Ren Dhark – Weg ins Weltall 101: Das Ultimatum - Jan Gardemann - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 101: Das Ultimatum E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Während Ren Dhark und seine Gefährten fast am Ende ihrer Reise durch das blassblaue Universum angelangt sind, beginnt die Odyssee der CHARR erst. Im Orbit von Terra Nostra tauchen unheimliche Schattenwesen mit schwarzen Keilschiffen auf. Sie verlangen die Übergabe zweier Senatoren, sonst würden sie die Sonne abschalten. Doch Marcus Gurges Nauta und Socrates Laetus sind unauffindbar – und dann läuft das Ultimatum der Fremden ab... Gary G. Aldrin, Jan Gardemann und Jessica Keppler schrieben diesen mitreißenden SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 101

Das Ultimatum

 

von

 

Gary G. Aldrin

(Kapitel 1 bis 5)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 6 bis 11)

 

Jessica Keppler

(Kapitel 12 bis 17)

 

und

 

Anton Wollnik

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

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Impressum

Vorwort

Erinnern Sie sich noch an das Klonschaf Dolly? Es wurde 1996 geboren, bekam im Laufe seines Lebens mehrere Lämmer und wurde 2003 infolge einer schweren Lungenkrankheit eingeschläfert. Inzwischen versucht sich die Wissenschaft nicht mehr nur an Tierklonen, sondern experimentiert mit Mensch-Tier-Hybriden, um, salopp gesagt, unter anderem Ersatzteillager für menschliche Organe zu erschaffen. Den ethischen Aspekt möchte ich an dieser Stelle gar nicht thematisieren, sondern bloß unseren aktuellen Forschungsstand in den Kontext von REN DHARK setzen. Vieles von dem, was vor einigen Jahren noch wie verrückte Zukunftsvisionen klang, ist heute in der echten Welt schon möglich oder zumindest denkbar.

Im letzten Weg ins Weltall erfuhren wir, dass die auf ERRON-3 gelandeten Tel-Soldaten ihre Population durch Klonen aufrechterhalten, und das schon seit einigen Hundert Jahren. Die für mich spannende Frage lautet: Was passiert, falls diese Klone ins Telin-Imperium heimkehren, wo gerade einmal siebzehn Jahre seit der Versetzung der Tel-Flotte ins blassblaue Universum vergangen sind? Das könnte für einige Irritation bei den Familien sorgen, die plötzlich Personen begegnen, die ihren Ehemännern, Brüdern, Vätern, Söhnen und Freunden zwar bis aufs Haar gleichen, aber dennoch nicht die Erwarteten sind.

Mit den etwaigen sozialen Problemen der Klone werden wir uns in den nächsten Bänden jedoch nicht beschäftigen. Unsere Helden werden ihnen sowieso nicht helfen können, und es gibt Dringenderes zu erledigen: den globalen Schutzschirm um Terra endlich wieder zu deaktivieren. Und das hat für Ren Dhark und seine Gefährten jetzt erst einmal Priorität – genau wie für uns. Allerdings müssen sie vorher noch die verschollene Tel-Flotte finden, um mit der Geschichte, die im Mai 2057 im Zwitt-System begann, endlich abzuschließen. Zum Glück sind sie dank der Worgun-Technik und der Zusammenarbeit zwischen terranischen und telschen Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern gut auf diese Mission vorbereitet. Also kann nichts mehr schiefgehen – oder etwa doch?

Im nächsten Band geht es dann zurück ins Heimatuniversum. Ren Dhark und seine Gefährten können es kaum abwarten, endlich wieder ihre Plätze an Bord der POINT OF einzunehmen. Genau dort gehören sie auch hin: zu loyalen Kameraden, auf die man sich bedingungslos verlassen kann. Noch ahnen sie nicht, dass in der Sternenbrücke bereits die nächste Gefahr auf sie lauert … Nun möchte ich natürlich nicht weiter vorgreifen, aber ich glaube, dass manch einer von Ihnen bereits ahnt, warum die mysteriöse Sonne ausgerechnet dorthin transitiert ist. Und falls nicht, bin ich mir sicher, dass Sie dies spätestens nach dem vorliegenden Band tun werden.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leser, eine unterhaltsame und spannende Lektüre, die Sie hoffentlich zum Miträtseln einlädt.

