

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Das einschränkende Gesetz muss in formeller und materieller Hinsicht verfassungskonform sein. Nur dann kann es wirksam das Grundrecht einschränken. Dieser ursprünglich im „Elfes-Urteil“ zu Art. 2 I GG entwickelte Ansatz gilt für alle Grundrechte.

aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit

(1) Das Gesetz muss vom zuständigen Gesetzgeber erlassen worden sein.

Hier ist die übliche Kompetenzprüfung vorzunehmen, vgl das Prüfungsschema in Degenhart Rn 202 f.

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(2) Das Gesetz muss verfahrensfehlerfrei erlassen worden sein; s näher Degenhart Rn 212 ff.

Hierauf ist nur dann näher einzugehen, wenn sich aus dem Sachverhalt Anhaltspunkte für Verfahrensverstöße ergeben – andernfalls kann der Bearbeiter sich mit der Feststellung begnügen, dass mangels entgegenstehender Anhaltspunkte vom verfahrensfehlerfreien Zustandekommen des Gesetzes ausgegangen werden kann.

Zu beachten ist, dass sich das Gesetzgebungsverfahren für Gesetze eines Landes nach der jeweiligen Landesverfassung richtet. Diese aber ist nicht Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht.

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(3) Soweit von den betroffenen Grundrechten her veranlasst, ist auf das Zitiergebot des Art. 19 I 2 GG einzugehen. Es gilt nur für die ausdrücklichen Einschränkungsvorbehalte wie Art. 2 II 3, Art. 6 III, Art. 8 II, Art. 10 II, Art. 11 II, Art, 12 II und III (nicht aber Art. 12 I 2), Art. 13 II–VII und Art. 16 I 2 GG[25] und soll nach dem U. des BVerfG vom 27.07.2005 künftig auch für die Änderung grundrechtsbeschränkender Gesetze gelten.[26]

bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit

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(1) Das Gesetz muss den materiellen Anforderungen an einen Grundrechtseingriff genügen. Es muss insbesondere als Grundrechtsschranke für das jeweilige Grundrecht in Betracht kommen.

Dies bedeutet für Grundrechte mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt, dass es den Qualifikationsmerkmalen entsprechen muss. Im Fall des Art. 5 I GG muss es sich um ein allgemeines Gesetz handeln, im Fall des Art. 12 I GG sind unterschiedliche Anforderungen entsprechend der Stufentheorie zu beachten (etwa Notwendigkeit eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes bei Berufszulassungsregeln). Bei den vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten (Art. 4 I und II GG, Art. 5 III GG) muss das Gesetz dem Schutz eines Rechtsguts mit Verfassungsrang dienen.[27] Es handelt sich praktisch also um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Verfassungsimmanenten Schranken unterliegen auch die übrigen Grundrechte, zB die Meinungsfreiheit des Art. 5 I 1 GG, die deshalb auch durch Gesetze eingeschränkt werden kann, die dem Schutz kollidierender Verfassungsgüter dienen.[28]

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(2) Verhältnismäßigkeit der Grundrechtseinschränkung (Degenhart Rn 417 f.): Verhältnismäßigkeit setzt zunächst voraus, dass mit dem Gesetz ein legitimer Zweck verfolgt wird; bei qualifizierten Gesetzesvorbehalten oder bei der Beschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechte wird die dahingehende Bewertung regelmäßig schon auf der vorgehenden Stufe getroffen worden sein. Die Regelung muss auch geeignet und erforderlich sein, ferner „angemessen“, also verhältnismäßig i.e.S.

Beachte: Es geht um die rechtliche Bewertung der Gesetzeszwecke. Daher sollte die Bewertung möglichst in rechtlicher bzw verfassungsrechtlicher Anknüpfung erfolgen, sich also nicht auf allgemeine Ausführungen zur Sinnhaftigkeit des Gesetzes erstrecken. Wenn zB ein Gesetz einem Unternehmer Beschränkungen zum Schutz der Umwelt auferlegt, ist auf die entsprechenden Staatszielbestimmungen in Art. 20a GG und in den Landesverfassungen zurückzugreifen; für ein Gesetz, das Erwerb und Besitz von Schusswaffen beschränkt, ist zurückzugreifen auf die Schutzpflicht des Staates für die Grundrechte aus Art. 2 II GG. Eine gesetzliche Regelung, die die Berichterstattung der Medien gewissen Beschränkungen unterwirft, kann dem Schutz von Persönlichkeitsrechten dienen, aber etwa im Fall der Gerichtsberichterstattung auch dem rechtsstaatlichen Interesse an störungsfreier Rechtspflege (während dann umgekehrt das Demokratieprinzip für Gerichtsöffentlichkeit sprechen kann).

