Kraft und Magie der Heilpflanzen - Rudi Beiser - E-Book

Kraft und Magie der Heilpflanzen E-Book

Rudi Beiser

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Beschreibung

Maibaum, Barbarazweige und Hexen in der Walpurgisnacht – das sind altbekannte Bräuche. Aber was genau hat es damit auf sich? Woher stammen solche Rituale und welche magischen Pflanzen sind beteiligt? Lassen Sie sich in die geheimnisvolle Welt unserer Heilpflanzen entführen. Das Wissen um Pflanzenmagie und Kräuterbrauchtum ist uralt – und existiert noch heute. Alte Pflanzenrituale und Aberglaube werden von Heilpflanzen-Experte Rudi Beiser spannend erklärt, gedeutet und eingeordnet – und durch neun ausgewählte magische Pflanzenporträts mit Leben gefüllt. Zahlreiche Ideen und Rezepte überführen altes Brauchtum und Rituale in die heutige Zeit.

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Seitenzahl: 349

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Das steckt im Buch

Pflanzenmagie seit Urzeiten

Pflanzenmagie ist uralt und geheimnisvoll. Wir können sie erst verstehen, wenn wir uns Lebensweise und Glaubensvorstellungen unserer Vorfahren vor Augen führen. Denn die Wurzeln des Pflanzenbrauchtums liegen in der menschlichen Urgeschichte. Mit dem geschichtlichen Hintergrund können wir dann begreifen, warum Pflanzenmagie einst eine so bedeutende Rolle innehatte.

Altsteinzeit – ohne Frauen läuft nichts

Schamanismus: die Heilkunst der Steinzeit

Die magischen Neun Holunder – Zauberpflanze der Steinzeit

Jungsteinzeit – der erste Gärtner war eine Frau

Die magischen Neun Wegerich – Schamanenblatt und Wegbeherrscher

Die Hochkulturen – Männer in Frauenberufen

Heilkunde in der Hand der Mönche

Hexenverfolgung: schwere Zeiten für Frauen

Die magischen Neun Dost – schlägt Hexen in die Flucht

Magische Ernte- und Sammelrituale

Seit Urzeiten sind Magie und Heilkunde eng verbunden. Erst das magische Ritual machte eine Pflanze zur Zauberpflanze. Der Zauberglaube verlangte schon beim Sammeln und dann auch bei der Anwendung der Heilpflanzen besondere Rituale. So ließ sich die Heil- und Zauberkraft der Kräuter vermehren.

Rituale garantieren den Erfolg

Der richtige Zeitpunkt

Magische Orte verstärken die Wirkung

Magie mit Zahlen und Farben

Die magischen Neun Wegwarte – die verzauberte Jungfrau

Vielgestaltige Rituale sind wirksamer

Mit der Pflanze in Kontakt treten

Die magischen Neun Eisenkraut – zauberkräftig nur mit Magie

Magisches Kräuterbrauchtum heute

Mond-Rituale für den Kräutergärtner

Rituale für den Barbaratag

Rituale für die Raunächte

Rituale für Lichtmess

Rituale für die Frühlingstagundnachtgleiche

Rituale für Ostern

Rituale für Frühlingsmitte und Mai

Rituale für die Sommersonnwende

Rituale für die Sommermitte

Rituale für Maria Himmelfahrt

Rituale für den Erntedank

Rituale für Allerheiligen

Bedeutungsvolle Hochzeitsrituale

Kräuterbrauchtum rund ums Jahr

Bräuche und Rituale mit Kräutern sind meist mit den Jahreskreisfesten verankert. Warum stellen wir an Weihnachten einen Tannenbaum auf und weshalb essen wir am Gründonnerstag eine Kräutersuppe? Mit einem Gang durch das Jahresrad entdecken wir uraltes Pflanzenbrauchtum und lernen seine Bedeutung kennen.

Die Entstehung der Jahreskreisfeste

Wintersonnwende – Geburt des Lichtes

Wintermitte: es wird heller

Tagundnachtgleiche: endlich Frühling!

Die magischen Neun Gundermann – gut für Menschen, schlecht für Hexen

Frühlingsmitte: Feste voller Lebensfreude

Sommersonnwende: Sonnenkraft am Höhepunkt

Die magischen Neun Johanniskraut – eng verbunden mit der Sonnwende

Sommermitte: die Ernte beginnt

Herbsttagundnachtgleiche: die Vegetation stirbt

Herbstmitte: Zeit der Ahnen

Mit Kräutern durch das ganze Leben

Kräuterbrauchtum steckt auch im Zyklus eines Menschenlebens. Die zauberkräftigen Pflanzen begleiteten unsere Vorfahren bei Geburt, Taufe, Hochzeit und Tod. Mit ihrer Hilfe versuchte man bei entscheidenden Übergängen böse Mächte fernzuhalten und Glück herbeizuzwingen.

Übergangsrituale bieten Schutz

Geburt: der Kreislauf beginnt

Die magischen Neun Beifuß – hilfreiche Frauenpflanze

Initiation: erwachsen werden

Liebe: ohne Zauberei geht nichts

Tod: nicht Ende, sondern Übergang

Die magischen Neun Brennnessel – bringt brennende Liebe

Service

Zum Weiterlesen

Zum Weiterlernen

Pflanzenzauber und Zauberpflanzen

Pflanzenbrauchtum und Pflanzenzauber finden sich zu unterschiedlichsten Zeiten und in verschiedensten Ländern. In nahezu allen Kulturen war man überzeugt, dass Pflanzen geheimnisvolle Kräfte besitzen. Die Rituale, mit denen man die Zauber- und Heilkraft der Kräuter sichern wollte, ähneln sich weltweit. Deshalb muss es sich um uraltes Wissen handeln, das bis in die Anfangszeit der Menschheitsgeschichte zurückreicht.

Kräuter konnten nicht nur Krankheiten vertreiben, sondern auch vor Unheil schützen, Glück bringen oder die Liebe erwecken. An den Holunder beispielsweise gab man sein Fieber ab, das Johanniskraut sollte Blitzeinschläge verhindern und mit dem Dost hoffte man, dem Teufel so manches Schnippchen zu schlagen. Wer in Kräuterbüchern schmökert, stößt deshalb immer wieder auf solch kuriose Geschichten und altes Brauchtum, deren tieferer Sinn sich uns heute meist nicht mehr erschließt. Im Gegenteil, man ist geneigt, das Tun unserer Vorfahren als primitiven Aberglauben und lächerlichen Unsinn abzutun. Dabei handelt es sich um Reste alter Naturkulte und Religionen und in Vergessenheit geratener Heilsysteme. Im Mittelalter war die ursprüngliche Bedeutung des Pflanzenbrauchtums meist schon verloren gegangen. Im Zuge der Christianisierung wurde alles Heidnische entweder bekämpft und dämonisiert oder es bekam einen christlichen Rahmen.

Aber Gebräuche sind sehr beständig und beharrlich, sie ändern sich nur langsam. Deshalb wurden sie noch Jahrhunderte lang ausgeübt, teils heimlich, teils geduldet, teils verfolgt. Erst Aufklärung und Industrialisierung räumten dann endgültig mit dem Pflanzen-Aberglauben auf. Nur wenige Gebräuche überlebten in Nischen, in abgelegenen Gebieten, wo die Tradition bis heute bewahrt wurde.