 

Düsseldorf, im August 2021

Anton Wollnik

Prolog

Am 21. Mai 2051 startet die GALAXIS von Terra aus zu einer schicksalhaften Reise in den Weltraum. Durch eine Fehlfunktion des »Time«-Effekts, eines noch weitgehend unerforschten Überlichtantriebs der Terraner, springt das Raumschiff über beispiellose 4.300 Lichtjahre. Genau einen Monat später erreicht es das Col-System, wo es auf dem Planeten Hope landet. Weil ein Weg nach Hause unmöglich erscheint, beschließen die Raumfahrer, auf dem Planeten zu siedeln, und gründen die Stadt Cattan.

Rico Rocco schwingt sich zum Diktator auf und lässt sämtliche Kritiker verfolgen und auf den Inselkontinent Deluge verbannen. Dieses Schicksal trifft auch den zweiundzwanzigjährigen Ren Dhark, seinen besten Freund Dan Riker sowie eine Reihe weiterer Terraner. Doch damit endet die Geschichte nicht. In einer Höhle entdecken die Verbannten nicht nur Artefakte einer mysteriösen fremden Hochkultur, sondern auch ein unvollendetes Raumschiff, das eine prägnante Ringform aufweist.

Nachdem Rico Rocco bei einem Angriff der Amphi umgekommen ist, wird Ren Dhark zum neuen Stadtpräsidenten Cattans gewählt. Er lässt den Ringraumer reparieren, welcher später von Pjetr Wonzeff auf den Namen POINT OF INTERROGATION, kurz POINT OF, getauft wird. Im April 2052 bricht der Ringraumer unter Dharks Kommando zu seinem Jungfernflug zur Erde auf und beginnt damit ein neues Kapitel in der terranischen Raumfahrt. Nicht zuletzt dank Dharks Forscherdrang entdecken die Menschen weitere Hinterlassenschaften der Mysterious, die es ihnen ermöglichen, neue Ringraumer zu bauen und immer weiter in die Tiefen des Weltraums vorzudringen. Die POINT OF jedoch bleibt trotz allem einzigartig, was nicht zuletzt am Checkmaster liegt, dem eigenwilligen Bordgehirn dieses Raumschiffs.

Ren Dhark bleibt der Kommandant der POINT OF und erforscht mit seiner Mannschaft in den folgenden Jahren nicht nur das Weltall, sondern rettet auch immer wieder die Menschheit und sogar ganze Galaxien. Als sich im Mai 2074 der sich unvermutet selbst aktivierte nogksche Schutzschirm um Terra nicht mehr abschalten lässt, sucht er nach einer Lösung für dieses Problem, doch es scheint, dass er diesmal keine finden wird. Da tauchen plötzlich die Thanagog auf, nach eigenem Bekunden Freunde der Mysterious beziehungsweise Worgun, und berichten von einem Gerät, das in ERRON-3, dem zentralen Wissensarchiv der Worgun im blassblauen Universum, zu finden sei. Dorthin brechen Ren Dhark und eine handverlesene Gruppe mit dem Experimentalraumschiff TSS RANLAK auf.

Bald erreicht der Raumer den Planeten und landet dort nach einem halsbrecherischen Manöver. Ren Dhark und seine Vertrauten haben alle Hände voll damit zu tun, die anderen Expeditionsteilnehmer davon abzuhalten, das Wissensarchiv zu plündern, und zu verhindern, dass der Hyperkalkulator der unterirdischen Worgun-Station ihnen weitere auf Abwehr programmierte Kampfroboter auf den Hals hetzt. Bereits nach wenigen Stunden im Archiv begegnen die Raumfahrer überraschend Tel. Alles deutet darauf hin, dass es sich um jene Soldaten handelt, die siebzehn Jahre zuvor im Sternenbrücken-Krieg verschollen sind.