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(3) Weitere verfassungsrechtliche Erfordernisse, insbesondere hinreichende Bestimmtheit, ggf. Rückwirkungsverbot.

II. Prüfung von Gleichheitsgrundrechten

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Soweit ein Gleichheitsverstoß, Art. 3 I GG, gerügt wird, sind nur zwei Prüfungsschritte zu vollziehen:

1. Feststellung der Ungleichbehandlung

Dies bedeutet:

a)

Es sind zunächst die Vergleichspaare festzustellen; dies können sein:

-

Personen (natürliche oder juristische) oder

-

Personengruppen, Beispiel: Fall 1 – Kandidat einer Partei, Kandidat einer anderen Partei;

b)

Es ist die Ungleichbehandlung festzustellen, also der Eintritt bzw die Anordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen; also im Fall 1: Kandidat 1 darf auftreten, Kandidat 2 nicht;

c)

Diese Ungleichbehandlung muss sich beziehen auf ein dem Vergleichspaar gemeinsames Merkmal (tertium comparationis) – im Fall 1 Kandidateneigenschaft.

2. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung

a) Bei Ungleichbehandlung von Personen oder Personengruppen: Wird mit der Ungleichbehandlung ein legitimer Zweck verfolgt? – ist die Ungleichbehandlung geeignet, erforderlich und angemessen?

b) bei Ungleichbehandlung von Sachverhalten: es genügt ein sachlicher Differenzierungsgrund, die Differenzierung darf nicht willkürlich sein.

2.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde gegen Akte der Exekutive

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Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen einen Exekutivakt – und wegen der notwendigen Rechtswegerschöpfung gegen die ihn bestätigenden Entscheidungen – so ist in der Begründetheitsstation zusätzlich auf diese Punkte zu achten:

1. Schutzbereich: Hier ergeben sich keine Besonderheiten.

2. Eingriff: Hier sollte herausgearbeitet werden, worin genau der Eingriff liegt, also in welcher Maßnahme der Verwaltung.

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3. Rechtfertigung: Auf der Rechtfertigungsebene ist zu beachten, dass sowohl das Gesetz, auf dem der Eingriff beruht, als auch die Anwendung des Gesetzes im konkreten Fall verfassungsmäßig sein müssen – folgende Punkte sind also besonders zu prüfen:

a)

Einschränkbarkeit des Grundrechts

b)

Verfassungsmäßigkeit des Schrankengesetzes

c)

Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesanwendung

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Zu a): Hier ergeben sich insofern keine Besonderheiten, als gleichfalls zunächst darauf hinzuweisen ist, dass das Grundrecht bestimmten Schranken unterliegt. Da es um einen Eingriff durch die Verwaltung geht, sollte ergänzend ausgeführt werden, dass das Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschränkbar ist, der Eingriff also auf einem Gesetz beruhen muss. Dies gilt auch im Fall der sog. verfassungsimmanenten Schranken: wegen des Vorbehalts des Gesetzes muss auch der Eingriff auf einem Gesetz beruhen – mit der Besonderheit, dass das Gesetz dem Schutz eines Rechtsguts mit Verfassungsrang dienen muss. Eben deshalb kann hier von einem „qualifizierten Gesetzesvorbehalt“ gesprochen werden.

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Zu b): Das Gesetz, auf dem der Eingriff beruht, muss formell und materiell verfassungsmäßig sein. Dies wird wie auch sonst bei der Verfassungsbeschwerde geprüft.

Wenn auch insoweit nur ein verfassungskonformes Gesetz als taugliche Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt, bedeutet dies doch nicht, dass jedes Gesetz ohne konkrete Anhaltspunkte umfassend auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft, etwa eine eingehende Kompetenzprüfung vorgenommen werden müsste: für Gesetze, die seit Langem unbestritten zur Anwendung kommen, wie zB im Fall 16 das LVersG, kann kompetenzgerechtes und verfahrensfehlerfreies Zustandekommen mangels entgegenstehender Anhaltspunkte vorausgesetzt werden; die Prüfung der materiellen Verfassungskonformität kann dann auf die Punkte beschränkt werden, die Probleme aufwerfen könnten – etwa im Fall des LVersG auf die Verfassungskonformität der Anmeldepflicht.

