Kombüsengold - Kai Schächtele - E-Book

Kombüsengold E-Book

Kai Schächtele

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Beschreibung

In "Komüsengold" lassen uns 32 Schiffsköche aus aller Welt in ihre Töpfe schauen. Sie verraten uns Rezepte zwischen Chicken Biryani bis Sauerbraten, die auf See viel mehr bedeuten als Nahrungsaufnahme. Essen auf einem Schiff: Das ist Seelentrost, Notausgang, ein Gefühl von Heimat. Für manchen ist der Schiffkoch der wichtigste Mann an Bord. Schmeckt das Essen gut, ist die Stimmung besser. "Komüsengold" ist ein Kochbuch aus der rauen Wirklichkeit der Ozeane. Verfeinert mit Geschichten jener Männer, die wissen müssen, was auf einem Teller zählt. Fürs Nachkochen am eigenen Herd wurden alle Rezepte von Sterne-Koch Michael Röhm getestet.

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KOMBÜSENGOLD

32 REZEPTE UND HERDGESCHICHTEN VON SEE

AUTOR KAI SCHÄCHTELE

FOTOGRAF THOMAS DUFFÉ

Rezepte von weit draussen

»Kombüsengold« ist kein Kochbuch, wie Sie es kennen. Wir schreiben nicht ab Seite soundso über Nudeln und von Seite X bis Seite Y über Reisgerichte für Singles am Freitagabend. Oder über die angeblichen Geheimnisse eines Kochs, der meint, ein Star zu sein, weil er sich unter anderen Scheinwerfern bewegt. Dies ist ein anderes Kochbuch, eines, in dem es um Essenzen geht. Um Kochen als gemeinschaftliches Ereignis, um Essen und Kommunikation in reinsten Form. Um Kochen als Emotion, als Erlebnis, als eine Sammlung von Geschichten. Um Köche auf einem Frachtschiff.

Wer einmal versucht hat, einen Kaffee in einem fahrenden Auto zu trinken, der kann sich vielleicht vorstellen, wie schwierig das sein muss, auf einem bewegten Schiff drei Mahlzeiten für eine Horde von knapp 25 Seeleuten zu kochen, die keinen Hehl daraus machen, wenn ihnen das Ergebnis nicht schmeckt. Wer auf einem Schiff isst, der füllt nicht nur seinen Magen, sondern der streichelt auch seine Seele. Auf einem Frachter wird in Schichten gearbeitet, lang und hart und gefährlich kann das sein, und die Messe ist der einzige Ort, an dem aus einem zusammengewürfelten Haufen eine Mannschaft wird. Oder eben nicht: Ist der Koch schlecht, ist die Stimmung schlecht.

Der Fotograf Thomas Duffé hat über Jahre hinweg Schiffsköche in ihrer Kombüse besucht. Er hat sie nach ihren besten Rezepten und ihren Geschichten befragt. Die Autoren Kai Schächtele und Bastian Schlange sammelten die Geschichten anderer Seeleute ein. Duffé und Schächtele reisten eigens für »Kombüsengold« von Hamburg über die winterliche Ostsee nach Finnland, um zu erleben, wie das ist auf einem Frachtschiff. Wobei Duffé es schon wusste – denn er fuhr als junger Mann selbst zur See. Die Rezepte aus den Kombüsen testete der Lüneburger Sternekoch Michael Röhm, ein leidenschaftlicher Fan des FC St. Pauli, auf ihre Tauglichkeit an Land. Er hat die Rezepte gekocht, hat in den einzelnen Kapiteln kommentiert und Mengenangaben ergänzt, wo sie in den Originalvorlagen der Seeleute fehlten.

Wenn Sie die Geschichten lesen und diese Rezepte nachkochen, dann denken Sie an die Männer, von denen sie stammen.

Irgendwo weit draußen, irgendwo auf dem Meer.

