Kleine große Schritte - Jodi Picoult - E-Book
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Kleine große Schritte E-Book

Jodi Picoult

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Beschreibung

Geradezu ein Lehrstück über alltäglichen Rassismus in einem mitreißenden Roman.

Ruth Jefferson ist eine der besten Säuglingsschwestern des Mercy-West Haven Hospitals in Connecticut. Dennoch wird ihr die Versorgung eines Neugeborenen von der Klinikleitung untersagt – die Eltern wollen nicht, dass eine dunkelhäutige Frau ihr Baby berührt. Doch eines Tages arbeitet Ruth allein auf der Station und bemerkt, dass das Kind keine Luft mehr bekommt. Sie entscheidet schließlich, sich der Anweisung zu widersetzen und dem Jungen zu helfen. Doch ihre Hilfe kommt zu spät, und Ruth wird von den Eltern des Jungen angeklagt, schuld an dessen Tod zu sein. Ein nervenaufreibendes Verfahren beginnt.

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Seitenzahl: 846

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Zum Buch

Ruth Jefferson gehört zu den besten und erfahrensten Hebammen und Säuglingsschwestern im Mercy-West Haven Hospital in Connecticut. Als sie eines Tages ein Neugeborenes versorgen will, wird ihr das von der Klinikleitung untersagt. Die Eltern des Babys gehören einer rechtsradikalen Vereinigung an und wollen nicht, dass eine Afroamerikanerin ihr Kind anfasst. Doch als der Junge in Atemnot gerät und Ruth als Einzige auf der Station Schicht hat, gerät sie in ein moralisches Dilemma. Darf sie sich der Weisung widersetzen und dem Kind helfen? Nach kurzem Zögern folgt sie ihrem Gewissen – aber für den Jungen kommt jede Hilfe zu spät. Der Vater verklagt Ruth, Schuld am Tod des Babys zu haben. Ihre Pflichtverteidigerin verfolgt eine rein wissenschaftlich-faktische Verteidigungsstrategie, die das Thema Rassismus ausklammert. Doch je weiter die Verhandlungen fortschreiten, umso offensichtlicher wird, dass das ein Irrweg ist. Er nährt nur den Selbstbetrug, dem Kennedy wie die ganze Nation unterliegt, indem sie ihren unterschwelligen täglichen Rassismus negiert ….

Die Autorin

Jodi Picoult, geboren 1967 in New York, hat weltweit eine riesige Fangemeinde und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt in Hanover, New Hampshire. Kleine große Schritte stand wochenlang an der Spitze der amerikanischen Bestsellerlisten, wurde von der LA-Times zum »Pageturner des Jahres« gekürt und als zeitgemäße Nachfolge von Harper Lees Roman Wer die Nachtigall stört gefeiert.

JODI PICOULT

Kleine große Schritte

Roman

Aus dem Amerikanischen von Elfriede Peschel

C. Bertelsmann

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel Small Great Things bei Ballentine Books, a division of Random House, New York.

© 2016 by Jodi Picoult

© 2017 by C. Bertelsmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung Bürosüd unter Verwendung einer Illustration von bürosüd

This translation is published by arrangement with Ballantine Books, an imprint of Random House, a division of Random House LLC.

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-21229-2V006

www.cbertelsmann.de

FÜR KEVIN FERREIRA,dessen Ideen und Taten die Welt zu einem besseren Ort machenund der mich gelehrt hat, dass wir unfertig sind und an uns arbeiten müssen.Willkommen in der Familie.

ERSTES STADIUM

Vorzeitige Wehen

»Der Gerechtigkeit kann keine Genüge getan werden, solange nicht die Nichtbetroffenen genauso große Empörung empfinden wie die Betroffenen selbst.«

BENJAMIN FRANKLIN

Ruth

Das Wunder ereignete sich an der West 74th Street, in dem Haus, in dem Mutter arbeitete. Es war ein großes Stadthaus, begrenzt von einem schmiedeeisernen Tor, die verschnörkelte Tür flankierten Wasserspeier, deren steinerne Gesichter aus meinen Albträumen geschnitzt waren. Weil sie mir solche Angst einjagten, störte ich mich nicht daran, dass wir das Haus immer durch die weniger beeindruckende Seitentür betraten, deren Schlüssel Mutter an einem Band in ihrer Handtasche aufbewahrte.

Sie hatte bereits für Sam Hallowell und seine Familie gearbeitet, bevor meine Schwester und ich geboren wurden. Auch wenn einem sein Name nicht geläufig war, hätte man ihn erkannt, sobald er Hallo sagte. Er war Mitte der Sechzigerjahre die unvergleichliche Stimme, die vor jeder Show verkündete: Das folgende Programm wird Ihnen in lebendigen Farben auf NBC präsentiert! 1976, als das Wunder geschah, war er der Programmchef des Fernsehsenders. Der Ton der Türglocke unter den Wasserspeiern bestand aus dem berühmten Dreiklang, den jedermann mit NBC verbindet. Wenn ich meine Mutter zur Arbeit begleitete, schlich ich manchmal hinaus, drückte auf den Knopf und summte dazu.

Es schneite so heftig, dass der Unterricht ausfiel. Da wir aber noch zu klein waren, um allein zu Hause zu bleiben, nahm uns Mutter mit zur Arbeit – wovon sie weder Schnee noch Graupel und vermutlich auch kein Erdbeben oder das Jüngste Gericht abhalten würden. Während sie uns in Schneeanzüge und Stiefel steckte, murmelte sie, dass es ihr nichts ausmache, wenn sie sich durch einen Schneesturm kämpfen musste, Hauptsache, Ms. Mina müsse sich die Erdnussbutter nicht selbst auf ihr Sandwich streichen. Eigentlich kann ich mich nur an ein einziges Mal erinnern, dass Mutter sich freinahm, und das war fünfundzwanzig Jahre später, als sie zwei künstliche Hüftgelenke bekam, großzügig bezahlt von den Hallowells. Sie blieb eine Woche lang zu Hause, und obwohl danach noch nicht alles richtig verheilt war, bestand sie darauf, wieder zu arbeiten, und Mina fand Aufgaben für sie, die sie im Sitzen erledigen konnte. Aber als ich klein war, nahm Mutter uns während der Schulferien, wenn wir Fieber hatten oder an Schneetagen wie diesem in der Linie B mit in die Innenstadt.

In jener Woche war Mr. Hallowell in Kalifornien, was häufig vorkam, und dies bedeutete, dass Ms. Mina und Christina unsere Mutter noch nötiger hatten. Das galt auch für Rachel und mich, aber wir konnten uns vermutlich besser allein beschäftigen als Ms. Mina.

Als wir an der 72nd Street wieder aus dem Untergrund auftauchten, war die Welt weiß. Dabei war nicht nur der Central Park in Schnee gehüllt. Auch die Gesichter der Männer und Frauen, die sich schlotternd durch den Sturm kämpften, sahen völlig anders aus als meins oder die meiner Cousinen oder Nachbarn.

Da ich in Manhattan nur das Haus der Hallowells von innen kannte, hatte ich keine Ahnung, wie außergewöhnlich es war, dass eine einzige Familie ein derart großes Haus bewohnte. Aber ich erinnere mich, dass ich nicht einsehen wollte, warum Rachel und ich unsere Schneeanzüge und Stiefel in dem winzigen, vollgestopften Schrank in der Küche verstauen mussten, wo es doch in der Eingangsdiele, in der Christinas und Ms. Minas Mäntel hingen, jede Menge freie Haken und freie Stellflächen gab. Auch Mutter brachte ihren Mantel dort unter, ebenso ihren Glücksschal – den weichen, der nach ihr duftete und um den Rachel und ich uns zu Hause immer stritten, weil er sich anfühlte, als würde man ein Meerschweinchen oder ein Kaninchen streicheln. Ich wartete darauf, dass Mutter sich wie Tinkerbell durch die dunklen Räume bewegte und auf einem Lichtschalter oder einem Griff oder Knauf landete, um dieses schlafende Ungeheuer von einem Haus nach und nach zum Leben zu erwecken.

»Wenn ihr beide euch ruhig verhaltet«, erklärte Mutter uns, »mache ich auch für euch etwas von Ms. Minas heißer Schokolade.«

Diese wurde aus Paris importiert und schmeckte himmlisch. Und so nahm ich mir ein Blatt Papier aus der Küchenschublade, als Mutter sich die Schürze umband, und begann mit den Farbstiften, die ich von zu Hause mitgebracht hatte, zu zeichnen. Ich malte ein Haus so groß wie dieses. Darin brachte ich eine Familie unter: mich, Mutter, Rachel. Ich versuchte auch, den Schnee zu zeichnen, aber das gelang mir nicht. Die Flocken, die ich mit dem weißen Stift malte, waren unsichtbar auf dem Papier. Sehen konnte man sie nur, wenn man das Blatt schräg ins Licht des Kronleuchters hielt, sodass die vom Stift gesetzten Punkte schimmerten.

