Kolumbien am Scheideweg - Werner Hörtner - E-Book

Kolumbien am Scheideweg E-Book

Werner Hörtner

4,8

Beschreibung

Die meisten Kolumbianerinnen und Kolumbianer kennen ihr Land nur in einem latenten Kriegszustand. Staatsterrorismus, Guerilla, Paramilitarismus und Drogenhandel sind die Triebfedern eines der langwierigsten bewaffneten Konflikte unserer Zeit. Die Friedensverhandlungen der Regierung unter Präsident Juan Manuel Santos mit der Guerilla sind ein Versuch, die Rahmenbedingungen für eine Demokratisierung des Staates unter neoliberalen Vorzeichen zu schaffen. Aber die Schatten einer gewalttätigen Vergangenheit belasten die Gegenwart. Zu einflussreich erscheinen immer noch die Nutznießer des Krieges, zu schwerwiegend die historischen Versäumnisse auf dem Weg zu einer gerechteren Landverteilung, zu gravierend das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen. Werner Hörtner führt mit seiner Analyse insbesondere des Paramilitarismus und der rechtsautoritären Herrschaftspraxis des Langzeitpräsidenten Álvaro Uribe zu den Wurzeln des Konflikts. Und er zeigt die zivilgesellschaftlichen Akteure und ihren Einsatz für Frieden, Demokratie und Aufarbeitung.

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Werner Hörtner

Kolumbien am Scheideweg

Werner Hörtner

Kolumbienam Scheideweg

Ein Land zwischen Krieg und Frieden

Im Gedenken an all jene, die durch ihren Einsatzfür ein friedliches, demokratisches Kolumbienihr Leben verloren haben.

© 2013 Rotpunktverlag, Zürich

www.rotpunktverlag.ch

Umschlagbild: Bogotá, 18. Oktober 2012. Gedenkveranstaltungfür die Opfer des bewaffneten Konflikts.Eine Plastikplane schützt das Porträt eines ermordetenParteimitglieds der Unión Patriótica (UP) vor dem Regen.Die UP wurde in den 80er-Jahren als legaler politischerArm der FARC-Guerilla gegründet. Tausende Aktivistinnenund Aktivisten der Partei wurden von para militärischenTodesschwadronen in Zusammenarbeit mit den staatlichenSicherheitskräften ermordet.

Foto: AP Photo/William Fernando Martínez.© Keystone

ISBN: 978-3-85869-577-2

1. Auflage 2013

Inhalt

Vorwort

Einführung – Mit Holzstock und Funkgerät für den Frieden

1 DIE WURZELN DER GEWALT – KOLUMBIENS WEG ZUM PARA-STAAT

Im Zeichen der »Nationalen Sicherheit«

Die Ursprünge des Paramilitarismus in Kolumbien

Die Entstehung der Guerillabewegungen

Das Geflecht verdichtet sich

Der Staatsterrorismus als Herrschaftsmethode

Eine verhängnisvolle Entführung

Der Geheimkrieg nimmt seinen Lauf

Ein »Nationaler Dialog« für den Frieden

Die Gewalt eskaliert erneut

Der Fehlschlag MORENA

Barcos Ehrenrettung

Modellfall Magdalena Medio

Eine umkämpfte Region

Eine unheilige, doch erfolgreiche Allianz

Yair Kleins Aufstieg und Fall

Die Guerilla verspielt ihre Sympathie

Las Fuerzas oscuras – die vereinten Kräfte des reaktionären Lagers

Heiligt der Zweck alle Mittel?

