Krähenzeit - Katrin Fölck - E-Book

Krähenzeit E-Book

Katrin Fölck

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Wie schon einige Male zuvor verschwindet eine junge Frau in und um Twobridges. Sophie Bennet kehrt vom Joggen nicht zurück. Ihr Freund Stanley Cooper macht sich auf die Suche, doch die bleibt ebenso ergebnislos wie die groß angelegte Suchaktion der Polizei. Kommissar Jefferson Freeman steht wieder einmal vor der Frage. Was ist der jungen Frau passiert? War es ein Unfall oder gibt es einen Zusammenhang zu den alten Vermisstenfällen. Was niemand weiß: Sophie lebt und ihr Kampf um Leben und Tod hat längst begonnen.

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Seitenzahl: 92

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Krähenzeit

Krähenzeit

Katrin Fölck

Copyright: © 2018 Katrin Fölck

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

Titelbild: © Wilqku/Adobe Stock

Zuvor

Ein lauter Knall durchbrach die Stille. Es hörte sich nach einem Schuss an. Der Widerhall vermischte sich mit dem aufgebrachten Geschrei von Krähen und dem Bellen eines Hundes.

Erschrocken hielt er inne. Noch während er versuchte, herauszubekommen, aus welcher Richtung der Lärm kam, fielen weitere Schüsse.

Ungefähr fünfzehn Meter vor ihm befand sich ein Felsplateau, von dem aus er hinunter ins Tal sehen konnte. Auf der Wiese konnte er einen Mann erkennen, der ein Gewehr in der Hand hielt. Es war kein Jäger, wie er zuerst annahm, sondern ein Bauer, dessen Feld an den Waldrand angrenzte. Er zielte auf die zahlreichen Krähen, die sich auf diesem niedergelassen hatten. Von den Schüssen aufgescheucht, stoben sie aufgebracht auseinander, bevor sie sich bereits kurze Zeit später wieder auf selbigem niederließen.

Ein Hund sprang Schwanz wedelnd hin und her und zeigte, was er von dieser Art Spiel seines Herrchens hielt. Wieder und wieder rannte er über den Acker und brachte neue Beute, wenn dieser eine der Krähen getroffen und damit zu Fall gebracht hatte.

Es beunruhigte ihn schon etwas, dass sich der Bauer gerade jetzt wieder für das Feld interessierte, nachdem es über Jahre brach lag. Er würde das im Auge behalten. Fürs Erste hatte er genug gesehen und trat, wie geplant, seinen Heimweg an.

1

Wieso ist es so kalt? dachte Sophie Bennet, während sie frierend nach ihrer Daunendecke tastete. Wahrscheinlich war diese wieder einmal auf dem Fußboden gelandet, nachdem sie sich im Schlaf unzählige Male unruhig hin- und hergedreht hatte. Doch, so sehr sie sich auch bemühte, sie bekam sie nicht zu fassen. Ihr Vorhaben, sich zuzudecken, umzudrehen und weiterzuschlafen, lief schief.

Sie blinzelte missmutig, nicht bereit, ihre Augen zu öffnen. Während sie das rechte zusammenkniff, lugte sie mit dem linken nach ihrer Decke. Es war stockdunkel. Sie konnte nichts erkennen. Gar nichts. Jetzt war sie gezwungen, Licht zu machen, um die Zudecke zurückzuholen.

Sie tastete nach der Lampe auf dem Nachttisch. Doch da, wo sie diesen wähnte, war nichts. Ihre Hand ging ins Leere. Verdutzt richtete sie sich auf. Wieso war es überhaupt so dunkel? Das ließ nur einen Schluss zu: Stanley musste das Rolle heruntergelassen haben…

Stanley… Sophie drehte sich leicht nach rechts, ihre Hand suchte nach dem Körper ihres Freundes, den sie, im Bett neben sich, ruhend unter seiner Bettdecke wähnte. Doch ihre Fingerspitzen berührten nichts Weiches, sondern harten, kalten Boden. Wie vom Blitz getroffen zog Sophie ihre Hand zurück.

Was war hier los?Wo war sie? Was hatte das alles zu bedeuten?

Die unvermittelte Erkenntnis, dass sie sich keineswegs in ihrem Bett befand, ließ sie erschaudern. Befremdlich fand sie neben der totalen Dunkelheit die gespenstische Stille, die um sie herum herrschte. Da war kein einziger Laut. Kein Geräusch oder Atemzug. Nicht das Geringste. Nur das Blut, das in ihren Ohren rauschte.