»Dürfen wir mit Christina spielen?«, fragte Rachel. Christina war sechs und lag somit altersmäßig zwischen Rachel und mir. Christina hatte das größte Schlafzimmer, das ich je gesehen hatte, und unvorstellbar viele Spielsachen. Wenn sie zu Hause war und Mutter uns mit zur Arbeit nahm, spielten wir mit ihr und ihren Teddybären Schule, tranken Wasser aus kleinen Porzellantässchen und flochten das wie Maisgrannen aussehende Haar ihrer Puppen. Wenn sie jedoch eine Freundin zu Besuch hatte, blieben wir in der Küche und malten.

Aber bevor Mutter antworten konnte, hörten wir einen durchdringenden, wilden Schrei, der mir durch Mark und Bein ging. Ich wusste, dass es Mutter nicht anders erging, denn sie hätte beinahe den Wassertopf fallen lassen, den sie zur Spüle trug.

»Bleibt hier«, sagte sie und rannte schon die Treppe hinauf.

Rachel sprang als Erste von ihrem Stuhl auf, für sie hatten Anweisungen keine Gültigkeit. Ich lief ihr hinterher wie ein Hündchen. Meine Hand schwebte über dem Treppengeländer, ohne es zu berühren.

Die Tür von Ms. Minas Schlafzimmertür stand weit offen, und sie wälzte sich in den zerwühlten Satinlaken ihres Betts. Ihr Bauch wölbte sich wie ein voller Mond, das blitzende Weiß ihrer Augäpfel erinnerte mich an im Flug erstarrte Karussellpferde. »Es ist zu früh Lou«, keuchte sie.

»Sagen Sie das diesem Baby«, erwiderte Mutter. Ms. Mina klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihre Hand. »Hören Sie jetzt auf zu pressen«, sagte sie. »Der Krankenwagen wird jede Minute hier sein.«

Ich fragte mich, wie schnell ein Krankenwagen wohl bei diesem Schneetreiben durchkam.

»Mommy?«

Erst als ich Christinas Stimme hörte, wurde mir bewusst, dass der Lärm sie geweckt hatte. Sie stand zwischen Rachel und mir. »Ihr drei geht jetzt in Miss Christinas Zimmer«, befahl Mutter mit stählerner Stimme. »Sofort.«

Aber wir blieben wie angewurzelt stehen, während Mutter uns schnell wieder vergaß, versunken in die Welt aus Ms. Minas Schmerz und Angst, in der sie der Wegweiser zu sein versuchte, dem diese folgen konnte. Ich beobachtete die an Ms. Minas Hals hervortretenden Sehnen, während sie stöhnte, ich sah Mutter sich auf dem Bett zwischen ihre Beine knien und das Nachthemd über die Knie nach oben schieben. Mein Blick ruhte auf den rosa Lippen zwischen Ms. Minas Beinen, die sich zusammenpressten und anschwollen und teilten. Dann tauchte die Rundung eines Kopfs auf, der Knubbel einer Schulter, gefolgt von einer Sturzflut aus Blut und Flüssigkeit, und plötzlich lag ein Baby in den Händen unserer Mutter.

»Sieh mal einer an«, sagte sie, erfüllt von Liebe. »Du hast es aber eilig gehabt, in diese Welt zu kommen.«

Dann passierten zwei Dinge gleichzeitig: Die Türglocke läutete, und Christina fing an zu weinen.

»Oh, mein Schatz«, sagte Ms. Mina zärtlich und zeigte nun keine Angst mehr, war nur noch schweißgebadet und hatte ein rotes Gesicht. Sie streckte die Hand aus, aber Christina war von dem, was sie gesehen hatte, noch immer erschrocken und drückte sich näher an mich heran. Rachel, wie immer die Praktische, ging, um die Tür aufzumachen. Sie kehrte mit zwei Sanitätern zurück, die hereinrauschten und die Führung übernahmen, sodass das, was Mutter für Ms. Mina getan hatte, sich nahtlos in all das einfügte, was sie für die Hallowells tat, und unsichtbar wurde.

Die Hallowells nannten das Baby Louis, nach Mutter. Er war wohlauf, obwohl er fast einen ganzen Monat zu früh kam, ausgelöst durch den unwetterbedingten Luftdruckabfall, der zu einem vorzeitigen Blasensprung geführt hatte. Das wusste ich damals natürlich nicht. Ich wusste nur, dass ich an einem verschneiten Tag in Manhattan Zeugin war, wie jemandes Leben seinen Anfang nahm. Ich war bei diesem winzigen Menschen gewesen, bevor noch irgendjemand oder irgendetwas auf dieser Welt Gelegenheit hatte, ihn zu enttäuschen.

Die Erfahrung, bei der Geburt von Louis dabei zu sein, wirkte sich auf uns alle unterschiedlich aus. Christina bekam ihr Baby durch eine Leihmutter. Rachel bekam fünf. Und ich, ich wurde Hebamme und Säuglingskrankenschwester.

Wenn ich Leuten diese Geschichte erzähle, vermuten sie, dass ich mit dem Wunder, das sich während dieses heftigen Schneesturms ereignete, die Geburt eines Babys meine. Gewiss, das war erstaunlich. Aber ich wurde an jenem Tag Zeugin eines viel größeren Wunders. Als Christina meine Hand hielt und Ms. Mina die Hand meiner Mutter hielt, gab es einen Moment – einen Herzschlag, einen Atemzug lang –, in dem alle Unterschiede in Ausbildung, Vermögen und Hautfarbe verpufften wie Luftspiegelungen in der Wüste. Wo wir alle gleich waren und es nur eine Frau gab, die einer anderen half.

Und um dieses Wunder noch einmal zu erleben, warte ich nun schon neununddreißig Jahre.

ERSTES STADIUM

Erste Wehen

»Nicht alles, dem man sich stellt, kann auch verändert werden.Aber nichts kann verändert werden, wenn man sich ihm nicht stellt.«

JAMES BALDWIN

Ruth

Das schönste Baby, das ich je gesehen habe, kam ohne Gesicht zur Welt.

Vom Hals abwärts jedoch war es perfekt: zehn Finger, zehn Zehen, ein rundes Bäuchlein. Aber wo sein Ohr sein sollte, befanden sich verdrehte Lippen und ein einzelner Zahn. Statt eines Gesichts hatte es einen verwirbelten Strudel aus Haut ohne Merkmale.

Seine Mutter – meine Patientin – war eine Dreißigjährige gravida 1 para 1, die zur Schwangerschaftsvorsorge einschließlich Ultraschalluntersuchung gegangen war, doch das Baby lag so, dass die Gesichtsdeformation nicht zu erkennen gewesen war. Rückgrat, Herz und die anderen Organe hatten alle gut ausgesehen, sodass keiner damit rechnete. Vielleicht hat sie sich aus diesem Grund auch dafür entschieden, im Mercy-West Haven, unserem kleinen Bezirkskrankenhaus, zu entbinden und nicht im Yale-New Haven, das für Notfälle besser gerüstet ist. Sie hatte das Kind ausgetragen und lag sechzehn Stunden in den Wehen, bis das Kind kam. Der Arzt hob das Baby hoch, und im Raum machte sich Stille breit. Lebhafte Stille.

»Ist alles in Ordnung mit ihm«, erkundigte die Mutter sich panisch. »Warum schreit er nicht?«

Ich hatte eine Lernkrankenschwester an meiner Seite, die zu schreien anfing.

»Gehen Sie«, befahl ich ihr angespannt und drängte sie aus dem Zimmer. Dann nahm ich dem Geburtshelfer das Baby ab, legte es auf die Wärmeplatte und wischte ihm die Käseschmiere von den Gliedmaßen. Der Geburtshelfer untersuchte ihn rasch, tauschte schweigend einen Blick mit mir und wandte sich dann an die Eltern, die inzwischen wussten, dass etwas Furchtbares geschehen war. Mit sanften Worten erklärte der Arzt ihnen, dass ihr Kind schwere Geburtsdefekte hatte und nicht lebensfähig sei.

In einem Kreißsaal ist der Tod sehr viel häufiger zu Gast, als man denkt. Wenn wir es mit Anenzephalie oder Totgeburten zu tun haben, wissen wir, dass die Eltern dennoch eine Bindung zu diesem Baby aufbauen und um es trauern wollen. Dieses Kind – das noch lebte, wie lang auch immer – war trotz allem der Sohn dieses Paars.

Deshalb säuberte und wickelte ich ihn, wie ich das auch bei jedem anderen Neugeborenen getan hätte, während hinter mir das Gespräch der Eltern mit dem Arzt stockte und wieder in Gang kam, wie ein abgewürgter Automotor im Winter. Warum? Wie? Was, wenn Sie …? Wie lange bis …? Fragen, die keiner jemals stellen und auch keiner jemals beantworten möchte.

Die Mutter weinte noch immer, als ich ihr das Baby in die Armbeuge legte. Es schlug mit seinen winzigen Händen um sich. Mit beseeltem Blick lächelte sie es an. »Ian«, flüsterte sie. »Ian Michael Barnes.«

Ihr Gesichtsausdruck spiegelte dabei eine Liebe und eine so heftige Trauer, wie ich sie nur von Bildern in Museen kannte, Gefühle, die sich zu etwas Neuem, Elementarem verbanden.

Ich wandte mich an den Vater. »Möchten Sie Ihren Sohn im Arm halten?«

Er sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. »Ich kann nicht«, murmelte er und hetzte aus dem Zimmer.

