Kompetenzorientierung im Sportunterricht an Grundschulen - Peter Neumann - E-Book

Kompetenzorientierung im Sportunterricht an Grundschulen E-Book

Peter Neumann

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Beschreibung

Die politisch geforderte Umsetzung der kompetenzorientierten Lehrpläne im Sportunterricht der Grundschule ist kein "Selbstläufer". Die dafür notwendige Entwicklungsarbeit erledigt sich im schulischen Alltag der Lehrkräfte nämlich weder von selbst noch kann diese "nebenbei" erfolgen. Erforderlich sind neben der verständigen Lektüre genügend Ressourcen, um den Sportunterricht in die gewünschte Richtung - allein oder im Team - entwickeln zu können. Der Fokus unserer Studie, die von der Unfallkasse Baden-Württemberg gefördert worden ist, liegt deshalb auf der Markierung jener Bruchstellen, die sich zwischen den curricularen Ansprüchen der Kompetenzorientierung und deren Verwirklichung im Sportunterricht beschreiben lassen. Wir untersuchen, ob und inwieweit Lehrkräfte die Kompetenzen des Lehrplans kennen, diese verstehen und akzeptieren und bei der Planung, Durchführung und Auswertung des Sportunterrichts berücksichtigen. Die Ergebnisse liefern wichtige Ansatzpunkte für die Diskussion, wie mit Differenzen zwischen Lehrplanansprüchen und deren Umsetzung zukünftig professioneller umgegangen werden kann.

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Seitenzahl: 231

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Kompetenzorientierung im Sportunterricht an Grundschulen

Projekt gefördert von der UKBW

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder die Autoren noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

Edition Schulsport Band 22

Peter Neumann

Kompetenzorientierung im Sportunterricht an Grundschulen zwischen Anspruch und Wirklichkeit

unter Mitarbeit von Eva Finocchiaround Eva Stegmüller

Meyer & Meyer Verlag

Herausgeber der Edition Schulsport:

Dr. Heinz Aschebrock & Dr. h. c. Rolf-Peter Pack

Kompetenzorientierung im Sportunterricht an GrundschulenBibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2013 by Meyer & Meyer Verlag, AachenAuckland, Beirut, Budapest, Cairo, Cape Town, Dubai, Hägendorf,Indianapolis, Maidenhead, Singapore, Sydney, Tehran, Wien

Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

Satz: www.satzstudio-hilger.deISBN: 9783898997713eISBN: 9783840334351E-Mail: [email protected]

Inhalt

Vorwort der Herausgeber der Edition Schulsport

1 Einleitung

2 Das kleine 1 × 1 der Kompetenzorientierung

2.1 Was sind Kompetenzen?

2.2 Was heißt Kompetenzorientierung?

2.3 Was ist ein kompetenzorientierter Sportunterricht?

2.4 Wie plant man einen kompetenzorientierten Sportunterricht?

2.5 Welche qualitätssichernden Funktionen hat eine Standardisierung?

2.6 Anstelle eines Fazits: Antworten auf häufig gestellte Fragen

3 Kompetenzorientierung im Sportunterricht der Grundschule

3.1 Kompetenzorientierte Lehrpläne Sport in der Grundschule im Überblick

3.2 Konzeptionelle Überlegungen zur Kompetenzorientierung

3.2.1 Drei Kompetenzbereiche für den Sportunterricht in der Grundschule

3.2.2 Bewegungskompetenzen in der Grundschule

3.3 Empirische Studien zur Kompetenzorientierung im Sportunterricht der Grundschule

3.3.1 Studien zur Kompetenzorientierung im Sportunterricht nordrhein-westfälischer Grundschulen

3.3.2 Motorische Basisqualifikationen als Mindeststandards?

3.3.3 Eine Untersuchung zur Akzeptanz und Umsetzung des kompetenzorientierten Bildungsplans (2004) in der Hauptschule (Baden-Württemberg)

3.3.4 Eine Studie zur Rezeption und Akzeptanz des kompetenzorientierten Lehrplans in der Sekundarstufe I in Luxemburg

3.3.5 Standards und Alltagserfahrungen von Sportlehrkräften

3.4 Fazit

4 Methodologische Erläuterungen zur Differenzstudie

4.1 Informationen zum differenzanalytischen Forschungsansatz

4.1.1 Zur Untersuchung der curricularen Ansprüche

4.1.2 Zur Untersuchung der sportunterrichtlichen Wirklichkeit

4.2 Begründung des differenzanalytischen Vorgehens

4.3 Hinweise zum Forschungsdesign und zum Vorgehen

5 Brüche zwischen Anspruch und Verwirklichung des kompetenzorientierten Bildungsplans (2004) im Sportunterricht der Grundschule

5.1 Zwischen herkömmlichem Unterricht und Kompetenzorientierung – ein Blick auf den schulsportlichen Alltag (aktueller Sportunterricht)

