Krimi Doppelband 163 - Zwei spannende Thriller in einem Band - Jan Gardemann - E-Book

Krimi Doppelband 163 - Zwei spannende Thriller in einem Band E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: (349XE) Trevellian oder Man nannte sie Wildkatze (Jan Gardemann) Trevellian oder Gekidnappt vor der Kamera (Jan Gardemann) Reality-Shows-Sie, liebe Leser, wissen, was das ist. Man setzt einen Haufen Menschen in einen Wohncontainer oder auf einer Insel fest und hält sie permanent unter Beobachtung. Man filmt jeden Schritt, den sie tun, nimmt jedes Wort auf, das gesprochen wird, und überträgt alles live in die Wohnstuben der lebenshungrigen TV-Zuschauer. Man greift direkt ein in das Privatleben der Menschen, macht es öffentlich, filmt die »Kandidaten« selbst unter der Dusche, überträgt jeden Streit, jeden Ausraster, den Menschen in Extremsituationen nun mal hin und wieder haben., Nun, vielleicht mögen Sie solche Shows. Auch bei uns in den USA gibt es die - doch eine von ihnen erfuhr ein abruptes und erschreckendes Ende… *** »Von hier oben aus betrachtet, wirkt New York wie das Szenario eines Computer-Strategiespiels«, sagte Leslie Harmon sinnierend. Lässig lehnte er an der Betonbrüstung, die den Dachgarten eines Penthouses im Finanzdistrikt umgab. Das blonde Haar des Stars der Reality-Soap ›To be rich‹ leuchtete in der Morgensonne.

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Krimi Doppelband 163 - Zwei spannende Thriller in einem Band

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Inhaltsverzeichnis

Krimi Doppelband 163 - Zwei spannende Thriller in einem Band

Copyright

​Trevellian oder Man nannte sie Wildkatze: Kriminalroman

Trevellian oder Gekidnappt vor der Kamera: Kriminalroman

Krimi Doppelband 163 - Zwei spannende Thriller in einem Band

Jan Gardemann

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Trevellian oder Man nannte sie Wildkatze (Jan Gardemann)

Trevellian oder Gekidnappt vor der Kamera (Jan Gardemann)

Reality-Shows-Sie, liebe Leser, wissen, was das ist. Man setzt einen Haufen Menschen in einen Wohncontainer oder auf einer Insel fest und hält sie permanent unter Beobachtung. Man filmt jeden Schritt, den sie tun, nimmt jedes Wort auf, das gesprochen wird, und überträgt alles live in die Wohnstuben der lebenshungrigen TV-Zuschauer.
Man greift direkt ein in das Privatleben der Menschen, macht es öffentlich, filmt die »Kandidaten« selbst unter der Dusche, überträgt jeden Streit, jeden Ausraster, den Menschen in Extremsituationen nun mal hin und wieder haben., Nun, vielleicht mögen Sie solche Shows. Auch bei uns in den USA gibt es die - doch eine von ihnen erfuhr ein abruptes und erschreckendes Ende…
***
»Von hier oben aus betrachtet, wirkt New York wie das Szenario eines Computer-Strategiespiels«, sagte Leslie Harmon sinnierend. Lässig lehnte er an der Betonbrüstung, die den Dachgarten eines Penthouses im Finanzdistrikt umgab. Das blonde Haar des Stars der Reality-Soap ›To be rich‹ leuchtete in der Morgensonne.

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​Trevellian oder Man nannte sie Wildkatze: Kriminalroman

