Kornblumeneis - Monika Jaedig - E-Book

Kornblumeneis E-Book

Monika Jaedig

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Beschreibung

Kristiania (Oslo) an der Schwelle zum 20. Jahrhundert. Sonia verkleidet sich als Mann und begibt sich an die Universität. Aber sie ist nicht hier, um den Vorlesungen zu lauschen. Sie ist auf der Suche ... 

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Veröffentlichungsjahr: 2016

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Monika Jaedig

Kornblumeneis

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Liebe Leserin, lieber Leser

 

Kornblumeneis erzählt eine kleine Geschichte von unsterblicher Liebe.

 

Beim Schreiben von Kornblumeneis hat mich die Musik von Unheilig begleitet. Lieben Dank an Der Graf für Deine Unterstützung meiner Inspiration!

 

Cover: Florian Jaedig

Coverfoto: Wald am Holmenkollen, aufgenommen von Daniel Jaedig

 

© Monika Jaedig

Alle Rechte vorbehalten, besonders das der unerlaubten Vervielfältigung und Verbreitung (auch auszugsweise) in sämtlichen Medien.

 

Auf der Suche

 

Kristiania (Oslo), 7. September 1899

 

Sonia ging in aufrechter Haltung über das Gelände der Universität. Die wenigen Kurven ihres schlanken Körpers versteckte sie unter einem schwarzen Anzug. Das lange weißblonde Haar hatte sie raffiniert verschlungen und unter einer Studentenmütze verborgen. Auf diese Weise als Mann getarnt, konnte sie sich unerkannt unter die Studierenden mischen und einen Augenschein nehmen.

 

Sie war nicht hier, um den Vorlesungen der Professoren zu lauschen. Sonia war auf der Suche nach einem kultivierten, gut aussehenden und gebildeten jungen Mann. So wie jener hochgewachsene, flotte Blondschopf mit den strahlend blauen Augen. Eine Locke fiel ihm keck ins markante Gesicht. Sein breiter Mund verzog sich immer wieder zu einem unwiderstehlichen Grinsen, das ebenmäßige Zähne aufblitzen ließ. Er roch sehr anziehend, nach reifer Gerste, ergänzt durch einen Hauch Birkenharz. Olaf wurde er gerufen, so viel wusste sie bereits, und er studierte Rechtswissenschaften.

 

Sie blieb ihm auf den Fersen, um ihn weiter zu beobachten. Setzte sich in denselben Hörsaal und ließ eine langweilige Vorlesung zum Thema Erbrecht über sich ergehen. In ihrer Welt brauchte man keine solchen Gesetze. Wenn sie etwas begehrte, nahm sie es sich einfach. So wie sie dem alten Geizkragen das stattliche Haus an der Josefinesgate abgeluchst hatte. Ein tiefer Blick in die verkniffenen Schweinsäuglein und flugs hatte er ihr seinen ganzen Besitz geschenkt. Nicht vererbt! Zum Dank hatte sie ihn ins Himmelreich befördert. Seine Nachbarn glaubten, er wäre zu seiner Nichte nach Bergen gezogen. Sie würden ganz bestimmt keine Nachforschungen anstellen, waren viel zu erleichtert, den ollen Griesgram endlich los zu sein.

 

Nach Ende der Vorlesung folgte sie Olaf in die Bibliothek. Er wandte sich der Rechtsabteilung zu und suchte längere Zeit nach einem Buch. Sonia schlenderte zwischen den hochaufragenden Regalen. Was für eine Fülle an Wissen! Vielleicht sollte sie einmal die Nacht hier verbringen und sich eine Auswahl der vielen Werke zu Gemüte führen?

 

Ein kräftiger, regelmäßiger Herzklang drang an ihr sensibles Ohr und erregte ihre Aufmerksamkeit. Das Pochen gehörte zu einem angenehmen Duft nach norwegischen Wäldern und einer frischen, salzigen Meeresbrise. Es konnte nicht schaden, ein Auge auf den Träger dieses Duftes zu werfen. Zielstrebig ging Sonia durchs Bücherlabyrinth auf den Herzschlag zu. Gleich da vorn, um die Ecke würde sie ihn erblicken.

 

Oh ... Er war ein ganzes Stück kleiner als sie. Das schmale Bürschchen mit dem kurz geschnittenen dunklen Haar hatte seine lustige Stupsnase in einem dicken Wälzer über Anatomie vergraben. Zweifellos ein Medizinstudent. Wieder so etwas Unnützes.

Als sie langsam an ihm vorbeiglitt, richteten sich die dunklen Härchen in seinem Nacken auf. Er blickte von seinem Buch auf und wandte sich ihr zu.

Sie musterte das jungenhafte Gesicht: glatte Haut, braune Augen mit gesundem Glanz, ein ebenmäßiger Mund mit rosigen Lippen. Sein freundliches Lächeln galt eindeutig ihr.

»Kann ich dir helfen? Suchst du etwas?«, fragte er arglos.