Im Heidkrug

Probekochen

ZU BESUCH BEI STERNEKOCH MICHAEL RÖHM

Für Michael Röhm ist sein »Heidkrug« an Sonntagen normalerweise Sperrgebiet. Fünf Tage in der Woche steht der Koch am Herd des eigenen Restaurants. Die Schichten beginnen morgens um neun und enden nachts noch lange nicht, wenn der letzte Dessertteller abgeräumt ist. Der Sonntag ist der Tag der Woche, den er mit seinen Kindern verbringen kann. Der Tag, an dem er ein Leben führen kann. Der Tag, der nicht nach Gar- und Bratzeiten getaktet ist. Es muss also einen wichtigen Grund geben, wenn er an einem Sonntagmorgen um neun mit einem fröhlichen »Moin« die Tür des Backsteinbaus in der ansonsten menschenleeren Altstadt von Lüneburg aufsperrt.

Es ist vor allem die Neugier, der er seinen freien Tag opfert. Röhm will herausfinden, ob Gerichte, mit denen Schiffsköche ihre Mannschaften glücklich machen, auch an Land funktionieren. Dabei liegen nicht nur Tausende von Kilometern zwischen dem »Heidkrug« und den Containerschiffen, auf denen Röhms Brüder im Geiste arbeiten. Es sind auch Welten.

Sie sind so unterschiedlich wie Hand- und Faustball. Das Spielfeld hat ähnliche Ausmaße, das Spielgerät dieselbe Form. Doch das Spiel läuft nach komplett unterschiedlichen Regeln.

Röhm betritt den Raum mit der niedrigen Decke, dem dunklen Holzboden, den nackten Ziegelwänden und den dreizehn Tischen, an deren Korbstühlen noch acht Stunden vorher die letzten Gäste saßen. Sie aßen »Jakobsmuscheln mit vier Aromen«, »Wachtelkotelett mit Pfifferlingen und Sellerieschnitzel« oder »Schokoladenfondant mit süßer Erde und Yuzueis«. Mit solchen Gerichten hält Röhm seit 1994 einen Michelin-Stern. Doch der ist Auszeichnung und Verpflichtung zugleich. Seine Gäste wollen nicht nur das Essen des Chefs genießen. Sie wollen ihn auch sehen.

Deshalb hat er noch keine einzige Schicht verpasst, seit er den »Heidkrug« im Jahr 2000 eröffnete. Als seine drei Kinder zur Welt kamen, begrüßte er abends die Gäste. Auf den Hochzeiten seiner besten Freunde konnte er erst mitfeiern, nachdem er nachts den Laden zugesperrt hatte. Selbst als er sich bei einem Treppensturz zwei Rippen gebrochen hatte, stand er am Herd. »Kranksein gibt’s nicht«, sagt er. »Niemand kann hier meinen Job übernehmen. Die Leute wollen, dass der Chef persönlich an ihren Tisch kommt. Der Koch stirbt am Herd.« Röhm teilt damit das Schicksal der Männer, die an Bord von Containerschiffen fürs Essen verantwortlich sind: Auch von ihnen wird verlangt, dass sie Tag für Tag in der Kombüse stehen. Ganz egal, wie es ihnen gerade geht. Es ist nicht die einzige Parallele.

Der Siebenundvierzigjährige betritt die Küche und schlüpft in die Kochjacke mit dem Totenkopf und dem St.-Pauli-Schriftzug auf dem rechten Ärmel. Er ist in der Welt der Edelgastronomie angekommen. Doch ein Rest der Rauheit, wie sie auch vielen Seemännern zu eigen ist, steckt immer noch in dem Mann, in dessen Stimme so viel Kraft liegt, dass er damit auch als Frontmann einer Punk-Band durchgehen würde. Selbst seine Haare müsste er kaum mehr wachsen lassen. Die schwarzen Locken trägt er so, dass er sie sich bequem hinter die Ohren stecken kann.