Jan Gardemann

Greg Loone erwartete heute keine Kundschaft mehr. Er war zufrieden. Ein Haufen reicher Touristen aus Europa war am Vormittag über seinen Juwelierladen hergefallen. Irgendein Reiseführer hatte Loones Laden als Geheimtipp angepriesen.
Pfeifend traf Loone die üblichen Vorbereitungen, den Juwelierladen zu schließen. Er ging zu dem Sicherungskasten hinter dem Verkaufstresen und schloss ihn auf. Er dachte dabei, wie glücklich er sich schätzen konnte, diesen kleinen Laden in Manhattans Diamond District bekommen zu haben. Soviel er wusste, war er der einzige schwarze Juwelier in dieser Gegend.
Loone drückte den Knopf, der die Rollläden draußen vor den Schaufenstern herunterfahren lassen würde. Die Stahllamellen schoben sich ratternd aus dem Kasten über den Fenstern.
Da wurde die Ladentür plötzlich aufgestoßen, und drei in Schwarz gekleidete Gestalten tauchten unter dem herabfahrenden Rollladen hindurch. Ihre Köpfe waren in Ledermasken gehüllt. In ihren behandschuhten Fäusten hielten sie silbrig blitzende Pistolen.
Loone erstarrte - er wusste, dass ihm die schrecklichsten Momente seines Lebens bevorstanden…
***
Die Ledermasken, die die Eindringlinge trugen, hatte Loone schon einmal in einer Late-Night-Show im Fernsehen gesehen. Die Kerle, die sie getragen hatten, verwendeten sie für perverse Sexspiele. Das schwarze Leder schloss die Köpfe vollständig ein. Nur für die Augen gab es kreisrunde Öffnungen, während sich dort, wo sich der Mund befand, ein Reißverschluss befand.
Einer der Kerle riss den Arm hoch und feuerte.
Loone warf sich unwillkürlich auf den Boden. Die Kugel schlug über ihm neben der Wanduhr ein - dort, wo sich die Überwachungskamera befand.
Verzweifelt robbte der Juwelier über den Boden zur Mitte des Verkaufstresens, wo auch die Computerkasse stand. Dort befand sich, unter der Tischplatte versteckt, der rote Alarmknopf. Er war Loones einzige Rettung, denn er war ganz allein in dem Laden!
Da erschienen vor dem Schwarzen plötzlich ein paar Springerstiefel. Mit dumpfem Schlag setzten sie auf dem roten Teppichboden auf, mit dem der ganze Laden ausgelegt war. Der Kerl, der in den Stiefeln steckte, war über den Verkaufstresen gesprungen und direkt vor Loone gelandet, als hätte er geahnt, wohin der Juwelier sich hatte begeben wollen.
Mit einem verzweifelten Schrei stieß Loone den Arm hoch zum Alarmknopf. Doch bevor seine Finger ihn erreichten, traf ihn der Springerstiefel mitten ins Gesicht. Der Tritt war so heftig, dass Loones Oberkörper hochgerissen wurde. Seine Hand verfehlte den Knopf. Loone stürzte zurück auf den Boden.
Er röchelte, schmeckte Blut und spürte plötzlich einen ausgebrochenen Zahn auf der Zunge.
Der Maskierte packte den Juwelier an den Schultern und riss ihn auf die Beine.
Loones Knie waren butterweich. Alles um ihn herum drehte sich. War das wirklich noch sein Laden? Die Vitrinen waren zerschlagen. Scherben lagen überall auf dem roten Teppichboden. Die beiden anderen Vermummten stopften Diamanten in ihre schwarzen Beutel. Die Rollläden waren inzwischen ganz heruntergefahren. Niemand auf der Straße würde mitkriegen, was in dem Juwelenladen geschah!
Loone war taub vor Schmerz. Er wäre gestürzt, hätte sein Gegenüber ihn nicht mit unerbittlichem Griff festgehalten.
»Mach die Kasse auf!«, kam es dumpf unter der Ledermaske hervor. Die Augen hinter den runden Ausschnitten starrten ihn kalt und brutal an.
»Es… es sind nur Schecks in der Kasse«, presste Loone zitternd hervor. »Damit könnt ihr doch nichts anfangen.«
»Schnauze!«, bellte der Vermummte. Hart presste er dem Schwarzen den Lauf seiner Waffe gegen die Stirn. »Ich weiß, dass du Geld in der Kasse hast! Also, mach das verdammte Ding jetzt auf!«
Loone nickte hektisch. Es war idiotisch gewesen, sein Leben für die Tageseinnahmen zu riskieren. Die Kerle waren zu allem entschlossen. Außerdem kannten sie sich anscheinend bestens in seinem Laden aus!
Mit zitternden Fingern tippte Loone den Code in die Computertastatur, der die Kasse öffnen würde. Mit einem hellen Glockenton sprang die Lade auf. Der Vermummte griff hinein und stopfte sich die Dollarscheine in die Hosentasche. Dabei hielt er die Waffe auf Loones Kopf gerichtet.
»Seid ihr fertig?«, rief der Vermummte dann seinen Komplizen zu.
»Alles klar, Boss. Fehlen nur noch die Klunker im Tresor!«
»Mach den Tresor auf!«, forderte der Maskierte, packte Loone am Kragen und drückte ihn rücklings auf den Tresen.
Schmerzhaft bog sich das Kreuz des Schwarzen durch.
»Bitte!«, flehte Loone ächzend. »Mein ganzes Leben steckt in diesem Laden. Ihr… ihr dürft mir nicht alles nehmen!«
»Der Tresor!«, schnauzte sein Gegenüber und lehnte sich über den Schwarzen, sodass die Ledermaske Loones verschwitztes Gesicht fast berührte.
»Er… er ist offen«, flüsterte der Juwelier mit versagender Stimme. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte das schreckliche Gefühl, einen Fehler begangen zu haben.
Der Vermummte richtete sich abrupt auf. »An die Arbeit, Jungs! Der Tresor gehört euch!«, rief er seinen Komplizen zu, ohne sich zu ihnen umzudrehen. Stattdessen richtete er seine Pistole nun mit ausgestrecktem Arm auf das Herz des Schwarzen, der noch immer mit dem Rücken auf dem Tresen lag, die Hände in einer lächerlich wirkenden Geste erhoben.