Das strategische Bündnis gegen die »Subversion«

Blutiger Kampf gegen die Linke – das Massaker von Segovia

Die Unión Patriótica – Chronik einer politischen Verfolgung

Die Konsolidierung des Paramilitarismus

Strategie und Professionalisierung

Der Mustersoldat und die Triple A

La Rochela – es gibt kein Pardon

Die Struktur, das Geld und die Koordination

2 DER PARAMILITARISMUS ALS POLITISCHES PROJEKT

Ein gescheiterter demokratischer Neuanfang

Die Verfassung von 1991 – Versuch der Erneuerung

Pablo Escobars Krieg gegen den Staat

Gavirias Trugschluss

Ein Pechvogel mit guten Absichten

Die Gründung der Convivir

Das Imperium der Brüder Castaño und das neue Para-Projekt

Das paramilitärische Phasenmodell

Der Ursprung des Hasses

Carlos Castaño und die Narcos

Die systematische Unterwerfung des Landes

Die Paras im Tolima – eine lange Geschichte

Wie die Paras La Guajira eroberten

Vom Baumwoll- zum Para-Boom im Cesar

Víctor Carranza – der Para-Chef hinter den Kulissen

Der ermordete Friedenstraum von Aguachica

Vom Schicksal verbundene Feinde

Der Kampf um die Llanos Orientales

Der erfolglose Ruf nach Frieden

Die Zivilgesellschaft verschafft sich Gehör

Pastranas Friedensprojekte

Friedensaktivistinnen im Visier

Das Scheitern des Dialogs

Der »Plan Colombia« – vom Entwicklungs- zum Kriegsplan

Der bewaffnete Konflikt inmitten des Friedensprozesses

3 DAS SYSTEM URIBE

Die Konstruktion eines starken Mannes

Der großherzige Diener seines Landes

Die Schattenseiten des Saubermanns

Die »Demokratische Sicherheit« – Uribes Mantra

Wer ist Álvaro Uribe Vélez?

Riskante Recherchen – Journalismus im Visier der Drogenmafia

Das politische Phänomen Uribe

Die Demobilisierung der Paramilitärs

Im Dienst der »gerechten Sache«

Der sogenannte Demobilisierungsprozess

»Don Berna« – der Capo der Capos

Die De-facto-Legalisierung des Paramilitarismus

Die ehrenwerte Mafia, die Kolumbien nicht verlassen will

Uribes Nacht-und-Nebel-Coup

Uribe auf dem Höhepunkt seiner Macht

Die Vorbereitung der Wiederwahl

Für ein »kommunistenfreies Kolumbien«

Der neue alte Präsident

Der Präsident und sein Geheimdienst

Die sukzessive Unterwanderung des Staates

Das Parlament und die Para-Politik

Die »Neugründung des Vaterlands«

Uribe in der Bredouille

Eine feine Gesellschaft

Der Paramilitarismus und die Wirtschaft

Raubzug auf Gesundheit und Soziales

Chronik einer beispiellosen Bereicherung

Die multinationalen Konzerne

Die Multis als Opfer?

4 KOLUMBIENS POLITIK DER »DEMOKRATISCHEN SICHERHEIT« – EINE ZWISCHENBILANZ

Demobilisierung? Die neuen Gesichter des alten Konflikts

Die Neo-Paras und die illegalen Geschäfte

Die Guerilla – harte Rückschläge und neuer Aufschwung

Keine vereinzelten »faulen Äpfel« – Neo-Paras und Armee

Der Skandal-Präsident

Die »kriminelle Organisation im Präsidentenpalast«

Die G3, das Herz der Repression

Álvaro Uribe und das Kartell der drei Buchstaben

Die ideologischen Säulen des Uribismus

Der Landesvater als Para-Chef?

Uribes Alter Ego

Eine ehrenwerte Familie

Die Prozesse

Eine merkwürdige Geschichte

Keine »demokratische Sicherheit« für die Menschenrechte

Uribes Erfolgsbilanz

Traurige Weltspitze

Die geheimen Massengräber

Soacha und die »falschen Erfolgsmeldungen«

Die gespaltene Justiz

Mehr »Sicherheit« für die Militärs

5 VON URIBE ZU SANTOS – POLITIK AM SCHEIDEWEG

Eine komplizierte Trennung

Der Paukenschlag gegen Uribe

Der Präsident des Establishments

Ein überraschender Start

Die Reform des Wahlgesetzes

Die Landfrage – Schlüsselproblem für die Zukunft

Der Landkonflikt als historische Altlast

Entschädigung und Landrückgabe per Gesetz

Soziale Agrarreform versus neoliberale Agrarpolitik

Brutale Repression gegen die Landrückgabe

Zwischen Herkules und Sisyphos

Endstation Frieden?