5.1.1 Aktuelle Themen und Inhalte im Sportunterricht der Klasse 4

5.1.2 Leistungserwartungen der Lehrkräfte

5.2 Woher und was wissen die Lehrkräfte über die Kompetenzformulierungen? (Kenntnis)

5.2.1 Woher stammen die Kenntnisse der Grundschulsportlehrkräfte?

5.2.2 Wie viel wissen die Lehrkräfte von den Kompetenzerwartungen?

5.2.3 Wie fundiert sind die Kenntnisse der Lehrkräfte?

5.2.4 Wie ist es um die Kenntnis der Lehrkräfte bestellt?

5.2.5 Fazit: Mehr Unkenntnis als Kenntnis!

5.3 Wie verständlich sind die Kompetenzformulierungen? (Verständlichkeit)

5.3.1 Aussagen zur (Un-)Verständlichkeit der Kompetenzformulierungen

5.3.2 Fazit: Erforderlich sind verständliche Kompetenzformulierungen!

5.4 Akzeptieren die Lehrkräfte die Kompetenzformulierungen vorbehaltlos? (Akzeptanz)

5.4.1 (Un-)eingeschränkte individuelle Akzeptanz

5.4.2 Gründe für Akzeptanz

5.4.3 Vorbehalte gegenüber den Kompetenzerwartungen

5.4.4 Kollektive Akzeptanz der Kompetenzformulierungen

5.4.5 Fazit: Akzeptanz braucht Unterstützung

5.5 Planen Lehrkräfte kompetenzorientiert? (Planung)

5.5.1 Tendenz zu konservativem Planungsverhalten der Lehrkräfte

5.5.2 Fazit: Ein weiter Weg vom Bildungsplan zum Unterricht

5.6 Orientieren sich Lehrkräfte bei der Durchführung ihres Sportunterrichts an der Kompetenzorientierung? (Durchführung)

5.6.1 Aussagen zu einer erkennbaren Durchführungsrelevanz

5.6.2 Keine erkennbare, kompetenzorientierte Unterrichtsdurchführung

5.6.3 Probleme kompetenzorientierter Unterrichtsdurchführung

5.6.4 Fazit: Aller Anfang (kompetenzorientierten Unterrichtens) ist schwer!

5.7 Werten Lehrkräfte ihren Unterricht kompetenzbasiert aus? (Auswertung)

5.7.1 Verfahren der Unterrichtsauswertung

5.7.2 (Keine) Schwierigkeiten bei der Notengebung

5.7.3 Möglichkeiten kompetenzbasierter Notengebung

5.7.4 Fazit: Schwachstellen bei der kompetenzbasierten Auswertung

5.8 Welche Unterstützung erhalten Lehrkräfte zur Umsetzung der Kompetenzorientierung? (Unterstützung)

5.8.1 Welche Unterstützung erleben Lehrkräfte?

5.8.2 Fazit: Problemszenarien mangelnder Unterstützung

5.9 Wird die Arbeit durch die Kompetenzorientierung besser? (Verbesserung)

5.9.1 Aspekte der Arbeitsverbesserung durch Kompetenzorientierung

5.9.2 Fazit: (K)eine Arbeitsverbesserung durch Kompetenzerwartungen

5.10 Zentrale Ergebnisse – eine Kurzübersicht

5.11 Ein Typisierungsversuch aus bildungspolitischer Perspektive

6 Aufgabenkulturen im Sportunterricht der Grundschule – eine kompetenzbezogene Aufgabenanalyse

6.1 Ein begrifflicher Klärungsversuch

6.2 Kompetenzen erwerben mithilfe von Aufgaben

6.3 Erläuterungen zur Auswahl leitender Analysekriterien

6.4 Methodologische Vorüberlegungen zur Aufgabenanalyse

6.5 Ergebnisse und Interpretation der Aufgabenanalyse

6.5.1 Unterrichtsreihe „Spielen mit dem Ball”

6.5.2 Bilanz der Unterrichtsreihe

6.5.3 Unterrichtsreihe „Akrobatik”

6.5.4 Bilanz der Unterrichtsreihen

6.6 Ausblick

7 Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Kompetenzorientierung im Sportunterricht der Grundschule

7.1 Zu den Adressaten unserer Empfehlungen

7.2 Empfehlungen zum Aushalten der Differenzen

7.3 Empfehlungen zur Differenzvergrößerung

7.4 Empfehlungen zur Differenzverkleinerung

7.4.1 Notwendig ist eine Präzisierung und eine anwendungsfreundlichere Gestaltung des Kompetenzbegriffs und der Kompetenzformulierungen!

7.4.2 Erforderlich sind akzeptanzförderliche Unterstützungsleistungen!

7.4.3 Gefragt sind alltagsnahe und anwendungsorientierte Planungshilfen für einen kompetenzorientierten Sportunterricht!

7.4.4 Erforderlich sind anwendungsnahe Anregungen und Impulse für einen kompetenzorientierten Sportunterricht!

7.4.5 Es muss (deutlich) mehr in die Aufklärungsarbeit investiert werden!

7.5 Ausblick

Literatur

Bildnachweis

Vorwort der Herausgeber der Edition Schulsport

In der Debatte um die Qualität des Bildungs- und Schulwesens in Deutschland haben seit Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten PISA-Studie im Jahr 2001 die Begriffe Bildungsstandards und Kompetenzorientierung Hochkonjunktur. Beide Begriffe stehen für eine Neuorientierung der Bildungs- und Schulpolitik, die auf eine Umstellung der politisch-administrativen Vorgaben für Schule und Unterricht von einer „Inputorientierung” hin zu einer „Outputorientierung” abzielt.

Meilensteine in dieser Entwicklung setzte die Kultusministerkonferenz mit der Veröffentlichung von „Bildungsstandards” für die „Kernfächer” (2003/2004). Diese bildeten den Ausgangs- und Bezugspunkt für eine umfangreiche Lehrplanrevision in allen Ländern, in deren Folge neue, sogenannte „kompetenzorientierte Lehrpläne” veröffentlicht wurden. Überraschenderweise vollzog sich diese Entwicklung in allen Bundesländern auch im Bereich des Fachs Sport, obwohl für dieses Fach – das nach Auffassung der Kultusministerkonferenz nicht zum Kanon der „Kernfächer” zählt – keine bundesweiten „Bildungsstandards” gesetzt wurden.