»Nein!«, krächzte Loone voller Panik und starrte auf die Waffe. »Bitte nicht! Töten Sie mich nicht!«
Der Maskierte lachte hysterisch.
Das war das Letzte, was Loone hörte, bevor der Schuss in seinen Ohren explodierte und das Leben des Juweliers mit unwiderruflicher Endgültigkeit auslöschte.
***
».’. möchte ich diese kleine Party zum Anlass nehmen, meinen beiden Rettern herzlich zu danken!«
Die Frau, die dies sagte, stand auf einem kleinen Podest inmitten blühender Rosenhecken. Hinter ihr befand sich eine pompöse Villa aus dunklem, massiven Holz und mit grauem Schieferdach. Die Frau war um die vierzig. Sie trug ein weißes Kleid mit Schleppe und geraffter Taille. Ihr blondes Haar hatte sie im Nacken zu einem Knoten gebunden. Sie erinnerte mich ein wenig an eine römische Statue. Ihr Name passe allerdings nicht zu diesem Bild. Sie hieß Loretta Trade. Sie war Millionärin, wie fast alle, die sich am Strand von Coney Island eine Villa leisten konnten. Lorettas Mann, der vor fünf Jahren an Krebs gestorben war, hatte ihr mehrere Zucker- und Schokoladenfabriken hinterlassen.
»Nur dem beherzten Vorgehen der beiden G-men habe ich es zu verdanken, dass ich an diesem herrlichen Abend im Garten meiner Villa stehen kann«, ertönte ihre Stimme aus den versteckten Lautsprechern hinter den Rosenhecken. »Ohne diese beiden Männer würde ich mich wahrscheinlich noch immer in der Gewalt meiner Entführer befinden…«
Lorettas Stimme klang nun ein wenig brüchig. Mit einer theatralischen Geste zog sie ein Taschentuch aus dem tiefen Dekollete ihres Kleides und tupfte sich die Tränen fort. Dann warf sie beide Arme nach vorn, als wollte sie jemanden umarmen. Ihr Gesicht zeigte eine leidenschaftliche Miene, und ihr Blick war direkt auf Milo und mich gerichtet, die wir mitten in dem Pulk nobel gekleideter Gäste standen, die sich vor dem Podest versammelt hatten.
»Agent Jesse Trevellian und Agent Milo Tucker!«, schmetterte Lorettas Stimme über die Köpfe der Versammelten hinweg. »Tausend Dank, dass Sie mein Leben gerettet haben!«
Die Leute drehten sich zu Milo und mir um. Wir blickten in die lächelnden Gesichter der Frauen - und in die der Männer, die zurückhaltenden Respekt ausdrückten. Dann fing plötzlich jemand an zu klatschen. Die anderen stimmten mit ein, sodass der Garten der Villa schließlich von brandendem Applaus erfüllt war.'
Milo schaute sich um, nickte und grinste zufrieden. Dann schlug er mir mit der flachen Hand auf die Schulter.
»Hat dir je jemand auf diese Weise seinen Dank ausgesprochen?«, meinte er. »Mann, Junge! Mir geht das runter wie Öl.«
»Ein einfaches Dankeschön hätte es auch getan«, erwiderte ich. »Ich verstehe Loretta Trade nicht. Es sind erst drei Tage vergangen, seit wir sie in dem abgebrannten Haus in der Bronx fanden, wo die Entführer sie gefangen hielten. Und sie hat nichts Besseres zu tun, als eine Party zu feiern.«
Milo zuckte gelassen mit den Schultern. »So sind sie eben, die Reichen«, erklärte er lapidar und nahm einem der livrierten Diener, die zwischen den Gästen umhereilten, zwei volle Champagnergläser von dem Tablett, reichte mir eins und prostete mir augenzwinkernd zu.
»Chers, Partner«, rief er, während der Applaus endlich verebbte. »Lass uns darauf anstoßen, dass New York in Zukunft noch mehr so dankbare und großzügige Bürger aufzuweisen hat wie Loretta Trade.«
Ich erhob mein Glas, prostete Milo zu und führte es dann an meine Lippen. Während der prickelnde Champagner meine Kehle hinunterrann, warf ich einen Blick zum Podest. Einige Frauen waren zu Loretta emporgeklettert. Sie umarmten die Millionärin und waren ebenso in Tränen aufgelöst wie sie. Die Szene erinnerte mich an den Schlussakt eines billigen Theaterstücks. Ich konnte mir nicht helfen. Ein freundschaftlicher Händedruck und ein paar ehrliche Worte des Dankes wären mir erheblich lieber gewesen als das Melodrama, das Loretta Trade um ihre Rettung veranstaltete.
»Was schauen Sie so griesgrämig drein, Agent Trevellian?«, vernahm ich hinter mir plötzlich eine sonore Stimme.
Ich drehte mich um und sah direkt in das Gesicht eines hageren Mannes, dessen bleicher Teint durch das schwarze halblange Haar, das wie angeklatscht an seinem Kopf klebte, noch unterstrichen wurde. Ich kannte den Mann. Er hieß Mark Lafella und war Lorettas Psychologe. Seit die Millionärin wieder frei war, hatte er sie rund um die Uhr betreut.
»Ich bin nicht griesgrämig«, erwiderte ich. »Ich habe auch nichts gegen eine Party. Es ist nur der Anlass, der mir nicht passt.«
Lafella zog eine Augenbraue hoch und musterte mich, als wollte er eine Psychoanalyse bei mir durchführen. »Loretta hat ihre ganz eigene Art, mit ihrem Schicksal fertig zu werden«, sagte er dann. »Ich bin glücklich, dass sie sich dazu durchgerungen hat, diese Party zu geben. Es ist nicht zuletzt auch meiner mühevollen psychologischen Arbeit zu verdanken, dass Loretta wieder zu ihrer ursprünglichen Lebensfreude zurückfand.«
»Bescheiden sind Sie ja nicht gerade«, bemerkte ich säuerlich. »Aber das könnten Sie sich bei Ihrem Honorar wahrscheinlich auch nicht erlauben.«