In diesem Buch möchte ich das überlieferte Pflanzenbrauchtum beschreiben, aber auch entschlüsseln. Uralte Pflanzenrituale werden erklärt, gedeutet und eingeordnet und durch die neun ins Buch eingestreuten „magischen“ Pflanzenporträts vertieft und mit Leben erfüllt. Das Brauchtum, das sich über Jahrtausende rund um die Pflanzen entwickelte, war wichtiger Bestandteil im Leben unserer Vorfahren. Es ist ein Spiegelbild der damaligen Weltsicht. Rituale und Bräuche boten die Möglichkeit, selbst in den Lauf der Dinge einzugreifen. Sie gaben dem Menschen Orientierung, Halt, Kraft und Hilfestellung beim Bewältigen von Krisensituationen. Sie begleiteten ihn durch den Rhythmus der Jahreszeiten, durch das landwirtschaftliche Geschehen und die entscheidenden Entwicklungsstufen seines Daseins. Um diese zyklischen Abläufe gruppieren sich die meisten pflanzenspezifischen Rituale und Gebräuche. Deshalb werden diese Themen im Mittelpunkt unserer Betrachtung stehen. Um das alte Pflanzenbrauchtum zu verstehen, müssen wir uns einen Einblick in die Vorstellungswelt unserer Vorfahren verschaffen.

Ein kleiner Streifzug durch die Kulturgeschichte der Heilpflanzen zu Beginn des Buches wird uns die magische Weltanschauung früherer Zeiten näherbringen. Viel abergläubisches Tun mit Pflanzen stellt sich dabei als sinnvolles Handeln heraus.

Auch die für Heil- und Zauberkunst unentbehrlichen magischen Ernterituale werden ausführlich beleuchtet, denn hinter den meisten dieser Bräuche stecken eine tiefe Symbolik und Bedeutung, deren Entschlüsselung auch heute noch lohnt: Die alten Weisheiten können auch in unserer digitalisierten Welt einen Platz finden, denn schließlich sind sie der Schlüssel zu unseren kulturellen Wurzeln.

Rituale wie beispielsweise die Jahreskreisfeste verbinden uns mit dem ewigen Kreislauf der Natur und können uns einen respektvollen Umgang mit Umwelt und Pflanzen lehren. Deshalb werden im Buch immer wieder Ideen eingestreut, wie altes Brauchtum auch in der heutigen Zeit genutzt und belebt werden kann.

In einer Welt, in der wir den Kontakt zu unserer Umwelt immer mehr verlieren und in der Liebeszauber und Pflanzenmagie keinen Platz zu haben scheinen, können wir von unseren Vorfahren lernen. Begeben Sie sich also mit mir auf eine Reise in die magische Welt des Kräuterbrauchtums, in der viele spannende Entdeckungen auf uns warten.

Rudi Beiser

PFLANZENMAGIE SEIT URZEITEN

Pflanzenmagie ist uralt und geheimnisvoll. Wir können sie erst verstehen, wenn wir uns Lebensweise und Glaubensvorstellungen unserer Vorfahren vor Augen führen. Denn die Wurzeln des Pflanzenbrauchtums liegen in der menschlichen Urgeschichte. Mit dem geschichtlichen Hintergrund können wir dann begreifen, warum Pflanzenmagie einst eine so bedeutende Rolle innehatte.

Altsteinzeit – ohne Frauen läuft nichts

ie Medizingeschichte ist voller Männernamen. Man könnte den Eindruck bekommen, Frauen seien nicht zum Heilen geboren. Doch dies ist nur die Sicht von Historikern, die in einer Zeit lebten, in der Frauen kaum etwas zu sagen hatten. Wir werden nach und nach entdecken, dass die historische Realität etwas anders aussieht, sobald wir in die Urgeschichte der Menschheit eintauchen.

Pflanzenmedizin – so alt wie die Menschheit

Archäologische Funde zeigen es: Die heilende Wirkung von Pflanzen war schon vor 370 000 Jahren bekannt. Aus dieser Zeit fand man an Siedlungsplätzen des Homo erectus in Thüringen unter anderem Reste von Buchs, Kornelkirsche, Hartriegel, Esche und Holunder, die in der Volksheilkunde schon immer als Heilpflanzen genutzt wurden. Im heutigen Irak entdeckte man in der Shanidar-Höhle das 50 000 Jahre alte Grab eines Neandertalers, der auf blühenden Heilkräuterbüscheln gebettet war. Schafgarbe, Beifuß, Flockenblume, Kornblume und Eibisch waren darunter, in besonders großen Mengen aber fand sich Meerträubel, den man womöglich wegen seiner stimulierenden Wirkung schätzte. Mit Sicherheit ist die Heilkunde aber noch wesentlich älter, als diese Funde nahelegen.

Da erkrankte Tiere nachweislich Arzneimittelpflanzen suchen und diese gezielt bei bestimmten Beschwerden fressen, kann man davon ausgehen, dass schon die ersten aufrecht gehenden Primaten „Kräuterkenntnisse“ besaßen. So verzehren Schimpansen beim Befall mit Fadenwürmern bestimmte Pflanzen, die sonst als Nahrung nicht in Frage kommen. Gorillas zerkauen andere Pflanzen, um die Paste auf verletzte Stellen zu schmieren. Manche Tiere suchen sogar gezielt stimulierende Rauschdrogen auf: Elefanten lieben vergorene alkoholhaltige Früchte, Rentiere knabbern an Fliegenpilzen und Katzen wälzen sich in Katzenminze und Baldrian. Meisen staffieren ihre Nester gerne mit Zweigen des duftenden Lavendels aus, um sich so vor Parasiten zu schützen. Und so wie diese Tiere hatten mit Sicherheit auch unsere Urahnen, die vor mehr als zwei Millionen Jahren erstmals Werkzeuge aus Stein herstellten, Kenntnisse von der Heilkraft der Pflanzen.

Sammlerinnen entdecken die Wirkung von Kräutern

In der Altsteinzeit, dem Zeitraum bis zur Entdeckung des Ackerbaus, lebten die Urmenschen noch als Nomaden, die in kleinen Gruppen von 20 bis 40 Personen an jahreszeitlich wechselnden Plätzen lagerten. Wenn sie an einem Platz nicht mehr genug Nahrung fanden, zog die Gruppe weiter.

Man umschreibt die damalige Lebensform mit dem Begriff „Jäger und Sammler“. Eigentlich müsste es richtig heißen: „Sammler und Jäger“ oder noch korrekter „Sammlerinnen und Jäger“. Denn das Sammeln war überwiegend Sache der Frauen, die damit das Überleben der Gruppe sicherten. Die damalige Ernährung wurde zu 80 Prozent aus gesammelten Wurzeln, Früchten, Samen, Kräutern, Beeren und Nüssen sowie aus Pilzen, Honig, Eiern und Insekten gedeckt. Der Beitrag der jagenden Männer zum Lebensunterhalt wurde also lange Zeit überschätzt.