Schließlich ist das Gerät zur Deaktivierung des Schutzschirms um Terra gefunden. Doch bevor die Expeditionsteilnehmer die Heimreise antreten, will Ren Dhark sein Versprechen gegenüber dem Tel Check Lasz einlösen und diesem dabei helfen, dessen Artgenossen zu finden. Manch Expeditionsteilnehmer sieht seine Chance gekommen, sich entgegen Dharks Anweisungen erneut auf eigene Faust im Archiv umzusehen. Es kommt unweigerlich zur Katastrophe, als Henrietta Krapiwin fünf goldene Mentcaps schluckt und wenige Minuten später qualvoll stirbt. Daraufhin schickt Ren Dhark einen Teil der Expeditionsteilnehmer zusammen mit deren Leiche und einem in der Station bewusstlos aufgefundenen Tel zurück in die TSS RANLAK, während er sich mit dem Rest auf die Suche nach den weiteren Schwarzen Weißen begibt und bald auf eine Kolonie von Klonsoldaten stößt …

1.

Das Rätsel des Aufenthalts der CHARR war nach einer wahren Odyssee endlich gelöst. Der fünfhundert Meter lange goldfarbene Forschungsraumer befand sich in der Galaxis Orn. Erst vor Kurzem hatte das Astrolab die Sternkarten, die die Terraner von den Cromga, den Faráom und auch von Unknown erhalten hatten, in ihre eigene Datenbank eingepflegt. Die meisten Daten stammten jedoch von der bereits im Januar 2060 gegründeten Point-of-Stiftung, die viele der Informationen frei zugänglich ins Hyperfunknetz stellte, welche die POINT OF auf ihren zahlreichen Missionen im Weltraum gesammelt hatte.

Zum Glück hatte Oberstleutnant Lee Prewitt zuletzt noch so viel Weitsicht bewiesen, die Datenbanken der CHARR vor der neuerlichen Transition der mysteriösen Sonne in der Milchstraße zu aktualisieren, denn von Orn aus gab es keinen Zugriff auf das Hyperfunknetz der Milchstraße.

Das Wissen über den eigentlichen Aufenthalt war zumindest die »halbe Miete«, wie sich Generaloberst Frederic Huxley ausgedrückt hatte. Die sprichwörtlich »ganze« wäre es, wenn sie wieder in die Milchstraße zurückkehren könnten.

Genau darüber beriet sich die Führungsmannschaft der CHARR zu dieser Stunde in der Zentrale. Eine Konferenzschaltung per Funk mit den Cromga und den Faráom fand diesmal nicht statt. Diese Konferenz war nicht für die »Öffentlichkeit« bestimmt. Als »Zaungäste« zugelassen waren hingegen der Kobaltblaue Tantal sowie der Kraval Admiral Zutrack. Insbesondere auf die militärische Erfahrung des Admirals legte Huxley besonderen Wert.

Da sich beide jedoch lediglich als Gäste an Bord aufhielten, mussten sie mit Außenplätzen vorliebnehmen. So hockte der Kraval mit seinen vier Metern Körpergröße, den vier Beinen und den zwei kräftigen tentakelartigen Armen in ungemütlich wirkender Haltung außerhalb des bogenförmigen Hauptleitstandes. Neben ihm mutete der »nur« zwei Meter fünfzig große kobaltblaue Nogk, der an eine Mischung aus Echse und Libelle erinnerte, geradezu wie ein Zwerg an.

