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In der Personalarbeit haben Sie automatisch eine Position als Mittler:in zwischen Unternehmensseite und Mitarbeitenden inne. Gerade im Konfliktfall wird das zur Herausforderung. Dieses Buch zeigt, wie Sie sich auf Konfliktgespräche vorbereiten und dem Druck auch in widrigen Situationen standhalten. Es hilft Ihnen, nicht nur aktuelle Konflikte besser lösen zu können. Sie erkennen auch, wann Sie besser eingreifen und wann nicht und was Sie dann tun können. Das Thema Konfliktmanagement wird anhand einer teilweise autobiografischen Geschichte erzählt, die im Fachteil kommentiert wird. Inhalte: - Sich über das eigene Konfliktverhalten bewusst sein - Wann Streit der bessere Konflikt ist - Mit Aufrichtigkeit wirklich ankommen und empathisches Zuhören lernen - Entscheidungen mit achtsamen Blick treffen - Krisen in Chancen verwandelnDigitale Extras: - Checklisten - Gesprächsleitfäden
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Seitenzahl: 635
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Haufe Lexware GmbH & Co KG
[6]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Print:
ISBN 978-3-648-14814-3
Bestell-Nr. 14142-0001
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ISBN 978-3-648-14815-0
Bestell-Nr. 14142-0100
ePDF:
ISBN 978-3-648-14816-7
Bestell-Nr. 14142-0150
Andreas R. Basu/Esther Basu
Konfliktmanagement in der Personalarbeit
1. Auflage, Dezember 2022
© 2022 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
haufe.de
info@haufe.de
Bildnachweis (Cover): © Mjgraphics, shutterstock
Produktmanagement: Dr. Bernhard Landkammer
Lektorat: Maria Ronniger, Text + Design Jutta Cram, Augsburg
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[7]Für Marshall
[14]»… Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und wachsenden Selbstbewusstseins der Mitarbeiter ist ein systematisches Konfliktmanagement wichtig, das die zentrale Rolle der Mitarbeiter nicht nur in Sonntagsreden betont.«
Professor Dr. Dirk Holtbrügge, Universität Erlangen-Nürnberg. Autor des Standardwerks »Personalmanagement«.
»Konfliktmanagement lernen Personaler doch im Studium.«
»Das brauchen Personaler nicht, die können doch immer gut mit Menschen umgehen.«
»Konflikte lösen können Personaler, wozu haben wir sie denn sonst?«
Vielleicht kennst du solche oder ähnliche Sprüche aus deinem Berufsalltag. Laien, die deinen Ausbildungsweg als Personaler oder Personalerin nicht kennen, »wissen« plötzlich, was du alles gelernt hast, fragen nicht nach und verwechseln ihre Erwartungen mit ihren Hoffnungen.
Wenn du im Konfliktmanagement gerade deine ersten praktischen Erfahrungen sammelst oder dieses Thema berufsbegleitend erlernst, erleichtert dir dieses Buch deinen ersten, zweiten und dritten Schritt – du erfährst, wie du dich auf Konfliktgespräche vorbereitest, wie es dir gelingt, nicht mehr auf deine üblichen Verhaltensweisen unter Druck hereinzufallen, und wie es möglich ist, Konflikte auch unter widrigen Bedingungen anzusprechen.
Du gehst damit Schritt für Schritt auf ein höheres Gesprächs- und Konfliktmanagementlevel und entwickelst dich parallel auch auf Führungsebene zu einer gefragten Persönlichkeit.
Moderne Personalarbeit geht schon lange weit über Gehaltskostenabrechnung, die Verwaltung von Urlaubstagen und Outplacement hinaus. Vermutlich ergänzt du: »Ja, das stimmt, denn Personalarbeit zeichnet sich vor allem durch eine abgestimmte Steuerung komplexer Prozesse in einem sich ständig wandelnden ökonomischem und sozialen Umfeld aus«.
Abgesehen von den internen Prozessen ist ein Faktor, der dich vermutlich bewogen hat, Personaler zu werden, der: Wie gehen wir Menschen idealerweise miteinander um? Und wie machen wir das im Ernstfall der Kommunikation: dem Konflikt?