Mit einigen Handgriffen versetzt er die Küche in den Arbeitsmodus. Reiht akkurat wie ein Chirurg vor der Operation die Messer auf. Heizt die Öfen vor. Doch der wichtigste Schritt: Er schaltet den Fernseher auf dem Kühlschrank ein und zappt zum Bezahlsender Sky. Dort läuft die Wiederholung der Bundesligaspiele vom Vortag. Dabei kennt er alle Ergebnisse. Er hat die Partien ja schon am Samstag gesehen. Doch in seiner Küche läuft grundsätzlich alles an Fußball, was es im Fernsehen zu sehen gibt. 1. Bundesliga, 2. Bundesliga, Champions League. Sein einziges Hobby, sagt er. Ein anderes könnte er bei seinem Job nicht pflegen. Es ist deshalb kein Zufall, dass auch sein Motto an den Fußball angelehnt ist: »Die Wahrheit liegt auf dem Teller.« Diesen Satz hat er ganz oben auf die Website des »Heidkrug« geschrieben.

Ein Schweinekotelett kann ihm genauso viel Freude bereiten wie ein Wachtelkotelett – solange es gut gemacht ist. »Es gibt nur zwei Küchen«, sagt er, als er die »Kombüsengold«-Rezepte an die Wand klebt. »Eine gute und eine schlechte.« In welche der beiden Kategorien die 32 Rezepte der Schiffsköche gehören, das will er in den folgenden Stunden erkochen und erkosten. Und das nicht allein. Für die Mittagszeit hat er Freunde eingeladen, die er an den Streifzügen durch die Welt der Schiffsküchen teilhaben lassen möchte.

Michael, wie sahen die Vorbereitungen auf diesen Tag aus?

Wir haben im Vorfeld unglaublich viel geschnitten und gehobelt. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viel Knoblauch und so viele Zwiebeln auf einmal verarbeitet. Gerichte, bei denen Fleisch geschmort werden muss, haben wir mit den entsprechenden Zutaten vorgeschmort, weil das keinen Qualitätsunterschied bedeutet. Pastagerichte wie Spaghetti vongole haben wir nur vorbereitet, indem wir die Muscheln vom Sand befreit haben.

Was ist dir beim Studium der Rezepte aufgefallen?

Viele Gerichte sind nach demselben Muster aufgebaut: viel Fleisch, viele Zwiebeln und Knoblauch, viele Tomaten. Alles Zutaten, die lange haltbar sind. Das geht auf einem Schiff auch nicht anders. Man kann ja nicht mal eben in den Supermarkt gehen, um frische Lebensmittel einzukaufen. Ein paar Gerichte sind dabei, bei denen ich sage: Alle Achtung, die muss man aushalten können. Bei Lamm Biryani, Rezept 15, steht zum Beispiel: 20 Gramm Chili-Pulver. Dazu fünf Chilis. Ich esse selbst gern scharf, doch das ist für uns eindeutig zu hart. Aber wir reden hier auch über andere Kulturen. Leute, die das zu sich nehmen, sind das so gewohnt. Ein paar witzige Rezepte sind auch dabei.

Zum Beispiel?

Etwa die Shrimps in süßsaurer Sauce. Da heißt es: Die Shrimps rösten, eine Flasche Ketchup drauf und dann anbraten lassen, bis der karamellisiert. Da würde ich den Koch gern fragen, wie dieses Rezept entstanden ist.

Welches sind die exotischsten Zutaten?

Das sind die Blüten der Bananenknospen im Kare-kare, einer Art philippinischem Eintopf. Hatte ich vorher noch nicht in der Hand. Wenn man die probiert, wird der Mundinnenraum taub. Für dieses Gericht mussten wir auch einen Pansen verarbeiten, also Kuhmagen. Als wir den hier vorgekocht haben, roch es vier Stunden wie im Kuhstall. Für die Filipinos ist Kare Kare ein Alltagsgericht. Für europäische Geschmacksnerven ist es, sagen wir, eher gewöhnungsbedürftig.

Welche Gerüche waren während der Vorbereitungen die angenehmeren?