Ich folgte ihm, wurde aber von der Lernkrankenschwester aufgehalten, die aufgewühlt war und sich entschuldigte. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Es ist nur … es war ein Monster.«

»Es ist ein Baby«, korrigierte ich sie und drängte mich an ihr vorbei.

Im Elternzimmer trieb ich den Vater in die Enge. »Ihre Frau und Ihr Sohn brauchen Sie.«

»Das ist nicht mein Sohn«, sagte er. »Dieses … Ding …«

»Wird nicht sehr lange auf dieser Welt sein. Und aus diesem Grund sollten Sie ihm jetzt tunlichst alle Liebe geben, die Sie für sein Leben gespeichert haben.« Ich wartete, bis er mir in die Augen sah, dann machte ich auf dem Absatz kehrt. Es war nicht nötig, mich umzublicken, um zu wissen, dass er mir folgte.

Als wir das Krankenzimmer betraten, liebkoste seine Frau noch immer das Baby, die Lippen an seine weiche Stirn gepresst. Ich löste das winzige Bündel aus ihren Armen und reichte es ihrem Ehemann. Er hielt den Atem an und zog dann dort die Decke weg, wo das Gesicht des Babys hätte sein sollen.

Ich habe mir meine Schritte gut überlegt. Ob ich das Richtige tat, indem ich den Vater zwang, sich mit seinem sterbenden Baby zu befassen; ob es mir als Krankenschwester zustand, dies zu tun. Hätte meine Vorgesetzte mich damals gefragt, hätte ich gesagt, dass ich dazu ausgebildet war, trauernde Eltern dabei zu unterstützen, einen Abschluss zu finden. Wenn dieser Mann sich nicht eingestand, dass etwas fürchterlich Schlimmes passiert war – oder, schlimmer noch, wenn er sich für den Rest seines Lebens vormachte, dass es gar nicht passiert war –, würde sich ein Loch in ihm auftun. Auch wenn es anfangs nur klein wäre, würde es im Lauf der Zeit immer größer und tiefer werden, bis er eines Tages, wenn er gar nicht damit rechnete, merkte, dass er völlig leer war.

Als der Vater anfing zu weinen, erschütterte sein Schluchzen den ganzen Körper wie ein Sturm, der einen Baum biegt. Er sank neben seiner Frau aufs Krankenhausbett, und sie legte eine Hand auf den Rücken ihres Ehemanns und die andere auf den Scheitel des Babykopfs.

Abwechselnd hielten sie ihren Sohn zehn Stunden lang. Diese Mutter versuchte sogar, ihn zu stillen. Ich konnte mich nicht von diesem Anblick lösen – und das nicht, weil er hässlich oder falsch war, sondern weil ich etwas derart Außergewöhnliches noch nie erlebt habe. Es fühlte sich an, als würde man in die Sonne sehen: Sobald ich mich abwandte, war ich blind für alles andere.

Irgendwann nahm ich die dumme Lernkrankenschwester mit ins Zimmer, vorgeblich, um die Mutter zu untersuchen, aber eigentlich, damit sie mit eigenen Augen sah, dass Liebe nichts mit dem zu tun hat, worauf man blickt, sondern es nur darum geht, wer darauf blickt.

Als das Kind starb, war es ein friedlicher Tod. Wir nahmen jeweils einen Gipsabdruck von der Hand und vom Fuß des Neugeborenen, damit die Eltern ein Andenken hatten. Ich erfuhr, dass dieses Paar zwei Jahre später wieder zu uns kam und eine gesunde Tochter zur Welt brachte, allerdings war ich nicht im Dienst, als das geschah.

Es soll nur zeigen: Jedes Baby wird schön geboren.

Nur das, was wir darauf projizieren, macht es hässlich.

Unmittelbar nachdem ich Edison vor siebzehn Jahren in ebendiesem Krankenhaus geboren hatte, machte ich mir keine Gedanken um die Gesundheit meines Babys oder wie ich als Alleinerziehende mit ihm klarkommen sollte, während mein Mann im Ausland war, oder wie sich mein Leben jetzt, da ich Mutter war, verändern würde.

Ich machte mir Gedanken wegen meiner Haare.

Das Letzte, woran man denkt, wenn man in den Wehen liegt, ist das eigene Aussehen, aber wenn man so gepolt ist wie ich, ist es das Erste, was einem in den Sinn kommt, sobald das Baby da ist. Der Schweiß, der die Haare meiner weißen Patienten immer an der Stirn platt drückt, bringt meine dazu, dass sie sich kräuseln und von meiner Kopfhaut abstehen. Glatte Haare bekomme ich nur, indem ich sie in einem Wirbel wie Softeis um meinen Kopf bürste und jede Nacht einen Schal darumbinde. Aber welche weiße Krankenschwester sollte das wissen oder begreifen, dass das kleine Fläschchen Shampoo, das man vom Krankenhaus bekam, meine Haare noch widerspenstiger machte? Ich war mir sicher, dass meine wohlmeinenden Kolleginnen, wenn sie zu mir kamen, um Edison kennenzulernen, beim Anblick des Durcheinanders auf meinem Kopf schockiert wären.

Schließlich wickelte ich mir ein Handtuch um den Kopf und erklärte den Besuchern, dass ich mich gerade erst geduscht habe.

Ich kenne Krankenschwestern, die in der Chirurgie arbeiten und von Männern berichten, die darauf bestehen, ihnen noch im Aufwachraum das Toupet anzukleben, bevor ihre Frauen zu ihnen kommen. Und ich kann gar nicht sagen, wie oft eine Patientin, die die ganze Nacht schreiend und pressend ihr Baby an der Seite ihres Ehemanns bekommen hat, diesen nach der Geburt aus dem Zimmer verbannt, damit ich ihr helfen kann, ein hübsches Nachthemd und einen Morgenmantel anzuziehen.

Ich habe Verständnis für das Bedürfnis der Leute, dem Rest der Welt ein bestimmtes Gesicht zu präsentieren. Und deshalb gehe ich, wenn ich morgens um 6.40 Uhr meine Schicht antrete, nicht als Erstes ins Schwesternzimmer, wo wir in aller Kürze von der diensthabenden Krankenschwester über die Ereignisse der letzten Nacht informiert werden. Sondern ich husche über den Flur zu der Patientin, um die ich mich am Vortag gekümmert habe, bevor meine Schicht zu Ende ging. Sie hieß Jessie, war ein kleines Ding und sah, als sie in den Kreißsaal kam, eher aus wie eine First Lady im Wahlkampf und nicht wie eine Frau in den Wehen: Ihr Haar war perfekt zurechtgemacht, ihr Gesicht geschminkt, selbst die Schwangerschaftsgarderobe war körperbetont und stylish. Das sagte alles, denn in der vierzigsten Schwangerschaftswoche sind die meisten zukünftigen Mütter froh um jedes zeltartige Kleidungsstück. Ich überprüfte ihre Krankenakte – G1 jetzt P1 – und grinste. Bevor ich Jessie der Fürsorge einer Kollegin übergab und nach Hause ging, hatte ich mich von ihr mit den Worten verabschiedet, dass sie bei unserem Wiedersehen ein Baby haben würde, und nun hatte ich tatsächlich einen neuen Patienten. Während ich schlief, hatte Jessie ein gesundes dreitausenddreihundertfünfundvierzig Gramm schweres Mädchen zur Welt gebracht.

Ich öffne die Tür und treffe Jessie dösend an. Das Baby liegt gewickelt im Körbchen neben dem Bett, Jessies Ehemann hat sich in einem Sessel ausgestreckt und schnarcht. Jessie regt sich, als ich hereinkomme, und ich lege mir sofort einen Finger auf die Lippen. Ruhig.

Aus meiner Tasche hole ich einen Klappspiegel und einen roten Lippenstift.

Konversation ist ein wichtiger Teil der Geburt: Sie lenkt ab und sorgt dafür, dass der Schmerz nachlässt, außerdem ist sie der Klebstoff, der eine Krankenschwester mit ihrer Patientin verbindet. Welche andere Situation lässt sich auch denken, in der eine medizinische Fachkraft bis zu zwölf Stunden eine einzige Person betreut? Infolgedessen kommt die Verbindung, die wir zu diesen Frauen herstellen, rasch zustande und ist intensiv. Ich erfahre in nur wenigen Stunden Dinge über sie, die oft nicht mal ihre engsten Freundinnen wissen: dass sie womöglich ihren Partner in einer Bar kennengelernt hat, als sie zu viel getrunken hatte; dass ihr Vater es nicht mehr erlebt hat, sein Enkelkind zu sehen, dass sie sich Sorgen macht, Mutter zu werden, weil sie es schon als Teenager hasste, Babysitter zu sein. Letzte Nacht, in den qualvollen Stunden von Jessies Wehen, als sie heulend und erschöpft ihren Ehemann anblaffte, schlug ich ihm vor, er solle in die Cafeteria gehen und dort eine Tasse Kaffee trinken. Sobald er gegangen war, ließ es sich leichter atmen im Raum, und sie sank in diese schrecklichen Plastikkissen zurück, die wir im Kreißsaal benutzen.

»Was ist, wenn dieses Baby alles verändert?«, fragte sie und schluchzte auf. Sie gestand mir, ohne ihr »Pokerface« gehe sie nirgendwohin, und ihr Ehemann habe sie noch nie ohne Wimperntusche gesehen; jetzt aber verfolge er, wie ihr Körper sich von innen nach außen stülpe … Und wie könne er sie da je wieder mit denselben Augen ansehen?