»Sind Sie etwa neidisch, weil ich mehr verdiene als ein G-man?«
»Nein. Aber ich wünschte, Sie hätten etwas mehr Verantwortungsgefühl Ihrer Klientin gegenüber gezeigt. Wir haben Sie zwar aus der Gewalt der Kidnapper retten können. Aber wir wissen noch immer nicht, wer hinter der Entführung steckt. Der Anführer der Bande läuft noch immer frei herum. Meines Erachtens ist Loretta noch nicht außer Gefahr.«
Lafella machte eine wegwerfende Handbewegung. »Für die Sicherheit meiner Klientin bin ich nicht verantwortlich. Das ist Ihr Job, Trevellian.«
Plötzlich blickte Lafella auf, und seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen.
»Loretta!«, rief er mit erhobener Stimme und winkte. Ich drehte mich um und sah, dass die Millionärin auf Milo und mich zukam. Die Leute machten ihr Platz und bildeten eine Gasse, durch die Loretta mit ihrem Gefolge majestätisch daherschritt. Schließlich blieb sie vor uns stehen und sah uns mit schief gelegtem Kopf an, während ein seliges, fast ein wenig idiotisch wirkendes Lächeln ihre Lippen umspielte.
»Agent Trevellian und Agent Tucker«, sagte sie in einem Ton euphorischer Begeisterung. »Sie müssen meinen Gästen unbedingt noch einmal schildern, wie Sie mich gerettet haben!«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, sagte Milo ausweichend, der sich auf der Party nun plötzlich doch nicht mehr so wohlzufühlen schien. Besonders, da Loretta ihm plötzlich das Mikrofon vor das Gesicht hielt, sodass seine Stimme laut durch den Garten schallte.
»Bitte tun Sie mir den Gefallen!«, bettelte Loretta.
Milo warf mir einen Hilfe suchenden Blick zu. Aber ich zuckte nur kalt mit den Schultern und grinste zynisch. Milo würde sich wohl kein zweites Mal wünschen, dass die Leute, die wir retteten, von einer ähnlich euphorischen Dankbarkeit beseelt waren wie Loretta Trade!
»Nun«, tönte Milos Stimme aus den versteckten Lautsprechern. »Eigentlich beruhte alles nur auf ganz gewöhnliche Polizeiarbeit. Den Ausschlag gab dann ein anonymer Hinweis aus der Bevölkerung, der uns auf das abgebrannte Haus in der Bronx aufmerksam machte, wo die Kidnapper Miss Trade auch tatsächlich gefangen hielten.«
»Beschränken Sie sich lieber auf die spannenden Momente meiner Befreiung«, warf Loretta ein. »Schließlich will ich meine Gäste nicht langweilen. Erzählen Sie zum Beispiel, wie Sie und Ihr Kollege Trevellian plötzlich mit gezogenen Dienstwaffen in dem schmuddeligen Keller auf tauchten und die beiden Wachen niederstreckten.«
»Das war schon ein dolles Ding«, sagte Milo, der allmählich warm zu werden schien. »Jesse und ich hatten die Ruine vorher einige Stunden observiert. Ab und zu kam jemand aus einem Kellerfenster gekrochen, sah sich auffällig um und verschwand in einer Seitenstraße, nur um etwas später mit einer Plastiktüte voller Lebensmittel wieder in dem Rattenloch zu verschwinden. Die Entführer schienen sich ihrer Sache ziemlich sicher zu sein, denn sie hatten draußen nicht einmal eine Wache aufgestellt. Es war für Jesse und mich daher nicht schwer, einen Überraschungsangriff zu starten. Wir schlichen uns an und stiegen die Kellertreppe hinab, was eine ziemlich eklige Angelegenheit war, da die Stufen mit Unrat und Müll bedeckt waren.«
Einige der Frauen, die sich um uns geschart hatten, riefen pikiert »Igitt!«, und lachten affektiert.
»Als wir dann endlich unten ankamen, überwältigten wir einen Kerl, der in dem Kellergang Wache halten sollte«, fuhr Milo fort. »Er schien es mit seinem Job jedoch nicht so ernst zu nehmen, denn er döste im Halbschlaf vor sich hin. Auf seinem Bauch lag seine Knarre und ein Comicheft.«
Verhaltenes Lachen war zu vernehmen.
»Nachdem wir den Kerl ausgeschaltet hatten, rannten wir zu einem Keller, dessen Eingang mit einem dreckigen Tuch verhängt war. Durch die groben Maschen sickerte trübes Licht. Wir blieben einen Moment mit angehaltenem Atem stehen und lauschten auf die Geräusche hinter dem Vorhang. Aus dem, was wir nun hörten, schlossen wir, dass sich zwei Menschen in dem Keller aufhalten mussten. Jesse und ich gaben uns Zeichen. In solchen Situationen verständigen wir uns immer mit genau festgelegten Gesten, sodass wir kommunizieren können, ohne dabei viel Lärm zu machen. Dann stürmten wir in den Keller, wie wir es unzählige Mal zuvor in anderen Einsätzen getan haben. Es war eine mustergültige Aktion, die jeden Ausbilder in Quantico, der FBI-Schule, zufriedengestellt hätte.«
Milo deutete mit ausgestrecktem Arm auf mich und sagte: »Den Rest wird Ihnen mein Kollege schildern, der bei diesem Einsatz die meiste Arbeit hatte.«
Milo grinste hämisch, als Loretta sich nun zu mir umdrehte und mir das Mikro erwartungsvoll entgegenstreckte.
Ich räusperte mich entnervt. Aber mir blieb keine andere Wahl. Ich musste in dieser Show mitspielen, wollte ich nicht vor allen als übellauniger Spielverderber dastehen.
»Es waren tatsächlich zwei Kerle in dem Kellerraum - genau, wie wir es erwartet hatten«, sagte ich. »Auf einem schäbigen Feldbett lag Loretta. Sie hatten sie gefesselt und geknebelt. Die beiden Gangster, die bei ihr waren, hatten sich maskiert, damit Loretta sie nicht erkannte und später eventuell Aussagen über das Aussehen dieser Männer machen könnte…«