Tatsächlich spielen für den Erfolg von Menschen in Unternehmen folgende Fähigkeiten eine entscheidende Rolle:
Konflikte zu Situationen ohne Verlierer führen zu könnenbasierend auf einer wertschätzenden Haltung die Menschen ans Unternehmen zu binden, anstatt sie zu vertreibenunternehmerische Entscheidungen zu treffen und unangenehme Handlungen trotz eigener Ängste auszuführen[16]Kommunikationsfähigkeit, die unter Druck wertschätzend bleibt, ist dabei leider noch eine Seltenheit. Wenn du diese Kunst jedoch beherrschst, kannst du dir die vielen Folgen sparen, die dir Lebenszeit und -qualität rauben.
Durch die Qualität der Kommunikation wird die tatsächlich vorgelebte Kultur sichtbar, nicht durch Unternehmensleitbilder an der Wand, die oft weniger wert sind als das Papier, auf dem sie stehen. Die gelebte – nicht die vorgespiegelte – Realität ist die, über die Mitarbeiter in der Kaffeeküche miteinander sprechen. Dort wird gelästert über die Differenz zwischen den gut gemeinten Wertelisten an der Wand des Besprechungsraums und dem, was Chefs in Konfliktsituationen tatsächlich tun.
Das Gegenteil von »gut« ist »gut gemeint«.
Was nutzen Shared Service Center, neue Betreuungsmodelle und die Entwicklung von Leitbildern und Führungsgrundsätzen, wenn diese nicht widerspiegeln, wie es im Unternehmensalltag tatsächlich zugeht? Vielleicht kennst du ja Leitbilder, die eher einer Karikatur des gelebten Managements entsprechen – natürlich nur »aus fernen Ländern« ;-)? Da wird, anstatt den Kern des Problems anzupacken, häufig »außen herum« gedoktert, was zu Fehlzeiten, verlagerten Konflikten z. B. zu anderen Abteilungen und Abwanderung der besten Mitarbeiter führt. Es gibt ein paar schnelle oberflächliche Lösungen – weder gibt es eine sinnvolle Aufarbeitung der Kündigungsgründe von Mitarbeitern noch wird erkannt, wo die Ursache des Konflikts lag. Die Folge? »Und täglich grüßt das Murmeltier« – ganz und gar nicht die Art von Führung und Konfliktmanagement, die sich Unternehmen, geschweige denn »lernende Organisationen« wünschen.
Solange Sie nicht wissen, weshalb Ihre Mitarbeiter wirklich kündigen, solange wissen Sie auch nicht, wie sich das Unternehmen entwickelt.
Oft fehlt es an fundiertem Wissen zu Konflikten und deren Ursachen, aber auch an pragmatischer Anwendungs- und Lösungserfahrung, weil Konflikte meist vermieden oder deren Lösungen mit heißer Nadel gestrickt werden. Das führt oft zu Lösungen, die keine Tragfähigkeit haben und Unternehmen unglaublich viel Geld kosten. Wie ein Auto, das nicht von A nach B fahren kann – das wird auch nicht gekauft. Ein Online-Händler, dessen Produkte mühevoll in der Stadt abgeholt werden müssen, wird nicht bestehen bleiben. Ein Produkt, das kein Problem löst, wird sich nicht gut verkaufen. Und doch gehen wir durchs Leben und versuchen, Konflikte zu vermeiden, ihnen auszuweichen – oder wir kämpfen, bis einer verliert. Eigentlich Irrsinn – ist doch der einzige Existenzgrund für Unternehmen der, Probleme und Schwierigkeiten (anderer!) zu lösen. Konflikte sind immer noch ein gesellschaftliches Tabu, das dazu führt, dass nur wenige damit professionell umgehen können.
Wir sind zwar mit den Überlebenstaktiken Kampf, Unterwerfung und Ausweichen gerüstet, wissen jedoch nicht, wie wir Konflikte lebensdienlich nutzen können.
[17]Kompetente Entlastung für den Personalbereich
Aus den genannten Gründen ist in den letzten Jahren die längerfristige strategische Entwicklung der Personalarbeit, die die Umsetzung der Dinge fördert, deutlich stärker in den Fokus der Unternehmensstrategie gerückt. Vorgesetzte und Mitarbeiter, die diesen Prozess begleiten und wahrhaftig (!) fördern, schaffen insbesondere ein Umfeld, in dem sich Menschen wohlfühlen und ihre Stärken gezielt und freiwillig einbringen.
Was hat das nun mit der Personalarbeit zu tun?