Hören Sie, sagte ich zu ihr. Das überlassen Sie am besten mir.

Ich bilde mir gern ein, dass sie, indem ich ihr diese letzte Sorge vom Hals schaffte, die Kraft für die Austreibungsphase fand.

Es ist schon komisch. Wenn ich Leuten erzähle, dass ich seit über zwanzig Jahren Hebamme bin, beeindruckt sie vor allem, dass ich bei Kaiserschnitten assistiert habe, eine Infusion im Schlaf anlegen kann und weiß, wann ein verzögerter Herzschlag beim Fötus noch normal und wann ein Eingreifen erforderlich ist. Aber für mich als Hebamme geht es einzig und allein darum, die Patientin zu kennen und zu wissen, was sie braucht. Eine Rückenmassage. Eine Periduralanästhesie. Ein wenig Make-up.

Jessie schielt ängstlich zur Tür. Dann nimmt sie mir den Lippenstift ab. »Danke«, flüstert sie, und unsere Blicke treffen sich. Ich halte den Spiegel, während sie sich nach und nach wieder neu erfindet.

Donnerstags geht meine Schicht von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Tagsüber sind wir im Mercy-West Haven Hospital für gewöhnlich zu zweit auf der Entbindungsstation – sogar zu dritt, wenn wir personell gut besetzt sind. Während ich durch die Station laufe, nehme ich beiläufig wahr, wie viele unserer Geburtszimmer belegt sind – im Moment sind es drei, ein angenehmer, langsamer Start in den Tag. Marie, die Stationsschwester, befindet sich bereits in dem Raum, in dem wir unsere Morgenbesprechung abhalten, aber Corinne – die Hebamme, die mit mir Schicht hat – fehlt. »Was wird es wohl heute sein?«, fragt mich Marie, während sie die Morgenzeitung durchblättert.

»Reifenpanne«, erwidere ich. Dieses Ratespiel ist Routine: Welche Entschuldigung wird Corinne uns heute für ihr Zuspätkommen auftischen? Es ist ein wunderschöner Herbsttag im Oktober, also kann sie es nicht aufs Wetter schieben.

»Das war letzte Woche. Ich tippe auf Erkältung.«

»Apropos«, sage ich. »Wie geht es Ella?« Ihre Achtjährige hat einen Magen-Darm-Infekt, der gerade umgeht.

»Die ist wieder in der Schule, Gott sei Dank«, antwortet Marie. »Jetzt hat Dave sie bekommen. Ich schätze, ich habe noch vierundzwanzig Stunden, bis es auch mich erwischt.« Sie blickt von der Regionalseite der Zeitung auf. »Hier stand schon wieder Edisons Name drin«, sagt sie.

Mein Sohn hat es in jedem Semester seiner Highschoollaufbahn in die Bestenliste seines Jahrgangs geschafft. Aber ich sage ihm jedes Mal, dass dies kein Grund sei, sich damit zu brüsten. »In dieser Stadt gibt es eine Menge heller Kids«, wende ich ein.

»Trotzdem«, sagt Marie. »Dass ein Junge wie Edison so erfolgreich ist … Du solltest stolz sein. Ich kann nur hoffen, dass Ella sich als gute Schülerin erweist.«

Ein Junge wie Edison … Ich weiß, was sie damit sagen will, auch wenn sie sich bemüht, es nicht auszusprechen. Auf der Highschool findet man nicht viele schwarze Kids, und soweit ich weiß, ist Edison der Einzige auf der Bestenliste. Kommentare wie dieser fühlen sich an, als hätte man sich an Papier geschnitten, aber ich arbeite seit über zehn Jahren mit Marie und versuche deshalb, den Stich zu ignorieren. Ich weiß, dass keine böse Absicht dahintersteckt. Schließlich ist sie eine Freundin – sie kam im letzten Jahr an Ostern zusammen mit ein paar anderen Krankenschwestern und mit ihrer Familie zu mir zum Abendessen, gemeinsam sind wir Cocktails trinken oder ins Kino gegangen und haben uns einmal sogar ein Mädels-Wellnesswochenende gegönnt. Weiße meinen die Hälfte dessen, was ihnen beleidigend über die Lippen kommt, gar nicht so, und so versuche ich, es nicht in den falschen Hals zu kriegen.

»Vielleicht solltest du erst mal hoffen, dass Ella den Tag in der Schule durchsteht, ohne wieder im Büro der Schulkrankenschwester zu landen«, erwidere ich, und Marie lacht.

»Da hast du recht. Eins nach dem anderen.«

Corinne platzt in den Raum. »Entschuldigt meine Verspätung«, sagt sie, und Marie und ich sehen uns an. Corinne verspätet sich immer. Sie ist fünfzehn Jahre jünger als ich, und immer gibt es irgendeinen Notfall – einen kaputten Vergaser, einen Streit mit ihrem Freund, einen Unfall auf der 95N. Corinne gehört zu den Menschen, für die das Leben nichts weiter als eine Pause zwischen Krisen ist. Sie zieht den Mantel aus und schafft es dabei, eine Zimmerpflanze umzuwerfen, die schon vor Monaten eingegangen ist, ohne dass einer sie ersetzt hat. »Verdammt«, brummelt sie, richtet den Topf auf und kippt die Erde wieder zurück. Sie wischt sich die Hände an ihrem Krankenhauskittel ab und nimmt dann Platz. »Es tut mir wirklich leid, Marie. Der blöde Reifen, den ich vergangene Woche ersetzt habe, scheint irgendwie ein Leck zu haben, ich bin den ganzen Weg hierher mit fünfzig geschlichen.«

Marie greift in die Tasche und zieht einen Dollar heraus, den sie mir über den Tisch hinweg zuschnippt.

Ich lache.

»Also dann«, sagt Marie. »Stationsbericht. In Zimmer zwei haben wir zwei. Jessica Myers, G1P1 nach vierzig Wochen und zwei Tagen. Sie hatte heute Morgen um drei eine Vaginalgeburt, unkompliziert, ohne schmerzstillende Medikamente. Das Mädchen trinkt gut an der Brust, sie hat Wasser gelassen, hatte aber noch keinen Stuhl.«

»Die übernehme ich«, sagen Corinne und ich wie aus einem Mund.

Jeder möchte die Patientin übernehmen, die bereits geboren hat, weil dieser Job leichter ist.

»Ich war während der Eröffnungswehen bei ihr«, führe ich ins Feld.

»Genau«, sagt Marie. »Sie gehört dir Ruth.« Sie schiebt sich die Lesebrille auf der Nase nach oben. »In Zimmer drei liegt Thea McVaughn, G1P0, 41 plus 3/7 Wochen, sie liegt in den Eröffnungswehen, vier Zentimeter dilatiert, Fruchtblase intakt. Herzfrequenz des Fötus sieht gut aus auf dem Monitor, das Baby ist aktiv. Sie hat um eine Periduralanästhesie gebeten, Bolusinfusion läuft.«

»Ist die Anästhesie informiert?«, erkundigt sich Corinne.

»Ja.«

»Ich übernehme sie.«

Wir übernehmen jeweils nur eine Wehenpatientin, sofern die Umstände dies erlauben, und das bedeutet, dass die dritte Patientin – die letzte für diesen Morgen – von mir versorgt wird. »Zimmer 5 ist eine Genesende. Brittany Bauer ist eine G1P1 nach 39 plus 1/7 Wochen, bekam eine Periduralanästhesie und hatte um fünf Uhr dreißig eine Vaginalgeburt. Das Baby ist ein Junge, sie möchte eine Beschneidung. Die Mutter war eine GDM A1, die Blutzuckerwerte des Babys müssen in den nächsten vierundzwanzig Stunden alle drei Stunden überprüft werden. Die Mutter möchte unbedingt stillen. Sie hat ihr Baby noch nicht losgelassen.«

Eine Genesung bedeutet viel Arbeit – eine Eins-zu-eins-Hebamme-Patientenbeziehung. Gewiss, die Geburt ist beendet, aber es muss noch klar Schiff gemacht werden, wozu eine eingehende Untersuchung des Babys und eine Menge Papierkram gehören. »Gut«, sage ich und stoße mich vom Tisch ab, um Lucille, die Nachtschwester, aufzusuchen, die Brittany bei der Geburt begleitet hat.

