Kloses Tore - Christoph Nagel - E-Book

Kloses Tore E-Book

Christoph Nagel

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Beschreibung

2014 ist das Jahr des Miroslav Klose: Er ist Fußballweltmeister und zugleich Weltmeisterschafts-Rekordtorschütze mit insgesamt 16 Treffern - mehr als jemals ein anderer Fußballer in Weltmeisterschaftsspielen geschossen hat. Mit 19 spielte er für die SG Blaubach-Diedelkopf in der Bezirksliga Westpfalz, mit 36 ist er der erfolgreichste WM-Torschütze aller Zeiten. Seine erstaunliche Karriere und seine unvergesslichen Tore enthalten alles, was den Fußball so wunderbar macht. Dieses Buch lässt sie nacherleben - und beantwortet nebenbei einige der ganz großen Fußballfragen: Ob Kopfbälle dumm machen, warum lange Bälle auch in Zeiten des »Tiki Taka« eine herrliche Angelegenheit sind und worin das Geheimnis des Klose-Saltos besteht. Ein überaus unterhaltsames und informatives Kompendium.

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Christoph Nagel

Kloses Tore

Die 16 WM-Treffer. Die Karriere. Das Leben.

Atlantik

Klose. Ein Porträt.

Kein Porträt Miroslav Kloses kommt ohne Blaubach und Diedelkopf aus. Wie gemütliche Pfälzer Ausgaben der Logen-Lästerer Waldorf und Statler aus der »Muppet Show« sitzen die beiden am Bühnenrand seiner Karriere und kommentieren das Geschehen.

»Dass aus dem Jungen noch mal was wird!« – »Nicht mal auf dem Schulhof durfte er anfangs mitspielen. Nicht mal auf dem Schulhof!« – »Immerhin hat er was Anständiges gelernt.« – »Anständig? Zimmermann! Immer den anderen aufs Dach. Dabei ist es ja geblieben. Höhö.«

So würde es vielleicht klingen, wenn Blaubach und Diedelkopf sprechen könnten. Nur sind Blaubach und Diedelkopf keine Trainingskiebitze im Ballonseidenanzug, sondern Ortschaften in Rheinland-Pfalz. Teile der Verbandsgemeinde Kusel, um genau zu sein, Diedelkopf die größere (rund 700 Einwohner), Blaubach (450 Einwohner) die stolzere. Denn Miroslav Klose ist Blaubacher. Und die SG Blaubach-Diedelkopf war sein erster Verein. Ein ständiger Kommentar sind Blaubach und Diedelkopf trotzdem, schon durch ihre bloße Anwesenheit. Miroslav Klose mag noch so viele WM-Tore geschossen haben: Ein Hauch von Kleinstadt ist immer dabei. Das Schöne ist, wie gut ihm das steht. Es macht ihn nicht kleiner, sondern größer. Denn sein Werdegang ist immer präsent.

Bevor Klose Blaubacher wurde, galt er als Aussiedler. Als Achtjähriger kam er mit den Eltern Barbara und Josef und seiner älteren Schwester Macena aus Polen nach Deutschland, über das Grenzdurchgangslager Friedland. »Das war knallhart«, erzählte er 2006 in einem Interview: »Du sitzt da mit drei, vier Familien in einem Zimmer, und du wartest. Bekommst du den Pass, bekommst du ihn nicht? Ich bin mir nicht sicher, ob das Wort ›Unsicherheit‹ treffend beschreibt, wie du dich in der Situation fühlst.«

Zwischenzeitlich hatten die Kloses schon in Frankreich gelebt. Dort stieg Vater Josef als Profi unter Trainer Guy Roux mit dem AJ Auxerre in die höchste französische Spielklasse auf und wurde Pokalfinalist. Anschließend kletterte er mit dem FC Chalon von der vierten in die dritte Liga, bevor er seine Karriere beendete und nach Polen zurückkehrte. Als Miro Klose Anfang 2002 an körperliche Grenzen geriet, analysierte kein Vereinstrainer, sondern Vater Klose mit ihm seine Laufwege per Video. »Dann hat er mir gesagt, welchen Weg ich nicht umsonst mit zurückrennen soll«, so Klose später. »Das hat mir geholfen.« Als 82-fache polnische Handball-Nationalspielerin legte auch Mutter Barbara einiges an sportlichem Talent in seine Wiege. Oft wird der Einfluss ihrer Gene als eine Ursache von Kloses Sprungkraft genannt.

