Komm in den Myrtengarten - Sylvia Alphéus - E-Book

Komm in den Myrtengarten E-Book

Sylvia Alphéus

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Beschreibung

Die jüdisch-hebräische Lyrik erblühte auf der Iberischen Halbinsel zwischen dem 10. und 15. Jahrhundert in der Begegnung mit der arabischen Kultur. Sie ist ein Teil des Reichtums der Geschichte und der Kultur Spaniens. Auf dem Hintergrund ihrer religiösen Tradition wandten sich die jüdischen Dichter in al-Andalus auch den Freuden der Welt zu. Gleichzeitig sahen sie sich in der spanischen Diaspora einem stets bedrohlichen Schicksal ausgesetzt. Ihre Gedichte können uns auch Jahrhunderte später faszinieren.

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Seitenzahl: 107

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Sylvia Alphéus

Jahrgang 1938, geboren in Oldenburg i.O., Tätigkeit in der Landwirtschaft, Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen (Deutsch, Geschichte), Unterricht an Schulen mit hohem Anteil ausländischer Kinder. Dozentin in der Regionalen Erwachsenenbildung, Dezernentin mit den Schwerpunkten »Interkulturelles Lernen« und »Grundschulpädagogik« am Niedersächsischen Landesinstitut für Lehrerfortbildung in Hildesheim.

Lothar Jegensdorf

Jahrgang 1940, geboren in Elbing (Westpreußen), Studium der Germanistik und Katholischen Theologie, Promotion in Neuerer Literaturwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum, Studienrat an Gymnasien, Assistent an der Päd. Hochschule Niedersachsen im Fach »Deutschdidaktik«, Direktor beim Niedersächsischen Landesinstitut für Lehrerfortbildung in Hildesheim.

Mohsen Jelodar Shoushtar

Jahrgang 1984, geboren im Ahwaz (Iran). Dort Studium der Visuellen Kommunikation, Tätigkeit als Werbegraphiker und selbständiger Designer. Seit 2015 in Deutschland. Bundesfreiwilligendienst im Kulturbüro der Stadt Oldenburg. Beteiligung an Ausstellungen und Fotoworkshops im Rahmen des Kulturfestivals »blue OL«. Gegenwärtig Photograph und Graphiker.

Smadar Wältermann

Jahrgang 1969, aufgewachsen im Kibbutz Giwat Chaim Meuchad (Israel). Therapeutische Reitlehrerin. Seit 1995 in Deutschland. Dozentin für Hebräisch an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Freie Übersetzerin Hebräisch-Deutsch. Ausbildung zur Gabbait (Organisatorin des jüdischen Gottesdienstes). Angestellt in der Jüdischen Gemeinde zu Oldenburg in Verwaltung und Organisation.

»Komm in den Myrtengarten!«

Lyrik der Sepharden aus al-Andalus

Sylvia Alphéus ‒ Lothar Jegensdorf

Copyright © Romeon Verlag, Jüchen 2023

Die Rechte für die kommentierenden Textteile liegen bei den beiden Autoren. Die Rechte für den Abdruck der Gedichte haben die jeweils genannten Verlage den Autoren erteilt. Für einige Gedichte konnten die Inhaber der Rechte nicht ermittelt werden; sie werden gebeten, sich ggf. an die Autoren zu wenden.

Umschlag, Layout und Satz: Mohsen Jelodar Shoushtar

Hebräische Schriftzeilen: Smadar Wältermann

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind abrufbar unter http//dnb.dnb.de

ISBN: (E-Book)

978-3-96229-631-5

www.romeon-verlag.de

Inhalt

»Lob der hebräischen Dichtung von al-Andalus«

Einführung

Natur

»Die Erde liebt des Himmels Antlitz«

Wein

»Er küsst und beißt, macht krank und wieder heil«

Liebe

»In meinem Herzen lodert ihre Glut«

Vergänglichkeit

»Der Tod ist eine Sichel – wir sind seine Ernte«

Exil

»Lass Hispanien, nach Zion zieh!«

Anhang

Dichterbiographien

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Zeittafel

Lob der hebräischen Dichtung von al-Andalus

Wisset, der köstlichen Dichtung Wundergabe

war früher allein Arabiens Söhnen gemein.

Die wussten sie wohl zu hegen und pflegen,

mit richtiger Waage gebührend zu wägen.

Zu ihnen kamen viele unsrer Vorfahren.

Nachdem aus der Heimat vertrieben sie waren*,

lernten sie deren Gedanken Gang

und deren Sprache vollkommenen Klang.

Darauf ein Teil des Stammes Jehuda

sich wandte nach Hispania.

Da weilten sie im arabischen Kreise,

erkannten auch der Dichtung Weise.

Als ihre alten Weisen aufhörten zu singen,

begann Hispaniens Leier zu klingen.