Der lange Weg nach Havanna

Der rechtliche Rahmen für den Frieden

Die Zukunft des Dialogs

Perspektiven für ein demokratisches Kolumbien

Das Lager der Reaktion

Auf dem Weg zur Wahrheit

Eine Chronik des Schreckens

Eine brisante Koexistenz

ANHANG

Chronologie

Quellen, Literatur und weiterführende Websites

Vorwort

Eine gute Nachricht für alle, die Kolumbien bereits kennen und lieben, oder für jene, die das Land zwischen Atlantik und Pazifik erst kennenlernen möchten: Man kann es im Großen und Ganzen ohne Probleme, ohne Gefahr besuchen und bereisen; die früher alltäglichen Entführungen sind nur mehr eine Erinnerung an die Vergangenheit, ebenso Überfälle auf Reisende. Das Land ist dabei, sich von seinem einstigen Ruf als Hort von Drogenhandel und Gewalt zu befreien. Was die Kriminalitätsstatistiken betrifft, so ist Kolumbien – für lateinamerikanische Verhältnisse – ein normales Land geworden. Die Besucherinnen und Besucher, die das Land zum ersten Mal bereisen, kehren zufrieden zurück und loben die Freundlichkeit der Menschen, ihre Liebenswürdigkeit, ihre Gastfreundschaft. In den letzten Jahren ist die Zahl der Reisenden konstant gestiegen, und Europa ist die Region, in der das Interesse an Kolumbien am stärksten wächst. Von einem Massentourismus ist das Land jedoch noch weit entfernt.

Von der Person, die diesen Prozess hin zu einer besseren Sicherheitslage und, damit einhergehend, verbesserter Mobilität angebahnt und umgesetzt hat – und von dem Preis, den das Land für diese Politik der »Demokratischen Sicherheit« zahlen musste –, wird in diesem Buch noch viel die Rede sein: Álvaro Uribe war, mit Ausnahme von Staatsgründer Simón Bolívar, der Präsident, der bislang am längsten die Geschicke des republikanischen Kolumbien lenkte. Hätte es der Verfassungsgerichtshof nicht verhindert, so wäre Uribe gar drei Amtsperioden lang im Palacio Nariño, dem Präsidentenpalast in Bogotá, geblieben. Uribe ist auch der Politiker, der dem Land am stärksten seinen persönlichen Stempel aufgedrückt hat. Das Wesen dieser Prägung ist noch wenig erforscht, und es wird noch viele Jahre dauern, bis die Periode des Uribismo, der Uribe-Herrschaft, historisch aufgearbeitet sein wird. Und im Zuge dieser Aufarbeitung werden große Überraschungen ans Tageslicht kommen.

Am 9. April 2013 zogen durch viele Städte Kolumbiens Massen von Menschen im Zeichen des Friedens, mit Slogans auf den Lippen, die zu einem friedlichen Ende des bewaffneten Dauerkonflikts aufriefen. In der Hauptstadt Bogotá führte Präsident Juan Manuel Santos gar selbst die Friedensdemonstrationen an, zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern von linken und Mitte-linken Organisationen, von indigenen, afrokolumbianischen und Frauenbewegungen, von politischen Gruppierungen des Zentrums, von Bauernorganisationen. Es war ein Tag der Einheit, ohne Sektierertum, ohne Dogmatismus: alle vereint im Ruf nach Frieden und für einen positiven Ausgang der in Havanna stattfindenden Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla.

Am selben Tag vor 65 Jahren waren ebenfalls Menschenmassen durch Bogotá gezogen, verzweifelt und wütend, tötend und brandschatzend, eine breite Spur der Zerstörung hinter sich lassend. Der 9. April 1948 war der Tag, an dem Jorge Eliécer Gaitán, der Hoffnungsträger der Armen und der Marginalisierten, im Zentrum der Hauptstadt ermordet wurde – und mit ihm für Millionen von Menschen der Traum von einer besseren Zukunft.

Seit jenem Tag kam Kolumbien nicht mehr zur Ruhe. Etwa eine halbe Million Menschen fielen in diesen 65 Jahren der Gewalt zum Opfer. In den kurzen Phasen der Ruhe brodelte es unter der Oberfläche stets weiter; im Untergrund bahnte sich immer schon der nächste Gewaltausbruch an. Mit dem Auftreten der neuen paramilitärischen Gruppierungen Anfang der 80er-Jahre wurde die Gewalt schließlich zu einem Alltagsphänomen, angeheizt von Paramilitarismus, Drogenhandel, Guerilla und Staatsterrorismus. Dabei folgte die immerwährende Gewaltspirale einem fatalen Muster: Die im Sinn der US-Doktrin der »Nationalen Sicherheit« ausgebildeten Streitkräfte sahen hinter allen Feinden und Kritikern des Systems die »Subversion«, die es zu eliminieren galt. Die Guerilla, vor allem die ländlich orientierten FARC, entführten und erpressten Grundbesitzer, um mit dem Lösegeld ihre militärische Schlagkraft zu steigern. Die von Entführungen bedrohten Kreise organisierten und bewaffneten sich, unterstützt vom Drogenhandel und von den staatlichen Sicherheitskräften. Was dann folgte, war die Zeit der Massaker, der Massenvertreibungen, des Verschwindens von Zigtausenden Menschen, deren sterbliche Überreste nun mühsam aus namenlosen Massengräbern geborgen werden.