Das alles beherrschende Thema dieser Besprechung war, dass es ganz offensichtlich über die Giga-Transmitter, die die Cromga gebaut hatten, einen Weg zurück in die rund zehn Millionen Lichtjahre entfernte Milchstraße gab – und das sozusagen in »Nullzeit« und ohne irgendwelche Nebeneffekte, wie sie bei den klassischen Transitionen auftraten.

»Ohne den Optimismus trüben zu wollen, der uns zweifelsfrei nach Bekanntwerden dieser Informationen ergriffen hat, müssen wir die damit verbundenen Schwierigkeiten bedenken«, meinte Huxley. Er war ein hochgewachsener Mann mit einem durchtrainierten Körper, dessen Leistungsreserven über die eines normalen Menschen hinausgingen. Die harten Linien, die seine vom langen Weltraumaufenthalt rötlich ledern gewordene Gesichtshaut prägten, machten ihn auf eine ganz eigene Art und Weise für Frauen attraktiv. Sein Haar, das er an den Seiten kurz und oben etwas länger trug, was die kantige Form seines Schädels unterstrich, besaß dieselbe eisgraue Farbe wie seine Augen.

»Im Moment ist nicht bekannt«, führte der Generaloberst weiter aus, »ob überhaupt noch alle Cromga-Stationen Richtung Milchstraße funktionieren. Und außerdem benötigen die Aggregate, welche ihre Energien aus dem Hyperraum ziehen, mehrere Wochen, wenn nicht gar mehrere Monate, um die Speicher wieder aufzufüllen. Nicht zu vergessen, dass diese gespeicherte Energie lediglich für einen einzigen Sprung von Station zu Station ausreicht. Daher stellt sich die Frage, wie wir die Cromga davon überzeugen sollen, ausgerechnet die CHARR durch ihre Giga-Transmitter passieren zu lassen.«

»Das frage ich mich genauso, Sir«, schloss sich der Erste Offizier Lee Prewitt der Meinung des Kommandanten an. »Soweit wir wissen, wollen die Cromga für eine Transition in einer Währung namens Couponor bezahlt werden, von der wir bis zur Ankunft im hiesigen Sonnensystem noch nie etwas gehört haben und diese dementsprechend auch nicht besitzen. Was also sollten wir ihnen anbieten, wenn sie uns überhaupt erlauben würden, einen ihrer Transmitter zu benutzen?«

Für einen Moment herrschte Schweigen im Hauptleitstand, bis Admiral Zutrack von außen das Wort ergriff. »Eine Möglichkeit wäre, den Cromga lukrative Handelsbeziehungen mit den Völkern der Milchstraße in Aussicht zu stellen, ohne dass die Mannschaft der CHARR erwähnt, selbst aus einer anderen Galaxis zu stammen.«

Huxley nickte. »Du hast recht, Admiral Zutrack. Wir müssen ausnutzen, dass es offensichtlich Cromga gibt, die es gar nicht erwarten können, mithilfe ihrer Transmitter fremde Galaxien zu erkunden. Genauso wie andere Sternenvölker des hiesigen Systems. Damit könnten die Cromga als einzige Anbieter solcher Transferleistungen Milliarden Couponor verdienen. Schließlich müssen die enormen Entwicklungs- und Umbaukosten, die die Weltraumtransmitter seinerzeit verschlungen haben und an denen ihre Volkswirtschaft immer noch kränkelt, sich amortisieren. Wir könnten in diese Kerbe schlagen und uns anbieten, ihnen die Milchstraße beziehungsweise Nal für den Handel zu erschließen.«

Bevor die anderen über diesen Vorschlag nachdenken konnten, machte Tantal seinen Bedenken Luft. Seine Mandibeln schabten gegeneinander, erzeugten dadurch ein leises Geräusch. Letztlich kennen wir den genauen Standort von Mae-Amo-Ri, der letzten Transmitterstation im Halo der Milchstraße, aber nicht. Möglicherweise ist sie in relativer Nähe zum Corr-System errichtet worden. Das aber würde bedeuten, dass quasi direkt vor der Haustür der Nogk ein Tor zwischen den Galaxien existiert. Und das wiederum birgt die konkrete Gefahr eines Angriffs feindlicher Flotten aus Orn.