Sie kommt mir zuvor, indem sie ins Schwesternzimmer tritt, als ich mir gerade die Hände wasche. »So, die gehört dir«, sagt sie und reicht mir Brittany Bauers Akte. »Sechsundzwanzigjährige G1, jetzt P1, Vaginalgeburt heute Morgen um halb sechs bei intaktem Perineum. Sie ist 0+, Rötel-Antikörper, HepB und HIV negativ, GBS negativ. Schwangerschaftsdiabetes, bei der Kost berücksichtigt, ansonsten unkompliziert. Sie hat noch immer eine Infusionsnadel im linken Unterarm. Ich habe die Periduralanästhesie-Infusion abgehängt, aber sie ist noch nicht aufgestanden und du musst sie bitten, aufzustehen und auf die Toilette zu gehen. Ihre Blutung war gut, die Plazenta fest am Uterus.«

Ich öffne die Akte und überfliege die Notizen, präge mir die Details ein. »Davis«, lese ich. »So heißt das Baby?«

»Ja. Seine Vitalparameter sind normal, sein Blutzucker lag vor einer Stunde bei vierzig, weshalb wir versucht haben, ihn zum Trinken zu bewegen. Er hat an jeder Seite ein bisschen genuckelt, aber er spuckt, ist schläfrig und hat nicht viel zu sich genommen.«

»Wurden seine Augen und die Hüften schon untersucht?«

»Ja, und er hat Wasser gelassen, hatte aber noch keinen Stuhl. Ich habe ihn auch noch nicht gebadet, und die Neugeborenenuntersuchung steht noch aus.«

»Kein Problem«, sage ich. »War’s das?«

»Der Dad heißt Turk«, meint Lucille zögernd. »Irgendetwas an ihm … er ist ein wenig seltsam.«

»So wie Gruseldad?« Letztes Jahr hatten wir einen Vater, der während der Entbindung seiner Frau mit der Lernkrankenschwester flirtete. Als sie am Ende dann doch einen Kaiserschnitt benötigte, blieb er nicht hinter der Abtrennung am Kopf seiner Frau stehen, sondern schlenderte durch den OP und sagte zu der Lernkrankenschwester: Ist es hier drin wirklich so heiß, oder liegt das nur an Ihnen?

»Nein, nicht so«, sagte Lucille. »Er verhält sich der Mutter gegenüber angemessen. Er ist einfach … zwielichtig. Ich kann es nicht genau benennen, was mich an ihm stört.«

Ich war immer der Auffassung, dass ich, wäre ich keine Hebamme und Säuglingskrankenschwester geworden, ein großartiges Scharlatan-Medium hätte sein können. Wir sind geübt darin, unsere Patientinnen so genau zu studieren, dass wir, noch bevor sie es selbst merken, wissen, was sie brauchen. Und wir sind auch sehr gut darin, merkwürdige Schwingungen wahrzunehmen. Erst im vergangenen Monat läuteten bei mir die Alarmglocken, als eine geistig behinderte Frau mit einer älteren Ukrainerin zu uns kam, mit der sie sich in dem Lebensmittelladen angefreundet hatte, in dem sie arbeitete. Die Dynamik zwischen den beiden war höchst seltsam, und ich gab meiner Intuition nach und rief die Polizei. Wie sich herausstellte, hatte die Ukrainerin bereits in Kentucky im Gefängnis gesessen, weil sie einer Frau mit Downsyndrom das Baby gestohlen hatte.

Aber als ich Brittany Bauers Zimmer zum ersten Mal betrete, bin ich unbesorgt. Ich sage mir: Das krieg ich schon hin. »Ich bin Ruth«, stelle ich mich vor. »Ich bin für heute Ihre Hebamme.« Ich gehe direkt auf Brittany zu und sehe lächelnd auf das Baby hinab, das sie in den Armen hält. »Das ist ja ein ganz Süßer! Wie heißt er denn?«, frage ich, obwohl ich es bereits weiß. Auf diese Weise versuche ich, ins Gespräch zu kommen und eine Verbindung zu der Patientin aufzubauen.

Brittany antwortet nicht. Sie sieht ihren Ehemann an, einen massigen Kerl, der auf der Stuhlkante sitzt. Er hat militärisch kurz geschorenes Haar und wippt mit dem Absatz seines einen Stiefels, als könnte er sich nicht ruhig halten. Ich begreife, was Lucille in ihm sah. Turk Bauer erinnert mich an eine Stromleitung, die während eines Sturms gerissen ist und nun über der Straße liegt und nur darauf wartet, dass jemand drankommt, damit sie Funken sprühen kann.

Auch wenn jemand schüchtern oder zurückhaltend ist – keiner, der gerade ein Baby bekommen hat, hält sich lang ruhig. Jeder möchte diesen Moment, der das ganze Leben verändert, mit anderen teilen. Jeder möchte die Wehen, die Geburt noch mal lebendig werden lassen und sich darüber austauschen, wie schön das Baby ist. Aber Brittany, nun, fast scheint es, als bräuchte sie eine Erlaubnis, um zu sprechen. Gewalt in der Ehe?, frage ich mich.

»Davis«, würgt sie hervor. »Er heißt Davis.«

»Schön, hallo Davis«, murmle ich und komme dem Bett näher. »Würde es Ihnen was ausmachen, wenn ich sein Herz und seine Lungen abhöre und die Temperatur nehme?«

Ihre Arme klammern sich fester um das Neugeborene und ziehen es an sich heran.

»Ich kann das gleich hier tun«, sage ich. »Sie müssen ihn nicht mal loslassen.«

Man muss mit neuen Eltern nachsichtig sein, vor allem bei solchen, denen man bereits gesagt hat, dass der Blutzuckerspiegel des Babys zu niedrig ist. Also schiebe ich das Thermometer unter Davis’ Achselhöhle und nehme eine ganz normale Untersuchung vor. Ich betrachte die Wirbel seiner Haare – ein weißer Fleck kann auf einen Hörfehler hinweisen, ein sich abwechselndes Haarmuster kann ein Anzeichen von Stoffwechselproblemen sein. Ich presse mein Stethoskop gegen den Rücken des Babys und höre seine Lungen ab. Dann lasse ich eine Hand zwischen ihn und seine Mutter gleiten und höre sein Herz ab.

Zisch.

Das Geräusch ist so schwach, dass ich glaube, mich getäuscht zu haben.

Ich höre ihn erneut ab, vergewissere mich, dass es kein Zufall war, aber dieses leichte Surren nach dem Pulsschlag ist da.

Turk erhebt sich und ragt nun mit verschränkten Armen über mir auf.

Anspannung zeigt sich bei jedem Vater anders. Manchmal werden sie aggressiv. Als könnten sie das, was nicht stimmt, durch Wut beseitigen.

»Ich höre ein leichtes Rauschen«, sage ich vorsichtig. »Aber das muss nichts bedeuten. Zu einem so frühen Zeitpunkt entwickeln sich einzelne Teile des Herzens noch. Selbst wenn es tatsächlich ein Rauschen sein sollte, könnte es in ein paar Tagen verschwunden sein. Aber ich werde es notieren und dafür sorgen, dass der Kinderarzt ihn noch mal abhört.« Während ich rede, versuche ich, so ruhig wie möglich zu bleiben, und nehme einen weiteren Blutzuckertest vor. Es ist ein Akkucheck, und das bedeutet, dass wir sofort das Ergebnis sehen – diesmal liegt es bei 52. »Na, das sind ja gute Nachrichten«, sage ich, weil ich den Bauers etwas Positives mitteilen möchte, woran sie sich festhalten können. »Sein Blutzucker ist schon viel besser.« Ich gehe zum Waschbecken, lasse warmes Wasser laufen, fülle eine Plastikschüssel und stelle diese auf die Wärmeplatte. »Mit Davis geht es definitiv aufwärts, und wahrscheinlich wird er sehr bald zu essen anfangen. Wie wär’s, wenn ich ihn bade und seinen Kreislauf ein wenig in Schwung bringe und wir es dann noch mal mit Stillen versuchen?«

Ich hebe das Baby hoch. Indem ich den Eltern den Rücken zukehre, lege ich Davis auf die Wärmeplatte und beginne mit meiner Untersuchung. Während ich die Fontanellen am Kopf des Babys auf Suturlinien untersuche, um sicherzustellen, dass die Knochenplatten sich nicht überlagern, bekomme ich mit, wie Brittany und Turk miteinander tuscheln. Die Eltern sind besorgt, das ist normal. Es gibt viele Eltern, die eine medizinische Einschätzung durch eine Hebamme gar nicht hören wollen – sie müssen es von einem Arzt erfahren, um es zu glauben –, obwohl Hebammen oftmals die Ersten sind, die eine Macke oder ein Symptom erkennen. Ihre Kinderärztin ist Atkins, ich werde sie mit dem Pager anfunken, wenn ich mit der Untersuchung fertig bin, damit sie das Herz des Babys noch mal abhört.

Aber im Moment gilt meine ganze Aufmerksamkeit Davis. Ich untersuche ihn auf blaue Flecken im Gesicht, Hämatome oder eine abnormale Schädelform. Ich überprüfe die Handfurche seiner winzigen Hände und die Anordnung der Ohren in Relation zu den Augen. Ich messe Kopfumfang und Körperlänge. Überprüfe ihn auf Spalten im Mund und an den Ohren. Ich taste seine Schlüsselbeine ab und stecke ihm den kleinen Finger in den Mund, um seinen Saugreflex zu testen. Ich verfolge das Auf und Ab der winzigen Balge seiner Brust, um mich zu vergewissern, dass der Atem nicht schwerfällig ist. Drücke ihm fest auf den Bauch, um zu tasten, ob er weich ist, überprüfe Finger und Zehen und halte Ausschau nach Ausschlag, Läsionen oder Geburtsmalen. Ich überprüfe, ob sich seine Testikel gesenkt haben, und untersuche ihn auf Hypospadien, taste, ob die Harnröhre dort ist, wo sie sein soll. Dann drehe ich ihn vorsichtig um und untersuche die Wurzel des Rückgrats auf Grübchen oder Haarbüschel oder irgendwelche anderen Anzeichen eines Neuralrohrdefekts.