Als Ostens Söhne keinen Ton mehr fanden,

sind des Westens Sänger erstanden.

Im Jahre 4700 nach Schöpfung der Welt**

ward in Spanien ihr Geist erhellt,

und es begannen der Hebräer Söhne

zu lernen der Lieder neue Töne.

Es loderte auf der Dichtung Flamme,

ihr Schein ward gesehn im ganzen Stamme.

In Spanien erglänzte der Sonne Herrlichkeit

am Himmel der Erhabenheit.

Damals wogte des Wissens Meer

und trieb die köstlichsten Perlen einher.

Wem Wissbegier sollte die Brust erfüllen,

der konnte den Durst nach Herzenslust stillen.

Überall sah er Brunnen süßen Wassers quillen,

wo seinen Schlauch er konnte füllen.

Von Osten und Westen kamen die Besten

aus dem Reiche der Mohammedaner und Christen.

Es erstand das Geschlecht des lieblichen Dichterchors,

ihre Zeit heißt nach ihnen die des Blumenflors,

ein Dichtergeschlecht von seltener Milde,

das Geschlecht der neuen Sängergilde.

Sie waren des Wortes so mächtig,

die Reime erklangen so prächtig,

die Verse rundeten sich künstlerisch süß,

als wären es Früchte, gepflückt im Paradies.1

Yehuda ben al-Charisi (geb. um 1170 in Toledo)

*Vertreibung der Juden aus Palästina durch die Römer im Jahre 70 u. Z.

**Dem Jahr 4700 im Jüdischen Kalender entspricht das Jahr 940 im Gregorianischen Kalender.

Einführung

Baudenkmäler in Córdoba, Granada und Sevilla zeugen vom hohen Niveau der ehemaligen islamisch-arabischen Kultur auf der Iberischen Halbinsel. Auf Schritt und Tritt findet man in ganz Spanien ihre materiellen Relikte; kein Reiseführer versäumt es, auf sie hinzuweisen. Obwohl auch Juden, die sich »Sephárden«2 nannten, in der Geschichte Spaniens eine bedeutende Rolle gespielt haben, finden sich heute von ihnen nur an wenigen Orten sichtbare Spuren auf der Iberischen Halbinsel. Zwei Gründe sind für diese Unsichtbarkeit maßgebend:

Zum einen sind ihre architektonischen Hinterlassenschaften wie Synagogen seit ihrer Vertreibung im 15. Jahrhundert systematisch getilgt worden. Zum anderen hatte sich ihre Kultur im Wesentlichen auf den Gebieten der Wissenschaften und der Literatur ausgeprägt. Zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert war Spanien das geistige Zentrum der jüdischen Welt. Die jüdische Poesie in hebräischer Sprache ist ein Teil des Reichtums der mittelalterlichen Geschichte und Kultur Spaniens.

Zielgruppe dieser kommentierten Anthologie ist eine an der jüdischen Kultur, der Geschichte und der Literatur Spaniens interessierte Leserschaft. Damit wird jene Publikation thematisch ergänzt, die die Verfasser zur damaligen arabischen Liebeslyrik auf der Iberischen Halbinsel vorgelegt haben.3 Beide Veröffentlichungen zusammen beschreiben die einzigartige »Doppelblüte«4 von islamisch-arabischer und jüdisch-hebräischer Literatur im spanischen Mittelalter.

Die Autoren dieser Anthologie verstehen sich als Vermittler der jüdisch-hebräischen Literatur, die bisher zu Unrecht im Schatten der islamisch-arabischen steht. Diese kommentierte Auswahl soll Leserinnen und Lesern einen leichten Zugang zur hebräischen Poesie im Südwesten Europas eröffnen. Die Sepharden haben die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung auf der Iberischen Halbinsel und nach ihrer Vertreibung auch in anderen mediterranen und europäischen Ländern wesentlich mitgeprägt.

Über die Kenntnis ihrer Literatur kann man frühere Epochen in vertiefter Weise verstehen. In den ausgewählten Gedichten kommt zum Ausdruck, was die damaligen Juden den Erfahrungen von Repression und Vergänglichkeit allen Seins entgegensetzten: Freude an der Natur, an der Liebe, am Weingenuss, Hoffnung auf Erlösung im Vertrauen auf Jahwe, ihren Gott, der mit dem jüdischen Volk gemäß Überlieferung in Vorzeiten einen Bund geschlossen hatte. Wir möchten mit der Präsentation jüdisch-hebräischer Gedichte einen speziellen Blick auf jene Epoche des »Goldenen Zeitalters von al-Andalus« werfen, die im 8. Jahrhundert begann und 1492 mit der Übergabe der Alhambra von Granada an Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien ihren tragischen Abschluss fand.