Auch dieses Argument war nicht von der Hand zu weisen.

»Sollte tatsächlich der Fall eintreten, dass durch Aggressoren aus Orn eine Bedrohung für das Corr-System entsteht, dann könnten die ohnehin fragilen Transmitter-Stationen einfach zerstört werden«, hielt Admiral Zutrack dagegen.

»Ich sehe das genauso. Mit einer feindlichen Flotte werden die mächtigen Nogk schon irgendwie zurechtkommen«, stimmte Huxley dem Admiral zu. »Für mich jedenfalls hat erst einmal die Rückkehr in die Milchstraße oberste Priorität. Dort wütet noch immer diese mysteriöse Sonne. Wahrscheinlich haben die Nogk noch immer keine Lösung für das Problem gefunden. Wir hingegen verfügen über neue Informationen, die wir Charaua schnellstmöglich zukommen lassen müssen. Und deshalb sollten wir uns auf die Rückkehr in die Milchstraße konzentrieren.«

Das ist leicht gesagt, warf Tantal per Bildimpuls ein, obwohl er natürlich wusste, dass er dem Kommandanten in dieser Hinsicht nicht widersprechen sollte. Schließlich kannte er die Bordhierarchie, war jetzt allerdings zu aufgeregt, um zu schweigen. Aber wenn tatsächlich Aggressoren durch die Transmitter kommen, betrifft es ja auch nicht euch.

»Die entartete Sonne, die eine Spur der Verwüstung durch die Galaxien zieht, ist ein ganz konkretes Problem, Tantal«, rief Huxley dem Kobaltblauen in Erinnerung. »Eine mögliche Gefahr durch Feinde aus Orn hingegen ist rein hypothetisch. Hinzu kommt, dass wir schnellstens die Xlanditen finden müssen, die offenbar die mysteriöse Sonne kontrollieren können. Falls der entartete Stern zufällig ins Corr-System transitiert, spielt es auch keine Rolle mehr, ob sich vor eurer Haustür ein potenzielles Einfallstor für Feinde befindet.«

Die Informationen über die Xlanditen hatte Huxley von Commodore Ha-Ku-Sa erhalten und später seiner Führungsmannschaft davon erzählt: Einst landeten diese Lichtwesen in der planetaren Hauptstadt Na-Kana-Meeh auf Cro-ga-ru, dem Heimatplaneten der Cromga. Sie kamen in friedlicher Absicht, um den Reptiloiden dabei zu helfen, die wachsende Gefahr durch die springende Sonne in Orn zu beseitigen. In einem Gemeinschaftsprojekt namens »Bal-u-halla« errichteten die beiden Sternenvölker eine Transmitterstraße, die Orn mit der Milchstraße verband. Mit gezielten Energieimpulsen aus ihrem Raumschiff lotsten die Xlanditen die Sonne schließlich in den »Eingang« des Transmittertunnels. Von dort wurden sowohl der Xlanditen-Raumer als auch die Sonne zu den hintereinander gestaffelten Stationen abgestrahlt. Seit jenem denkwürdigen Tag war das mysteriöse Gestirn in Orn nicht mehr aufgetaucht.

»Für mich stellen die Xlanditen ebenfalls eine große Gefahr dar«, übernahm Lee Prewitt das Wort. »Wer sagt uns denn, dass sie die Sonne nicht gezielt in andere oder eventuell sogar in bestimmte Systeme locken? Wobei sich mir ihre Absichten dafür nicht erschließen.«

Huxley wiegte den Kopf hin und her. »Vielleicht sollten wir die Xlanditen nicht pauschal als Bedrohung ansehen, schließlich könnte sich das genaue Gegenteil herausstellen. Die Cromga jedenfalls haben gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Das Projekt ›Bal-u-halla‹ war von Erfolg gekrönt, und jetzt besitzen sie sogar einzigartige Transmitterstationen, die sie ohne die Xlanditen womöglich nie hätten errichten können.«

»Sie meinen, die Lichtwesen könnten auch uns helfen, die Sonne wieder aus der Milchstraße zu verbannen, Sir?« Paul Maxwell sah seinen Vorgesetzten ernst an.