Zu Beginn des neuen Millenniums betrat einer die politische Bühne Kolumbiens, der einen Ausweg versprach. Álvaro Uribe war ein völlig neuer Politiker-Typ – mit einem ganz eigenen Führungsstil. Ein dynamischer Mann mit Überzeugungskraft, ein Mann des Volkes, nicht einer dieser Gebildeten aus vornehmer Familie. Ein von Arbeitswut Besessener, der mit seinem ganzen Kabinett die Dörfer und Städte bereiste und den einfachen Menschen Rede und Antwort stand. Ein Mensch wie du und ich – dachten sich zumindest viele Kolumbianerinnen und Kolumbianer.

Der Lebenslauf von Álvaro Uribe weist viele Nähen zum Paramilitarismus und zum Drogenhandel auf, schon seit Anfang der 80er-Jahre, als der junge Jurist seine ersten politischen Gehversuche unternahm und als vor allem im Departement Antioquia, in dem die Familie Uribe verwurzelt ist, illegale bewaffnete Akteure neuer Dimension ihre ersten Erfolge feierten. Ein Beispiel für einen solchen Berührungspunkt ist der Fall der Entführung einer Tochter aus einer reichen Viehzüchter- und Drogenhändlerfamilie. Die Uribes waren mit der Familie Ochoa Vázquez verwandt und eng befreundet. Die Antwort von Medellíns High Society war die Gründung einer Gruppe, die sich »Tod den Entführern« nannte – so etwas wie die Generalprobe für das erklärte Vorhaben, solche direkten Angriffe auf die physische Integrität der Reichen zu bekämpfen und künftig zu verhindern. Es war ein erfolgreicher Versuch. Und einer, bei dem die Frage der Legalität der eingesetzten Mittel keine Rolle spielte.

Apropos Legalität: Für Uribe, das Staatsoberhaupt, den Oberkommandierenden der Streitkräfte, spielte die Frage der Gesetzmäßigkeit der Mittel nie eine Rolle. Zahlreiche Skandale untermauern diese Feststellung. In den acht Jahren seiner beiden Präsidentschaften etablierte sich in Kolumbien eine Kultur des todo vale: Der Zweck heiligt die Mittel. Diese Kultur wurde durch Uribe so etwas wie eine neue Staatsräson, und sie durchsetzte alsbald auch einen großen Teil des Staatsapparats, wurde zu einer Normalität des Uribismus.

Álvaro Uribe baute in den acht Jahren seiner Präsidentschaft ein ungeheures, raffiniertes und oft auch waghalsiges Lügengebäude auf. Die Konstruktion bekam zwar immer wieder einmal Risse, Teile davon fielen in sich zusammen, doch das Staatsoberhaupt aktivierte jedes Mal aufs Neue seine berühmt gewordene Fähigkeit, unversehrt aus den Trümmern aufzustehen, den Staub abzuschütteln und zur normalen Tagesordnung überzugehen. Und so konnte Uribe nach zwei Amtsperioden mehr oder weniger unbeschadet den Präsidentenpalast verlassen, während zahlreiche seiner engsten Vertrauten, Berater und Parteifreunde wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem Paramilitarismus verurteilt wurden. Doch einige zentrale Projekte seiner Herrschaft sind zumindest teilweise gescheitert: sein Vorhaben der Demobilisierung – oder besser gesagt: Legalisierung – der Paramilitärs; sein ambitioniertes Projekt der Unterwanderung staatlicher Institutionen mit mafiösen Machtstrukturen; sein Versuch, die Guerilla zum Aufgeben zu zwingen; die zweite Wiederwahl. Und fast immer waren es die Obersten Gerichte, die dem Präsidenten Stolpersteine in den Weg legten und eine noch weitere Machtkonzentration vereitelten.

Uribe ist seit August 2010 zwar Ex-Präsident, doch zur Ruhe gesetzt hat er sich mitnichten. Im Hintergrund zieht er weiter die Fäden, um sein Lebensprojekt einer »Neugründung« des Staates zu verwirklichen. Der dahinter stehende Machtzirkel ist immer noch intakt und entschlossen, seine Interessen durchzusetzen. Wichtige Vorhaben der Regierung Santos werden von diesen Kreisen torpediert: die Landrückgabe (und neoliberale Umgestaltung des Agrarsektors), die Opferentschädigung, der Friedensprozess. Doch die Eroberung der Macht durch den von Präsident Santos angeführten Block der modernisierenden Bourgeoisie hat den Uribismus spürbar geschwächt. Der Kampf zwischen den von Uribe und Santos angeführten Sektoren der Machteliten wird wahrscheinlich an Heftigkeit noch zunehmen. Juan Manuel Santos versucht, sich den antiuribistischen Kräften der Zivilgesellschaft, auch der Linken, anzunähern. Seine Teilnahme an den Demonstrationen vom 9. April kann als Signal in diese Richtung verstanden werden.