Die Arglosigkeit irritierte sie. Spürte er denn nicht, wer vor ihm stand?

»Nein, danke. Ich komme schon zurecht«, erwiderte sie mit dunkler Stimme.

»Bist du neu hier? Ich hab dich noch nie gesehen.«

Was für ein aufmerksames Kerlchen! Und furchtbar hartnäckig. Sie blickte ihm tief in die Augen. Das warme Braun erinnerte an poliertes Mahagoni. Von den schwarzen Pupillen ausgehend leuchteten helle Sprenkel, die den Augen sprühende Lebendigkeit verliehen. Sie spiegelten das freundliche Lächeln, überzogen das fein geschnittene Gesicht mit einem Ausdruck, den man sonst bloß bei Kindern zu sehen bekam. Dieser junge Mann war ohne Falsch, hatte ein weit geöffnetes Herz und eine reine Seele.

»Du hast mich nie gesehen.«

Das Lächeln erstarb, die hellen Sprenkel hörten auf zu leuchten. Der schmale Junge wandte sich wieder seinem Anatomiebuch zu und beachtete sie nicht weiter.

 

Eine moderne Frau

 

Die vergangenen zwei Tage hatte Sonia darauf verwendet, Olafs Gewohnheiten zu studieren. Er war nicht eben der fleißigste Student, kam oft zu spät zu den Vorlesungen und verbrachte die Nächte vorzugsweise bei Bier und Kartenspiel.

 

Heute Abend folgte sie ihm zu einem Treffen der Burschenschaft. Sie verbarg sich in einem düsteren Winkel gegenüber des Gasthauses, in dem die Studenten regelmäßig zusammenkamen, und lauschte den Gesprächen der jungen Männer.

Wenn Olaf sich zu vorgerückter Stunde auf den Heimweg machte, wollte sie ihn ansprechen. Zu diesem Zweck hatte sie extra ein raffiniert geschnittenes, flaschengrünes Seidenkleid angezogen. Ein Gürtel aus schwarzem Atlas betonte ihre schlanke Taille. Obwohl sie der kühle Abendhauch nicht frösteln ließ, hatte sie sich ein weißes Wolltuch um die Schultern geschlungen. Das helle Haar war kunstvoll geflochten und hochgesteckt, dazu ein pfiffiger schwarzer Hut. An den schmalen Füßen trug sie schwarze Seidenstiefeletten mit zierlichem Absatz, die sie noch etwas größer erscheinen ließen und ihren katzenhaften Gang betonten.

 

Das Lokal war gut besucht. Es wurde munter debattiert und kräftig gebechert. Olaf sprach dem Alkohol tüchtig zu. So tüchtig, dass er kurz vor Mitternacht einfach vom Stuhl kippte und einschlief.

Sonia war bitter enttäuscht. Mit einem Sturzbetrunkenen war nichts mehr anzufangen. Wie ärgerlich!

Sie wollte sich schon abwenden, als sich der gesunde Herzschlag des Kleinen näherte. Die Tür des Gasthauses öffnete sich und er trat ganz allein ins Dunkel. Im Gegensatz zu Olaf schien er sich beim Alkohol zurückgehalten zu haben, hatte immer noch klare Augen und einen sicheren Gang. Spontan beschloss sie, ihm zu folgen.

 

»Guten Abend.«

Morten zuckte heftig zusammen, als unerwartet eine junge Frau aus einer unbeleuchteten Gasse trat und sich ihm in den Weg stellte. Ihrer Kleidung nach zu urteilen, war sie eine Dame der guten Gesellschaft. Ihr schmales Gesicht leuchtete kalkweiß im schwachen Schein der Gaslaternen, die entlang der Hauptstraße etwas Licht verbreiteten. Herbe, ja geradezu harte Gesichtszüge, ein kalter Blick aus hellen Augen. Entgegen der herrschenden Mode trug sie keine Locken, was er ungewohnt fand.

Morten fasste sich wieder und schenkte ihr ein freundliches Lächeln.

»Guten Abend. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

Einen Moment lang sah es so aus, als schnappte sie enerviert nach Luft, doch dann wurden ihre harten Gesichtszüge etwas weicher und sie schlug hilflos die Augen nieder.

»Hätten Sie wohl die Freundlichkeit, mich nach Hause zu begleiten? Um diese Zeit ist es fast unmöglich, eine Droschke zu finden. Ich ängstige mich, ganz allein durch die Stadt zu gehen«, bat sie mit verlorener Kleinmädchenstimme.

Morten verbeugte sich höflich.

»Selbstverständlich. Seien Sie unbesorgt, ich begleite Sie gerne. Wohin darf ich Sie bringen?«

»Ich fürchte, ich muss Ihre Zeit unnötig lange in Anspruch nehmen. Mein Haus steht in Homansbyen, an der Josefinesgate.«

»Keineswegs, mein Heimweg liegt in derselben Richtung. Sie dürfen ohne schlechtes Gewissen auf meine Hilfe zählen.«

»Wunderbar! Herzlichen Dank.«