Während die Männer für die Jagd und den Schutz der Gruppe verantwortlich waren, erwarben die sammelnden Frauen Kenntnisse von genießbaren und giftigen Pflanzen. Da ein großer Teil der für die Nahrung nutzbaren Wildpflanzen zugleich eine Heilwirkung hat, entdeckten die Frauen durch ihre Sammeltätigkeit auch die heilende Kraft der Pflanzen. Sie nutzten diese, um Schmerzen zu lindern und Verletzungen zu heilen, und sie setzten sie zur Förderung der Fruchtbarkeit und zur Geburtserleichterung ein. Auch psychoaktiv wirkende Pflanzen, die Rauschzustände und Halluzinationen auslösten, wurden verwendet. Die Frauen blieben an den Lagerplätzen zurück und halfen einander bei den Geburten, betreuten Kinder, Kranke und Alte. Ihr Heilwissen gaben sie an Töchter und Enkelinnen weiter, und es wuchs von Generation zu Generation. Hier wurde die Basis für die Kenntnisse gelegt, die wir heute von Heilpflanzen besitzen. Die Leserinnen können es sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Entdeckung und Entwicklung der Pflanzenmedizin ist eine Kulturleistung der Frauen. Die Tatsache, dass die Pflanzenheilkunde uralt und weiblich ist, wird uns noch wichtige Erklärungen für das Verständnis des Pflanzenaberglaubens liefern. Noch Hunderttausende Jahre später sind in der Heilmagie des Mittelalters Spuren dieser weiblichen Wurzeln zu erkennen. Diesen Spuren, zum Beispiel die Vorschrift, Heilkräuter mit der linken Hand zu pflücken, werden wir im Kapitel „Magische Ernte- und Sammelrituale“ (siehe Seite 72) auf den Grund gehen.

Naturverbundenheit und Intuition statt Hightech

Es stellt sich die Frage, wie die Sammlerinnen ohne Hilfe moderner Analysetechniken die heilende Kraft der Kräuter erkennen konnten. Die meisten heute genutzten Heilpflanzen sind schon seit Jahrtausenden bekannt; die modernen biochemischen Labore konnten diesem alten Wissensschatz trotz ihrer Hightech-Methoden kaum noch etwas hinzufügen. Was machte diese Leistung möglich?

Die Entdeckung der Heilwirkung geschah bestimmt nicht zufällig durch Ausprobieren. In der Altsteinzeit lebten nur wenige Zehntausend Menschen zur gleichen Zeit. Das Durchprobieren aller giftigen Pflanzen hätte dieser kleinen Population recht schnell ein Ende bereitet. Die Sammlerinnen müssen vielmehr essbare Pflanzen mit instinktiver Sicherheit von den giftigen unterschieden haben. Durch eine Art Eingebung („sechster Sinn“) scheinen sie auch die Heilimpulse der Pflanzen wahrgenommen zu haben. Um das zu verstehen, müssen wir uns vor Augen halten, dass der Urmensch mit seiner Umwelt viel intensiver verbunden war, als wir es uns heute vorstellen können. Er lebte eingebettet in die Natur, eng verbunden mit den Pflanzen, die ihm Nahrung, Werkzeug, Feuerholz und Heilmittel bereitstellten. Dementsprechend war sein Gespür für die ihn umgebenden Pflanzen so ausgeprägt, dass einige Ethnologen diese sensitive Begabung als Naturhellsichtigkeit bezeichnet haben. Während wir heute die Heilpflanzen mit wissenschaftlichen Methoden im Labor entschlüsseln, gab es also in der Frühzeit der Menschheit einen ganz anderen Zugang zu den Geheimnissen der Natur. Damals waren Instinkt, Spürsinn und Intuition wesentlich stärker ausgeprägt als heute. Doch mit dem Sesshaftwerden und der zunehmenden „Entfremdung von der Natur“ sind diese intuitiven Fähigkeiten immer mehr verloren gegangen.

Animismus: die Natur ist voller Geister

Der Animismus ist ein weiterer wichtiger Aspekt zum Verständnis des Pflanzenaberglaubens. Nur wer ihn kennt, versteht, warum Pflanzen angesprochen, beschworen, verehrt oder gar mit menschlich anmutenden Namen benannt wurden. Man sprach in Volksliedern, Heilsprüchen oder Kinderreimen von Frau Holler (Holunder), Frau Hasel oder Frau Kranewitt (Wacholder). Man bat sie um Hilfe bei Krankheiten oder in Liebesdingen und brachte ihnen aus Dankbarkeit Opfer dar. Der Zorn des Pflanzengeistes kommt über jeden, der einem Baum Schaden zufügt – glaubten viele Menschen bis ins 19. Jahrhundert.

Totemglaube – Verwandtschaft mit Naturwesen

Die einst enge Verbindung der Menschen zur beseelten Natur zeigt sich auch im Totemglauben, der in vielen indigenen Völkern Nordamerikas noch heute zu finden ist. Das Wort „Totem“ stammt aus der Sprache des in Kanada ansässigen Stammes der Algonkin und bedeutet „Verwandtschaftsbeziehung“. Totemwesen waren also Naturverwandte einer Gemeinschaft (Clan, Sippe, Stamm) und dienten als deren Erkennungszeichen. Es konnten Tiere, Pflanzen, aber auch Berge oder Quellen sein. Vom Totem leitete der Stamm oder die Sippe ihre Herkunft ab, er war sozusagen ihr mythischer Urahne.

Hier liegt auch der Ursprung der ältesten Schöpfungsmythen der Menschheit, die besagen, dass Pflanzen oder Tiere die Eltern der Menschen sind. Der Mensch, der zum Bären-Clan gehörte, hatte demnach den gleichen Ahnen wie der wilde Bär. Der Bär stand somit unter dem Schutz des Clans, galt als heilig und wurde verehrt.

Auf diese Weise entwickelten sich Kraft- und Kultplätze, heilige Bäume, Quellen, Pflanzen und Krafttiere. Aber nicht nur in indianischen Kulturen existierte dieses Totemsystem. Der Animismus war ein weltumfassender Glaube. Auch in unserer mitteleuropäischen Kultur kann man Spuren des Totemglaubens entdecken. Die Namen alter Wirtshäuser etwa, wo man sich zum „Stamm-Tisch“ traf: Adler, Bär, Hirsch, Lamm, Falke, Schwan, Rössl, Ochse, Grüner Baum, Linde, Eiche, Tanne. Das alles waren ehemals Totems: Tiere und Pflanzen, die dem Stamm als Kraftquelle dienten. An diesen heiligen Plätzen wurden Versammlungen abgehalten und kultische Trinkfeste gefeiert. An Kultplätzen und Wallfahrtsorten entstanden so die ersten Gaststätten, denn die zahlreichen Pilger benötigten nach den Strapazen der Anreise Erholung und Stärkung.

Heilen kommt von heilig

Vermutlich gab es unter den steinzeitlichen Sammlerinnen besonders intuitiv veranlagte Frauen, die außerordentliches Gespür beim Entdecken pflanzlicher Heilwirkungen besaßen. Noch heute spricht man ja von „weiblicher Intuition“. Diese Frauen waren sozusagen die Urmütter der Schamaninnen und Zauberinnen späterer Zeiten. Sie kannten magische Rituale, Beschwörungsformeln und die Wirkungen pflanzlicher Heilmittel. Magie und Heilen waren von Anfang an untrennbar miteinander verknüpft. Die Pflanzen wurden als Medizin, aber auch als Räucherwerk oder Amulett benutzt. Auch bewusstseinsverändernde Pflanzen, wie Schamanen sie noch heute verwenden, gehörten zum Repertoire der Heilerinnen.