Angesichts der Pilotfunktion curricularer Entwicklungen im Bereich der Grundschulen hat sich ein Team der Pädagogischen Hochschule Heidelberg unter der Leitung von Peter Neumann eingehend mit der neuen Generation kompetenzorientierter Lehrpläne für den Sportunterricht in der Grundschule befasst. Die verschiedenen Analyseschritte und die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden in dieser Schrift auf drei Ebenen beschrieben: Zunächst wird die bundesweite Entwicklung kompetenzorientierter Lehrpläne für den Sportunterricht an Grundschulen bilanziert. Danach werden die Ergebnisse einer von der Unfallkasse Baden-Württemberg unterstützten, explorativen Studie des Heidelberger Teams vorgestellt, die sich auf die curricularen Vorgaben für den Fächerverbund „Bewegung, Spiel und Sport” aus dem von der Landesregierung Baden-Württemberg im Jahr 2004 veröffentlichten Bildungsplan für die Grundschule bezieht. Der Fokus dieser Studie richtet sich auf solche Bruchstellen, die sich zwischen den curricularen Ansprüchen der Kompetenzorientierung und deren Verwirklichung im Sportunterricht ausmachen lassen. Aus der bundesweiten Bestandsaufnahme und den im Verlauf der Studie gewonnenen Erkenntnissen werden schließlich allgemeine Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der Kompetenzorientierung im Sportunterricht an Grundschulen für die verschiedenen Akteure im Schulsystem (Lehrkräfte) und im Kontextsystem (Bildungspolitik, Bildungsadministration) formuliert.

Wir bedanken uns bei Peter Neumann für das Angebot, die Ergebnisse der Bestandsaufnahme, der differenzanalytischen Untersuchung und der Handlungsempfehlungen des Heidelberger Teams in der „Edition Schulsport” zu veröffentlichen und wünschen diesem Buch eine breite Rezeption und Diskussion in allen Kreisen, die für die Entwicklung und Umsetzung kompetenzorientierter Lehrpläne für das Fach Sport in den Ländern zuständig sind.

Heinz Aschebrock

Rolf-Peter Pack

1 Einleitung

Die Grundschule gilt als eine reformfreudige Bildungseinrichtung, viele Reformen nehmen in ihr den Anfang. Nicht anders die Richtung der derzeit aktuellen Umstellung der Lehrpläne, wie sie im Kontext von Kompetenzorientierung und Standardisierung vorgenommen wird. Wieder hat die Grundschule „die Nase vorn”: Im Gegensatz zu den weiterführenden Schulformen lagen für den Sportunterricht in der Grundschule kompetenzorientierte Lehrpläne schon vor einigen Jahren fast flächendeckend vor (vgl. Neumann & Stang, 2010).

Doch die politisch geforderte Umsetzung der kompetenzorientierten Lehrpläne ist kein „Selbstläufer”. Die dafür notwendige Entwicklungsarbeit erledigt sich im schulischen Alltag der Lehrkräfte weder von selbst noch kann diese „nebenbei” erfolgen. Konzeptionelle Arbeiten und Prozesse der Unterrichtsentwicklung, wie die Übersetzung der curricularen Kompetenzforderungen in konkrete Stundenbilder, müssen an vielen Grundschulen von Lehrkräften im Alleingang geschultert werden, denn in der Regel gibt es keine systematische Fachschaftsarbeit. Erforderlich sind neben der verständigen Lektüre deshalb genügend Ressourcen, um den Sportunterricht in die gewünschte Richtung, allein oder im Team, entwickeln zu können.

Die Bildungspolitik geht selbstverständlich davon aus, dass sich nach dem Inkrafttreten der neuen Lehrpläne im Unterricht und an Schulen etwas im Sinne der Kompetenzorientierung verändert oder entwickelt. Denn mit der Kompetenzorientierung und der Standardisierung von Schülerleistungen soll die Qualität von Schule und Unterricht gesichert und verbessert werden. Kompetenzorientierung zielt dabei auf die Messbarkeit individueller Lernfortschritte ab und bezieht sich auf ein Kompetenzmodell, in dem bildungsbedeutsame Ziele domänenspezifisch (fachspezifisch) ausgewiesen werden. Standardisierung nimmt Bezug auf die formulierten Kompetenzen und stuft diese nach unterschiedlichen Niveaus (Minimalstandards, Regelstandards, Maximalstandards).1

Die Standardisierung von Schülerlernleistungen (sogenannte Bildungsstandards) betrifft derzeit eigentlich nur die Fächer Deutsch, Mathematik, Fremdsprache und den naturwissenschaftlichen Unterricht. Für diese Fächer sind die wissenschaftlich aufwendige und teure Entwicklung von domänenspezifischen Kompetenzmodellen und die Konstruktion geeigneter, valider Testaufgaben vorgesehen. Entgegen dieser politisch gewollten Konzentration auf wenige Fächer haben sich allerdings viele weitere Fächer an dieser Entwicklungsarbeit beteiligt. Grund für dieses Engagement ist die Sorge, als nicht standardisiertes Fach schulisch an Bedeutung und den Kampf um knappe Ressourcen (Geld/Unterrichtszeit) zu verlieren (vgl. Tenorth, 2008).2