Unser literarischer Brückenschlag eröffnet einen Zugang zu einer seit Jahrhunderten beendeten Kulturepoche. Gleichzeitig aber stellen wir bei der Lektüre der Gedichte mit nicht geringem Erstaunen fest, dass viele Erfahrungen der jüdischen Dichter, viele ihrer behandelten Themen und aufgeworfenen Fragen unseren ureigenen Erfahrungen, Themen und Fragen ähneln, so dass wir uns mit fremden Augen betrachten können. Der literarische Brückenschlag führt also gleichzeitig in die eigene Gegenwart. Damit erschließt die Universalität der jüdischen Poesie über Zeiten und Räume hinweg neue Möglichkeiten zur Selbstreflexion.

Wir beschränken uns bei unserer Auswahl auf die jüdisch-hebräische Lyrik, die auf der Iberischen Halbinsel zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert entstand. Darüber hinaus konzentrieren wir uns auf die Texte von fünf Dichtern, deren Namen und Werke die Jahrhunderte überdauert haben:

- Dunash ben Labrat, geb. um 925

- Shemu’el ha-Nagid, geb. 993

- Shelomo ibn Gabirol, geb. 1020

- Moshe ibn Ezra, geb. 1055

- Yehuda ha-Lewi, geb. um 1070

Diese Dichter gelten uns als repräsentativ für eine weit größere Anzahl jüdischer Poeten jener Jahrhunderte, wobei hinzuzufügen ist, dass vermutlich nicht unerhebliche Teile der ehemaligen jüdischen Dichtung von al-Andalus verlorengegangen sind.

Unsere Auswahl schöpft aus dem damaligen Reichtum der weltlichen hebräischen Lyrik. Sie stand immer im Schatten der religiösen. Erst die lang sich hinziehende Emanzipation der Juden in Europa seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert, die Einrichtung von Lehrstühlen für Hebraistik an staatlichen Universitäten und umfangreiche literarische Funde im 19. Jahrhundert5 – verbunden mit der Suche der Juden nach einer nationalen Heimstatt – richteten den Blick wieder auf das ganze Spektrum der jüdischen Poesie im spanischen Mittelalters.

Die arabische Hochkultur als Umfeld der jüdischen Lyrik

Die Entstehung der jüdisch-hebräischen Poesie auf der Iberischen Halbinsel ist nur durch die Faszination zu erklären, die die damalige arabische Kultur auf den gesamten Mittelmeerraum und auf Europa ausstrahlte. Unter der Herrschaft der Omayaden begann eine Epoche des Aufschwungs in Kunst, Literatur, Wirtschaft und Wissenschaft. Wer auf hohem Niveau Mathematik, Astronomie, Logik, Medizin studieren wollte, musste nach al-Andalus pilgern und Arabisch lernen. Professoren und lernbegierige Kleriker aus ganz Europa machten sich in den Süden auf und kamen mit neuesten Erkenntnissen und Schriften in ihre Heimatländer zurück. In Córdoba und an den Höfen der späteren Kleinkönigreiche (»Taifas«) lebte eine gebildete arabische Bevölkerungsschicht. In Verbindung mit einem enthusiastischen Naturgefühl, hoher Musikalität, seelischer Empfindsamkeit und Gedankenfreiheit griff die gleichzeitige arabische Dichtung Themen aus allen weltlichen Lebensbereichen auf.

Die jüdische Minderheit nahm an der arabischen Hochkultur, in der sie lebte, regen Anteil und entwickelte auf der Grundlage ihrer Tradition neue Aktivitäten. Juden lebten nach der weitgehenden Eroberung der Pyrenäenhalbinsel durch die Araber sowohl in den neuen muslimischen wie in den verbliebenen christlich geprägten Gebieten im Norden. Sie trugen wesentlich zum kulturellen und wirtschaftlichen Austausch bei. Sie waren geschätzt wegen ihres Wissens, ihrer Sprachfähigkeiten, ihres Fleißes, ihrer Zuverlässigkeit und Loyalität den Herrschenden gegenüber. Im Rückblick dürfte es »die brillanteste Epoche der jüdischen Geschichte«6 gewesen sein, zumal Juden in unterschiedlichen Lebensbereichen herausragende Leistungen erbrachten.