Ebenso wie die Pflanzen selbst war auch das Wissen um deren geheimnisvolle Kräfte etwas Heiliges. Die kräuterkundigen Medizinfrauen standen mit unsichtbaren Mächten und Welten in Kontakt. Denn schließlich konnten Krankheitsdämonen nur mithilfe göttlicher oder magischer Kräfte ausgetrieben werden. Auf diese enge Verbindung der Heilkunde mit dem Bereich des Heiligen weist auch schon der gleiche Wortstamm von „heilen“ und „heilig“ hin. Deshalb war die Berufung zum Heilen jahrtausendelang mit dem Priesteramt verbunden.

Als Sammlerinnen waren die Frauen mit den Wirkungen der Pflanzen vertraut. Aber frei ausüben konnten sie die Heilkunst nur deshalb, weil auch die herrschende Gottheit und das Priestertum weiblich waren, ein wichtiger Punkt, der uns im Folgenden noch beschäftigen wird. Erst viel später wurde die Leben spendende Muttergöttin durch einen männlichen Gott ersetzt, wodurch der Mann als Heiler in den Vordergrund trat.

In vielen Märchen, Mythen und Sagen finden wir noch immer Hinweise auf die weiblichen Wurzeln der Heilkunde. Es sind dort vor allem Hexen, Feen und Zauberinnen, die die Geheimnise der Zauber- und Liebestränke und der tödlichen Gifte kennen. Weil die Kosmologie einer Gesellschaft darüber entschied, welches der Geschlechter die Heilkunde ausüben durfte, sollten wir uns die „Religion“ der Steinzeit etwas näher anschauen.

Die Frau als Heilerin und Priesterin

Man kann es heute kaum mehr leugnen: Die Urgeschichte der Menschheit war vor allem durch die Frau geprägt. Das Wunder, Leben schenken zu können und die Neugeborenen durch den eigenen Körper zu ernähren, war für die frühen Menschen geheimnisvoll und mächtig und die Verehrung des Weiblichen als Quelle des Lebens damit vorgezeichnet, denn die Rolle des Mannes bei der Zeugung war damals nicht bekannt. Es zählte nur die Herkunft aus dem mütterlichen Schoß. Zudem hatten Frauen durch ihre Rolle bei der Nahrungsbeschaffung und der Ausübung der Heil- und Zauberkunde eine besondere Stellung im sozialen Gefüge der Gemeinschaft. Die ältesten Schöpfungsmythen beinhalten den Glauben an eine Welt, die ohne Zutun eines männlichen Partners aus einer Göttin geboren wurde. In der gesamten Frühphase der menschlichen Kultur fehlt deshalb die Gestalt eines Vatergottes.

Ursprünglich war Gott also eine Frau! Der Schöpfungsmythos der Bibel, bei dem Gott Eva aus Adams Rippe erschuf, entstand erst viel später in patriarchaler, durch männliche Erbfolge bestimmter Zeit. Es überrascht also nicht, dass die Archäologin Marija Gimbutas an rund 3000 steinzeitlichen Fundstätten über 30 000 Miniaturskulpturen von Göttinnen fand!

Im Mittelpunkt des religiösen Kultes stand die Verehrung einer Großen Muttergöttin, der Fruchtbarkeitsgeberin und Spenderin allen Lebens. Sie wurde vertreten von den Heilerinnen des Stammes, die somit auch die Funktion der Priesterinnen innehatten. Die Sozialordnung der steinzeitlichen Gesellschaft wird matrizentrisch genannt, also um die Mütter (lat. mater) herum organisiert. Die Sippenstruktur und Verwandtschaftsrechnung war darin auf Mütter und Großmütter ausgerichtet.

Die Dominanz des Mannes begann erst vor etwa 5000 Jahren. Zum selben Zeitpunkt setzte die schriftliche Überlieferung ein, die daher ebenfalls von Männern dominiert war, während die Epoche des Matriarchats weitgehend schriftlos blieb. Dennoch finden sich Spuren weiblich geprägter Gesellschaftsstrukturen in allen Kulturen der Welt. Sie haben sich in Mythen, Märchen, Volksbräuchen und in der Sprache erhalten. Auch im Pflanzenbrauchtum finden sich viele Hinweise auf die einstige Rolle der Frau als Lebens- und Fruchtbarkeitsspenderin. So ließ man im Mittelalter schwangere Frauen die jungen Obstbäume umarmen, damit diese besonders reiche Ernten brachten.

Wiedergeburt und Seelenwanderung

Der Glaube an eine Leben spendende Göttin war eng verbunden mit der Vorstellung, in der eigenen Sippe wiedergeboren zu werden. Wiedergeburt und Ahnenkult waren Bestandteil des damaligen Glaubens. Die Ahnengeister blieben mit dem Stamm in Verbindung und traten bei einer Geburt erneut in den Kreislauf des Lebens ein. Der Tod war nur der Durchgang zu neuem Leben. Deshalb trugen die Kinder oft die Namen der Großväter und Großmütter, nicht zum Andenken, sondern weil sie als Wiedergeburt dieser Ahnen galten. Das Wort „Enkel“ bedeutet übrigens „kleiner Ahne“. Die Hebamme, einst „Hebe-Ahnin“ genannt, hob die Ahnen wieder ins Leben zurück. Damit war sie Mittlerin zwischen jenseitiger und diesseitiger Welt. Die Erde als Große Mutter war somit zugleich Geburts- und Totengöttin. Sie nahm die Seelen der Toten zu sich und schenkte ihnen neues Leben. Angeregt wurde diese Vorstellung vermutlich durch die endlosen Zyklen von Tod und Erneuerung in der Natur, die sich nicht nur in der Pflanzenwelt, sondern auch am Lauf von Mond und Sonne zeigten.

Die Wiedergeburt war nur denkbar durch die Frau. Sie allein konnte Leben spenden und stand deshalb im Zentrum dieses Kults. Doch die weiblichen Kulte bezogen sich nicht nur auf die menschlichen Nachkommen, sie galten ebenso für Pflanzen, Tiere und Gestirne, weshalb Frühlingsfeste und Mondfeste eine uralte Tradition besitzen.

Der frühe Glaube an die Wiedergeburt lässt sich gut an den religiösen Bestattungsriten ablesen: der Bettung der Toten in Embryonalstellung, dem Bestreuen mit rotem Ocker als Symbol für die Leben spendende Kraft des Blutes, den um die Toten herum arrangierten Kaurischnecken mit ihrer eindeutigen Vulvasymbolik und den Grabbeigaben, die die Reise ins Jenseits erleichtern sollten.

Beim Seelenglauben kommt auch die enge Verbindung des Vorzeitmenschen zu den Pflanzen ins Spiel. Aus diesem Grund finden sich sehr häufig Überlieferungen, bei denen Pflanzen als Wohnort der Seelen galten. An den Wuchsorten dieser Pflanzen warteten die Seelen auf die Wiedergeburt. Holunder, Linde, Buchs und Buche waren zum Beispiel typische „Kinderbäume“, die Schwangere und Frauen mit Kinderwunsch aufsuchten, um durch sie „beseelt“ zu werden. Ähnliche Vorstellungen umgaben Brunnen und Quellen oder etwa den Storch. Anfangs galten die Bäume als Sitz der Ahnengeister, später dienten sie auch den Göttinnen als Heimstatt, die die Wiedergeburt der Seelen regelten.