Gern hatte ich die in der Nase, die mich an meine Urlaube in Thailand erinnert haben. Mit den Fisch- und Oystersaucen roch es hier gelegentlich wie in den Straßenküchen in Asien. Aber selbst diese Wokgerichte haben einen für Asien untypisch hohen Fettanteil. Schon beim Durchlesen konnte man insgesamt sehen: An Bord solcher Schiffe wird sehr gehaltvoll gekocht. Das ist keine Überraschung. Die Männer arbeiten hart und brauchen Kraft.

Der Raum, in den Röhm eintauchen wird, in diesen Kosmos der Kombüsenmeister, ist wahrscheinlich kleiner als der Arbeitsplatz vieler Schiffsköche. In den vierzehn Jahren, die es den »Heidkrug« schon gibt, hat sich Röhm darin immer weiter ausgedehnt und ihn an seine Bedürfnisse angepasst. Nur der Raum selbst ist nicht mitgewachsen.

Auf einer Seite der Herd mit den acht Gasflammen, darüber ein Regal mit unzähligen verrußten Pfannen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Kühlschrank mit dem Fernseher. Es läuft gerade Schalke 04 gegen Bayer Leverkusen. »Ging 2:2 aus«, sagt Röhm. »Ausgleich kurz vor Schluss.« In der Mitte des Raumes die Zeile mit dem Konvektomat, einem professionellen Heißluftofen, und dem Holdomat, dem Warmhaltegerät. Im hinteren Teil die Theke für die Patisserie und die kalte Küche sowie der Spülbereich.

Gern würde Röhm die Geometrie der Küche verändern, um die Laufwege zu optimieren, wie man es in der Fußballersprache ausdrücken würde. Doch Umbauten sind verboten. Wegen des Denkmalschutzes. Das Gebäude, in dem einst ein Brauer die Lüneburger bekocht und mit Bier versorgt hat, wurde zum ersten Mal 1450 urkundlich erwähnt.

Wenn die fünfköpfige Mannschaft vollständig anwesend ist, die an einem normalen Abend dreihundert Kreationen nach draußen schickt, muss deshalb jeder genau wissen, was der andere tut. Andernfalls würden ständig Teller, Töpfe und Pfannen auf den Boden krachen. Aber wenn das Team funktioniert, kommt es auch auf so engem Raum zurecht. Im »Heidkrug« ist das offensichtlich der Fall. »Ich habe schon in mehreren Restaurants gearbeitet«, erzählt Davina Dähn, die für die Patisserie zuständig ist und ihrem Chef an diesem Tag assistiert. »Ich kenne keine Küche, in der ein so gutes Klima herrscht wie in dieser.«

Man merkt das auch an diesem Tag. Jeder zweite von Röhms Sätzen endet mit einem lauten Lachen. Er erteilt keine Befehle, sondern formuliert Bitten. Aber er lässt auch keinen Zweifel daran, dass er von anderen dieselbe Leidenschaft und Professionalität erwartet, die er selbst vorlebt. Röhm legt Wert auf einen freundlichen Ton. Doch am Herd hört die Freundschaft schon mal auf.

Er reißt den ersten Zettel von der Wand, Rezept Nummer 20, Spinatcremesuppe, und trägt die Zutaten vor: gehackter Spinat, Hühnerbrühe, Milch, Sahne, Gewürze. Er kocht den frischen Wasserspinat aus dem Asia-Laden mit Hühnerbrühe, Milch und Sahne auf, rührt die Gewürze unter und püriert das Ganze. »Ein einfaches Gericht für zwischendurch«, sagt er, als er davon kostet. »Daran gibt es nichts auszusetzen. Schmeckt lecker. Man merkt schon bei diesem ersten Gericht, dass die Asiaten einen kräftigen Geschmack lieben.«

Verwendest du keine Rezepte?

Nein, kein einziges. Ich bin Bauchmensch. Außer bei der Patisserie, bei der es auf exakte Mengen ankommt, koche ich nur nach Gefühl.