Um es klar zu sagen: Die bildungspolitische Initiative, die hinter diesen neuen Leitideen der Qualitätssicherung und Bildungssteuerung liegt, hat mit dem Sportunterricht an den Grundschulen ursprünglich nichts zu tun. Grund und Anlass für diesen weitreichenden Eingriff in das schulische Bildungssystem liegen in den Ergebnissen internationaler Leistungsvergleichsstudien (PISA 2000) begründet; genauer gesagt, in der öffentlichkeitswirksamen Bekanntgabe der Ergebnisse im Dezember 2001. Denn das (schlechte) Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler offenbarte spezifische und empirisch belegte Schwächen des schulischen Bildungssystems: Diesem System gelingt es im internationalen Vergleich nämlich deutlicher schlechter als anderen Ländern, alle Schülerinnen und Schüler fit zu machen für die Partizipation am Arbeitsmarkt.3

Die negativen Befunde zur Leistungsfähigkeit des schulischen Bildungssystems und die öffentlichkeitswirksame Präsentation dieser Ergebnisse haben für einen außerordentlich hohen Legitimationsdruck aufseiten der Bildungspolitik gesorgt. Dieser Druck hat dazu geführt, dass noch am Tag der PISA-Veröffentlichung die Kultusministerkonferenz (KMK) einen Sieben-Punkte-Katalog vorgelegt hat, in dem auch die „Qualitätssicherung durch verbindliche Standards und Evaluation” als zukünftiges Handlungsfeld ausgewiesen wurde (vgl. Tillmann, 2007, S. 25). Dass diese Mechanismen zur Qualitätssicherung auch den Sportunterricht in der Grundschule tangieren, ist dem Umstand geschuldet, dass die Länder schnell damit begonnen haben, die schulischen Lehrpläne auf Kompetenzorientierung umzustellen. Diese Umstellung vollzog und vollzieht sich länder-, fächer- und schulformübergreifend und ist ein im föderalen Deutschland wohl ziemlich einmaliger Reformprozess.

Angesichts des reformbezogenen Vorsprungs der Grundschule ist es nahe liegend, den kompetenzorientierten Sportunterricht in der Grundschule zum Gegenstand sportpädagogischer Untersuchungen zu machen. In einer explorativen Studie haben wir versucht, jene Bruchstellen zu markieren, die sich zwischen den curricularen Ansprüchen der Kompetenzorientierung und deren Verwirklichung im Sportunterricht beschreiben lassen. Unsere Fragestellung lautet: Inwieweit werden die Ansprüche, die mit der Einführung von Kompetenzen und Standards in den Curricula für den Sportunterricht der Grundschule verbunden sind, von den verantwortlichen Lehrkräften verwirklicht? Die Vorstellung der Ergebnisse dieser Studie ist in dieses Buchprojekt integriert.4

Wir sehen den dringlichen Aufklärungsbedarf nicht in der praxisrelevanten Frage, ob und inwieweit die vorgegebenen Kompetenzen und Standards in den Lehrplänen inhaltlich erfüllt werden können oder nicht. Denn grundlegender ist doch die Prüfung der Voraussetzungen. Deshalb haben wir die Erfüllung oder Nichterfüllung jener Ansprüche untersucht, die auf curricularer Ebene oftmals im Hintergrund mitlaufen: Beispielsweise müssen Lehrkräfte die Lehrpläne lesen und die Kompetenzformulierungen kennen, sie müssen die Kompetenzen und vorgegebenen Standards verstehen und inhaltlich auch akzeptieren, damit sie auf dieser Grundlage ihren Sportunterricht angemessen planen, durchführen und auswerten können. Lehrkräfte müssen also innerlich davon überzeugt sein oder werden, dass die Kompetenzorientierung ihrem Unterricht und ihren Schülerinnen und Schülern hilft oder „guttut”.

Mit dieser differenzanalytischen Untersuchung wollen wir eine neue Forschungsperspektive in die sportbezogene Lehrplanforschung einführen. Dazu rekonstruieren wir aus Lehrersicht, welche Implementationsprozesse durchlaufen werden müssen, wenn in der Grundschule der kompetenzbasierte Lehrplan tatsächlich umgesetzt werden soll. Wir erhoffen uns Ansatzpunkte für die Diskussion, wie mit Differenzen zwischen Lehrplanansprüchen und deren Umsetzung zukünftig professioneller umgegangen werden kann. Aus den gewonnenen Erfahrungen und Einsichten können zudem dienliche Impulse für die anstehenden Entwicklungs- und Implementationsprozesse in den anderen Schulstufen und Schulformen gewonnen werden. So können mögliche Probleme oder unbeabsichtigte Nebenfolgen, die im Zusammenhang mit der Einführung kompetenzbasierter Lehrpläne auftreten, erkannt und reflektiert werden.

Auf den Punkt gebracht:

Im vorliegenden Buch geht es erstens um länderübergreifende Bestandsaufnahmen zur Entwicklung kompetenzorientierter Lehrpläne für den Sportunterricht an Grundschulen (vgl. Kap. 2 und 3).

Zweitens werden Ergebnisse unserer explorativen Studie im Zusammenhang mit dem im Land Baden-Württemberg geltenden (kompetenzorientierten) Bildungsplan (2004) vorgestellt und diskutiert (vgl. Kap. 4-6).

Drittens werden länderübergreifende Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung der Kompetenzorientierung im Sportunterricht an Grundschulen für die verschiedenen Akteure im Schulsystem (Lehrkräfte) und im Kontextsystem (Bildungspolitik, Bildungsadministration) formuliert (vgl. Kap. 7).