Jagdzauber bei den Männern

Die Tatsache, dass die Frau in der menschlichen Frühgeschichte zentrale Positionen innehatte, bedeutet nicht dass Männer aus Religion und Magie ausgeschlossen waren. Zwar war die Heilmagie in Frauenhand, aber bei den Männern entwickelten sich aus der Jagdtätigkeit ebenfalls magische Rituale: Der Jagderfolg wurde mit Tänzen, Tierverkleidungen und jagdzauberischen Idolen beschworen. Das Wild sollte durch magische Handlungen angezogen werden, die jährliche Wiederkehr der wandernden Wildherden musste sichergestellt werden. Auch mussten die gejagten und getöteten Tiere mit Ritualen und Opfern versöhnt werden, damit sie keine Rache an den Menschen nahmen. Dies war die Aufgabe männlicher Schamanen.

Bedeutende Heil- und Kultpflanzen der Altsteinzeit

Bärentraube, Bärlapp, Beifuß, Bilsenkraut (psychoaktiv), Birke, Buchs, Eberesche Eibe (giftig), Esche, Faulbaum, Fichte, Fliegenpilz und andere halluzinogene Pilze, Haselnuss, Holunder, Kiefer, Kornelkirsche, Meerträubel (psychoaktiv), Schafgarbe, Schlehe, Sumpfporst (psychoaktiv), Wacholder, Weide.

Schamanismus: die Heilkunst der Steinzeit

inen Einblick in die Steinzeitmedizin erlaubt uns auch heute noch der Schamanismus, denn die damaligen Heilrituale dürften jenen der heutigen Schamanen sehr ähnlich gewesen sein. Schamanismus ist keine Religion, sondern eine magische Praxis, die noch weltweit bei vielen Völkern zu finden ist. Funktionen und Techniken der Schamanen gleichen sich dabei in erstaunlicher Weise. Daran lässt sich ablesen, wie alt der Schamanismus ist.

Die weiblichen Wurzeln des Schamanentums

Hinweise, dass sich das Heilen ursprünglich ganz in weiblicher Hand befand, finden wir auch im Schamanismus. Einige Schamanengruppen leiten noch heute ihre Kunst von einer sagenhaften „Großmutter“ oder „Schamanenmutter“ her. In anderen Legenden wird berichtet, der erste Schamane sei eine Frau gewesen, die einen Sohn gebar, von welchem alle weiteren Schamanen abstammen. Weil die Heilenergie als weiblich gilt, tragen manche Schamanen bei ihren Ritualen Frauenkleidung. In einigen Ländern, wie Korea oder Nepal, üben noch immer fast ausschließlich Frauen den Schamanismus aus. In Europa verschwand diese Urmedizin im Zuge der Christianisierung. Spuren davon lassen sich jedoch im mittelalterlichen Hexenglauben finden.

Flug in die Anderswelt – die Schamanenreise

Um schamanisches Heilen zu verstehen, muss man sich von allen naturwissenschaftlichen Modellen der Krankheitsentstehung lösen. Viren und Bakterien spielen im Schamanismus keine Rolle. Krankheiten werden dort vielmehr durch Zauberei, Magie oder Geister (Geisterpfeile!) ausgelöst. Weitere Ursachen liegen in der Verletzung von Tabus oder in Nachlässigkeiten gegenüber dem kosmischen Ordnungssystem.

Entscheidend ist im Schamanismus die Beherrschung bestimmter Techniken, um in Trance zu fallen. Ähnlich wie im heutigen Schamanismus begaben sich die Schamaninnen der Altsteinzeit in einen veränderten Bewusstseinszustand, um sich um Krankenheilung und Geisterabwehr, aber auch um die Seelen der Verstorbenen, um Weissagung und das Bewahren mythischen Wissens zu kümmern.

Bei ihrer Tätigkeit rief die Schamanin „Hilfsgeister“ an, die häufig aus dem Tier- und Pflanzenreich stammten (Schutztiere, Krafttiere, Pflanzenhelfer). Die Trance ermöglichte die Reise in andere Welten, wo übersinnliche Erkenntnisse möglich wurden. Meist äußerte sie sich in einer Art Flugerlebnis. Das Wort Trance kommt übrigens vom lateinischen transire für „hinübergehen“. Die Methoden, um in Trance zu fallen, waren vielfältig: Rhythmische Musik mit Trommeln oder Rasseln spielte eine Rolle, aber auch Gesang (Summen), spezielle Atemtechniken und rituelle Körperhaltungen oder Tanz. Häufig waren halluzinogene Pflanzen oder Pilze mit von der Partie. Mit Alraune, Ayahuasca, Stechapfel, Hanf, Bilsenkraut, Fliegenpilz oder Peyotl kann die Tür zur Geisterwelt auch heute noch geöffnet werden. Trancevisionen wurden aber auch durch Einsamkeit in der Natur (Draußen-Sitzen) und mehrtägiges Fasten ausgelöst. Die biblischen Propheten gingen dazu in die Wüste und ganz ähnlich verlief die Visionssuche der indigenen Völker Nordamerikas.

Die Schamanin durchbrach bei ihrer Trancereise die Grenze zwischen den Welten. Sie war in diesem Zustand ein Wanderer zwischen jenseitiger und diesseitiger Welt. In der „Anderswelt“ verrichtete sie die eigentliche Heilarbeit und holte sich Rat von den Geistern und Ahnen. So konnte sie die Krankheit im Körper lokalisieren, ihre Urheber erkennen und die geeignete Heilpflanze finden. Auf ihrer magischen Reise verfolgte und besiegte sie die Dämonen der Krankheit und führte so die Heilung herbei.

Vielleicht klingt das in unseren Ohren sehr seltsam, aber es wäre falsch, dies alles als Hokuspokus und primitiven Aberglauben abzutun. Es gibt inzwischen viele verblüffende Belege für die Heilkraft dieser magischen Methoden. Die Erfolgsstatistik der Schamanenmedizin ist im Vergleich zur modernen Medizin gar nicht so schlecht.

Heilen verbindet sich mit Magie

Neben dem medizinischen Pflanzenwissen der Schamaninnen hatte vor allem die symbolischrituelle Handlung Einfluss auf die Heilung. Das hat sich im Schamanentum bis heute erhalten: Obwohl zum Beispiel ein erfahrener Indioheiler viele Hundert verschiedene Arzneipflanzen kennt, spielen sie in seiner Heilkunst nur eine Nebenrolle. Im Zeitalter der Analytik fällt es schwer, den entscheidenden Aspekt des Schamanismus zu verstehen: die Verkettung von Heilkunst mit magischen Ritualen. Bei Naturvölkern kann man diese Verflechtung noch heute beobachten.

Heilung bewirkt der Schamane in erster Linie durch das Ritual. Das kann ein Sammelritual, das Heraussaugen der Krankheit aus dem Körper, eine Opferhandlung, eine Räucherung oder ein Reinigungsritual sein, aber auch ein Zauberspruch, eine Geisterbeschwörung, ein Kraftlied, ein Kreistanz, das Handauflegen oder das Umhängen eines Amulettes. Der Kranke wird durch das Ritual „umgestimmt“ und öffnet dadurch seinen Selbstheilungskräften die Tür.