Nach welchen Maßgaben kochen dann deine Angestellten?

Die Saucen und Fonds koche ich alle selbst. Und die Zutaten, die mein Team zubereitet, schmecke ich immer ab. Das ist der Vorteil eines kleinen Teams.

Wie weißt du, was klappt und was nicht?

Durch Probieren. Und wenn mal etwas schiefgeht, mache ich es beim nächsten Mal eben anders. Mein Restaurantleiter in Berlin sagte, wenn ein Versuch danebenging, als netteste Umschreibung für »Schmeckt furchtbar« immer: »Oh, das ist aber interessant.«

Und dann?

Wegwerfen und von vorne anfangen. Ich probiere grundsätzlich alles, was diese Küche verlässt. Nichts ist schlimmer, als wenn ein Gast sagt: »Das ist ja völlig versalzen.« Oder: »Das schmeckt ja nach gar nichts.« Ich sage auch zu meinen Leuten in der Küche immer: Kontrolliere dich selbst und du vermeidest die meisten Fehler.

In den folgenden Stunden brät, gart und kocht sich Röhm einmal um die ganze Welt. Gerichte wie der Sauerbraten entlocken ihm Erinnerungen an seine Kindheit. Seafood Sinigang oder die Thai-Curry-Suppe lassen ihn im Geiste über eine überfüllte Hauptstraße in Bangkok spazieren. Und bei Spaghetti vongole hat er das Gefühl, vor einer kleinen Taverne auf Sizilien zu sitzen. Und im Hintergrund singt einer »O sole mio«. Den ganzen Tag kommen Freunde durch den Innenhof in die Küche. Halten ein Schwätzchen, gehen nach oben in den ersten Stock, wo der Tisch gedeckt ist, und lassen sich der Reihe nach servieren, was Röhm kocht. Der »Heidkrug« gleicht an diesem Tag einem italienischen Landgasthof.

Es geht bereits auf vier Uhr nachmittags zu, die Geschmacksnerven sind überreizt wie Ohren nach einem Drei-Tage-Open-Air, als Röhm zu Rezept 12 kommt: Kare-kare. Es ist das Gericht, das im Wortsinn eine Grenze überschreitet, zu einer Kultur, die Europäern normalerweise verborgen bleibt.

Sowohl die Köche als auch die Mannschaften stammen in der modernen Handelsschifffahrt größtenteils von den Philippinen. Niemand kann genau erklären, wie es dazu gekommen ist. Filipinos gelten als zuverlässig und fleißig. Außerdem sind viele zumindest mit den Grundbegriffen der englischen Sprache vertraut. Viele Köche kochen an Bord so, wie sie es in ihrer Heimat gelernt haben. Authentisch, unverfälscht, ohne Rücksicht auf den europäischen Geschmack. Und deshalb ganz anders als in hiesigen Asia-Restaurants, wo der Thai-Curry auf der Karte zutreffender mit »Eintopf mit asiatischem Einschlag« beschrieben wäre.

Für die Besatzung der »NYK Vesta«, aus deren Kombüse dieses Rezept stammt, ist Kare-kare ein beliebtes Alltagsgericht. Wie hierzulande Gulasch. Nur eben mit Bananenknospen und Kuhmagen statt mit Paprika und Rindfleisch.

Röhm wirft die Zutaten – den vorgekochten Pansen, das gebratene Rindfleisch, die Erdnussbutter, das Reismehl und die vielen Gewürze – in einen Topf, lässt alles aufkochen und gibt zum Schluss die Bananenknospen hinzu. Als er kostet, verzieht er den Mund. »Das sollte nur kochen, wer seine Gäste mit einer kulinarischen Herausforderung überraschen möchte«, sagt er und lacht. Der Geschmack ist das eine. Das andere die etwas schleimige Konsistenz, für die vor allem die drei Tassen Erdnussbutter verantwortlich sind, die im Rezept angegeben sind. An die hat sich Röhm genau gehalten. Wahrscheinlich, weil in diesem Fall auch seine Intuition an ihre Grenzen gestoßen ist.