 

1Kompetenzorientierung und Standardisierung sind somit zwei ineinandergreifende Mechanismen: Auf der Basis empirisch messbarer Lernergebnisse in Form von Kompetenzen werden den Schulen in den Curricula verbindliche Ergebnisstandards gesetzt, die darüber Auskunft geben, welche Kompetenzausprägungen die Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Schulzeit erreicht haben müssen.

2Dass eine konzentrierte und fokussierte Ausrichtung von Bildungsstandards allein auf die schulischen Hauptfächer bedenkenswerte Nebenfolgen im Sinne einer Qualitätsverschlechterung der anderen Fächer haben kann, sprechen auch Grob und Merki (2001) deutlich an und aus: „Würden etwa Schulen oder ganze Schulsysteme durch Erzeugung eines permanent hohen Leistungsdruckes auf die Optimierung von messbaren Leistungen in den Hautfächern hin ausgerichtet, ginge dies in absehbarer Weise auf Kosten der anderen Fächer, zumal diese in der Perspektive der Lehrenden wie der Lernenden geringere Bedeutung hätten und Aufmerksamkeit erführen” (zit. nach Vogel, 2009, S. 107).

3Problematisch ist vor allem die enge Kopplung von Herkunft und Zukunft: Schülerinnen und Schüler aus unteren Schichten finden zu selten durch einen qualifizierten Schulabschluss Zugang zum ersten Arbeitsmarkt oder aber den Weg zum Studium (vgl. Tenorth, 2009). Problematisch ist darüber hinaus die Existenz einer sogenannten Risikogruppe: Ca. 20-25% der Schülerschaft kommen trotz jahrelangen Unterrichts an weiterführenden Schulen nicht oder kaum über einen Kompetenzstand in Lesen, Mathematik und in Naturwissenschaften hinaus, über den in der Regel Dritt- und Viertklässler verfügen (vgl. Tillmann, 2007, S. 23).

4Unser besonderer Dank gilt der Unfallkasse Baden-Württemberg für die finanzielle Unterstützung, andererseits und vor allem jedoch Hans-Joachim Wachter von der UK BW, der unsere Studie mit einem kritischen und interessierten Blick begleitet und unterstützt hat. Verfolgt haben wir diese Forschungsidee in einem länderübergreifenden Forschungsprojekt, das von 2010-2012 an den Standorten Heidelberg (Baden-Württemberg) und Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) nach einem längeren Vorlauf realisiert wurde. Diese Bundesländer sind wegen der derzeitigen Arbeitskontexte der Projektleiter (Balz und Neumann) ausgewählt worden.

2 Das kleine 1 × 1 der Kompetenzorientierung

Unlängst hat Stibbe (2011) pointiert aufgezeigt, dass und wie es Lehrkräften schwer gemacht wird, einen Einblick in die Kompetenzdebatte zu bekommen oder gar den Überblick zu behalten. Einen gewichtigen Grund für die unbefriedigende Situation sieht Stibbe in den recht „eigenwilligen Auslegungen” (S. 337) des Kompetenzbegriffs in den Fachcurricula der Länder. Momentan existieren verschiedene Kompetenzformulierungen und begriffliche Neuschöpfungen, die ein Verständnis der Kompetenzorientierung deutlich erschweren und eine Aversion seitens der Lehrkräfte begründen können.

Deshalb beginnt das Kapitel mit einer Klärung des Kompetenzbegriffs (Kap. 2.1), um anschließend Kompetenzorientierung und kompetenzorientierten Unterricht genauer zu fassen (Kap. 2.2-2.4). Angesprochen werden dabei sowohl bildungspolitische Erwartungen als auch pädagogische Überlegungen zur Kompetenzorientierung. Lehrkräfte müssen schließlich Sinn und Nutzen der Kompetenzorientierung nachvollziehen können, wenn sie sich nicht nur rein formal auf die Kompetenzformulierungen des Lehrplans berufen wollen (Kap. 2.5). Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Kompetenzorientierung im Sportunterricht der Grundschule (Kap. 2.6).

2.1 Was sind Kompetenzen?

Beinahe täglich unterscheiden wir menschliches Verhalten in kompetentes oder inkompetentes Verhalten. Beispielsweise suchen wir ein bestimmtes Fachgeschäft auf, weil wir dort eine kompetente Beratung erwarten können. Oder wir ärgern uns im Straßenverkehr über den inkompetenten Versuch eines Vorausfahrenden, rückwärts einzuparken. Im Gegensatz zu dieser alltäglichen und nicht nach objektiven Kriterien vorgenommenen Zuschreibung von Kompetenz und Inkompetenz wird ein pädagogischer Kompetenzbegriff anders bestimmt.

In der empirischen Bildungswissenschaft soll mithilfe des Kompetenzbegriffs nicht die Bildung selbst, sondern es sollen damit eher die Voraussetzungen für Bildung bezeichnet und gemessen werden. Das sogenannte Literacy-Konzept identifiziert beispielsweise die für Bildung notwendigen kognitiven Operationen und Prozesse. Der Lesekompetenztest von PISA 2000 ist ein Beispiel für eine solche Kompetenzbestimmung und Kompetenzmessung, bei der Vorhersagen über zukünftige Bildungserfolge mittels operationalisierter Fähigkeiten und Fertigkeiten (Basiskompetenzen) getroffen werden.

Das zugrunde liegende Verständnis von Kompetenz geht auf Forschungsarbeiten und eine Definition von Weinert (2001) zurück. Dieser definierte Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können” (S. 27f.).