Der Zauber des Wortes oder Heile, heile Segen

Auch in unserem Kulturkreis wurde vor Jahrhunderten noch nach Schamanenart geheilt. Ein altes Sprichwort erinnert daran: „Es heilt Wort und Wurz.“ Das Wort steht für die Beschwörung, den Zauberspruch oder das Gebet. Seiner Bedeutung gemäß wird es als Erstes genannt. Die Wurz, damit sind die Heilkräuter gemeint, erhält erst durch das Wort ihre heilende Kraft. Magische Sprüche und Gesänge begleiteten deshalb das Sammeln einer Pflanze ebenso wie die Zubereitung eines Heiltrunks oder einer Salbe.

Wieso sprach man damals von Wurz und nicht von Kräutern? Früher wurde die Heilwirkung der Pflanze hauptsächlich in der Wurzel gesucht. Mit der Wurzel war sie in der Erde verankert, dem Wohnort der fruchtbaren Erdgöttin, in ihr symbolisierte sich das Wunder des Werdens und Vergehens. Deshalb hießen die Kräuterkundigen einst Wurzelkundige. In der Antike hieß der Kräuterkundige rhizolog, also Wurzelkenner, oder auch rhizothom, was Wurzelschneider bedeutet. Der Kräutergarten hieß im Mittelalter noch Wurzgarten, die Kräuterhändler nannte man Wurzkrämer. Auch in „Gewürz“ steckt noch das alte „Wurz“.

Schamanenmedizin im mittelalterlichen Aberglauben

Die magischen Rituale der Schamanen dienten dazu, die Zauber- und Heilkraft der Pflanzen zu verstärken. Viele der im Mittelalter noch gebräuchlichen Heilrituale sind Reste uralter Schamanenmagie. Sie haben in der Volksmedizin und in den Volksbräuchen bruchstückhaft überlebt. Es gab unzählige Vorschriften, die schon beim Sammeln der Pflanzen zu beachten waren. Die magischen Rituale waren teilweise sehr komplex aufgebaut. Zauberpflanzen mussten beispielsweise zu bestimmten Zeiten geerntet werden und bei ihrem Gebrauch war Zahlenzauber von größter Bedeutung. Nicht nur bei den Sammelvorschriften, sondern auch bei anderen Heilritualen können wir Spuren der altsteinzeitlichen Schamanenmedizin entdecken. Dazu gehört das Anfertigen von Amuletten, das Räuchern, die Krankheitsbeschwörung, aber auch das Übertragen von Krankheiten auf Pflanzen.

In Windeseile haben wir nun zwei Millionen Jahre Menschheitsgeschichte durchschritten und dabei die Ursprünge der Heilpflanzenkunde und des Pflanzenaberglaubens aufgedeckt. Wenn wir im Folgenden das Pflanzenbrauchtum näher kennenlernen, werden wir uns immer wieder zur Erklärung auf das Weltbild der Altsteinzeit berufen können. Animismus und Naturverehrung, weibliche Religion und matriarchale Gesellschaftsstruktur, Ahnenkult und Wiedergeburtsglaube sowie die schamanische Verknüpfung von Heilen und Magie sind Schlüssel, alte Pflanzengebräuche und Rituale zu enträtseln.

HolunderZauberpflanze der Steinzeit

Uralte Heilpflanze

Archäologische Funde weisen darauf hin, dass man den Holunder bereits in der Altsteinzeit medizinisch einsetzte. Er dürfte somit zu den ältesten Heilpflanzen der Menschheit zählen. Seine uralte Tradition offenbart sich in einem Ernteritual, das in Mitteleuropa, aber auch in Russland, Sibirien und bei einigen Indianerstämmen Nordamerikas gebräuchlich war. Überall nutzte man dazu folgende Analogie: Schabte man nach Entfernen der grauen Außenrinde die grüne Bastrinde des Holunders nach oben, bewirke sie bei Einnahme Erbrechen, nach unten geschabt führe sie hingegen zu Durchfall. Bei diesem Analogiezauber kam der Psyche des Patienten große Bedeutung zu, denn die frische Holunderrinde hat sowohl eine Brechreiz erzeugende als auch eine abführende Wirkung. Das Aufwärts- oder Abwärtsschaben gibt suggestiv die Richtung an, in der die Entladung stattfinden soll. Hier zeigt sich, dass nicht der Wirkstoff allein die Heilwirkung der Pflanze ausmacht, sondern auch der Glaube daran eine wichtige Rolle spielt.

Dass sich das Ritual bei verschiedenen Völkern so ähnelt, ist übrigens ein Indiz dafür, dass die „First Americans“ bei ihrer Einwanderung nach Amerika Heilpflanzenkenntnisse aus ihrer nordasiatischen Heimat mitbrachten. Da die Landbrücke zwischen Sibirien und Alaska, die Beringstraße, nach der letzten Eiszeit verschwand, muss sich das Ritual schon vor etwa 20 000 Jahren in ihrem Reisegepäck befunden haben.

Wohnsitz der Frau Holle

Keine andere Pflanze ist so sehr von Sagen und Mythen umwoben wie der Holunder. Und da in Märchen, Mythen und Brauchtum altes Wissen, wenn auch meist verschlüsselt, überliefert wird, gewinnt man so auch einen Einblick in die Vorstellungswelt unserer Vorfahren. Der Holunder galt als Wohnstätte verschiedener, den Menschen freundlich gesinnter Geister und Gottheiten. Eine dieser Gottheiten schien besonders mit ihm verknüpft zu sein: Die germanische Göttin Holla oder Holda. Als dreifache Göttin symbolisierte sie alle Zyklen des menschlichen Lebens und der Natur: Sie war jugendliche Frühjahrsgöttin (Holla), fruchtbare Sommer- und Liebesgöttin (Freya) und alte Wintergöttin (Perchta) zugleich. Als Perchta oder Hel repräsentierte sie den dunklen Aspekt der Göttin, den Tod. Sie galt als Hüterin der Seelen der Verstorbenen; mit ihrem „Wilden Heer“ brauste sie durch die winterlichen Raunächte.

Die Göttin Holla wohnte im Holunderbaum. Im Märchen der Gebrüder Grimm erscheint sie uns als Frau Holle. Holla oder Holda haben den gleichen Ursprung wie die Worte „hold“ und „heilen“. Daran können wir sehen, dass es sich um eine freundliche Göttin handelte, die die Menschen vor Unglück beschützte. Holla wachte über Haus, Hof und Äcker und begleitete den Menschen bei Geburt, Ehe und Tod. Schon deshalb war es Sitte, einen Holunderbusch in nächster Nähe des Hauses zu haben. Daher auch der alte Name Husholler.

Heil- und Schutzbaum

Als heiliger Baum bot der Holunder Schutz und spendete Heilmittel und Nahrung. Er galt als „Hausapotheke der Bauern“. Dafür wurde er geachtet und verehrt. In manchen Gegenden war es üblich, sich vor dem blühenden Holunder zu verneigen oder vor ihm den Hut zu ziehen. „Vor dem Holunder, zieh den Hut herunter“, heißt ein alter Spruch.

Zu der Zeit, als man noch an Frau Holle glaubte, brachte es Unheil, einen Holunderbusch zu fällen. Man konnte damit seine Gesundheit oder gar sein Leben riskieren.