Die Hochschätzung der arabischen Lebensart und Poesie durch das damalige Judentum zeigt das folgende Gedicht von Shemu’el ha-Nagid. Es nennt Elemente, die inhalts- und teilweise wortgleich von arabischen Dichtern in höchsten Tönen als Inbegriff irdischer Glückseligkeit gepriesen werden:

Lebensphilosophie

Fünf Dinge sind’s, die jedes Leid vertreiben

und jedes Herz mit Freude füllen:

ein Garten, Wein, ein schönes Antlitz,

das Plätschern eines Baches und ein Poet.7

Das sprachliche Umfeld der hebräischen Lyrik

Chasdai Ibn Schaprut (910 - 970), Leibarzt und Berater des Kalifen, holte in dessen Auftrag jüdische Dichter, Grammatiker, Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen und gelehrte Juden nach Córdoba. Sie übersetzten im Auftrag des Herrschers Werke der griechischen Antike, die bereits in Arabisch vorlagen, ins Lateinische und Hebräische. Auch während der regen Übersetzungstätigkeiten im Auftrag der christlichen Herrscher im 12. und 13. Jahrhundert in Toledo spielten Juden eine führende Rolle. Schwerpunktmäßig ging es um Übersetzungen von philosophischen, mathematischen, physikalischen, botanischen, astronomischen und medizinischen Werken, die damit für den Gebrauch an den christlichen Universitäten Europas und in Klosterbibliotheken zur Verfügung standen – ein Quantensprung für die dortigen Wissenschaften. Gleichzeitig übertrug man auch in frühe Ausprägungen des Kastilischen, Katalanischen und Galizischen.

Al-Andalus war zur Zeit der Emirate und des Kalifats multireligiös und mehrsprachig; es wurden Latein, Arabisch und Hebräisch und ein aus dem Latein fortentwickeltes Iberoromanisch gesprochen, das uns rudimentär in der Form von »Ḫarǧas«8 schriftlich greifbar ist; regionale Alltagsvarianten kamen jeweils hinzu. Die für diese Anthologie ausgewählten jüdischen Dichter waren zumindest zweisprachig: Das Arabische verwandten sie im Alltag und für wissenschaftliche Schriften, in Hebräisch dichteten sie. Juden, die im Schiffsverkehr mit dem Orient Handel trieben, beherrschten meist auch das Griechische.9 Das sind Indizien für ihre komplexe sprachliche Identität.

Die jüdische Bibel war in Hebräisch verfasst. In der synagogalen Liturgie wurde ausschließlich die hebräische Sprache verwandt. Gebete und religiöse Gedichte waren ebenfalls in Hebräisch verfasst. Im Alltagsleben dagegen sprachen die Juden Arabisch, in dieser Sprache schrieben sie auch ihre philosophischen und wissenschaftlichen Werke.

Bisher hatte das Hebräische als religiöse Sprache gegolten; es war die Sprache der Bibel, des Talmud und der synagogalen Liturgie. Sie wurde aber nicht im weltlichen Bereich verwandt, war also keine Alltagssprache und keine Sprache der Wissenschaft. Das Arabische dagegen war die Sprache des Koran und des Alltags, der Wissenschaft und zugleich die der Poesie, die bereits vor Mohammed eine Hochblüte erlebt hatte. Konnte die hebräische Sprache nicht ebenso universell verwendet werden?

Es war eine sprachkulturelle Revolution im Judentum, als Dunash ben Labrat, das arabische Vorbild vor Augen, einen Wandel im Gebrauch des Hebräischen einleitete. Er war der erste, der das quantitierende System der arabischen Metrik in die hebräische Poesie einführte. Im Verbund mit anderen Erneuerern des Hebräischen wurden ebenfalls arabische Gedichtformen übernommen. Einzig auf dem Boden der Iberischen Halbinsel, nicht irgendwo sonst in der weltweiten jüdischen Diaspora, ereignete sich dieser Vorgang, der zu einer Hochblüte der säkularen Dichtung in hebräischer Sprache führte.

Diese Adaption war in der damaligen jüdischen Welt umstritten. Nicht nur jüdische Grammatiker, sondern auch orthodoxe Kräfte, die sich auf entsprechende Stellen im Talmud berufen konnten, wandten sich gegen die Verwendung des Hebräischen für weltliche, damit auch gegen eine poetische Verzweckung.10 Es gab zahlreiche literarische und persönliche Fehden unter den jüdischen Grammatikern darüber, ob das Hebräische überhaupt für die Verwendung im weltlichen Bereich geeignet sei. Die Avantgardisten wiesen dagegen auf das »Hohe Lied« in der jüdischen Bibel hin, das für sie ein Beleg dafür war, dass das Hebräische sich sehr wohl für die poetische Darstellung weltlicher Themen eignete.

Die neue hebräische Poesie erreichte fast aus dem Stand heraus ein hohes Niveau, weil die jüdischen Dichter bei der Renaissance ihrer Sprache einem arabischen Vorbild in fast schon manieristischer Vollendung begegneten. Sie wollten es den arabischen Dichtern aber nicht nur gleichtun, sondern das arabische Vorbild mit der kreativen Verwendung des erneuerten Bibelhebräisch unter inhaltlichem Einbezug des jüdischen Erbes sogar übertreffen.