Nach dem letzten Rezept, Huhn in schwarzer Sauce, endet der Tag. »Ich habe noch nie so viel auf einmal gegessen«, sagt er, als er im Innenhof an einer Zigarette zieht.

Wie fällt dein Urteil aus?

Die Gerichte waren deftig, gut gewürzt.

Deine Favoriten?

Besonders gut gefallen hat mir die Ente. Die war ein Knaller. Auch das Estouffade de Boeuf bourguignon war lecker. Insgesamt kann man sagen: Die Köche arbeiten unter besonderen Bedingungen. Sie können sich nur in einem bestimmten Rahmen bewegen. Und sie machen daraus nicht nur das Beste, sondern oft auch etwas sehr Gutes. Bei ihnen würde auch ich mich gern zum Essen hinsetzen.

Was bedeutet dir Essen?

Für mich ist das ein Stück Lebensqualität. Alle sitzen an einem großen Tisch. In der Mitte stehen große Schüsseln, aus denen sich jeder bedienen kann, und ein guter Wein, und dann wird in einer Tour gequasselt. Nicht das Essen steht im Mittelpunkt, sondern das Treffen.

Und liefern die 32 Rezepte dafür eine gute Grundlage?

Ja. Die Gerichte schmecken so, dass man sich dazu gern mit anderen zusammensetzt. Und das ist die Hauptsache.

Der Fotograf erzählt

MASTER NEXT COD

Von Thomas Duffé, Aufgeschrieben von Stefan Krücken

Zum Thema Fischgerichte fällt mir eine Episode ein, die auf einem kleinen Küstenmotorschiff spielt, 1978 muss das gewesen sein. Wir brachten Zellulose nach Lissabon und waren in der Biskaya unterwegs. Die See war ruhig, und einem Matrosen kam die Idee, zu angeln. Thunfisch. Der Käpt’n stimmte zu. Unsere »Angel« sah so aus: ein langes Tau, an das wir ein knapp vier Meter langes »Gummiseil« (mit dem wir sonst das Stückgut fixierten) knoteten. Am Gummi befestigten wir ein dünnes Stahlseil und daran den Haken, den es auf jedem Schiff gibt. (Wie die Angelhaken an Bord kommen, ist eines der ungelösten Rätsel der Seefahrt.)

Fische sind zwar ziemlich blöd, aber nicht blöd genug, um in einen nackten Haken zu beißen. Also haben wir ihn mit buntem Flatterband »geschmückt«, damit er appetitlich aussah. Der Alte wurde zum Fischdampferkapitän, fuhr mal langsamer, mal schneller, mal geradeaus und mal in großen Bögen und jedes Mal, wenn er nach Achtern raus schaute und den Koch sah, der sich mit einem Bier in der Hand breitbeinig am Grill postiert hatte, knurrte er leise vor sich hin. Das Unglaubliche geschah: Ein Thunfisch biss an! Sofort Befehl »Maschine stopp!«, Riesenaufregung, der Fisch, knapp anderthalb Meter lang, zappelte an Deck. Keine zwanzig Minuten später schmeckte uns eine der köstlichsten Mahlzeiten, an die ich mich während meiner Zeit auf See erinnern kann. Das frischeste Thunfisch-Steak der Welt.

Manch einer behauptet ja, der Koch sei der wichtigste Mann an Bord, wichtiger noch als der Kapitän. Ich sage: Nein, nein, nein. Der Kapitän ist das Alphatier an Bord, nur der Kapitän sagt, wo es langgeht. Er ist immer verantwortlich. Er ist auch immer schuld. Dass der »Alte« ein Arsch ist, darauf können sich alle verständigen. Aber jeder findet sich zurecht in diesem System, notgedrungen, wenn es nicht anders geht. Der Koch ist auch wichtig, aber anders: Er rührt den Teig, der alles zusammenhält. Die Crew in ihren einzelnen Teilen, alles als Einheit. Dauerhaft schlechtes Essen an Bord untergräbt die Moral jeder Mannschaft. Wenn die kleine Ruhepause, auf die sich jeder freut, wegfällt, wenn die Höhepunkte im oft tristen Bordalltag fehlen, finde ich schon bald die anderen Seeleute doof. Dann finde ich den Käpt’n doof. Und wenn ich die Reederei doof finde, mustere ich ab.