Der Anfang in Deutschland war nicht einfach. Außer »Ja« und »Danke« konnte der kleine Miroslav kein Deutsch. Er fing in der zweiten statt in der vierten Klasse an, und bei seinem ersten Diktat gab er ein leeres Blatt ab. Die Mitwirkung in der katholischen Gemeinde als Messdiener und Sternsinger trug aber zu seiner Integration bei und ganz besonders natürlich der Fußball – doch hätte es eines Tages nicht einen Spieler zu wenig auf dem Schulhof gegeben, der stille spätere WM-Rekordtorschütze hätte vielleicht lange warten müssen, bis er mitspielen durfte.

Geboren wurde Miroslav Klose in Opole, auch Oppeln oder Uppeln genannt, früher die Hauptstadt Oberschlesiens. Kloses Kinder wachsen zweisprachig auf, mit seiner Frau und seinen Eltern spricht er oft polnisch. Noch immer hat er in Polen viele Verwandte; Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen. Als er 2012 in Polen und der Ukraine zur Europameisterschaft antrat, drückten sie ihm alle die Daumen. Man nimmt ihm ab, wie sehr ihn das freute, denn der Familienmensch Klose darf genauso wenig in einem Porträt fehlen wie Blaubach und Diedelkopf.

Sogar einen eigenen Familientorjubel hat er erfunden, drei Finger für seine Frau Sylwia und die 2005 geborenen Zwillinge Luan und Noah, ein ›Ehering‹ aus Zeigefinger und Daumen als Symbol für Zusammenhalt. So bekannt wie der Klose-Salto ist diese Geste nicht, obwohl sie dem Menschen Klose besser zu entsprechen scheint als der exaltierte Salto. Mann vom Zirkus? Glamour-Typ? »Guck mal, jetzt komm ich«? Ein solches Image würde zu Miroslav Klose passen wie ein Champagnerbrunnen in den Dorfkrug. Wir sprechen über einen Mann, von dem erzählt wird, dass er sich von seinem ersten Profigehalt zwar ein neues Auto kaufte – bewusst aber dasselbe Modell wählte wie zuvor, nur besser ausgestattet. Den alten Wagen bekamen die Eltern, das alte Typenschild schraubte er auf den Nachfolger: Nur nicht abheben, außer nach Toren. Als müsste die Erlaubnis zur Extravaganz jedes einzelne Mal durch außergewöhnliche Leistungen verdient werden.

Was ein Grund dafür sein könnte, dass Klose den Klose-Salto nicht nach jedem Tor schlägt. Ohnehin präsentiert er ihn mit fortgeschrittenem Alter seltener, schon der Verletzungsgefahr wegen. 2008 beispielsweise, Klose spielte seit Saisonbeginn für die Bayern, musste er sich nach verunglücktem Siegestor-Salto gegen Karlsruhe verletzt auswechseln lassen. »Wenn man so wenig Gelegenheiten hat, Saltos zu machen, dann kommen solche Dinge heraus«, lästerte Bayern-Präsident Beckenbauer.

Kloses Bayern-Periode war seine torärmste Zeit: 4 Jahre, 98 Spiele, 24 Tore – bei jeder seiner drei anderen Profi-Stationen war er erfolgreicher. Als passten der »FC Hollywood« und der geerdete Himmelsstürmer (ein Widerspruch, den so nur ein Klose in sich vereinen kann) nicht recht zusammen.