Die meisten Menschen, die zu dir kommen, gehen insgeheim davon aus, dass du jede Menge Konfliktmanagementfähigkeiten hast. Doch dem ist oft gar nicht so. Die wenigsten werden damit geboren. Auch im Studium ist das meist kein Bestandteil der Ausbildung. Viele Mitarbeiter wissen gar nicht, dass »ihre« Personalerin Juristin, Betriebswirtschaftlerin oder Psychologin ist. Manche haben ihre Konfliktmanagementfähigkeiten erst nach schmerzhaften Erfahrungen im Beruf durch Schulungen ausgebaut.
Wie sieht es aus, wenn Konflikte über Jahre in der Abteilung reifen, dem Abteilungsleiter schließlich um die Ohren fliegen und er mit dem eskalierten Konflikt zu seiner Personalerin geht und hofft, von ihr die »Heilungspille« zu erhalten, mit der das Thema mal schnell erledigt wird? Dass Konfliktmanagement so nicht funktionieren kann und überzogene Erwartungen an Personaler gestellt werden, die diese überfordern, hat schon viele diesem Thema aus dem Weg gehen lassen. Du bist nicht allein!
Das »Keiner gewinnt«-Spiel
Unsere Sprache haben wir von unseren Eltern mitbekommen.
Das Konfliktverhalten unserer Eltern folgt deren eigener inneren Sprache.
Unsere innere Sprache bestimmt, wie wir in Konflikten agieren.
Gerade in Konflikten neigen wir oft zu Ausweichen, Rückzug oder Angriff.
Damit gibt es in 95 Prozent der Fälle Verlierer.
Wenn wir verlieren, haben wir beim nächsten Konflikt noch weniger Lust, beteiligt zu sein.
Wenn wir bei Konflikten nicht beteiligt sind, entscheiden andere über uns.
Je mehr andere über uns entscheiden, desto mehr ziehen wir uns zurück.
Ein »Keiner gewinnt«-Spiel.
Den steinigen Weg gehen
Entscheide, aus dem »Spiel« auszusteigen, ohne bereits zu wissen, wie es besser geht.
Lerne zwischen destruktiver und konstruktiver Alltagssprache zu unterscheiden.Beteilige dich bei kleineren Konflikten, die dich betreffen, auf konstruktive Weise.Widerstehe deinen Überlebensmechanismen von Ausweichen, Rückzug oder Angriff.Erschaffe dir eine gefestigte Sprache, die zunehmend deiner inneren Haltung entspricht und dich jeden Tag stärkt.[18]Willst du mehr darüber wissen? Willst du über deine aktuelle Situation hinauswachsen und selbst schwierige Konflikte souverän lösen können? Dann begleiten wir dich gern auf dieser Reise zu deiner Konfliktexzellenz.
»Eine Bedrohung, die alle Welt wahrnimmt, über die jedoch niemand spricht, ist sehr viel destruktiver als eine Gefahr, die offen zutage tritt und in Angriff genommen wird. Wie die Menschen sind auch die Unternehmen zumeist so krank wie ihre Geheimnisse.«
Richard Pascale
Du hältst das erste Buch zum »Konfliktmanagement in der Personalarbeit« in deinen Händen.
Schon erstaunlich, das erste Buch?!, könntest du sagen – gibt es doch eine Vielzahl an Büchern zum Thema Konfliktmanagement und eine ebenso große Anzahl an Büchern über das Personalwesen. Wieso also haben der Verlag und wir uns dazu entschlossen, dieses Buch zu schreiben?
Weil wir mit Erstaunen festgestellt haben, wie viele Personaler Konflikte klären sollen, ohne das Handwerkszeug dafür zu haben. Vielleicht kennst du das:
Du hast gerade zu Berufsbeginn keine Ausbildung im Konfliktmanagement. Gleichzeitig merkst du, dass die Konflikte, die in einer Abteilung bereits hochgekocht sind, zu dir wandern.Du bist frustriert, weil du gern unterstützen willst und gleichzeitig Spezialkenntnisse benötigst, die du für bereits eskalierte Konflikte jedoch nicht hast. Dies bekommst du in den »mal schnell« anberaumten Gesprächen schmerzlich zu spüren. So wirst du überlastet von Firmenmitarbeitern, die, ohne nachzufragen, das nötige Spezialwissen bei dir voraussetzen.Vielleicht neigst du dazu, Konflikte zu vermeiden, weil Konflikte die Möglichkeit des Scheiterns mit sich bringen. Würdest du dadurch nicht deiner Karriere schaden? Also lieber aus dem Weg gehen …Du wirst mit Konflikten konfrontiert, die die Führungskraft einer Abteilung an dich »delegiert«, weil sie selbst überfordert ist. Du wirst mit Forderungen nach einer »schnellen Lösung« für ein kochendes Thema konfrontiert und kennst noch nicht mal die Vorgeschichte dazu. So kannst du nicht genau erkennen, wo die Krux liegt – beim Mitarbeiter, beim Vorgesetzten, beim Vorvorgesetzten, bei den Strukturen, bei …?[20]Und du hast als Personaler – obwohl nicht oder nur rudimentär in Konfliktmanagement ausgebildet – oft Vorbildfunktion, repräsentierst du doch vornehmlich die Unternehmensseite.