Ich merke, dass das Getuschel hinter mir aufgehört hat. Aber anstatt mich wohler zu fühlen, lässt mich das nichts Gutes erahnen. Was mache ich ihrer Meinung nach falsch?

Als ich ihn wieder umdrehe, fallen Davis fast die Augen zu. Es ist ganz normal, dass Babys ein paar Stunden nach der Geburt schläfrig werden, und deshalb werde ich ihn jetzt baden – ich möchte ihn lange genug wach halten, um ihn vielleicht füttern zu können. Auf der Wärmeplatte liegt ein Stapel Tücher. Mit geübten Bewegungen tauche ich eins davon ins warme Wasser und wasche das Baby von Kopf bis Fuß. Dann wickle ich Davis und hülle ihn rasch in ein Tuch wie ein Burrito, bevor ich ihm die Haare im Waschbecken mit ein wenig Shampoo wasche. Als Letztes lege ich ihm ein Identifikationsband um, das dem entspricht, das auch seine Eltern tragen, und befestige ein winziges ID-Band an seiner Fessel, das einen Alarm auslöst, sobald das Baby einem der Ausgänge zu nahe kommt.

Ich kann die Blicke der Eltern heiß auf meinem Rücken spüren und drehe mich mit einem aufgesetzten Lächeln zu ihnen um. »So«, sage ich und reiche Brittany das Kind an. »Blitzsauber. Und jetzt wollen wir doch mal sehen, ob das mit dem Stillen klappt.«

Ich strecke die Hände aus, um das Baby in Position zu bringen, aber Brittany zuckt zurück.

»Bleiben Sie weg von ihr«, sagt Turk Bauer. »Ich möchte mit Ihrer Vorgesetzten sprechen.«

Das sind die ersten Worte, die er in diesen zwanzig Minuten, die ich mit ihm und seiner Familie hier im Raum war, an mich gerichtet hat, und sie vermitteln mir unterschwellig seine Unzufriedenheit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er Marie nicht sagen möchte, wie hervorragend ich meine Arbeit gemacht habe. Aber ich nicke knapp, verlasse den Raum und gehe noch einmal in Gedanken alle meine Worte und Gesten seit dem Zeitpunkt durch, als ich mich Brittany Bauer vorgestellt habe. Ich trete vor den Schreibtisch, an dem Marie ein Patientenblatt ausfüllt. »Wir haben ein Problem in Zimmer 5«, sage ich und versuche dabei, meine Stimme zu kontrollieren. »Der Vater möchte dich sehen.«

»Was ist passiert?«, erkundigt sich Marie.

»Rein gar nichts«, erwidere ich und weiß, dass es die Wahrheit ist. Ich bin eine gute Hebamme. Manchmal auch eine hervorragende. Ich habe mich um dieses Kind so gekümmert, wie ich mich um jedes Neugeborene auf dieser Station gekümmert hätte. »Ich sagte ihnen, ich hätte ein leises Rauschen gehört und werde die Kinderärztin kontaktieren. Außerdem habe ich das Baby gebadet und untersucht.«

Aber offenbar gelingt es mir nicht ganz, meine Gefühle zu unterdrücken, denn Marie sieht mich mitfühlend an. »Vielleicht machen sie sich Sorgen um das Herz des Babys«, sagt sie.

Ich bin direkt einen Schritt hinter ihr, als wir das Zimmer betreten, und so bleibt mir die Erleichterung, die sich auf den Gesichtern der Eltern breitmacht, als sie Marie sehen, nicht verborgen. »Wie ich höre, möchten Sie mich sprechen Mr. Bauer?«, sagt sie.

»Diese Krankenschwester«, sagt Turk. »Ich möchte nicht, dass sie meinen Sohn noch mal anfasst.«

Ich kann die Hitze spüren, die sich vom Kragen meines Kittels bis hinauf zu meinen Haarwurzeln ausbreitet. Vor der Vorgesetzten von einem Patienten abgekanzelt zu werden, ist nie angenehm.

Marie richtet sich auf, ihr Rücken wird steif. »Ich kann Ihnen versichern, dass Ruth eine der besten Krankenschwestern ist, die wir haben, Mr. Bauer. Wenn Sie also eine formale Beschwerde …«

»Ich möchte nicht, dass sie oder auch jede andere, die aussieht wie sie, meinen Sohn anfasst«, unterbricht sie der Vater und verschränkt dabei die Arme vor seiner Brust. Er hat in der Zwischenzeit seine Ärmel hochgeschoben. Vom Handgelenk bis zum Ellbogen zieht sich das Tattoo einer Flagge der Konföderierten.

Marie verschlägt es die Sprache.

Einen Moment lang bin ich fassungslos und verstehe gar nichts. Und dann trifft es mich mit der Wucht eines Schlags: Sie haben kein Problem mit dem, was ich getan habe.

Nur mit mir als Person.

Turk

Der erste Nigger, dem ich je begegnet bin, hat meinen älteren Bruder getötet. Während ich in einem Gerichtssaal in Vermont zwischen meinen Eltern saß und kaum Luft bekam, weil mir der steife Kragen meines Hemds den Hals zuschnürte, stritten sich Männer in Roben und zeigten auf Diagramme von Autos und Bremsspuren. Ich war elf, Tanner sechzehn. Vor gerade mal zwei Monaten hatte er seinen Führerschein gemacht. Zur Feier des Tages hatte meine Mutter ihm einen Kuchen gebacken und mit Fruchtgummischlangen einen Highway darübergelegt, auf dem eins meiner alten Matchbox-Autos stand. Der Kerl, der ihn getötet hatte, stammte aus Massachusetts und war älter als mein Vater. Seine Haut war dunkler als das Holz des Zeugenstands, in dem er den größten Teil der Verhandlung zubrachte, und seine Zähne blendeten fast im Kontrast dazu. Ich musste ihn ständig anstarren.

Die Geschworenen konnten sich nicht auf einen Schuldspruch einigen, und so verließ der Kerl den Gerichtssaal als freier Mann. Meine Mutter brach völlig zusammen, kreischte und lamentierte wegen ihres Babys und über die Justiz. Der Mörder schüttelte seinem Anwalt die Hand, drehte sich dann um und kam auf uns zu, sodass wir nur noch durch die Absperrung von ihm getrennt waren. »Mrs. Bauer«, sagte er, »es tut mir so leid, dass Sie Ihren Sohn verloren haben.«

Als hätte er überhaupt nichts damit zu tun.

Meine Mutter hörte auf zu schluchzen, spitzte die Lippen und spuckte ihn an.

Auf diesen Moment haben Brit und ich schon immer gewartet.

Ich lenke den Pick-up mit nur einer Hand, weil die andere auf der Sitzbank zwischen uns liegt, wo Brit sie jedes Mal drückt, wenn eine Wehe sie überrollt. Mir ist klar, dass es verdammt wehtut, aber Brit kneift nur die Augen zusammen und beißt die Zähne aufeinander. Das überrascht mich nicht – ich meine, ich habe sie einem Bohnenfresser einen Zahn ausschlagen sehen, weil er ihr vor einem Supermarkt mit dem Einkaufswagen, über den er die Kontrolle verloren hatte, eine Beule ins Auto gefahren hat –, aber ich denke nicht, dass sie jemals so schön war wie in diesem Moment, stark und schweigend.

Wenn wir an einer roten Ampel anhalten müssen, schiele ich auf ihr Profil. Wir sind seit zwei Jahren verheiratet, aber ich kann noch immer nicht glauben, dass Brit die meine ist. Erstens ist sie das hübscheste Mädchen, das ich je gesehen habe, und was ihren Gang betrifft, steht sie einer königlichen Hoheit in nichts nach. Ihr dunkles Haar schlängelt sich wie ein geringeltes Tau über den Rücken, die Wangen sind gerötet. Sie atmet stoßweise, als würde sie einen Marathon laufen. Plötzlich wendet sie sich mir zu, die Augen strahlend blau, wie das Herz einer Flamme, und keucht.

»Keiner hat gesagt, dass es so hart sein würde.«

Ich drücke ihr die Hand, was nicht einfach ist, denn sie quetscht meine bereits bis zum Schmerzpunkt zusammen. »Dieser Krieger«, sage ich zu ihr, »wird genauso stark sein wie seine Mama.« Jahrelang hat man mir beigebracht, dass Gott Soldaten braucht. Dass wir die Engel in diesem Rassenkampf sind und ohne uns die Welt wieder in ein einziges Sodom und Gomorrha zerfiele. Francis – Brits legendärer Dad – stellte sich vor die Fresh-cuts, die Skinhead-Neulinge, und predigte ihnen von der Notwendigkeit, unsere Anzahl zu erhöhen, damit wir zurückschlagen konnten. Aber jetzt, in diesem Moment, wo Brit und ich kurz davorstehen, ein Baby auf die Welt zu bringen, halten sich Triumph und Schrecken bei mir die Waage. Denn so sehr ich mich auch bemüht habe, dieser Ort ist noch immer eine Jauchegrube. Im Moment ist mein Baby perfekt. Aber vom Augenblick seiner Ankunft an ist es dazu verdammt, befleckt zu werden.

»Turk!«, schreit Brittany.