Es läuft ja nicht wie an Land, wo man nach einer schlechten Mahlzeit in einem Restaurant flucht und nie wieder hingeht. Oder die Kantine, über die man schimpft und sich nach Alternativen umsieht. Nein, auf einem Schiff trifft man sich immer wieder. Man mag sich nicht, aber man muss miteinander auskommen. Man kann dann sagen: »Du kannst gar nicht kochen, du bist kein Koch.« Aber der Koch kann nicht antworten: »Dann geh doch weg und iss woanders!« An jedem Abend hockt man zusammen in den Gemeinschaftsräumen, unten, wo der Fernseher flimmert, nebeneinander und beide denken: Scheiße, jetzt muss ich auch noch neben dem Fernsehen gucken. Nicht nur einen Tag, auch nicht nur eine Woche und auch nicht nur einen Monat. Sondern ein halbes Jahr lang. Einer bricht irgendwann zusammen. Der Koch ist alleine, denn in der Regel gibt es keinen anderen Koch. Der Matrose aber hat noch 18 Kollegen, denen er andauernd erzählen kann: »Jetzt gehen wir wieder zu dem Koch, der nicht kochen kann. Schmeckt dir das auch nicht? Ach, dann probier mal!«

Der Koch genießt in der Regel auch einen besonderen Status an Bord. Er gehört nirgendwo dazu. Nicht zu den Offizieren, nicht zur Mannschaft. Die Kombüse ist sein Hoheitsgebiet, das selbst der Käpt’n eigentlich nie betritt. Man muss fragen, ob man hineindarf, wie auf der Brücke. Geht der Käpt'n in die Kombüse, ist das selten ein gutes Zeichen für den Koch.

Auch in den Chefetagen der Reedereien ist inzwischen angekommen, wie wichtig das Essen an Bord der Containerschiffe ist, die wie Busse nach einem festen Fahrplan über die Meere rauschen. Früher war es beinahe eine Art Wettbewerb, an der Verpflegung für die Mannschaften zu sparen. Auf den Segelschiffen Anfang des 20. Jahrhunderts bestanden die Mahlzeiten aus gruseligem Salzfleisch, das die Mannschaften ohne Umschweife »Salted Horse« nannten, gesalzenes Pferd. Noch in den späten Achtzigerjahren gab es einen Versuch, ein Schiff mit einem Satz Mikrowellen und einem Haufen Fertiggerichte zu fahren. Man brach den Versuch nach wenigen Wochen ab, weil eine Meuterei kurz bevorstand. Heutzutage legt man Wert auf ausgewogene Ernährung – und selbst Finessen sind erlaubt.

»Master next God«, den Meister neben Gott, so nennt man den Kapitän. Wenn das so ist, dann handelt es sich beim Schiffskoch um den »Master next Cod.« Den Kabeljau bitte in Butter zerlassen und mit Petersilie servieren.

Lesen Sie im Folgenden von den Fischgerichten aus der Bordkombüse.

Stanimir Ivanov Gospodinov

Bulgarien

Geb. 1972 / Schiffskoch seit 1994 / an Bord der »NYK Goliath Leader«

EIN LEBEN NACH SEINEM GESCHMACK

Stanimir Ivanov Gospodinov

Was einen guten Schiffskoch ausmacht? Für Stanimir Gospodinow ist es nicht die Fähigkeit, Speisen so zuzubereiten, dass man sie gern isst. Das ist für ihn eine Selbstverständlichkeit.