Was den Druck noch erhöht …
Die Beteiligten des Konflikts kommen häufig mit Vorurteilen, die sie nicht überprüfen. So können Führungskräfte mit folgenden (unausgesprochenen) Ideen kommen:
»Ich kann mit meinem voll eskalierten Konflikt ad hoc zu meinem Personaler kommen und er/sie hat sicher ’ne schnelle Feuerwehr-Lösung.«»Ich brauche gar nicht zu versuchen, den Konflikt zu lösen. Ich hab schon so viel zu tun und außerdem so viele weitere Herausforderungen. Das macht die Personalabteilung schon, dafür sind die doch da!«»Die Personaler haben doch alle Tools, um mit diesen Themen umzugehen, schließlich sind sie doch Personalmanager! Die sind fit im Lösen von Konflikten, machen das doch sicher jeden Tag. Kann gar kein Problem für sie sein!«Mitarbeiter haben ebenfalls meist eine hohe Erwartungshaltung an dich:
»Das kann meine zuständige Personalerin doch, sie versteht mich ganz sicher, das ist doch ihr täglich Brot. Also lass ich mal alles raus, was so vorgefallen ist.«»Die Personalerin wird mich verstehen und vor der Kollegin, der Abteilung, dem Abteilungsleiter, dem Bereichsleiter, dem Geschäftsführer … retten.«»Meine Personalerin wird sicher für mich Partei ergreifen und verstehen, wie es mir geht und wer der wahre Schuldige ist!«Nicht wenige Mitarbeitende wählen Personaler allerdings auch als Feindbild, weil sie die Arbeitgeberseite vertreten. Die Arbeitnehmer werden vom Betriebsrat vertreten. Deshalb kommt es bisweilen zu »Stellvertreter-Konflikten«: Personaler gegen Betriebsrat. Und meistens hält dich auch noch jemand für parteiisch.
Vielleicht fragst du dich:
Wie kann dieser gordische Knoten gelöst werden, ohne darin verwickelt zu werden oder ihn ewig aufzudröseln?Wie kann ich sinnvoll vorgehen, um nicht immens viel Zeit zu verlieren? Wie erkenne ich schneller den »Knackpunkt«?Was kann ich tun, damit das Thema dauerhaft gelöst ist und nicht alle paar Wochen in neuer Verkleidung auftaucht?Abb.: Gordischer Knoten
Raus aus der Zwickmühle
Dieses Buch hilft dir dabei, nicht nur aktuelle Konflikte besser lösen zu können. Du erkennst, wann du besser eingreifst und wann nicht. Du erschaffst dir außerdem den zusätzlichen Karrierebaustein »Konfliktfähigkeit«. Du erfährst, welche Konflikte du nicht lösen und was du dann tun kannst. Du gehst den Weg vom »Personalverwalter« hin zum »Personalgestalter« und ergreifst die Chance, dich von anderen zu unterscheiden.
Hinweis
Um das Thema Konfliktmanagement eingängig zu gestalten, haben wir es eingebettet in eine weitgehend autobiografische Geschichte, die dich zum Nachdenken anregen soll, ohne dich mit theoretischem Wissen zu erschlagen. Dieses Buch ist aufgeteilt in einen Roman- und einen Fachteil. Die eingefärbten Passagen in der Geschichte greifen wir im Fachteil auf und vertiefen die Hintergründe dazu.
Wir wollen dir das Thema nicht nur mit Leichtigkeit näherbringen bzw. dein Know-how auffrischen und ausbauen – sondern auch deine Lust wecken, mit dieser neuen Fähigkeit andere zu unterstützen und auch dein eigenes Leben bewusst und beständig schöner zu gestalten.
Wenn wir in diesem Buch von Führungskräften, Chefs, Mitarbeitern, Seminarteilnehmern etc. sprechen, dann sind damit selbstverständlich auch weibliche Führungskräfte, Chefinnen, Mitarbeiterinnen, Seminarteilnehmerinnen etc. gemeint.