Ihre Zähne schlugen aufeinander. Die Kälte um sie herum hatte sie längst vollkommen eingenommen. Sie rieb ihre Arme. Das schenkte ihr für einen Augenblick etwas Wärme. Doch es war nicht nur die Kälte, die machte, dass sie zitterte. Angst machte sich in ihr breit und lähmte sie. Ihr Herz klopfte panisch, während ihr Atem schneller ging. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Richtig gelingen wollte ihr das nicht. Sie brauchte Antworten. Wo war sie? Wieso war sie hier? Wie war sie hierher gekommen?Was war passiert?Wenn es doch nur den kleinsten Anhaltspunkt darauf gäbe, wo sie sich befand. Irgendetwas, das ihr einen Hinweis auf ihre Lage geben könnte…

2

Ein stechender Schmerz durchfuhr sie, der vom Hinterkopf kam. Er hatte bereits die ganze Zeit dort gelauert und dumpf auf sich aufmerksam gemacht. Doch erst jetzt bemerkte sie ihn.

Hatte sie sich gestoßen? War sie gestürzt? Forschend tastete sie mit den Fingern die Stelle ab, von wo der Schmerz kam. Dort fand sie eine Beule. Darüber befand sich eine verkrustete Stelle.

War sie überfallen worden?

Langsam setzte ihre Erinnerung Fragmente frei, die zusammengesetzt ein Ganzes bildeten: Stanley und sie hatten sich mit einigen ihrer gemeinsamen Freunde zum Essen getroffen. Das war am Mittwochabend gewesen… Donnerstag hatte sich Stanley mit einem ehemaligen Studienfreund getroffen und sie war vorm Fernseher eingeschlafen. Freitagmorgen war sie laufen gegangen, bevor sie gegen Mittag im Büro sein wollte…

Plötzlich besann sie sich. „Nein, das kann nicht sein! Das darf nicht sein!“, brachte sie entsetzt heraus, als ihr wieder einfiel, dass am Waldrand ein Auto gestanden hatte…, daneben ein Mann, der sie um Hilfe bat, nach ihrem Handy fragte und eine Wagenpanne vorgab…

„Das ist nicht wahr.“, schüttelte sie ungläubig den Kopf. „Das ist nicht passiert.“, versuchte sie sich einzureden, sich der Wahrheit zu entziehen und ihre Situation langsam begreifend. „Oh Gott, nein… ich bin entführt worden.“, stellte sie sprachlos fest.

Die Erkenntnis überkam sie so schonungslos, dass sie mit dem Gefühl von blankem Entsetzen und absoluter Hilflosigkeit zusammenbrach. Von Weinkrämpfen geschüttelt, begann sie lauthals zu schluchzen, während ihr die Tränen nur so durchs Gesicht liefen.

Bald schon bekam sie keine Luft mehr. Der Tränenfluss hatte ihre Nase verstopft. Sie suchte in den Taschen ihrer Sportjacke nach einem Taschentuch und versuchte, ihre Nase wieder freizubekommen. In der Tasche fand sie jedoch noch etwas anderes: Etwas Rundes, Hartes. Sie erkannte, dass es eine Rolle Drops war. Sie drückte einen der Bonbons aus dem Papier heraus und steckte ihn in den Mund. Ein säuerlicher Geschmack von Zitronen breitete sich in ihrem Rachen aus. Sie musste an ihren Urlaub mit Stanley denken, den sie in Italien verbrachten.

Ein Ruck ging durch ihren Körper: Nein, das würde nicht ihr letzter gemeinsamer Urlaub sein! entschied sie entschlossen und gab, einer inneren Eingebung folgend, den angelutschten Drops zurück in das Papier. Vielleicht würde sie ihn noch brauchen…

Sie musste nachdenken. Auf keinen Fall durfte sie wieder die Nerven verlieren. Das wäre in ihrer Lage überhaupt nicht förderlich.

Zögernd begann sie zu analysieren. Was wusste sie? Ihr Entführer hatte sie an diesen Ort gebracht, jedoch nicht gefesselt… Warum nicht?War das gut oder eher schlecht? Sie konnte sich frei bewegen. Doch aus welchem Grund? Was bedeutete das?Hieß das, dass er sich ohnehin sicher war, dass sie diesen Platz niemals verlassen könne? Oder war dies eine Art Spiel, in dem er sehen wollte, ob und wann sie den Ausgang fand? Doch dafür musste er sie beobachten. Tat er dies etwa? Wusste ihr Entführer in jedem Moment, was sie tat? Auch, wenn sie in der Dunkelheit nichts sah, musste das ja nicht unbedingt heißen, dass der Kidnapper sie nicht belauerte und überwachte…, schließlich gab es Kameras und Nachtsichtgeräte. Bei diesem Gedanken erschauerte sie erneut. Wie krank musste jemand sein, so etwas zu tun?!

Sie begann, laut zu rufen. „Hallo?“, „Hören Sie mich?“, „Wo bin ich?“, „Warum haben Sie mich hierher gebracht?“, „Was wollen Sie?!“, „Wollen Sie Geld?“, „Warum reden Sie nicht mit mir?!“ Sie wartete auf eine Antwort. Als diese ausblieb, schlug ihre Stimme um, war nun etwas zwischen Brüllen und Kreischen. „Hallooooo, ich bin hiiiier! Hört mich jemand?! Hallo! Bitte, ich brauche Hilfe!“

Unvermittelt bahnte sich eine weitere Tränenflut an, während sie aus vollen Leibeskräften schrie. Immer wieder, bis schließlich nur noch ein heißeres Krächzen ihre Kehle verließ und ihr die Stimme versagte.