Womöglich gingen aber auch die Pferde im Stall zugrunde oder die Hühner hörten auf zu legen. Musste doch einmal ein Holunder gefällt oder geschnitten werden, waren Versöhnungsrituale unbedingt vonnöten. Man kniete in einer Vollmondnacht vor dem Baum, entblößte sein Haupt und sprach mit gefalteten Händen: „Frau Ellhorn, gib mir von deinem Holze, dann will ich dir auch von meinem geben, wenn es wächst im Walde.“ Von diesem Brauch berichtet ein Pastor aus Nordschleswig im Jahre 1703. In ganz Nordeuropa wurde der Holunderbaum mit Hochachtung als Frau Ellhorn, Frau Holler, Frau Else oder Holdermutter angesprochen. Daran erkennt man, dass die Menschen damals glaubten, der Baum sei beseelt oder bewohnt.

In Dänemark hieß es, wer den Baum der Hollenmutter beschädige, bekomme die „Hollenkrankheit“, es sei denn, er versöhne sie mit einem Speiseopfer. Hierzu goss man Milch an die Wurzeln des heiligen Baums.

Dämonisierungsversuche

Nach der Einführung des Christentums wurde der alte Brauch, an Bäumen zu opfern, ausdrücklich verboten. Der heidnische Holunder sollte abgewertet werden, der Wohnort der Göttin wurde zum Baum des Teufels.

Da Christus nach einer frommen Erzählung mit Holunderzweigen ausgepeitscht wurde, sagte man der Rinde des Holunders plötzlich nach, sie habe wie die Haut des Herrn unzählige Schrunden. Weil sich der Verräter Judas an einem Holunderbaum erhängt haben soll, erinnerte der Duft der Blüten manche nun an Leichengeruch. Und ein am Holunder vorkommender Pilz wurde als „Judasohr“ bezeichnet. Allerdings war der Versuch, den Holunder zu verteufeln, nicht sehr erfolgreich, denn die bäuerliche Bevölkerung hatte weiterhin großen Respekt vor dem heilkräftigen Baum.

Wie lange sich die Hollaverehrung trotz Christianisierung in der Bevölkerung hielt, können wir anhand eines Beichtspiegels aus dem 11. Jahrhundert erkennen: „Hast du geglaubt, dass manche gottlose, vom Teufel geblendete Weiber vorgeben, nachts mit der angeblichen Göttin Holda und vieler Unmenge von Weibern auf Tieren zu reiten, ihr als einer Göttin gehorchen und zu ihrem Dienste in anderen Nächten berufen werden?“ Aus der holden Göttin ist hier ein Unhold geworden! In dieser Beschreibung lässt sich schon das Hexenbild späterer Zeiten erahnen.

Todesbaum und Lebensbaum

Als archaische Erdgöttin war Frau Holle (Perchta) die Herrin über Leben und Tod. Sie war die Gebieterin der Unterwelt. Die heidnischen Friesen begruben ihre Toten unter dem Ellhorn nahe beim Haus. Der Hofholunder war der Baum der verstorbenen Ahnen. Dort opferte man ihnen Milch, Brot oder Bier. Lange Zeit war er deshalb auch als Friedhofsbaum beliebt.

Es gab viele Bräuche, die den Todesaspekt des Holunders unterstrichen. So durften Kinderwiegen nicht aus Holunderholz gefertigt sein, sonst würde das Kind bald ins Jenseits geholt. Wenn der Hofholunder verdorrte, stand der Tod eines Familienmitglieds bevor. Den Verstorbenen wurden oftmals Holunderzweige mit ins Grab gegeben. In Tirol war es Sitte, den Leichenzug mit einem Kreuz aus frisch geschnittenem Holunderholz anzuführen und es dann am Grab in die Erde zu stecken. Schlugen die Zweige aus und wurzelten, galt dies als Zeichen, dass der Verstorbene selig geworden war.

Die Eigenschaft des Holunders, schnell wieder auszutreiben, nachdem er abgeschlagen wurde, machte ihn zugleich zum Symbol der Wiedergeburt. Er war also auch ein Baum des Lebens, der wie die Große Göttin sowohl für den Tod als auch für die Geburt stand. Denn im alten Glauben war der Tod die Vorbedingung zur Wiedergeburt. Werden und Vergehen gehörten untrennbar zusammen, und im Holunder war beides miteinander verschränkt.

Holla wurde nicht nur am Holunder, sondern auch an Brunnen, Quellen, Teichen und Mooren verehrt. Brunnen und andere Gewässer galten als Zugang zur Unterwelt, waren aber gleichzeitig Orte der Fruchtbarkeit, an denen die Kinderseelen auf Inkarnation warteten. Frauen mit Kinderwunsch brachten an diesen Plätzen Opfer dar. Nach den Vorstellungen unserer Vorfahren nahm die Göttin die Seelen der Verstorbenen in ihr unterirdisches Reich auf. Zur Wiedergeburt entließ sie die Kinderseelen dann aus Teichen, Quellen oder Höhlen und manchmal auch aus Bäumen. Der Holunder war solch ein Kinderbaum. Er wurde von Schwangeren umarmt, weil er reichen Kindersegen versprach und die Entbindung erleichtern sollte.

In Österreich gab es den Ausdruck „die Kinder vom Hollerbaum herabbeuteln“. Man glaubte, in den Holunderästen warteten die Seelen der Kinder auf ihre Mutter. Eine schwangere Frau musste nur den Baum berühren, schon huschte ihr ein Kindlein in den Schoß. Deshalb war der Holunder der Sippenbaum. In ihm warteten die Seelen der Verstorbenen auf ihre Wiedergeburt. Bis es eine Schwangerschaft innerhalb der Sippe gab, waren die Seelen sozusagen bei Frau Holle „zwischengelagert“. Dass sich die Seelen Verstorbener in Pflanzen aufhalten, ist auch ein häufiges Motiv in Märchen. So sitzt zum Beispiel die Seele von Aschenputtels Mutter im Haselstrauch.

Einen interessanten Aberglauben notierte im Jahre 1250 Frater Rudolphus: „Frauen tun das was sie ihre Blüte (Menstruationsblut) nennen zum Holunder und sprechen: ‚Trage du für mich, ich blühe für dich.‘ Außerdem heißt es, dass Frauen Holunderblüten von sich werfen, um kinderlos zu bleiben‘.“ Dies waren eindeutig Rituale zur Empfängnisverhütung, wobei der Kinderbaum Holunder als Verstärkung genutzt wurde, frei nach dem Motto: „Behalte du deine Kinderseelen, ich behalte meine Menstruation.“

Liebeszauber zur Sommersonnwende

Im Holunderbrauchtum begegnen uns also die drei wichtigsten Stufen des menschlichen Daseins: Geburt, Liebe und Tod. Dementsprechend stand der Holunder als Baum der Sommergöttin auch mit der Liebe in Verbindung.

„Holderstock“ war früher ein Kosename für den Geliebten, möglicherweise verbirgt sich hier eine Phallussymbolik. In Thüringen sagte man: „Auf Johanni blüht der Holler, da wird die Liebe noch doller.“ Deshalb hieß der 24. Juni (Johanni) auch Holdertag.