Wir benutzen in diesem Buch das respektvolle »du« anstelle des »Sie«, weil wir damit einerseits die Sprache vereinfachen wollen und andererseits, weil wir damit weniger aus einer übergeordneten Position, sondern vielmehr auf Augenhöhe sprechen wollen.
In diesem Buch sind zwei Frauen die Hauptfiguren, da einerseits im Bereich Human Resources ca. 70 Prozent Frauen vertreten sind und andererseits in immer noch sehr vielen Büchern und Filmen ein Mann der Held ist. Geschrieben ist es von Mann und Frau – und gedacht ist es für Frau und Mann.
[22]Durch Ausweichen bleibt alles beim Alten. Durch das Bewältigen von Herausforderungen und das Aneignen neuer Fähigkeiten erschaffst du dir eine neue Zukunft. Mit diesem Buch wollen wir dir das Rätsel »Konfliktmanagement für die Personalarbeit« näherbringen und Fragen aus deinem Berufszweig beantworten. Sollten danach trotzdem Fragen offenbleiben, freuen wir uns über deine Nachfragen zum Thema unter info@sparks-journey.com.
»Manchmal dürfen erst unangenehme Dinge passieren, um uns daran zu erinnern, dass es an der Zeit ist, etwas zu ändern.«
Unbekannt
»Halte die Stellung. Ich vertraue auf dich!« ist alles, was ihr Chef sagt, als er sich aus dem Büro verabschiedet und in seinen Karibikurlaub verschwindet. Paula weiß gar nicht, was sie sagen soll, und stammelt nur ein kurzes »Ja, klar, alles Gute und viel Spaß«. Ihre Augen weiten sich, als die Tür zufällt, und sie ahnt: Da kommt was auf mich zu!
Da ist Paula nun – auf sich allein gestellt. Sie spürt, dass die Vorstellung, ihren Chef – Peter Void – zum ersten Mal vertreten zu müssen, seit er sie vor acht Monaten zu seiner Stellvertreterin ernannt hat, sie beunruhigt. Sie darf in den nächsten zwei Wochen die Fahne der Personalabteilung hochhalten. Das dürfte spannend werden, denkt sie sich und weiß noch nicht, wie recht sie damit hat.
Vor einigen Jahren war sie in ihrem Traumberuf gelandet: als Personalverantwortliche mit Menschen arbeiten – großes Kino! Menschen stärken und durch ihr Angestelltenleben begleiten, unterstützen und Perspektiven aufzeigen und schaffen. So großartig, denkt sie sich, bestehen doch Unternehmen in echt aus Menschen. Menschen, die gemeinsame Aufgaben angehen, die in Teams arbeiten und Visionen verwirklichen, die größer sind als sie selbst.
Sie hatte den Wunsch, Menschen zusammenzubringen und dazu zu bewegen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Ihr war klar, dass das herausfordernd werden würde, doch sie wusste auch, weshalb ihr das etwas bedeutete: Die schwierigen Jahre in ihrer Herkunftsfamilie hatten etwas in ihr wachsen lassen – den Wunsch, zum Leben etwas Bedeutendes beizutragen.
Doch jetzt waren erst mal die Telefonate dran und natürlich die Organisation der Abteilungsbesprechung.
Auf ihrer Liste stand:
Wochenmeeting der Abteilung organisieren die neuen Gehaltsbänder Entwicklungsabteilung – die Situation mit der neuen Mitarbeiterin Förderprogramm für junge Entwicklungsingenieure: Entwicklungsbausteine definieren[24]Das erste Wochenmeeting
Paula ist gut vorbereitet. Sie geht noch einmal ihre Checkliste durch, bevor die Kollegen hereinkommen: Begrüßung, Themen, Berichte der Kollegen und Kolleginnen, Anträge, Beschlüsse – nichts vergessen, super! Das sind die anderen ja gewohnt. Nichts Besonderes, außer, dass es halt diesmal nicht Peter, ihr Chef, macht.
Es ist 9 Uhr. Noch ist keiner da. Paula freut sich: Gut, dann wird es heute halt etwas kürzer sein. Ist ja eh wöchentliche Routine, die jeder absitzt. Umso besser. Sie liest noch mal ihre Unterlagen durch. Wann kommen die denn? Kaum ist der Chef weg, schon … Ach, da ist ja der Erste. Heinz schaut herein, besser gesagt, er lugt um die Ecke und fragt Paula:
»Findet denn unser Wochenmeeting heute statt?«
»Ja, klar!«, antwortet Paula.