»Ein Koch muss ein Gespür haben für die Stimmung innerhalb einer Mannschaft«, sagt er. Er sei wie ein Artist, der die Balance finden müsse: einerseits unbeirrt darüber bestimmen, was in seinen Kochtopf kommt – und andererseits Zugeständnisse an die Bedürfnisse der hungrigen Belegschaft an Bord machen. Der Zweimetermann Gospodinow macht nicht den Eindruck, als hätte ihn diese Herausforderung jemals nervös gemacht. Unbekanntes Terrain hat ihm nie Ehrfurcht eingeflößt. Angst zu scheitern? Kennt er nicht. Sonst hätte er gleich an Land bleiben können.

Als der Bulgare im Jahr 1994 auf seinem ersten Dampfer anheuerte, sprach er kein Wort Englisch. Keine große Sache, findet er. Wer neugierig ist und aufmerksam, außerdem die richtigen Fragen stellt und nicht zögert, das Gelernte sofort anzuwenden, kommt schnell zurecht. Ob an Land, auf See – und erst recht am Herd.

Seine Philosophie ist einfach und frei von jedem Selbstzweifel. »Jeder kann zu mir kommen, wenn ihm das Essen nicht schmeckt«, sagt er, lächelt und macht nicht den Anschein, als ob man mit ihm stundenlang über die Menüfolge diskutieren sollte. Natürlich, sagt er mit Bedacht, auf einem Containerschiff versammeln sich heute Männer aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen. »Darauf nehme ich natürlich Rücksicht.« Aber jeder möge sich doch bitte ein bisschen anpassen, das mache er schließlich auch.

Als Schiffskoch hat er den für sich perfekten Job gefunden. Anstrengende Arbeit, lange Tage. An Bord verbringt er pro Jahr sechs bis acht Monate, in der Zeit verdient er mehr Geld, als er in Bulgarien in zwölf Monaten hereinholen könnte. Umso entspannter verbringt er die Zeit daheim mit seiner Lieblingsbeschäftigung: Er setzt sich in sein Stammcafé und schaut den Landsleuten beim Arbeiten zu. Dann verläuft das Leben einmal ganz nach seinem Geschmack.

SHRIMPS

IN SÜSSSAURER SAUCE

Zutaten für 4 Personen:

800 g gesäuberte Shrimps

1 Flasche Ketchup

2 Zwiebeln

4 Zehen Knoblauch

Salz und Pfeffer

Zubereitung

1. Die Shrimps von den Schalen lösen, dabei aber darauf achten, dass der Schwanz intakt bleibt

2. Die Shrimps zusammen mit Zwiebeln, Knoblauch, Salz und Pfeffer anbraten

3. Wenn die Shrimps so weit sind, eine Flasche Ketchup zugeben und warten, bis der Ketchup karamellisiert ist

4. Mit Reis oder abgeschreckten Nudeln servieren

Wenn man die Shrimps so zubereitet, wie es hier beschrieben wird, sind sie völlig übergart. Ich würde es anders machen: Die Shrimps kurz anbraten, aus der Pfanne nehmen und, wenn der Ketchup so weit ist, die Shrimps reinschmeißen, einmal durchschwenken und fertig. So bleiben sie zart. Nicht enttäuscht sein, wenn der Ketchup nicht karamellisiert. Wenn man Spaß am Kochen hat, kommt trotzdem etwas Schmackhaftes heraus. Ich empfehle 50 Gramm trockenen Reis pro Person.

EMERICO P. CRUZADO

Republik der Philippinen

Geb. 1976 / Schiffskoch seit 2010 / an Bord der »MV Kuwana«

DER PULSGEBER

Emerico P. Cruzado

Ein Containerschiff wie die »MV Kuwana«, 174 Meter lang, ist ein komplexer Organismus. Schließlich muss ein solcher Koloss binnen weniger Stunden in jedem Hafen der Welt ent- und beladen werden. Tief drinnen in diesem Hochleistungskörper schlägt das Herz, die Galley. Und der Schiffskoch ist der Pulsgeber.