Wie ein Verrückter schlage ich das Lenkrad nach links ein, fast hätte ich die Einfahrt zum Krankenhaus verpasst. »Was hältst du von Thor?«, spreche ich sie auf Babynamen an, um Brit von ihren Schmerzen abzulenken. Einer der Jungs, die ich über Twitter kenne, hat gerade ein Kind bekommen und es Loki genannt. Unter den älteren Mitgliedern gibt es einige, die große Stücke auf die nordische Mythologie halten, und obwohl wir uns inzwischen in kleinere Zellen aufgeteilt haben, halten alte Gewohnheiten sich hartnäckig.

»Oder Batman oder Green Lantern?«, blafft Brittany. »Ich nenne mein Kind nicht nach einer Cartoonfigur.« Sie zuckt zusammen, als die nächste Wehe einsetzt. »Und wenn es nun ein Mädchen ist?«

»Wonder Woman«, schlage ich vor. »Nach seiner Mutter.«

Nach dem Tod meines Bruders brach alles auseinander. Es war, als hätte dieser Prozess die äußerste Hautschicht weggerissen, sodass meine Familie nur noch aus einer Menge Blut und Eingeweiden bestand und von nichts mehr zusammengehalten wurde. Mein Vater trennte sich und lebte von da an in einer Wohnung, in der alles grün war – die Wände, der Teppich, die Toilette, der Herd –, und jedes Mal, wenn ich ihn besuchte, hatte ich ein mulmiges Gefühl. Meine Mutter fing zu trinken an – ein Glas Wein zum Mittagessen und dann die ganze Flasche. Ihren Job als Assistenzkraft an der Grundschule verlor sie, als sie auf dem Spielplatz umkippte und ihr Schützling – ein Kind mit Downsyndrom – von der Schaukel fiel und sich das Handgelenk brach. Eine Woche später packten wir unsere Habseligkeiten in einen Umzugslaster und zogen zu meinem Großvater.

Großpapa war ein Veteran, für den der Krieg nie aufgehört hatte. Ich kannte ihn nicht gut, weil er meinen Dad nicht hatte leiden können, aber nachdem dieses Hindernis aus dem Weg geräumt war, sah er es als seine Aufgabe an, mich auf die Art und Weise zu erziehen, wie ich schon immer hätte erzogen werden sollen. Meine Eltern, so meinte er, seien zu nachsichtig mit mir umgegangen, und ich sei ein Weichei. Er werde mich stählen. Und so weckte er mich an den Wochenenden in der Morgendämmerung und schleppte mich mit in den Wald zum Basistraining, wie er es nannte. Ich lernte, giftige Beeren von essbaren zu unterscheiden. Ich war in der Lage, Exkremente zu identifizieren, sodass ich Tiere aufspüren konnte. Ich konnte anhand des Sonnenstands die Uhrzeit bestimmen. Es war ein wenig wie bei den Pfadfindern, nur dass die Lektionen meines Großvaters noch mit Geschichten über die Schlitzaugen gewürzt waren, gegen die er in Vietnam gekämpft hatte, von Dschungeln, die einen verschlangen, wenn man nicht aufpasste, und vom Geruch eines bei lebendigem Leib verbrannten Mannes.

An einem Wochenende beschloss er, mit mir zelten zu gehen. Dass es draußen minus vierzehn Grad hatte und Schnee vorhergesagt war, zählte nicht. Wir fuhren an den Rand des Northeast Kingdom, nahe der kanadischen Grenze. Ich musste auf die Toilette, und als ich zurückkam, war mein Großvater weg.

Sein Lieferwagen, den er neben einer Tanksäule geparkt hatte, war auch nicht mehr da. Der einzige Hinweis darauf, dass er überhaupt hier gewesen war, waren die Reifenabdrücke im Schnee. Er war mit meinem Rucksack, meinem Schlafsack und dem Zelt abgehauen. Ich ging zurück in die Tankstelle und fragte die Angestellte, ob sie mir sagen könne, was aus dem Mann in dem blauen Lieferwagen geworden sei, aber sie schüttelte nur den Kopf. »Comment?«, fragte sie und gab vor, kein Englisch zu sprechen, obwohl wir uns eigentlich noch in Vermont befanden.

Ich trug meinen Mantel, aber weder Mütze noch Handschuhe – die lagen noch im Lieferwagen. Ich zählte die siebenundsechzig Cents, die ich in der Tasche hatte. Dann wartete ich, bis ein weiterer Kunde die Tankstelle betrat und ich, während die Frau an der Kasse beschäftigt war, ein Paar Handschuhe und eine Mütze in Jägerorange und eine Flasche Wasser klauen konnte.

Ich brauchte fünf Stunden, bis ich meinen Großvater aufgespürt hatte – indem ich mir einerseits den Kopf darüber zerbrach, mit welchen Richtungsangaben er mich am Morgen bombardiert hatte, als ich noch im Halbschlaf war, und zugleich nach Anhaltspunkten Ausschau hielt, während ich den Highway entlanglief – wie etwa das Verpackungspapier des Tabaks, den er gern kaute, und einen meiner Handschuhe. Als ich den neben der Straße geparkten Lieferwagen fand und seinen Fußabdrücken im Schnee folgen konnte, die in den Wald hineinführten, war mir nicht mehr kalt. Wut ist, wie sich herausstellte, eine erneuerbare Energiequelle.

Er stand über ein Lagerfeuer gebeugt, als ich die Lichtung betrat. Ohne ein Wort zu sagen, ging ich auf ihn zu und schubste ihn, sodass er fast in die brennenden Holzscheite fiel. »Du Mistkerl«, schrie ich. »Du kannst doch nicht einfach vor mir weglaufen.«

»Warum nicht? Wenn ich keinen Mann aus dir mache, wer zum Teufel dann?«, fragte er.

Obwohl er doppelt so groß war wie ich, packte ich ihn am Kragen seiner Jacke und zog ihn hoch. Ich holte mit der Faust aus, aber er packte meine Hand, bevor ich zuschlagen konnte.

»Du möchtest kämpfen?«, fragte er, wich zurück und umkreiste mich.

Mein Vater hatte mir beigebracht, wie man jemandem einen Schlag verpasste. Lass den Daumen aus der Faust herausragen und drehe das Handgelenk erst kurz bevor du zuschlägst. Es war jedoch alles nur Gerede – ich hatte in meinem Leben noch nie jemanden geschlagen.

Jetzt holte ich aus und ließ die Faust wie einen Pfeil nach vorn schießen, nur dass mein Großvater mir den Arm auf den Rücken drehte. Sein Atem blies mir heiß ins Ohr.

»Hat dir das dein Schlappschwanz von einem Vater beigebracht?«

Ich wehrte mich, aber er hielt mich fest.

»Willst du wissen, wie man kämpft? Oder willst du wissen, wie man gewinnt?«

Ich biss die Zähne zusammen. »Ich … will … gewinnen«, presste ich heraus.

Nach und nach lockerte er den Griff, hielt aber meine linke Schulter mit einer Hand umklammert.

»Du bist klein, also kommst du richtig tief an. Du wirst mich mit deinem Körper in die Irre führen, und ich rechne damit, dass du den Schlag nach oben ausführst. Wenn ich mich ducke, wird deine Faust mich im Gesicht treffen, und das bedeutet, dass ich aufrecht bleibe und eine große Angriffsfläche biete. Das Letzte, womit ich rechne, ist, dass du den Schlag über die Schulter ausführst, und zwar so.«

Er hob die rechte Faust, schwang sie in einem schwindelerregenden Bogen und stoppte, kurz bevor sie meinen Wangenknochen traf. Dann ließ er von mir ab und trat einen Schritt zurück. »Na los.«

Ich starrte ihn bloß an.

So fühlt es sich an, wenn man jemanden zusammenschlägt: wie ein Gummiband, das so weit gedehnt wird, bis es schmerzt und zu zittern anfängt. Und wenn du dann den Schlag ausführst, wenn du das Band loslässt, knallt er mit voller Wucht. Du stehst in Flammen und hast nicht einmal gemerkt, dass du entflammbar bist.

Blut spritzte aus der Nase meines Großvaters in den Schnee, legte sich über sein Lächeln. »Genau so, mein Junge«, sagte er.

Jedes Mal, wenn Brit während der Wehen aufsteht, werden die Kontraktionen so heftig, dass die Hebamme – eine Rothaarige namens Lucille – ihr sagt, sie solle sich wieder hinlegen. Aber sobald sie das tut, hören die Kontraktionen auf, und Lucille rät, sich wieder zu bewegen. Es ist ein Teufelskreis, der jetzt bereits sieben Stunden andauert, und ich frage mich langsam, ob das Kind erst ein Teenager werden will, bevor es sich entschließt, auf die Welt zu kommen.

Aber das behalte ich natürlich für mich.

Ich habe Brit festgehalten, während ein Anästhesist ihr eine Periduralanästhesie gab – um die sie gebettelt hat, was mich völlig überraschte, da wir eine natürliche Geburt ohne Drogen geplant hatten. Angloamerikaner wie wir lassen die Finger davon, die große Mehrheit der Leute in der Bewegung hat nur Verachtung für die Abhängigen. Während sie sich über das Bett beugt und der Arzt ihr Rückgrat abtastet, frage ich sie leise, ob das eine gute Idee ist. Wenn du das Baby bekommst, erwiderte Brit darauf, kannst du das entscheiden.