Auch junge Frauen, die sich nach einem Partner sehnten, konnten in der Johannisnacht beim Hollerbaum Hilfe finden: „Hollerbaum ich schüttel dich, Heiliger Johannis ich bitte dich, Lass mir den im Traum erschein, Welcher dass mein Mann wird sein.“

Zauberrituale zum Übertragen von Krankheiten

Die Schamaninnen vorchristlicher Zeiten übertrugen Dämonen, die sie aus den Körpern der Kranken heraussaugten, häufig auf Bäume. Je stärker der Baum und der darin wohnende Geist, desto besser überstanden diese die Übertragung. Das schamanische Heilritual des Abstreifens und Übertragens hat sich im Aberglauben erhalten. Der Holunder schien besonders geeignet, Unheil und Krankheiten anzuziehen und in die Unterwelt abzuleiten. Vor allem Fieber und Gicht wurden ihm sehr häufig angehängt. Diese zwei Krankheiten korrespondieren interessanterweise eng mit der volksmedizinischen Wirkung des Holunders: Die Blüten sind fiebersenkend und die Blätter gelten als entwässernd und stoffwechselanregend, was der Gicht entgegenwirkt.

Der Kranke gab die Krankheit durch bestimmte Sprüche oder Rituale an den Strauch weiter, der dabei immer direkt angesprochen und beschworen wurde. So gingen Gichtkranke beispielsweise an drei Tagen hintereinander vor Sonnenaufgang zu einem Holunderbaum, umfassten ihn und sprachen: „Flieder ich habe die Gicht, du hast sie nicht, nimm sie mir ab, so hab ich sie nicht.“ Flieder ist einer der vielen Volksnamen für den Holunder.

Fieberkranke banden in der Nacht bei abnehmendem Mond einen Bindfaden um den Holunderstamm und sprachen: „Guten Morgen Herr Flieder, / Ich bringe dir mein Fieber, / Ich binde es an, / Nun geh ich in Gottes Namen davon.“ Beim folgenden Ritual wurde die Krankheit förmlich am Holunder abgerieben. An Neumond vor Sonnenaufgang ging der Kranke um den Holler herum, rieb sich dann mit dem Rücken daran und sprach: „Grüß di Gott, du Hollerherr / I hab die Auszehrung gar so sehr / Grüß di Gott, du geistlich Herr / Daß i die Auszehrung hab nimmer mehr!“

Man hängte auch eitrige Verbände und Kleider von Kranken an die Zweige oder vergrub sie unter den Wurzeln, damit der Holunder die Krankheitsgeister an sich band. Teilweise wurden die Krankheiten im Holunder verpflockt oder verkeilt. Um Zahnschmerzen zu kurieren, schnitt man einen Holzspan aus dem Holunderstamm, ritzte damit das Zahnfleisch am schmerzenden Zahn blutig und setzte den Span dann wieder zurück an seinen alten Platz. Beim Schneiden sagte man: „Liebe Frau Hölder, leih mir ein Spälter, den bring ich Euch wieder!“ Der Schmerz, so hoffte man, war durch das Einsetzen des Spans im Holunder gebannt.

Anwendung heute

Der Schwarze Holunder wächst an Waldrändern sowie in Hecken und Gärten. Die Blüten können ab Mai geerntet werden. Sie wirken schweißtreibend und schleimlösend. Ein Tee daraus hilft bei fiebrigen Erkältungen, Husten und Schnupfen. Die Holunderbeeren wirken immunstärkend und gegen Viren. Die vitaminreichen Früchte werden auch zu Säften und Fruchtaufstrichen verarbeitet. Sie müssen dabei allerdings erhitzt werden, da sie roh leicht giftig sind.

Jungsteinzeit – der erste Gärtner war eine Frau

or etwa 12 000 Jahren begann eine neue Phase der Menschheitsgeschichte, die das Leben auf der Erde revolutionierte. Man spricht deshalb auch von „neolithischer Revolution“. Zwei Millionen Jahre sammelte und jagte der Mensch, dann änderte er seine Lebensweise. An die Stelle des Sammelns trat der Ackerbau, aus Nomadentum wurde Sesshaftigkeit. Mit diesem einschneidenden Wandel begann die Jungsteinzeit, die um 3000 v. Chr. mit der Metallzeit endete.

Die Revolution beginnt im Nahen Osten

Ab 10 000 v. Chr. vollzog sich allmählich der Übergang vom Sammeln und Jagen zu Ackerbau und Viehhaltung. Die Wiege dieser neuen Lebensweise wird im heutigen Irak vermutet, in der besonders fruchtbaren Gegend an den Flüssen Euphrat und Tigris, auch Fruchtbarer Halbmond genannt. Hier entstanden die ersten Städte. Ihre herrlich blühenden Gärten mit Mohn, Rosen, Lilien und Datteln faszinierten den durch die Wüste ziehenden Nomadenstamm der Israeliten so sehr, dass er diese Eindrücke in seine Paradiesvorstellungen integrierte. Der Ausdruck „Paradies“ ist nichts anderes als das altpersische Wort für „Garten“. Ausgehend vom Fruchtbaren Halbmond breitete sich die bäuerliche Lebensweise langsam nach Mitteleuropa aus. Um 5500 v. Chr. war sie auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands angekommen. Ganz unabhängig davon vollzog sich wenig später auch in China, Indien sowie in Mittel- und Südamerika der gleiche Wandel.

Sammlerinnen werden Gärtnerinnen

Auch bei der neolithischen Revolution hatten die Frauen eine Schlüsselrolle inne. Sie entwickelten aus der Sammelkultur zuerst den Garten- und schließlich den Ackerbau. Die sammelnden Frauen entdeckten die Regenerationsfähigkeit der Pflanzen. Vermutlich beobachteten sie das Auskeimen von Samenvorräten. Vielleicht fiel ihnen aber auch keimender Grassamen an Plätzen auf, wo sie ihn der Großen Muttergöttin als Dank für die Nahrung geopfert hatten, die sie ihnen Jahr für Jahr spendete. Etwas Geheimnisvolles offenbarte sich den Sammlerinnen:

Aus einem winzigen Samenkorn wuchs eine stattliche Pflanze. Dieses Wunder musste ein Geschenk der Erdgöttin sein und man nahm es freudig an. Der Vorteil lag auf der Hand: Dicht an einem Ort ausgesät waren die Pflanzen leichter zu ernten als verstreut in der Gegend wachsend. Samen und Knollen wurden nun bewusst gesetzt und mit Hacke und Grabstock gepflegt. Aus Wildgräsern züchteten die Frauen durch systematische Auslese die ersten Getreidesorten Emmer, Einkorn und Gerste. Die frühesten Gärtner waren also Gärtnerinnen! Wie auch schon die ersten Heiler und die ersten Priester Frauen waren.

Die altsteinzeitliche Große Göttin, Hüterin der Totenseelen, wurde durch den Ackerbau mehr und mehr zur fruchtbaren Erdmutter. Die Bedeutung der Frau als Lebensspenderin wuchs in dieser Phase der Menschheitsgeschichte und mit ihr die Rolle weiblicher Gottheiten. In die Jungsteinzeit fiel die Hochphase des Matriarchats.

In Mesopotamien und Anatolien entstanden die ersten Städte und Hochkulturen, in denen man der Großen Göttin huldigte. Uralte Brettspiele, wie Dame oder Schach, die schon zu jener Zeit entstanden, symbolisieren den hohen Rang der Königin und damit die große Bedeutung der Frauen.

Gartenland in Frauenhand