Ich hielt inne und schaute Loretta prüfend an. An dieser Stelle wurde die Sache ein wenig heikel. Die beiden Männer hatten nämlich schwarze Masken aus Leder getragen. Diese Dinger werden in Sado-Maso-Kreisen bei entsprechenden Sexspielchen verwendet. Loretta beteuerte bei einer späteren Vernehmung zwar, dass die Männer sie nicht sexuell belästigt hätten, was eine ärztliche Untersuchung auch bestätigte. Trotzdem waren wir vom FBI darüber übereingekommen, die Ledermasken weder der Presse noch anderen Personen gegenüber zu erwähnen.
Lorettas Miene versteinerte, als sie meinen prüfenden Blick bemerkte. Sie konnte mir nichts vormachen. Die psychischen Folgen der Entführung hatte sie noch längst nicht überwunden. Vier Tage hatte sie sich in der Gewalt der Entführer befunden, bevor wir das Versteck endlich fanden und Loretta befreien konnten. Es musste sehr erniedrigend für die Millionärin gewesen sein, ihre tägliche Notdurft in dem miefigen Keller verrichten zu müssen, den Dosenfraß zu essen, den die Gangster ihr auftischten, und stundenlang reglos und gefesselt dazuliegen, mit einem ungewissen Schicksal vor Augen.
»Die beiden Männer waren von unserem plötzlichen Auftauchen völlig überrascht«, fuhr ich nun fort. »Wir hatten ein leichtes Spiel. Bevor die Kerle ihre Waffen ziehen konnten, hatte ich den ersten auch schon mit einem Fausthieb niedergestreckt.«
Ich schüttelte meine Hand und sagte: »Es muss ein ziemlich harter Schlag gewesen sein, denn meine Hand schmerzt noch heute. Den Gangster hob der Fausthieb von den Füßen. Er prallte gegen.die raue Kellerwand und rutschte dann bewusstlos daran hinab. Der zweite Ganove hatte unterdessen seinen Revolver gezogen und legte auf Milo an. Mein Kollege konnte nicht auf ihn schießen, da es in dem Keller zu war und er Gefahr lief, statt des Gangsters mich oder Loretta zu treffen. Es kam mm also auf mich an. Wenn ich nicht rasch genug reagierte, war es um meinen Kollegen geschehen. Blitzschnell trat ich nach der Hand des Mannes. Im gleichen Augenblick, da der Kerl seinen Abzugsfinger krümmte, traf ich seinen Revolver mit der Schuhspitze. Der Schuss verriss, die Kugel jagte nur wenige Handbreit über dem Kopf meines Kollegen hinweg und klatschte in die Decke.«
Ich legte eine kurze Pause ein. Die Blicke der Gäste klebten wie gebannt auf meinen Lippen.
»Bevor der Kerl sich besann, verpasste ich ihm einen Kinnhaken. Aber der Schlag wurde durch die Maske gedämpft, darum musste ich noch einen nachsetzen, ehe auch der zweite Kidnapper endlich bewusstlos zusammenbrach.«
Ich reichte Loretta das Mikrofon zurück. »Den Rest der Befreiungsaktion erzählen Sie Ihren Gästen am besten selbst«, sagte ich. »Aus Ihrer Sicht betrachtet, ist das bestimmt sehr viel eindringlicher.«
In Lorettas Mundwinkel zuckte es. Doch dann hatte die Frau sich wieder unter Kontrolle. Mit spitzen Fingern nahm sie das Mikrofon und räusperte sich.
»Es waren wohl die nervenaufreibendsten Momente, die ich in meinem langen Leben erdulden musste«, sagte sie mit schwankender Stimme. »Von dem Moment an, da die beiden G-men in dem Kellerloch auf tauchten, war ich von dem schrecklichen Gedanken erfüllt, die beiden könnten es nicht schaffen. Ich war an das Feldbett gefesselt. In meinem Mund steckte ein alter Lumpen. Aber auch ohne meine Fesseln wäre ich unfähig gewesen, mich zu bewegen oder einen Laut von mir zu geben. Mit ängstlich auf gerissenen Augen beobachtete ich die Szene, die sich vor mir abspielte. Die brutalen Schläge, der Schuss - all dies lief vor mir mit quälender Langsamkeit ab. Und dann war plötzlich alles vorbei. Die beiden Ganoven lagen bewegungslos auf dem dreckverschmierten Kellerboden. Und während Agent Tucker sein Funkgerät zückte und eine Meldung zu seinen Kollegen durchgab, die draußen in Bereitschaft standen, kam G-man Trevellian auf mich zu. ›Es ist vorbei‹, sagte er nur und fing an, mich vorsichtig von den Fesseln und dem Knebel zu befreien.«
Tränen kullerten Loretta über die Wangen. Sie schluchzte.
»Diese drei banalen Worte sind wohl das Schönste, was ein Mann je zu mir gesagt hat: ›Es ist vorbei !‹«
Sie wischte sich mit dem Zeigefinger kokett die Tränen aus dem Gesicht und lächelte dann spitzbübisch. »Unter anderen Umständen wären diese Worte natürlich weniger schmeichelhaft gewesen. Aber als ich dort in dem miefigen Keller auf dem Feldbett lag und spürte, wie das Blut langsam in meine gemarterten Hände und Füße zurückkehrte, da erschienen mir seine Worte wie eine Offenbarung. Es ist vorbei! Und so war es tatsächlich. Eine der schlimmsten Erfahrungen meines Lebens liegt nun hinter mir. Und jetzt stehe ich hier inmitten meiner Freunde, genieße den Abend, den Geruch des nahen Meeres. Und das alles habe ich nur ganz allein meinen Rettern zu verdanken!«
Mit ausladender Geste deutete sie auf Milo und mich. Wieder brandete Applaus auf. Milo brachte es sogar fertig, sich zu verbeugen.
»Und nun entschuldigt mich bitte einen Moment, meine Freunde«, sagte Loretta und schaltete das Mikrofon aus. Sie legte es einem Diener kurzerhand auf das Tablett und hakte sich dann bei Milo und mir ein. Ihren Gästen zunickend, die noch immer klatschten, führte sie uns von dem Platz mit dem Podest fort.