Ordnet man diese komplexe Aussage, lassen sich fünf Grundannahmen dieser für die wissenschaftliche Kompetenzdiskussion maßgeblichen Definition bestimmen:

• Kompetenzen müssen erstens erlernt oder erworben werden.

• Kompetenzen beziehen sich zweitens in dieser Lesart auf kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten; motorische Fähigkeiten und Fähigkeiten werden bei der Problemlösung als weniger bedeutsam angesehen.

• Kompetenzen fungieren drittens als Schlüssel für das Lösen von Problemen, es geht damit nicht um das Abarbeiten von Reproduktionsaufgaben.

• Kompetenzen beziehen viertens volitionale (willensbezogene), motivationale und emotionale Aspekte ein, sodass die konkrete Anwendung des Wissens eine Bereitschaft oder Haltung voraussetzt, Kognitionen in die Tat umzusetzen.

• Kompetenzen unterscheiden sich fünftens von Schlüsselqualifikationen, da Kompetenzen das domänenspezifische (fachgebundene) Vermögen und die Bereitschaft anzeigen, mögliche Probleme zu lösen.

Die Bindung des Kompetenzbegriffs an kognitive Dispositionen ist für Sportpädagogen auf den ersten Blick überraschend und unverständlich. Nachvollziehbar wird diese Orientierung aber dann, wenn man sich vor Augen führt, dass die Lern- und Unterrichtsforschung in der Tradition von Weinert und Helmke ihren Schwerpunkt in kognitiven Fächern hat und nicht in ästhetisch-expressiven, wie dem Sportunterricht. In der noch jungen Diskussion innerhalb der Sportpädagogik gibt es aber auch Fachvertreter, die ihren Kompetenzmodellierungen (vgl. Gogoll, 2012) oder ihrer Aufgabenkonzeption für den Sportunterricht (vgl. Pfitzner, 2012) diese kognitive Ausrichtung des Kompetenzbegriffs zugrunde legen.

Die empirische Bildungsforschung hat den Kompetenzbegriff ursprünglich ausgewählt, um damit begrifflich und konzeptionell Klarheit zu erzeugen, indem eine Unterscheidung zum normativ besetzten und empirisch kaum fassbaren Begriff der Bildung geschaffen werden sollte. Je länger allerdings über Kompetenzen im schulischen Bildungssystem geschrieben, geredet und geforscht wird, umso mehr bekommt der Kompetenzbegriff unklare und schwammige Konturen.

Eine Tendenz zur Unschärfe erwächst dem Kompetenzbegriff aus seiner weiterreichenden etymologischen Bedeutung. Denn Kompetenz verweist auf das Vorhanden-sein und die Beziehung der Aspekte „Zuständigkeit”, „Fähigkeit” und „Bereitschaft” (vgl. Marquardt, 1982, S. 24). Während Fähigkeit als Wissen und Können und Bereitschaft als Wollen im neueren Kompetenzbegriff Berücksichtigung finden, wird der Aspekt der Zuständigkeit nicht aufgenommen. Etwas vereinfachend kann Kompetenz somit als das Zusammenkommen von Wissen, Können und Wollen „übersetzt” werden. Orientiert man sich an dieser Trias, kann im Sportunterricht die-/derjenige als nicht kompetent bezeichnet werden, die/der erstens nicht genug weiß, nicht viel kann oder nicht will, zweitens etwas will, ohne dieses hinreichend zu wissen oder zu können oder drittens etwas weiß und kann, aber es nicht will.

2.2 Was heißt Kompetenzorientierung?

Kompetenzorientierung zielt in besonderem Maße darauf ab, die Akkumulation toten, d. h. anwendungslosen Wissens bei den Schülerinnen und Schülern zu verhindern. Diese Zielstellung besitzt auch Gültigkeit im Sportunterricht, wenngleich in einer modifizierten Form: Kompetenzorientierung im Sportunterricht bedeutet die Vermeidung toten oder auch „blinden” Könnens. Damit ist ein von den Schülerinnen und Schülern nicht genutztes Bewegungskönnen gemeint, auf das sie in ihrem Bewegungsleben nicht zurückgreifen.

Kompetenzorientierung bedeutet zudem die Orientierung des Lernens im Unterricht an komplexen Aufgaben. Anstelle der Vermittlung singulären Wissens ist vermehrt auf Handlungs- und Anwendungsaufgaben im Unterricht zu achten, damit die Schülerinnen und Schüler den entscheidenden Schritt vom Wissen zum Können gehen können. Es gilt, im und durch Unterricht nicht nur Wissen zu erwerben und anschließend zu reproduzieren, sondern die Schülerinnen und Schüler sollen lernen, erworbenes Wissen anzuwenden und dieses Wissen zur Lösung von fachtypischen Problemen zu nutzen. Dies hat zur Folge, dass „die Lernprozesse der Schüler(innen) in den Mittelpunkt gerückt werden” (Feindt & Meyer, 2010, S. 29).

Sichtbare Folge der Kompetenzorientierung auf der Ebene der Lehrpläne ist das sogenannte Kerncurriculum, in dem inhaltlich knapper und konzentrierter als in einem Vollcurriculum die fachspezifischen Kompetenzbereiche aufgeführt und die zu erwerbenden Kompetenzen und Kompetenzniveaus ausgewiesen werden. „Neu” und für viele Lehrkräfte gewöhnungsbedürftig ist, dass sich die Förderung der Schüler an vorgegebenen Kompetenzstufen orientieren soll und dass Einsichten, die aus kompetenzdiagnostischen Tests stammen, zur weiteren Gestaltung lernunterstützender Wissens- und Anwendungssituationen genutzt werden sollen. Aus bildungspolitischer Sicht verspricht man sich damit eine Optimierung des Lernens auf der Grundlage von empirisch abgesicherten Kompetenzstufenmodellen.