»In der Tat, Sergeant. Wenn man diesen Stern schon nicht zerstören kann, dann gelingt es vielleicht mithilfe der Xlanditen, ihn durch einen Cromga-Transmitter irgendwo in dem nahezu leeren Bereich zwischen den Galaxien auszusetzen.«

Gerade so, als würde man einen unliebsamen Eindringling aus dem eigenen Heim rauswerfen, um die Sicherheit der Familie zu garantieren, schloss er in Gedanken an. »Das wäre immerhin eine Möglichkeit, um das Problem dauerhaft zu lösen.«

Der Zweite Offizier und Navigator teilte die mäßig aufkommende Euphorie. »Die Sonne wird nicht über unendlich viel Energie für ihre Transitionen verfügen. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie genau in jenem leeren Sektor verbleiben wird. Und sollte sie doch zusätzliche Reserven besitzen, weil sie Energie aus dem Hyperraum zieht, wird sie vermutlich nicht in der Lage sein, Sprünge über mehrere Milliarden Lichtjahre hinweg auszuführen.«

»Letztlich würde das heißen, dass die Sonne mit etwas Glück Tausende von Jahre benötigen würde, um entweder nach Orn oder in die Milchstraße zurückzukehren«, hielt Prewitt fest. »Damit wäre zumindest die unmittelbare Gefahr gebannt.«

Huxley atmete tief durch. »Das würde uns genügend Zeit verschaffen, um eine endgültige Lösung zu finden. Vielleicht sogar, um eine Abstrahlantenne für eine gigantische Antisphäre zu bauen, um die springende Sonne für immer und ewig aus dem Normalkontinuum zu tilgen.«

Die Antisphäre, eine mächtige Waffe der Nogk, hüllte ein Zielobjekt in ein Energienetz ein, welches das Objekt aus dem Normaluniversum entfernte. Die Größe des Feldes war veränderbar, sodass theoretisch ganze Planeten aus der Raumzeit getilgt werden konnten. In welches Kontinuum eine solche Versetzung erfolgte, war bislang jedoch unbekannt. Ebenfalls ungeklärt war der Umstand einer eventuellen Rematerialisierung des betreffenden Objekts. Aber irgendwann würden die Wissenschaftler auf all diese offenen Fragen sicher Antworten finden …

Der Kommandant der CHARR sah die Mitglieder seiner Führungsmannschaft der Reihe nach an. »Wenn alle Argumente gegeneinander abgewogen werden, gibt es meines Erachtens nur ein sinnvolles Vorgehen: Wir müssen die Cromga dazu überreden, dass wir ihre Giga-Transmitter benutzen dürfen. Lange um den heißen Brei herumzureden bringt nichts.«

»Commodore Ha-Ku-Sa berichtete allerdings, dass sie keinen Kontakt mehr zu Mae-Amo-Ri hätten«, gab Maxwell zu bedenken. »Die Cromga wissen nicht, ob diese Station beschädigt ist, also nur einen technischen Defekt aufweist, möglicherweise vernichtet oder gar von unbekannten Aggressoren übernommen wurde.«

»Das ist richtig, Sergeant. Aber genauso ist bekannt, dass der hiesige Sternenrat diskutiert, ob nicht alle Giga-Transmitter zerstört werden sollten, weil Feinde von Nal aus hierher nach Orn gelangen könnten. Einige Ratsmitglieder hegen sogar die Befürchtung, dass die Xlanditen, die im Besitz der Baupläne sind, langfristig eine zweite Transmitterstraße errichten und so die transitierende Sonne hierher zurücklotsen könnten.«

Lee Prewitt brummte eine Zustimmung.