In Kaiserslautern lief es besser. Hier erlebte er seinen Durchbruch. Nach einem Jahr Zwischenstopp beim FC Homburg – mit zwanzig, aus heutiger Sicht ein biblisches Alter, um eine Karriere zu beginnen – wurde der Bundesligist vom Betzenberg endlich aufmerksam. Nicht für die erste Mannschaft freilich, sondern erst einmal für die Amateure. Obwohl er fleißig traf: Zum Probetraining bei den Profis wurde Miroslav Klose nicht gebeten. Er musste selbst darum bitten. Eines Tages fragte er Otto Rehhagel, ob er zwei Wochen mittrainieren dürfe. Er durfte – und blieb. Seine ersten sechs Profi-Einsätze (noch torlos) bestritt Klose unter »König Otto«. Doch zum Stammspieler wurde er erst nach dem Trainerwechsel zu Andi Brehme im Oktober 2000.

So langsam seine Karriere begonnen hatte, so energisch startete Klose nun durch, unter Beibehaltung maximaler Bodenhaftung. Sein erster TV-Auftritt in einer Sendung des Südwestdeutschen Rundfunks Rheinland Pfalz vom 22. September 2000 ist ein bemerkenswertes Zeitdokument: In breitestem Pfälzisch und mit ausgesuchter Freundlichkeit versichert der schüchterne »Shooting Star des 1. FCK«, so die Anmoderation, der soeben seine ersten beiden UEFA-Cup-Spiele gegen Bohemians Dublin absolviert hat, er sei selbst verblüfft über die Ereignisse: »Vor drei Jahre hab i selbst noch inne Weschkurv gestanne und hab die Leute angefeuert.« Ziel Nationalmannschaft? »Neeein, Neeein. Des is zu weit weg. Nationalmannschaft – kein Thema.«

Kein Thema? Blaubach und Diedelkopf wären zufrieden mit ihm gewesen. Weniger Wolkenkuckucksheim war nie. Als Weltmeister Fritz Walter dem Jungtalent in derselben Sendung rät, sich ruhig mal ein Sektchen zu genehmigen, aber bloß nie mit dem Rauchen anzufangen, erweckt Kloses Antwort den Eindruck, als wäre eine Karriere als Kettenraucher zwar ausgeschlossen (»Raaache kommt für mi net in Frage«), aber immer noch wahrscheinlicher als Erfolge in der Nationalelf.

Und doch war es schon wenige Wochen später so weit – mit charakteristischem Understatement: Als Klose im Herbst 2000 seine ersten Gehversuche in der Nationalmannschaft machte, wirkte er auf Teamchef Rudi Völler »fast verlegen. Im Training hatte ich den Eindruck, dass er nicht auffallen wollte.«

Erst später habe Klose ihn mit »Schnelligkeit, Tricks und Dribblings verblüfft« und sich so seinen ersten Einsatz verdient: Im März 2001 im WM-Qualifikationsspiel gegen Albanien. Wobei er prompt nicht nur mitspielte, sondern eine Viertelstunde nach seiner Einwechslung das Siegtor zum 2:1 schoss. Dramaturgisch perfekt in der 88. Minute, Salto inklusive.

Klose und Kaiserslautern: Das war bis 2004 eine Einheit. Erst Thomas Schaaf schaffte es, ihn aus der Pfalz wegzulocken. Nach fünf Jahren und 44 Toren wechselte Miroslav Klose für 5 Millionen Euro zu Werder Bremen, dem Deutschen Meister und DFB-Pokalsieger 2004. Mit Ivan Klasnic bildete er ein fulminantes Sturmduo. Meister wurde er mit Werder nicht, aber Vizemeister 2006. In diesem Jahr spielte er seine beste Saison: 26 Spiele. 25 Tore. 13 Vorlagen. Eine unglaubliche Bilanz, die nur durch die Abwesenheit einer Rasenheizung am Hamburger Millerntor geschmälert wurde.