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Zu c): Wenn das Gesetz unbestimmte Rechtsbegriffe enthält oder der Verwaltung Ermessensspielräume einräumt, kann ein selbstständiger Verfassungsverstoß in der Anwendung des Gesetzes liegen.

Beispiele: Das Schächtverbot im Tierschutzgesetz bedeutet einen Eingriff in die Berufsfreiheit muslimischer Metzger. Das Gesetz sieht jedoch die Möglichkeit vor, Ausnahmegenehmigungen zu erteilen. Für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes genügt es, dass es generell legitime Ziele (Tierschutz) verfolgt, es geeignet und erforderlich ist und in seinen Auswirkungen im Regelfall keine übermäßigen Belastungen mit sich bringt. Damit genügt es dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Art. 12 I GG; soweit im Einzelfall die Auswirkungen des Gesetzes nicht mehr angemessen sind, muss die Verwaltung dann bei der Entscheidung über die Ausnahmegenehmigung die konkrete Abwägung vornehmen. Sähe das Gesetz demgegenüber keinerlei Ausnahmeregelung vor, müsste es als unverhältnismäßig gelten.

Ein Gesetz, das Eigentümer von denkmalwürdigen Gebäuden zu deren Erhaltung verpflichtet, muss Ausnahmeregelungen für den Fall der Unzumutbarkeit vorsehen; ein Gesetz, das insoweit die Eigentümerinteressen für unbeachtlich erklärte, wäre verfassungswidrig.

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Zu b) und c): Es findet hier also eine zweistufige Grundrechtsprüfung statt: sowohl im Gesetz selbst als auch in der Anwendung des Gesetzes können Grundrechtsverstöße liegen.[29] Wo der Schwerpunkt der Grundrechtsprüfung liegt, hängt von der konkreten Gesetzesfassung ab: wenn ein Gesetz der Verwaltung keine Handlungsalternativen belässt, kann in der Anwendung des Gesetzes auch kein selbstständiger Grundrechtsverstoß liegen, der Fehler liegt dann ggf. beim Gesetzgeber. Wenn das Gesetz demgegenüber der Verwaltung Ermessen einräumt, kann der Fehler sowohl beim Gesetz als auch in der Verwaltungsentscheidung liegen. Doch kann ein Gesetz in der Grundrechtsprüfung idR dann gehalten werden, wenn es der Verwaltung Entscheidungsspielräume belässt, um übermäßige Eingriffe zu vermeiden, wie zB Härteregelungen, Übergangsbestimmungen uÄ.

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Wenn es um das Gesetz als solches geht, spielen die konkreten Umstände des Einzelfalls keine Rolle und muss die Abwägung nach generellen Kriterien erfolgen. Erst für die Anwendung des Gesetzes kommt es dann auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Häufiger Fehler: die Bearbeiter vermengen diese Ebenen und führen bereits zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aus, dass der Beschwerdeführer durch das behördliche Verbot schwer betroffen ist.

3.Grundrechtsprüfung – Verfassungsbeschwerde gegen Akte der Judikative

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Ein Grundrechtsverstoß unmittelbar durch eine gerichtliche Entscheidung, die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann, kann zum einen darin liegen, dass das Gericht in einem Rechtsstreit zwischen Privaten deren Grundrechte iSd mittelbaren Drittwirkung nicht hinreichend beachtet hat (I.); des Weiteren darin, dass im Fall einer strafgerichtlichen Verurteilung die Verurteilung als solche in Grundrechte eingreift, also zB die Verurteilung wegen Beleidigung in das Grundrecht der Meinungsfreiheit oder die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in das Grundrecht aus Art. 2 II 2 iVm Art. 104 GG; schließlich können Grundrechtsverstöße eines Gerichts darin liegen, dass Prozessgrundrechte wie das Recht auf Gehör verletzt sind. – Zur Klarstellung des Prüfungsmaßstabs zu Beginn der Begründetheitsprüfung s Rn 49.

I. Freiheitsgrundrechte zwischen Privaten

1. Schutzbereich

2. Eingriff

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