»Ach so, ich dachte, wenn der Chef weg ist, dann vielleicht nicht.«
Paula wundert sich, fragt sich: Hat ihr Chef denn niemandem Bescheid gegeben?
Heinz setzt sich und beide warten. Eine etwas unangenehme Stille entsteht. Schließlich entscheidet Paula, noch mal allen Bescheid zu geben. Sie steht auf und hetzt leicht außer Atem durch die Gänge, lugt zu den Türen herein und sagt: »Wochenmeeting, Raum A10, wie immer – kommt ihr?« Große Augen folgen ihr, während sie zum nächsten Zimmer stürmt. Als sie ihren Rundgang beendet hat, kommt sie wieder beim Konferenzraum A10 an. Mehrere Kolleginnen und Kollegen sitzen bereits da, bis auf einige, die allerdings nach und nach eintrudeln.
Paula fängt mit der Agenda an, denn begrüßt hat sie ja irgendwie jeden auf ihrem Rundgang schon. Heinz kommt auch wieder herein – er hat sich eine Fanta geholt. Als Berta und Irina das sehen, stehen sie auf und sagen: »Du, wir sind gleich wieder da, wir holen uns nur kurz etwas zum Trinken.« Paula denkt sich: Könnt ihr das nicht danach machen? Sie lächelt tapfer, nickt kurz und schaut auf die Uhr: 9:35 Uhr! Oh Gott, nur noch eine knappe halbe Stunde!
Sie versucht es noch einmal mit der Agenda, liest die Punkte vor. Doch irgendwie ist heute keiner wirklich bei der Sache. Also holt sie noch einmal aus, weshalb es heute so wichtig ist, mit den Themen weiterzukommen: »Wie ihr sicher wisst, ist Peter die nächsten zwei Wochen in Urlaub und hat mir die Vertretung übertragen. Daher würde ich mit euch heute gern folgende Punkte durchgehen …« Bevor sie weitersprechen kann, fragt Irina: »Peter ist in Urlaub und du sollst ihn vertreten? Wieso denn ausgerechnet du?« Paula ist irritiert, denn Irina hat recht: Weshalb ausgerechnet sie? Ihr wird heiß, sie merkt, wie ihr die Röte ins Gesicht steigt. Irina ist doch viel länger im Betrieb … Paula hasst diese Momente, in denen ihr heiß wird und sie ahnt, dass [25]andere ihr ansehen, wie peinlich ihr die Situation ist. Sie antwortet: »Ja, also … Ich weiß auch nicht, aber er hat es mir so gesagt. Also gehen wir mal Thema 1 an: die neuen Gehaltsbänder.« Irina tuschelt mit ihrer Freundin Berta. Plötzlich meint Berta: »Ich weiß nicht, was das bringen soll – schließlich ist Peter nicht da!« Paula spürt, wie ihr die Kraft aus dem Körper weicht. Sie stammelt: »Nun, wir sollen aber doch die Wochenthemen besprechen.« »Hm, besprechen heißt ja nicht beschließen«, kontert Berta »Aber dann kommen wir doch nicht voran«, erwidert Paula. »Ja, dann ist das so. Aber ich werde hier nichts beschließen ohne Peter!« Bertas Standpunkt ist klar. Paula sieht, wie einige still nicken. Heinz sagt nichts, er nuckelt an seiner Flasche. Hat er überhaupt zugehört?