Als wir außer Hörweite waren, atmete Loretta einmal tief durch. Ihr Gesicht schien plötzlich einzufallen. Das Lächeln verschwand von ihren Lippen.
»Vielen Dank, dass Sie bei meinem kleinen Theaterstück mitgespielt haben«, sagte sie matt. »Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht zu viel zugemutet.«
»Sie haben Ihre Rolle perfekt gespielt«, sagte Milo einfühlsam. »Für einen Moment hatte ich wirklich geglaubt, dass Sie über die Entführung hinweggekommen wären. Aber das schafft wahrscheinlich nicht einmal der beste Seelenklempner.«
Loretta zuckte müde mit den Schultern und dirigierte uns zu einem Kiesweg, der zwischen zwei Rosenhecken begann und in einem seichten Bogen um die Villa führte.
»Ohne Lafellas Hilfe hätte ich es nicht geschafft, diese verdammte Party durchzustehen«, gestand sie. »Aber sie war nun einmal notwendig. Eine Frau in meiner Position darf es sich nicht erlauben, Schwäche zu zeigen. Was glauben Sie, wie viele Angebote ich in den letzten Tagen erhalten habe, von Kerlen, die glaubten, ich würde mich aufgrund der Entführung aus dem Geschäftsleben zurückziehen. Sie wollten die Aktienanteile, die mir ein Mitspracherecht in den Vorständen zahlreicher Firmen ermöglichen. Einer von ihnen war sogar so dreist, mir vorzuschlagen, für mich die Leitung der Zucker- und Schokoladenfabriken zu übernehmen.«
Loretta straffte sich. »All diesen Leichenfledderern habe ich mit meiner Party den Wind aus den Segeln genommen. Die Geschäftswelt weiß nun, dass sie weiterhin mit mir zu rechnen hat!«
Loretta sank wieder in sich zusammen und stützte sich schwer auf meinen Arm.
»Zum Glück wissen nur ganz wenige, wie es in Wahrheit in mir aussieht. Nachts kann ich nicht schlafen. Immer sehe ich die schrecklichen Ledermasken vor mir. Und die Augen, die kalt und böse hinter den runden Löchern hervorstarren.«
Loretta schüttelte sich. Dann sah sie zu mir hoch.
»Doch was mich am meisten fertig macht, ist das Wissen, dass der Boss der Entführer noch immer frei herumläuft«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Machen Sie sich darum keine Sorgen«, erwiderte ich zuversichtlich. »Wir werden den Kerl bald geschnappt haben.«
»Sie können mir nichts vormachen, Trevellian«, erwiderte Loretta kühl. »Sie und Tucker tappen noch immer im Dunkeln.«
Wir erreichten einen Irrgarten aus mannshohen Hecken. Er schloss direkt an einen kurz geschorenen Rasen an, der sich bis zu den Terrassen der Villa erstreckte.
Als wir den Irrgarten betraten, sagte ich: »Wir wissen bisher tatsächlich nur sehr wenig über den Kerl, der hinter der Entführung steckt. Die drei Kerle, die wir bei der Befreiungsaktion verhaften konnten, behaupten, ihr Boss hätte immer eine Ledermaske getragen, wenn er sich mit ihnen traf. Er ließ sich von allen einfach nur Boss nennen. Aber das wissen Sie ja selbst.«
»Wir haben unsere Verhörspezialisten auf die drei Ganoven angesetzt«, schaltete sich Milo ein. »Sie werden die drei in die Mangel nehmen. Einer der Ganoven stammt aus der Bronx. Sein Name ist Bobby Mandrake. Bei den beiden anderen handelt es sich offenbar um illegale Einwanderer aus einem mittelamerikanischen Staat.«
Der Weg gabelte sich. Loretta zog uns in den rechten Gang, der wenige Schritte später wieder einen scharfen Knick nach rechts beschrieb.'
»Halten Sie es immer noch für möglich, dass der ›Boss‹ aus meinem Bekanntenkreis kommt?«, fragte uns die Millionärin unbehaglich.
»Das können wir leider nicht ausschließen«, antwortete ich bedauernd.
Loretta seufzte und lehnte für einen flüchtigen Moment ihren Kopf an meine Schulter. »Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, für alles, was Sie für mich getan haben.« Sie löste sich von uns und zuckte bedauernd mit den Schultern. »Ich muss jetzt zurück zu meinen Gästen«, erklärte sie gefasst und lächelte säuerlich. »Sie zerreißen sich sonst noch ihre Mäuler, wenn ich zu lange fortbleibe.«
»Gehen Sie nur«, sagte ich verständnisvoll. »Milo und ich haben noch etwas zu besprechen.«
Loretta wandte sich ab und eilte den Gang zurück, den wir gekommen waren. Kurz darauf war sie hinter einer Heckenbiegung verschwunden.
»Die Frau ist echt stark«, sagte Milo. »Ich denke, sie wird nicht lange brauchen, um mit den psychischen Folgen der Entführung fertig zu werden - wenn wir nur den Boss endlich schnappen.«
»Es ist wirklich ein Jammer, dass der Boss sich nicht in dem Gebäude aufhielt, als wir es stürmten«, gab ich zurück. »Wir konnten Loretta befreien, bevor es zu einer Geldübergabe kam. Dem Boss ging auf diese Weise eine halbe Million Dollar Lösegeld durch die Lappen. Wie wird der Unbekannte sich nun verhalten?«
Milo zuckte mit den Schultern. »Loretta hat viele Freunde und Bekannte«, sagte er. »Jeder Gast auf dieser Party könnte der geheimnisvolle Boss sein. Die meisten von ihnen wissen, dass Loretta Trade jeden Morgen von einem Chauffeur zu ihrem New Yorker Büro gefahren wird. Theoretisch hätte jeder von ihnen ein paar Ganoven anheuem können, um Loretta zu entführen. Wir wissen noch nicht einmal, ob der ›Boss‹ dabei war, als die Kidnapper Lorettas Limousine stoppten, den Fahrer niederschossen und die Millionärin in einen Lieferwagen zerrten.«