In kompetenzorientierten Curricula werden deshalb Erwartungen formuliert, die darüber Auskunft geben, was Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Grundschule (in der Regel nach Klasse 1 und 2 oder nach Klasse 3 und 4) wissen und können sollen. Beispielsweise sollen Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg am Ende von Klasse 4 im Bewegungs- und Erfahrungsfeld „Laufen, Werfen und Springen”

• „kürzere Strecken schnell und längere Strecken ausdauernd laufen, zudem auch Orientierungsaufgaben erfüllen und sich dabei auf unterschiedlichen Untergründen und über das Schulgelände hinaus bewegen;

• in die Weite und in die Höhe, auch mit Hilfsmitteln, springen und Sprunggelegenheiten in der natürlichen Umgebung wahrnehmen;

• mit verschiedenen Wurfgeräten aus dem Stand und aus dem Anlauf weit, hoch, auf und in Ziele werfen” (MKS, 2004, S. 115).

2.3 Was ist ein kompetenzorientierter Sportunterricht?

Die Frage nach den Konturen eines kompetenzorientierten Unterrichts lässt sich derzeit nicht eindeutig beantworten. Denn in der allgemeinen Didaktik gibt es kein allgemeingültiges Verständnis und keine „anerkannte Theorie des kompetenzorientierten Unterrichts” (Feindt & Meyer, 2010, S. 29). Vielmehr existieren unterschiedliche Entwürfe zum kompetenzorientierten Unterricht. Im Folgenden werden zwei ausgewählte Vorschläge vorgestellt und anschließend auf den kompetenzorientierten Sportunterricht übertragen.

Wir orientieren uns an einem Vorschlag von Klieme (2009), der Kompetenzorientierung als ein Prinzip pädagogischen Handelns versteht. Diesen Vorschlag halten wir für orientierend, weil Klieme von Beginn an und maßgeblich im Rahmen seiner Expertise (Klieme et al., 2003) an der Debatte und Konzeption von Bildungsstandards in Deutschland beteiligt war, und weil seine Faktoren kompetenzorientierten Unterrichts mit empirischen Forschungsergebnissen zum guten Unterricht fundiert werden.

Abb. 1: Komponenten kompetenzorientierten Unterrichts nach Klieme (2009)

Berücksichtigt werden kann auch ein Vorschlag von Feindt und Meyer (2010), die mithilfe von sechs Merkmalen kompetenzorientierten Unterricht beschreiben. Diesen Vorschlag greifen wir auf, weil sich insbesondere Meyer (2009) von Beginn an darum bemüht hat, Verbindungslinien zwischen einem kompetenzorientierten Unterricht und einem guten Unterricht zu ziehen und sich – mit Blick auf die alltägliche Unterrichtspraxis und angesichts fehlender, wissenschaftlich abgesicherter Kompetenzmodelle – für pragmatische Kompetenzstufenmodelle ausgesprochen hat.

Nach Klieme (2009) steht im Mittelpunkt kompetenzorientierten Unterrichts die Weiterentwicklung von Kompetenz mithilfe komplexer Aufgaben. Dazu ist es – theoretisch – notwendig, zunächst das individuelle Vorverständnis der Schülerinnen und Schüler zu klären, um dann mögliche Erweiterungen, Änderungen und Weiterentwicklungen zu initiieren. Gerahmt wird ein solcher Unterricht von Faktoren effektiven Unterrichts: ein unterstützendes Sozialklima, eine effiziente Klassenführung, vielfältige Prüfungsgelegenheiten im Sinne von Selbstkontrolle und Fremdkontrolle, klare Leistungserwartungen, klare Unterrichtsstrukturen sowie ein hilfreiches Feedback.

Abb. 2: Sechs Merkmale kompetenzorientierten Unterrichts, modifiziert nach Feindt & Meyer (2010, S. 30)

Nach Feindt und Meyer (2010) stehen im Mittelpunkt kompetenzorientierten Unterrichts rekursive Strategien, mit denen das auf Anwendung abzielende Lernen der Schülerinnen und Schüler unterstützt und optimiert werden kann. Die beiden Autoren orientieren sich dabei an Merkmalen guten Unterrichts und kommen zu den folgenden sechs Merkmalen: kognitive Aktivierung, Vernetzung des neu erworbenen Wissens und der Fertigkeiten mit bestehenden Wissens- und Könnensbereichen, Übung und Überarbeitung, lebensweltliche Anwendung, individuelle Lernbegleitung sowie Reflexion des Lernfortschritts (vgl. 2010, S. 30-32).

Bringt man diese beiden Vorschläge kompetenzorientierten Unterrichts zur Deckung, lassen sich für einen kompetenzorientierten Sportunterricht in der Grundschule folgende Eckpunkte ableiten:

• Erstens sollte der Sportunterricht am Vorwissen und am Könnensstand der Schülerinnen und Schüler ansetzen, indem die Kinder beispielsweise ihr Vorwissen in einem kurzen Unterrichtsgespräch artikulieren und ihr vorhandenes Können im Rahmen einer Explorationsphase vorzeigen können.

• Zweitens sollte der Sportunterricht den Kompetenzerwerb durch die Bearbeitung und Reflexion von Aufgaben unterstützen, indem die Schülerinnen und Schüler beispielsweise Aufgaben bearbeiten, die in ihren Anforderungen (Niveaus) gestuft sind.