»Na gut, dann machen wir doch die Situation mit der neuen Mitarbeiterin in der Entwicklungsabteilung«, versucht Paula das nächste Thema auf der Agenda anzuschneiden. Berta meldet sich sofort zu Wort: »Ja, das ist eine schwierige Situation, die haben da ja jedes Mal nichts anderes zu tun, als bei uns neue Mitarbeiter onboarden zu lassen. Das ist doch nicht unser Job! Das muss man klären.« »Hm, ja. Wer kann das denn übernehmen? Kennt jemand die Abteilung gut?«, fragt Paula. Stille im Raum …
»Äh, oder ist das doch eher was für die Zeit, wenn Peter wieder da ist?«, fragt Paula in die Runde und könnte sich gleich auf die Zunge beißen. Irina bestätigt: »Ganz klar, das kann nur Peter. Er hat die nötige Autorität, um denen mal den Kopf richtig aufzusetzen.« Paula blickt verwirrt auf ihr Blatt: Das kann ja heiter werden, wenn Peter zurückkommt und sieht, dass sich nichts bewegt hat. Sie wagt noch einen Versuch: »Also, ich weiß nicht, ob Peter das gut findet. Sollten wir das nicht selbst mal in die Hand nehmen?« Irina entgegnet schnippisch: »Woher weißt du denn, was bereits gelaufen ist, was Peter mit denen vielleicht verabredet hat? Und dann soll einer von uns da hingehen und sich den Kopf waschen lassen?! Ich hab keine Lust, blöd dazustehen! Oder willst du mit denen sprechen?« Paula merkt, wie sie unsicher wird, und stellt sich vor, vom Abteilungsleiter zu hören: »Das haben wir doch schon alles mit Ihrem Chef besprochen!« Sie stammelt leise: »Macht wohl momentan keinen Sinn.« Irina triumphiert: »Sag ich doch!«
Paula versucht, betont entspannt zum dritten Thema überzuleiten: »Also dann gehen wir doch das Thema mit dem Förderprogramm für junge Ingenieure in der Entwicklung an. Da wollten wir doch wichtige Entwicklungsbausteine definieren. Wer kann dazu bereits erste Ideen beitragen?« Heinz löst sich von seinem Strohhalm und sagt: »Ich hab da keine Meinung. Ich bin da offen für alles.« Irina braust auf: »Was soll das denn jetzt heißen: keine Meinung? Jeder hat doch ’ne Meinung! Jetzt bezieh doch mal Stellung!« »Ich bin da offen«, erwidert Heinz scheinbar emotionslos. Irina kann es nicht fassen: »Oh Mann, wieder alles uns Frauen überlassen! Wie sollen wir denn so weiterkommen?« Das ist Paulas Stichwort: »Genau, Irina, wir wollen doch weiter[26]kommen. Was hast du denn für eine Idee?« Irina antwortet: »Also, vielleicht braucht das ja gar keiner, wir suchen doch bereits gute Leute am Markt, und überhaupt ist das ja mein Bereich. Wir suchen nicht zufällig gute Leute – die braucht man nicht noch künstlich und für viel Geld weiterzubilden. Kann sich unser Unternehmen in der Wirtschaftslage ja gar nicht leisten.«
Alle nicken – bis auf Paula. Irgendwie hat sie Zweifel und kann Irinas Standpunkt doch nicht widerlegen. Etwas ärgerlich sagt sie: »Seid ihr also alle der gleichen Meinung?« Alle nicken stumm. »Gut, dann lautet der Beschluss: Wird nicht gebraucht.« In Paula rumort es. Sie schaut auf die Uhr: nur noch fünf Minuten! Sie blickt in die Runde. Es fällt ihr schwer, doch sie fragt: »Wie sieht es in den Abteilungen aus? Wollen wir die Berichte von euch kurz hören?« Von Irina und Berta kommt es wie aus der Pistole geschossen: »Ach, nö! Wozu denn?« und Irina ergänzt: »Bei uns läuft doch alles! Peter vertraut uns, du doch sicher auch!« Irina schaut Paula direkt in die Augen. Paula denkt: nein – und hört sich sagen: »Ja, klar doch.«
»Na gut, dann können wir ja jetzt gehen!«, sagt Berta und setzt ihre Fanta etwas zu geräuschvoll auf. Die anderen sagen nichts, nicken nur kurz und fangen dann nach und nach an, den Raum zu verlassen.
Paula sitzt noch am Konferenztisch – vor sich ihre Unterlagen und am anderen Ende des Tisches drei leere Flaschen. Sie hatte sich den Beginn dieses Tages weiß Gott anders vorgestellt. Ihre Begeisterung über die Gelegenheit, das Meeting zu leiten, ist dem alten Satz in ihrem Kopf gewichen: Du bist nicht gut genug! Bedrückt geht sie in ihr Zimmer und ist froh, dass niemand ihre stillen Tränen sehen kann.
Sie beschließt, für den Rest des Tages Routinearbeiten zu erledigen und sich nur mit Themen zu befassen, die sie allein bearbeiten kann. Auf die Kollegen hat sie gerade keine Lust. Sie fragt sich, wie das Meeting so schiefgehen konnte.
Am Abend, zu Hause, geht sie das Meeting noch einmal durch und versucht zu erkennen, welche Fehler sie gemacht hat: Was darf ich hier entscheiden? Was wollen die anderen von mir? Wie gehe ich mit Irina und Berta um? Was muss ich tun? Wieso ausgerechnet ich? Wieso passiert immer mir so etwas?