»Wir haben alle Personen, die über Lorettas Tagesablauf Bescheid wussten, befragt«, gab ich zu bedenken. »Doch ohne Ergebnis. Jeder von ihnen hatte für den fraglichen Zeitpunkt ein Alibi.«
Milo nickte düster. »Es ist zum Kotzen«, sagte er und kickte wütend einen Kiesel in die Heckenwand. »Wir kommen in diesem verflixten Fall einfach nicht weiter. Ist dir übrigens aufgefallen, dass Lexington nicht auf der Party war? Loretta scheint es nicht zu stören, dass ihr Sohn dieser Veranstaltung ferngeblieben ist. Aber bei ihr kann man nicht wissen. Sie ist eine Meisterin der Verstellung, wie ihre kleine Ansprache bewiesen hat.«
Wir schlenderten weiter und erreichten nun einen bogenförmigen Durchgang, hinter dem ein runder Platz lag. Milo und ich blieben unwillkürlich stehen, als wir ein Pärchen bemerkten, das auf der Bank in der Mitte des Platzes saß.
Den Mann erkannte ich sofort wieder. Es war Lexington, Lorettas Sohn.
Tagelang hatten wir zusammen mit ihm beim Telefon Wache gehalten und auf einen Anruf der Entführer gewartet. Lexington war mit den Nerven ziemlich am Ende gewesen. Er hatte sich wahnsinnige Sorgen um seine Mutter gemacht und erlitt mehrere Nervenzusammenbrüche. Doch Lafella hatte den jungen Mann jedes Mal wieder aufgerichtet.
Die Blondine, mit der Lexington sich innig beschäftigte, kannte ich jedoch nicht. Ihre Bluse war aufgeknöpft, und Lexington befingerte voller Wonne ihre Brüste. Die beiden küssten sich leidenschaftlich und stürmisch.
Milo und ich sahen uns an. Ein breites Grinsen huschte über Milos Lippen. »Jetzt wissen wir, warum Lexington nicht auf der Party ist«, murmelte er.
Wir schickten uns an, uns abzuwenden. Da dudelte plötzlich mein Handy!
***
Das Girl schrie spitz auf und fuhr wie von einer Tarantel gestochen von der Bank auf. Hastig knöpfte sie die Bluse zu.
Vorwurfsvoll starrte Lexington zu uns herüber.
»Entschuldigen Sie, Lex«, rief ich bedauernd. »Wir sind nur zufällig vorbeigekommen.«
Ich fischte das Handy aus der Jackentasche.
»Agent Trevellian«, meldete ich mich.
»Jonathan McKee hier«, vernahm ich die sonore Stimme unseres Vorgesetzten. »Vor wenigen Minuten ist eine Meldung des Polizeireviers von Midtown South eingegangen. Im Diamond Dis.trict ereignete sich vor zwei Stunden ein brutaler Überfall auf einen Juwelierladen. Der Besitzer, ein gewisser Greg Loone, kam dabei ums Leben. Von dem Überfall existiert nur eine kurze Videosequenz, denn die Diebe schossen die Überwachungskamera kaputt, als sie den Laden stürmten. Doch die kurze Sequenz reichte aus, um die Cops zu überzeugen, lieber das FBI einzuschalten. Die Verbrecher trugen nämlich Masken aus schwarzem Leder. Es waren solche, wie sie auch die Entführer von Loretta Trade benutzten!«
Ich war plötzlich wie elektrisiert. »Liegen schon Ergebnisse von der Spurensicherung vor?«, fragte ich.
»Alles verfügbare Material wird zusammen mit dem Video von einem Kurier ins Distriktbüro gebracht und müssten jeden Augenblick hier eintreffen«, sagte Mr. McKee.
»Wir machen uns sofort auf die Socken!«, rief ich und unterbrach die Verbindung.
»Was gibt es?«, fragte Milo.
»Für uns ist die Party vorbei, Alter«, informierte ich ihn. »Wir haben vielleicht endlich eine Spur, die uns zu dem Boss führt.«
Mehr wollte ich nicht verraten, da Lexington und sein blondes Girl in der Nähe waren. Ich winkte den beiden zu.
»Lasst euch nicht stören!«, rief ich. »Wir sind schon wieder weg!«
***
Drei Stunden später saßen wir zusammen mit Loretta im Livingroom der Trade-Villa. Draußen trieben sich noch einige Partygäste herum. Die meisten waren aber schon gegangen.
Kaum in unserem Büro an der Federal Plaza angekommen, hatten Milo und ich uns mit Fiebereifer die Sachen durchgesehen, die die Kollegen von der Spurensicherung geschickt hatten. Bisher hatten sie leider nicht viel gefunden. Die Gangster hatten kaum Spuren hinterlassen.
Die Fotos von dem ermordeten Juwelier gaben uns besonders zu denken. Der Mann war erschossen worden, obwohl er unbewaffnet gewesen war und keine Gefahr für die Verbrecher dargestellt hatte. Dies bewies einmal mehr, wie gefährlich die Bande war, die bei der Entführung von Loretta Trade bereits den Chauffeur kaltblütig niedergeschossen hatten. Der Mann lag noch im Koma.
Dass es sich bei den Gangstern, die den Juwelier töteten und ausraubten, um dieselben Leute handelte, die auch Loretta Trade entführten, erschien uns durchaus möglich. Wir hatten über die Art der Vermummung, die die Entführer von Loretta benutzten, nichts an die Öffentlichkeit dringen lassen. Dass es sich um Nachahmungstäter handelte, war also auszuschließen. Dass die Diebe zufällig die gleichen Masken benutzten wie die Entführer von Loretta, war eher unwahrscheinlich.
Das-Video der Überwachungskamera hatten Milo und ich uns mehrmals angesehen. Schließlich waren wir damit zu den drei Männern gegangen, die to bei der Befreiungsaktion von Loretta verhaftet hatten. Aber die Kerle hatten sich den Film nur ungerührt angesehen und behauptet, nicht erkennen zu können, ob einer der Vermummten der Boss war.
Schließlich war uns nichts anderes übrig geblieben, als mit der Videokassette zurück nach Coney Island zu fahren, um sie Loretta vorzuführen.