Längst ist das DFB-Pokal-Viertelfinale vom 25. Januar 2006 Teil der deutschen Fußball-Folklore geworden: Der damalige St. Pauli-Präsident Littmann erzählt bis heute gern, wie Manager Klaus Allofs den Schiedsrichter Dr. Brych mit den markigen Worten »Wenn sich einer unserer Nationalspieler hier verletzt und wir darum nicht Weltmeister werden, dann sind SIE schuld!« zu einer Absage bewegen wollte. Das Spiel wurde trotz des gefrorenen und zu großen Teilen schneebedeckten Platzes angepfiffen. Kurz vor Beginn kam neues Schneetreiben dazu. St. Pauli gewann 3:1.

Dass Klaus Allofs mit seinen Befürchtungen gar nicht einmal so falschgelegen hatte, zeigte sich ausgerechnet an seinem erfolgreichsten Angreifer. Nach einem Sprint rutschte Klose im Strafraum der St. Paulianer aus und blieb liegen: ausgekugelte Schulter. »Ich ahnte, dass etwas passieren würde«, so Allofs nach dem Spiel: »Weil Miro immer hundert Prozent gibt, der kann nicht anders.« Oder mit den Worten des Zeit-Autors Nicol Ljubic: »Eher kugelt er sich den Arm aus, als dass er sich vorwerfen ließe, nicht alles gegeben zu haben.«

Vier Wochen lang war Miroslav Klose außer Gefecht, vom 18. bis zum 22. Spieltag verpasste er fünf Bundesligapartien. Wie viele Tore er ohne dieses Handicap erzielt hätte: Es wird eines der großen Geheimnisse der Fußballgeschichte bleiben. Torschützenkönig der Bundesliga, Sieger des »Goldenen Schuhs« für den erfolgreichsten Schützen der WM2006 und Weltmeisterschaftsdritter wurde er trotzdem. Und er kam als Spieler voran: »Erst in Bremen habe ich mich zum mitspielenden Stürmer weiterentwickelt«, sagt Klose heute.

Auch danach blieb er nicht stehen. 2012 gab er in einem Interview zu, die neue Fußballgeneration um das zu beneiden, was sie noch vor sich habe: »Das schnelle, moderne Spiel liegt mir. Ich wäre daher jetzt gern im Alter der Jungs. Dann könnte ich noch zehn Jahre mit denen weiterspielen. Aber wenn ich mir meinen Körper anschaue, ahne ich, dass ich nicht mehr so lange spielen werde.« Ein Körper, den er einmal selbstironisch als »Kadaver« bezeichnete.

Fünf Jahre zuvor dagegen war die Zukunft des Fußballprofis Miroslav Klose noch immer größer als seine Vergangenheit. Seine Erfolge und seine Entwicklung machten den Namen »Klose« nicht nur zum »Nonplusultra« in der Kicker-Wertung, sondern zum natürlichen Wunschkandidaten des erfolgreichsten deutschen Profi-Clubs. 2006/7 – mit 13 Toren und 16 Vorlagen spielte Klose trotz Formschwierigkeiten eine weitere erfolgreiche Saison in Bremen – streckten Uli Hoeneß & Co. ihre Fühler nach ihm aus.

Als Klose ihrem Werben trotz eines bis 2008 datierten Vertrags schließlich nachgab, war die Empörung unter den Bremer Fans groß, zumal die ersten Geheimverhandlungen in Hannover zwischen Klose und den Bayern-Bossen vor einem wichtigen europäischen Werder-Spiel bekannt wurden. Dass ihm plötzlich vorgeworfen wurde, die eigenen Interessen über jene des Vereins zu stellen, muss ihn getroffen haben – ihn, der überall als grundehrlich beschrieben wird. 2005 und 2012 wurde er mit der Fair-Play-Medaille des DFB