Und ich muss zugeben, dass das, was sie ihr da in die Venen gepumpt haben, tatsächlich geholfen hat. Sie ist ans Bett gefesselt, aber sie windet sich nicht mehr. Sie erzählte mir, dass sie unterhalb ihres Bauchnabels kein Gefühl mehr habe. Und sie, wäre sie nicht mit mir verheiratet, dem Anästhesisten einen Heiratsantrag machen würde.

Lucille kommt herein und überprüft den Ausdruck der Maschine, an die sie Brit angeschlossen hat und die den Herzschlag des Babys misst. »Sie machen das ganz großartig«, sagt sie, doch ich wette, das sagt sie zu jeder. Ich schalte ab, während sie mit Brit spricht – nicht weil es mir egal wäre, aber weil es nur um irgendwas Mechanisches geht, an das man gar nicht denken möchte, wenn man seine Frau auch wieder sexy sehen will –, und dann höre ich Lucille zu Brit sagen, es sei nun an der Zeit zu pressen.

Brit nimmt Blickkontakt zu mir auf. »Babe?«, sagt sie, aber das nächste Wort bleibt ihr im Hals stecken, und sie kann nicht mehr aussprechen, was sie sagen möchte.

Ich merke, dass sie Angst hat. Diese furchtlose Frau hat tatsächlich Angst vor dem, was als Nächstes kommt. Ich verschränke die Finger mit ihren. »Ich bin bei dir«, versichere ich ihr, obwohl ich genauso große Angst habe.

Und wenn sich nun zwischen Brit und mir alles verändert?

Was, wenn dieses Baby kommt und ich gar nichts für es empfinde?

Wenn ich mich als lausiges Rollenmodell entpuppe? Als lausiger Vater?

»Wenn Sie das nächste Mal eine Kontraktion spüren«, sagt Lucille, »dann möchte ich, dass Sie pressen.« Sie blickt zu mir hoch. »Und der Vater stellt sich jetzt hinter Sie, und wenn die Kontraktion kommt, dann helfen Sie ihr, sich aufzusetzen, damit sie pressen kann.«

Ich bin dankbar für diese Anweisung. Das ist etwas, was ich tun kann. Als Brits Gesicht rot anläuft und ihr Körper sich wie ein Bogen biegt, umfasse ich ihre Schultern. Sie stößt einen tiefen gutturalen Laut aus, als läge sie in den letzten Zügen. »Tief einatmen«, weist Lucille sie an. »Sie befinden sich am Höhepunkt der Kontraktion … legen Sie jetzt das Kinn auf die Brust und pressen Sie fest nach unten ins Gesäß …«

Dann wird Brit mit einem Seufzer ganz schlaff und windet sich unter mir weg, als ertrüge sie es nicht mehr, meine Hände zu spüren. »Lass mich los«, sagt sie.

Lucille winkt mich heran. »Sie meint es nicht so.«

»Einen Teufel meine ich«, geifert Brit, während die nächste Wehe kommt.

Lucille sieht mich fragend an. »Stellen Sie sich mal hier hin«, schlägt sie vor. »Ich werde jetzt Brits linkes Bein halten und Sie ihr rechtes …«

Es ist ein Marathon, kein Sprint. Eine Stunde später kleben Brits Haare an der Stirn, der Zopf ist verfilzt. Mit den Fingernägeln hat sie mir kleine Monde in den Handrücken gegraben, und wenn sie etwas sagt, ergibt es keinen Sinn mehr. Ich weiß nicht, wie viel jeder von uns noch aushält. Aber dann richten sich während einer langen Wehe Lucilles Schultern aus, und ihr Gesichtsausdruck verändert sich. »Moment mal«, sagt Lucille und piepst den Arzt an. »Ich möchte, dass Sie jetzt ein paar langsame Atemzüge machen, Brit … und sich darauf vorbereiten, Mutter zu werden.«

Es dauert nur wenige Minuten, da kommt der Geburtshelfer ins Zimmer gestürmt und streift sich ein Paar Latexhandschuhe über, aber der Versuch, Brit vom Pressen abzuhalten, ist so vergeblich wie der, mit einem einzigen Sandsack eine Gezeitenwelle aufhalten zu wollen. »Hallo, Mrs. Bauer«, sagt der Arzt. »Lassen Sie uns das Baby holen.« Er nimmt auf einem Hocker Platz, während Brits Körper sich wieder anspannt. Und während ich nach unten schaue, steigt die Stirn unseres Babys wie ein Mond über das Tal ihrer Beine.

Es ist blau. Wo vor einem Atemzug noch nichts war, ist jetzt ein vollkommen runder Kopf von der Größe eines Softballs, und er ist blau.

Voller Panik schaue ich in Brits Gesicht, aber ihre Lider sind vor Anstrengung zusammengepresst. Die Wut, die in meinem Blut immer leise vor sich hin zu köcheln scheint, fängt an überzuschäumen. Die versuchen, uns hier reinzulegen. Die lügen. Diese gottverdammten …

Und dann schreit das Baby. In einer Flut aus Blut und Flüssigkeit flutscht es in diese Welt, schreit und boxt mit seinen winzigen Fäusten in die Luft und wird rosig. Sie legen mein Baby – meinen Sohn – auf Brits Brust und reiben es mit einem Tuch ab. Sie schluchzt, und ich schluchze ebenso. Brits Blick ist auf das Baby gerichtet. »Sieh nur, was wir gemacht haben Turk.«

»Er ist perfekt«, flüstere ich an ihrer Haut. »Du bist perfekt.« Sie legt eine Hand um den Kopf des Neugeborenen, als wären wir ein Stromkreis, der sich jetzt geschlossen hat. Als könnten wir die Welt mit Strom versorgen.

Als ich fünfzehn war, fiel mein Großvater wie ein Stein in der Dusche um und verstarb an einem Herzinfarkt. Ich reagierte darauf, wie ich damals auf alles reagierte – indem ich mich in Schwierigkeiten brachte. Keiner schien zu wissen, wie er mit mir fertigwerden sollte – weder meine Mutter, die so sehr dahinschwand, dass sie manchmal mit den Wänden eins zu werden schien und ich an ihr vorbeilief, ohne zu bemerken, dass sie im Zimmer war; und auch nicht mein Dad, der jetzt in Brattleboro lebte und Autos bei einem Honda-Händler verkaufte.

Raine Tesco lernte ich kennen, als ich im Sommer nach meinem ersten Jahr auf der Highschool einen Monat bei Dad verbrachte. Greg, der Freund meines Vaters, betrieb ein Alternativcafé (Was sollte das eigentlich sein? Dass es dort Tee gab?) und hatte mir einen Teilzeitjob angeboten. Eigentlich war ich noch zu jung zum Arbeiten, weshalb Greg mich unter der Hand dafür bezahlte, dass ich Dinge tat, wie den Vorratsraum aufräumen und Einkäufe erledigen. Raine war ein Barista, dessen ganzer Arm ein einziges Tattoo war und der während jeder Pause unablässig rauchte. Seinem sechs Pfund schweren Chihuahua namens Meat hatte er ebenfalls beigebracht, eine Zigarette zu paffen.

Raine war der erste Mensch, der mich wirklich beeindruckte. Unsere erste Begegnung hatten wir hinter dem Café, wo er mir, als ich den Müll zur Tonne brachte, eine Zigarette anbot – obwohl ich noch ein Kind war. Ich gab vor zu wissen, was ich tat, und als ich mir die Lungen aus dem Leib hustete, machte er sich nicht lustig über mich. »Ich möchte nicht in deiner Haut stecken, Kumpel«, sagte er, worauf ich nickte. »Ich meine, dein Dad …?« Er verzog das Gesicht und präsentierte mir eine perfekte Imitation meines Vaters, wenn dieser Kaffee ohne Schaum mit fettfreier Sojamilch bestellte.

Jedes Mal, wenn ich zu meinem Vater auf Besuch kam, nahm Raine sich Zeit, mich zu treffen. Ich unterhielt mich gern mit ihm darüber, wie ungerecht es war, dass ich nachsitzen musste, weil ich ein Kind verdroschen hatte, das meine Mutter eine Säuferin genannt hatte. Er meinte dazu, das Problem sei nicht ich, sondern meine Lehrer, denen offenbar entging, wie viel Potenzial in mir steckte und wie schlau ich war. Er gab mir Bücher zu lesen wie The Turner Diaries, um mir zu zeigen, dass ich nicht der Einzige war, der das Gefühl hatte, dass man sich gegen ihn verschwor, um ihn klein zu halten. Auch eine CD bekam ich von ihm, mit Musik von rassistischen Bands, die sich anhörten, als würden Nägel eingeschlagen. Wir fuhren in seinem Auto durch die Gegend, und er ließ sich darüber aus, dass die großen Sender allesamt jüdische Nachnamen wie Moonves und Zucker hatten und uns mit Nachrichten fütterten, damit wir ihnen alles glaubten, was sie uns glauben machen wollten. Er sprach mit mir über Dinge, die andere Leute vielleicht dachten, aber nicht den Mut aufbrachten, sie öffentlich zur Sprache zu bringen.