Lexington, der sich ebenfalls im Livingroom aufhielt, legte nun die Kassette in den Videorekorder und reichte mir die Fernbedienung. Fragend sah ich Loretta an, die in steifer Haltung in einem Sessel saß und starr auf die Mattscheibe blickte.
»Sind Sie sicher, dass Sie den Anblick der Vermummten wirklich ertragen?«, erkundigte ich mich.
Mark Lafella, den wir darum gebeten hatten, der Videovorführung beizuwohnen, lehnte sich von hinten über Lorettas Sessel. »Sie müssen sich diesen Film nicht ansehen«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Denken Sie daran, wie labil Sie noch sind…«
Loretta brachte den Psychologen mit einer fahrigen Handbewegung zum Schweigen. »Ich würde alles tun, damit der Kerl, der meine Entführung plante, endlich geschnappt wird«, erwiderte sie rau. »Lassen Sie das Video endlich laufen, Agent Trevellian!«
Ich drückte auf die Play-Taste. Auf dem Bildschirm zu sehen war der Verkaufsraum des Juwelierladens. Da die Kamera unterhalb der Decke angebracht gewesen war, sah man den Raum von einer erhöhten Position aus. Greg Loone, ein Schwarzer in maßgeschneidertem Anzug und mit kurzem Haar, ging zu einem Kasten, der an der Wand hinter dem Verkaufstresen hing, und öffnete ihn. Der Juwelier betätigte ein paar Knöpfe. Daraufhin begann sich draußen eine Stahljalousie vor die Schaufenster zu senken.
Die Jalousie hatte kaum die Hälfte der Fenster bedeckt, als plötzlich ein paar Gestalten vorbeihuschten. Die Tür wurde aufgestoßen. Drei vermummte Gestalten tauchten unter der Jalousie hindurch und erschienen im Verkaufsraum. Der Erste riss seine Waffe hoch und legte direkt auf die Kamera an. Ein Schuss löste sich, und das Bild brach zusammen. Stattdessen schwirrten nur noch schwarze und weiße Streifen über den Bildschirm.
Da ich das Video bereits kannte, sah ich nicht auf den Fernseher, sondern betrachtete Lorettas Gesicht. Es wurde kreidebleich, als die Vermummten in dem Juwelierladen auftauchten - und Loretta zuckte erschrocken zusammen, als einer von ihnen schoss.
»Ich… ich möchte die Szene noch einmal sehen«, sagte Loretta mit rauer Stimme.
Ich tat ihr den Gefallen und spulte die Kassette zurück. Diesmal war Lorettas Miene völlig unbewegt, als der Film auf der Mattscheibe ablief. Dann nickte sie plötzlich.
»Ja«, sagte sie. »Der Mann, der auf die Überwachungskamera feuerte, ist der Boss der Kidnapper!«
»Sind Sie sich wirklich sicher?«, hakte Milo nach.
Loretta nickte. »Er hat dieselbe drahtige Statur und dieselbe Art, sich zu bewegen.« Sie sah zu Milo auf. »Was ist mit dem Juwelier geschehen?«
Milo atmete tief durch. »Er ist tot«, sagte er. »Die Kerle haben ihn kaltblütig erschossen.«
Lorettas Kiefer mahlten. »So hätte es mir auch ergehen können«, kam es dann rau über ihre zitternden Lippen. »Ich habe meinen Chauffeur heute Nachmittag im Krankenhaus besucht. Er liegt noch immer im Koma und wird vielleicht nie wieder erwachen. Was sind das nur für Menschen, die eine unschuldige Frau entführen, ihren Chauffeur lebensgefährlich verletzen und einen Juwelier töten?«
Niemand in dem Raum sagte ein Wort. Doch dann war es Lafella, der die Stille brach.
»Sie haben sich nun genug gequält, Loretta.« Vorwurfsvoll sah er Milo und mich an. »Ich finde Ihre Vorgehensweise verantwortungslos!«
»Regen Sie sich wieder ab«, gab Milo schroff zurück. »Wir versuchen nur, ein Verbrechen aufzuklären. Und erst, wenn die Gangster hinter Schloss und Riegel sind, hat Loretta wirklich eine Chance, die schrecklichen Tage, die sie sich in der Gewalt der Entführer befand, zu verarbeiten!«
Loretta erhob sich. Ihr weißes Kleid raschelte. »Werden Sie den Kerl denn nun schnappen können?«, fragte sie.
Ich zuckte mit den Schultern. »Erst müssen wir die letzten Berichte aus den kriminaltechnischen Labors abwarten.«
Loretta gab Lafella ein Zeichen und wandte sich zum Gehen. »Halten Sie mich auf dem Laufenden, wenn sich etwas Neues ergibt«, bat sie, bevor sie zusammen mit dem Psychologen den Raum verließ.
Lexington hatte inzwischen die Kassette aus dem Videogerät geholt und überreichte sie mir.
»Wer war die Kleine, die vorhin bei Ihnen war?«, fragte ich übergangslos.
Lexington errötete. Doch dann hatte er sich wieder unter Kontrolle. »Sie ist bloß eine Freundin«, antwortete er ausweichend. »Ihr Name ist Lana Lebowski.«
»Sie haben sie nie erwähnt«, sagte Milo. »Auch nicht, als wir Sie darum baten, eine Liste von Ihren Freunden und Bekannten anzufertigen. Jeder im Umfeld Ihrer Familie könnte als Täter infrage kommen, das wissen Sie doch!«
Lexington sah Milo entrüstet an. »Aber doch nicht Lana!«, rief er und lachte hart und trocken.
»Warum nicht?«
»Weil Lana mich liebt«, behauptete Lexington ein wenig einfältig. »Außerdem wäre sie zu einem Verbrechen gar nicht fähig. Sie ist ein wenig naiv und genießt es, auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen.«
»Wir werden Ihre Freundin trotzdem überprüfen müssen«, erklärte Milo. »Wie lieb Sie sie auch immer finden mögen.«
»Sie verschwenden mit ihr nur Ihre Zeit«, entgegnete Lexington überzeugt.
***
Am nächsten Morgen lagen die Berichte aus den Labors auf unserem Schreibtisch.