»Aber warum sollten die Xlanditen das tun?«, zeigte sich der Zweite Offizier verwundert. »Ich meine, das wäre doch höchst unlogisch. Zuerst helfen sie den Cromga, die Gefahr zu bannen, und schließlich bringen sie das Gestirn mir nichts, dir nichts wieder zurück? Das verstehe, wer will!«

»Wir können die Diskussionen des Sternenrats nur mäßig nachvollziehen und schon gar nicht beeinflussen«, erwiderte Huxley. »Aber eines ist klar: Sollten die Cromga sich dazu entschließen, ihre Giga-Transmitter zu vernichten, wäre uns selbst die einmalige Möglichkeit genommen, in die Milchstraße zurückzukehren. Wir können nicht darauf hoffen, dass die Xlanditen in ein paar Jahrhunderten oder Jahrtausenden eine eigene Transmitterstraße zwischen den Galaxien errichten. Deshalb müssen wir die Cromga unverzüglich davon überzeugen, sich um das Problem mit Mae-Amo-Ri zu kümmern. Und sobald die Transmitterstrecke funktionstüchtig ist, sollten wir sie benutzen – notfalls ohne das Einverständnis der Cromga. Das ist vielleicht unsere letzte Chance!«

Nach diesem brennenden Appell stimmte die Führungsmannschaft der CHARR ihrem Kommandanten bezüglich des weiteren Vorgehens widerspruchslos zu.

*

Als Generaloberst Huxley in die vollautomatische Bordkantine eintrat, nickten ihm die Besatzungsmitglieder, an denen er vorbeiging, respektvoll zu. Vor dem Gespräch mit Commodore Ha-Ku-Sa wollte er sich noch einen starken Kaffee genehmigen. Eine junge Frau im Rang eines Corporals, die in der Medo-Abteilung von Dr. Berger arbeitete, wollte ihn vorlassen, aber er winkte ab. Wenig später hielt er selbst einen dampfenden Thermobecher in der Hand.

In der hintersten Ecke der Kantine entdeckte er Sybilla Bontempi, die ganz alleine an einem der grau-weißen Tische saß. Mit festen Schritten ging er zu ihr hinüber. Noch immer war er sich nicht über seine wahren Gefühle zu der attraktiven Anthropologin und Fremdvölkerexpertin im Klaren. Auch nicht, ob sie vielleicht selbst versuchte, ihm näherzukommen, oder ob er sich das nur einbildete. Auf jeden Fall fand er sie mehr als nur sympathisch und hoffte insgeheim, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte.

»Na so was! Die Kantine scheint langsam zu einem Ort unserer privaten Begegnungen zu werden, Captain«, sagte Huxley scherzhaft und mit einem ehrlichen Grinsen, als er an den Tisch herantrat. Damit spielte er auf das unverfängliche Gespräch an, das sie erst vor Kurzem an derselben Stelle geführt hatten. Die CHARR war ihre eigene kleine Welt, in der man sich ständig über den Weg lief.

Sybilla sah zu ihm hoch. In ihren dunklen, unergründlichen Mandelaugen schien es für einen winzigen Moment zu leuchten. Aber vielleicht signalisierte das lediglich die Freude über ein Wiedersehen mit einem sympathischen Vorgesetzten. Die Fremdvölkerexpertin wollte aufstehen, um ihm Respekt zu erweisen, aber zum zweiten Mal an diesem Tag winkte er ab und setzte sich stattdessen zu ihr.

Sie wechselten ein paar belanglose Worte, so lange, bis er seinen Becher leergetrunken hatte. Zweifellos fühlten sich beide in der Gegenwart des jeweils anderen wohl. Das jedenfalls könnte ein zufälliger Betrachter aus ihren Gesten und ihrer Mimik ablesen.