Mit jeder Frage wird sie noch kritischer mit sich. Paula holt sich eine Tüte Chips und setzt sich vor den Fernseher. Sie beschließt, früh ins Bett zu gehen, um am nächsten Tag ausgeschlafen im Büro erscheinen zu können. Doch sie wälzt sich im Bett und Bilder des Meetings – von Irina, Heinz und den Fantaflaschen – huschen durch ihren Kopf. Am nächsten Morgen wird sie um sieben Uhr von der Sonne geweckt, die ihr ins Gesicht scheint. Etwas wackelig und griesgrämig macht sich Paula fertig und fährt in die Firma.
[27]An diesem Tag versucht Paula sich unsichtbar zu machen. Mittags bekommt sie die Blicke der anderen in der Kantine zu spüren. Sie setzt sich abseits und ist froh, als sich Heinz mit seiner ewigen Fanta zu ihr setzt. Wie sonst auch lächelt er nur kurz, isst und sitzt dann schweigend da. Schließlich sagt er: »War schon schwer gestern, oder?« Paula merkt, wie ihr die Tränen in die Augen schießen. Sie schaut auf ihr Essen, sodass die Haare vor ihr Gesicht fallen, und sagt: »Na ja, was soll man machen?« Heinz nickt und ist wieder still.
Als Paula am Abend nach Hause kommt und sich wieder mit einer Tüte Chips vor den Fernseher setzt, geht es ihr besser. Schon seltsam, da sie zum Berufsstart noch ganz sicher war, in ihrem Traumberuf angekommen zu sein …
»Kannst du jeden Tag leben, als wäre es dein letzter?«
Dieser Satz, den jemand im Fernsehen sagt, berührt Paula auf unangenehm schmerzhafte Weise und zieht sie gleichzeitig an. Paula schlägt die Augen nieder und hört ihre innere Antwort: ein zögerliches Nein.
Paula sieht, wie sie jeden Tag funktioniert. Sie arbeitet stundenlang, um die Zeit herumzukriegen, sie macht ihre Ablage neu – die war ja schon lange dran. Klar, sie muss arbeiten, um sich ihr Leben leisten zu können. Es ist kein ausschweifendes, aber eben doch eines, das Geld erfordert. Da ist die Miete, ihr kleines Auto, um in die Firma zu fahren, die Kleidung, die sie kauft, um in der Firma gut auszusehen, Essen gehen, Geschenke für Freunde, Urlaub, die Versicherungen … Da kommt eben einiges zusammen.
Nein, sie liebt nicht jeden Tag. Wer tut das schon? Immerhin hat sie einen Beruf, der mit Menschen zu tun hat. Das ist schon ein riesiger Gewinn. Und doch erwischt sich Paula an einigen Tagen dabei, wie sie aus dem Fenster ihres Büros starrt und denkt: Irgendwie »überlebe« ich meine Tage nur, ich »überlebe« mein Leben. Zu viel Alltag, zu viel der gleichen Routine, zu viel der immer gleichen Themen und Probleme … Ach, ich sollte nicht so griesgrämig sein. Ist doch alles nicht so schlimm. Anderen geht es ja auch nicht wirklich besser.
Erinnerungsfetzen tauchen auf. Sie sieht den Eingang zum Haus ihrer Eltern – ihr Zuhause, das sie viele Jahre geprägt hat. Dort hatte es immer wieder Stress mit ihrer Mutter gegeben. So oft war sie wegen ihrer Depressionen wie abwesend – und dann kamen wieder ihre Wutanfälle. Diese zu überstehen war zu Paulas Alltag geworden. Ihr Vater, der häufig unterwegs war, konnte ihr nicht helfen – das meiste bekam er ja gar nicht mit. So hatte sie früh gelernt, mit ihrer Mutter umzugehen. Doch es blieb oft ein schaler Geschmack nach diesen anstrengenden Situationen. Irgendetwas blieb dabei auf der Strecke: sie selbst.
[28]Jetzt war sie zwar erwachsen, eigentlich frei – und doch fühlte sie sich noch immer gefangen. Und das mitten in dieser so wohlhabenden Umgebung in ihrer Stadt. Irgendwie verrückt. Jetzt stand ihr das Leben offen, hatten ihre Eltern zu ihr gesagt, als sie ihren Abschluss in der Tasche hatte. Weshalb fühlte sie sich dann so gefangen in dieser Freiheit? Sie wusste es nicht. Noch nicht.
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