Die Gegenwart Kolumbiens steht ganz unter dem Zeichen der Friedensverhandlungen mit der Guerilla. Präsident Santos möchte als Friedenspräsident in die Geschichte eingehen, und paradoxerweise stehen ausgerechnet unter ihm, dem früheren Verteidigungsminister und Intimus des Kriegspräsidenten Uribe, die Aussichten auf ein Ende des bewaffneten Dauerkonflikts so gut wie noch nie. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches scheint ein Friedensabkommen zwischen der Regierung und den FARC Ende 2013 wahrscheinlich, gefolgt von einem Abkommen mit der zweiten Guerillabewegung ELN.

Ein derartiger Vertrag wäre allerdings nur ein Etappensieg auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden. Das mafiöse Geflecht von kriminellen bewaffneten Gruppierungen, von einflussreichen lokalen und regionalen Machthabern, von wirtschaftlichen Interessen und Teilen der Streitkräfte ist auch in der Post-Uribe-Ära noch sehr stark. Für Frieden und Demokratie in Kolumbien müsste der Staat mit voller Entschlossenheit gegen diese Kräfte vorgehen. Versäumt er dies, so besteht die Möglichkeit, dass es in der »Post-Konflikt-Ära«, also der Zeit nach einem Friedensabkommen, zu einem neuerlichen Aufflammen der Gewalt kommt.

Die Fülle an Informationen, die bei der Recherche zu diesem Buch anfiel, war gewaltig, und nicht alle interessanten Details konnten hier einfließen. Manches kann nur angerissen werden, wie etwa das Leben und Leiden – und der bewundernswerte Widerstand – der zivilgesellschaftlichen Bewegungen und Organisationen. Ohne den beharrlichen Widerstand und die Aufklärungstätigkeit von Nichtregierungsorganisationen, von sozialen, indigenen und afrokolumbianischen Bewegungen, Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und kritischen Medien wäre Uribes Projekt einer »Neugründung« Kolumbiens unter deutlich rechten Vorzeichen wahrscheinlich gelungen. Doch ist es mir in diesem Buch vor allem darum gegangen, das Wesen von Paramilitarismus und Uribismus zu beleuchten. Denn dies sind Schlüsselaspekte, um die Politik Kolumbiens der letzten Jahrzehnte – und auch der nahen Zukunft – besser zu verstehen. Ich hoffe, dies ist mir geglückt.

Werner Hörtner

Wien, im August 2013

Einführung – Mit Holzstock und Funkgerät für den Frieden

Eine Besonderheit in einem Land mit einem seit über einem halben Jahrhundert andauernden bewaffneten Konflikt: Die Nasa, das zweitgrößte indigene Volk Kolumbiens, kämpfen ohne Waffen gegen den Krieg. Und das erfolgreich.

Ein Hort des friedlichen Widerstands

Die Fotos gingen damals, im Juli 2012, um die ganze Welt, als eine Gruppe von Nasa im südlichen Kolumbien in einen Stützpunkt der Armee eindrang und die Soldaten eigenhändig von dort wegtrug. Der Stein des Anstoßes war, dass das Militär die Basis auf einem den Indigenen heiligen Berg errichtet hatte, dem »Berg Berlin« – eine blanke Provokation, duldeten die Nasa doch explizit keine bewaffneten Akteure in ihrem Territorium. Doch was tat die Öffentlichkeit? Die kolumbianischen Medien verwendeten die Fotos, auf denen weinende Soldaten zu sehen waren, zu einer Kampagne gegen die Nasa wegen »Erniedrigung der Armee«! »Die haben doch wegen der Tränengasgranaten geweint, die sie selbst verschossen haben, und nicht weil sie sich schämten«, lacht Arquímedes Vitonás Noscué, der ehemalige Bürgermeister von Toribío, einer Kleinstadt im Departement Cauca. Und er erzählt, wie Hunderte Frauen und Männer aus Toribío wütend auf den Berg gestiegen sind, die Soldaten in der Militärbasis gepackt und schlicht und einfach aus dem Lager getragen haben. Sie wollten damit deutlich machen, dass sie keine bewaffneten Einheiten in ihrem Stammesgebiet akzeptierten, ganz egal, von welcher Seite diese kamen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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