Irgendwann war sie erschöpft vom Weinen, der Tränenstrom versiegt. Ihr Hals war rau und schmerzte. Sie griff in die Jackentasche und holte die Rolle Drops heraus. Mit Hilfe von Daumen und Zeigefinger erspürte sie die einzelnen Abschnitte und begann, sie zu zählen. Sie kam auf neun.

Ein Bonbon könnte ihre Halsschmerzen lindern… Dann hätte sie noch acht.

3

Sophie musste sich eingestehen, dass sie keinerlei Zeitgefühl hatte. Sie konnte weder sagen, ob es gerade Tag oder Nacht war, noch, wie viel Zeit bereits seit ihrem Verschwinden vergangen war. Sie wusste nur, dass die Zeit im Dunkeln gefühlt langsamer verging. Warum das so war, vermochte sie nicht zu sagen. Vielleicht, weil man nichts sah und nichts tun konnte, sich anderweitig abzulenken. Die Finsternis war die einzige Beständigkeit um sie herum, es machte daher für sie ohnehin nicht den kleinsten Unterschied. Trotzdem fragte sie sich, wie lange sie wohl geschlafen hatte.Wie lange sie hier schon zubrachte und ob Stanley bereits nach ihr suchte.

Sie setzte sich auf. Ihr Magen grummelte und sie hatte Durst. Das war nicht das erste Mal.

„Hallo?! Ist da wer?! Ich habe Hunger!“

Keine Antwort.

Dieses Schwein, dachte sie, kann mich doch hier nicht einfach so verrecken lassen…

Sie schlug wütend und verzweifelt auf den harten Boden ein, bis es wehtat. Der Schmerz machte, dass sie sich wieder spürte. Sie lebte noch…

Sophie begann, sich selber Mut zuzusprechen. Wenn du hier raus willst, reiß dich, verdammt noch mal, zusammen! Lass dich nicht so hängen! Überlege, was du tun kannst! Leichter gesagt, als getan, wenn man fror und sich in der Dunkelheit fürchtete und die negativen Gedanken drohten, sofort wieder die Oberhand zu gewinnen: Was, wenn sie hier nie wieder herauskam? Oh Gott, nein. Das durfte sie nicht einmal denken! Vincent, ihre Freunde, die Arbeitskollegen und ihre Eltern würden sie sicher bald vermissen und nachforschen, wo sie abgeblieben wäre. Aber, wie lange konnte man das hier überleben? … ohne Essen wohl eine ganze Weile, aber ohne Wasser?“

Erneut begann sie zu rufen.

War da etwas? Ein Geräusch? Sie hielt inne. Lauschte. Eine heiße Welle schwappte durch ihren Körper und flutete sie mit Adrenalin. Einen kurzen Moment lang überkam sie neue Hoffnung, gab ihr Zuversicht und Auftrieb. Als alles still blieb, wusste sie, dass sie etwas tun musste. So, wie die Sache stand, sollte sie unbedingt erst einmal herausfinden, wo sie sich befand... Allerdings machte ihr die Tatsache, sich in völliger Dunkelheit aufzuhalten und sich in ihr fortbewegen zu müssen, nicht nur panische Angst, sondern kostete sie zudem einiges an Überwindung. Sie wusste längst, dass die Erkundung der Umgebung nicht nur ein beschwerliches, sondern auch ein nicht minder gefährliches Unterfangen für sie bedeutete. Dennoch, ihr blieb nichts anderes übrig, wenn sie sich nicht in ihr Schicksal ergeben wollte. Und das konnte sie noch früh genug, falls es keinen Ausweg gab.

Vorsichtig erhob sie sich. Ihr wurde schwindlig. Sie musste innehalten und atmete erst einmal mehrere Male tief ein und aus. Als es besser wurde, begann sie den Boden um sich herum mit ihren Füßen abzutasten. Dann schlurfte sie langsam, einen Fuß vor den anderen setzend, vorwärts.

Der Boden unter ihr war uneben und rutschig. Manchmal lagen Steine und Geröll im Weg. Mehr als einmal stürzte sie fast, konnte sich im letzten Moment gerade noch abfangen. Einige Male landete sie dabei auf ihren Knien, die sie sich dabei aufschlug. Doch auch von der Decke drohte Gefahr. Diese war ungleich hoch, so dass sie sich den Kopf anstieß. Danach erforschte sie die Umgegend noch bedachter, indem sie die Rechte nach vorn und die Linke nach oben gestreckt, vorwärts ging. Irgendwann wurde sie von einer Wand gestoppt, die sich vor ihr aufbaute. Diese bestand nicht aus Ziegeln, war jedoch auch nicht geputzt. Sie schien aus Stein zu bestehen, war glatt, jedoch auch uneben und rissig.

Ein Kellerwar das nicht.