• Drittens sollte der Sportunterricht vorzugsweise anwendungsorientierte Aufgaben berücksichtigen, indem beispielsweise Bewegungsthemen aufgegriffen werden, die der aktuellen Bewegungswelt der Schülerinnen und Schüler entstammen und mit denen sie etwas „anfangen” können.

• Viertens sollte der Sportunterricht das individuelle Lernen und Leisten fördern, indem die Schülerinnen und Schüler beispielsweise ein individuelles Lehrerfeedback bekommen.

• Fünftens sollte der Sportunterricht systematisch Prüfungsgelegenheiten anbieten, indem die Schülerinnen und Schülern beispielsweise kontinuierlich die Möglichkeit haben, den eigenen Lern- und Leistungszuwachs durch Formen der Selbst- oder Fremdkontrolle erkennen und bewerten zu können.

Gerahmt werden sollte ein solcher Sportunterricht durch transparente Leistungserwartungen der Lehrkraft, durch eine produktive Arbeitsatmosphäre sowie einen konstruktiven Umgang mit Störungen und Konflikten.5

2.4 Wie plant man einen kompetenzorientierten Sportunterricht?

Bevor es um Planungsschritte kompetenzorientierten Sportunterrichts geht, gilt es, die bisherigen Überlegungen noch einmal zu verdichten, um den didaktischen Kern deutlicher herauszustellen: In einem kompetenzorientierten Sportunterricht geht es um die Kopplung von Wissen, Können und Wollen. Ziel ist die Befähigung der Schülerinnen und Schüler mit fachspezifischen Aufgaben und Problemen. Die Schüler sollen lernen, situationsadäquat und variabel zu handeln.

Bei der Bearbeitung unterrichtlicher Aufgaben sollen die Schülerinnen und Schüler auf eigene Ressourcen, wie Wissen, Fertigkeiten oder Strategien, zurückgreifen. Sie können jedoch auch Ressourcen des Umfeldes (intelligent) nutzen, indem sie sich beispielsweise auf das Wissen und Können ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler beziehen oder sich notwendige Informationen aus einem Text beschaffen (z. B. wählen sich Kinder aus der Literatur Spiele aus)!

Vor diesem Hintergrund verlangt die Planung kompetenzorientierten Sportunterrichts die Beachtung von zwei weitergehenden Aspekten: Erstens müssen die Kompetenzformulierungen der Lehrpläne von Lehrkräften detailliert ausgelegt und im Hinblick auf Leistungsniveaus differenziert werden. Zweitens richtet sich die Gestaltung der Sportstunden im Laufe einer Unterrichtsreihe an einer finalen Anwendungssituation aus, mit der die Unterrichtsreihe beendet wird (vgl. Neumann & Neuberger, 2012).

Lehrkräfte müssen also wissen und klar unterscheiden können, wann die Schülerinnen und Schüler über die zu erwerbende Kompetenz in überdurchschnittlicher, in durchschnittlicher oder in unterdurchschnittlicher Art und Weise verfügen. Und mit der Konzeption der finalen Anwendungssituation, die ein Test, ein Wettkampf, eine Gestaltung, eine Präsentation oder eine Prüfung sein kann, legen sie fest, was die Schüler im Laufe des Unterrichts lernen, üben und verbessern müssen (vgl. Heidelberger Sportpädagogen, 2011).

Eine Kompetenzorientierung im Sportunterricht fordert somit eine Auswahl handlungsleitender Kompetenzen sowie die Bestimmung exemplarischer Lerninhalte, an denen die Schülerinnen und Schüler die Kompetenzen erwerben sollen. Damit verbunden ist die Orientierung der Sportstunden an einem verbindlichen Thema der Unterrichtsreihe sowie die systematische Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die abschließende Anwendungssituation. Damit verlangt die Planung kompetenzorientierten Sportunterrichts zunächst den konsequenten Blick auf das Ende der Reihe, um von dort auf den Anfang zu springen, damit über den Aufbau und die Ausrichtung der Sportstunden in der Unterrichtsreihe entschieden werden kann.

2.5 Welche qualitätssichernden Funktionen hat eine Standardisierung?

Von den Curricula werden in Form von Standards Forderungen an Schülerleistungen formuliert und als Ergebnisse von Unterricht verstanden. Standards sind curriculare Normen, die vorgeben, über welche Kompetenzen (Leistungen) Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Schulkarriere verlässlich verfügen sollen. Standards bestimmen den Erfolg des Unterrichts somit an einem extern gesetzten Output: an zu erwerbenden und zu evaluierenden Schülerlernleistungen.

Anstatt also – wie bisher – die Qualität von Schule und Sportunterricht vorrangig an inhaltlichen Vorgaben (Inputsteuerung) zu orientieren, wird durch die verbindliche Vorgabe von Schülerlernleistungen (Standards) die Qualität von Schule und Unterricht an das Erreichen dieser Zielstellungen im Sinne eines Outputs geknüpft (Outputsteuerung). Wenn das Ziel des Lernens im Sportunterricht so bestimmt wird, dann können und müssen Lehrkräfte entscheiden, wie und mit welchem Gegenstand sie dieses Ziel mit ihrer Lerngruppe erreichen können.

Versteht man Standardisierung als ein Werkzeug, mit dessen Hilfe die Bildungspolitik das in die Kritik geratene schulische Bildungssystem reparieren will, dann könnte dieses Werkzeug prinzipiell drei Hilfsfunktionen übernehmen (vgl. Kurz, 2007, S. 299f.):