Schließlich nickte der Generaloberst der Fremdvölkerexpertin lächelnd zu, stand auf, verließ die Kantine und marschierte auf dem Gang geradewegs in die Zentrale zurück. Seine Konzentration lag nun voll und ganz auf dem bevorstehenden Gespräch, das ausschlaggebend dafür sein könnte, die CHARR wieder in heimische Gefilde zu führen.

*

Nachdem sich Generaloberst Frederic Huxley wie gewohnt in seinen schalenförmigen Kommandatensessel in der Zentrale der CHARR gesetzt hatte, sah er durch die vergrößerte Bildschirmdarstellung in Rundumsicht der Allsichtsphäre in die ewige, sternenbesprenkelte Weite des Alls hinaus. Der Panoramaeffekt bewirkte, dass der Betrachter sich fühlte, als würde er im Weltraum schweben.

»Verbinden Sie mich mit Commodore Ha-Ku-Sa, Mister Lory!«, wandte sich Huxley an die Funkabteilung.

»Aye, Sir.« Die Finger des Cheffunkers huschten wie Spinnenbeine über das Eingabegerät der Konsole. Gleich darauf erschien die Projektion des Commodore der Cromga in der Zentrale.

Auch in holografischer Darstellung war das Wesen beeindruckend. Seine Größe lag bei annähernd zwei Metern. Der Körperbau war sehr muskulös, ebenso die vier Arme, die jeweils als Paar an jeder Seite herabhingen. Schwimmhäute verbanden die einzelnen Glieder der mit langen Krallen bestückten Greifwerkzeuge. Unter der Uniform, deren grellrote Farbe mit der grau-grünen Lederhaut kontrastierte, zeichneten sich Brust- und Rückenpanzer ab. Der Schädel des Cromga saß auf einem sehr beweglichen Hals, der bei der Kommunikation hin und her schwang. Je nach Erregungszustand konnte er auch in den Torso eingezogen werden. Über den kräftigen Kauleisten saßen zwei schmale, schwarze Augen, die wachsam funkelten.

Die Verständigung zwischen Terranern und Cromga lief über die Translatoren.

Nach gegenseitiger respektvoller Begrüßung berichtete Ha-Ku-Sa, dass der Konflikt mit den Faráom erneut aufgeflammt sei.

»Und weshalb, Commodore?«, wollte Huxley wissen. Eigentlich hatte er sich den Verlauf des Gesprächs ganz anders vorgestellt und mit dieser Hiobsbotschaft wahrlich nicht gerechnet.

»Die Schrumpfbleichäuglerwollen schon wieder einen unserer Transmitter benutzen. Diesmal nach Nal und erneut, ohne die fälligen Transport-Gebühren zu entrichten! Sie haben offenbar nichts aus der Lektion gelernt, die wir ihnen erteilt haben.«

Irgendwo in Huxley schlug eine Saite an, die sein Bewusstsein vibrieren ließ. Dieser Umstand spielte ihm unwissentlich in die Hände! Doch keineswegs wollte er mit der Tür ins Haus fallen, sondern sich erst behutsam herantasten. »Mit welcher Begründung wollen die Faráom nach Nal?«

Der bewegliche Hals des Commodore schwang hin und her. »Eigentlich geht es um die alte Geschichte«, tönte Ha-Ku-Sas kräftige Stimme über die Schallfelder in die Zentrale der CHARR. »Die Faráom haben vor, in Nal nach ihrem Raumer zu suchen, der nach der Verfolgung eines feindlichen Schiffes, das einen Expeditionstrupp in einer Dschungelruine auf ihrem Heimatplaneten ausgelöscht hatte, spurlos verschwunden war. Damals verweigerten sie die Bezahlung der Nutzungsgebühren, weil sie nicht wussten, ob die Transition überhaupt gelungen war. Sie begründeten das damit, dass die Raumer vielleicht gar nicht transitiert, sondern zuvor schon vernichtet worden sein könnten.«

»Wir beide sind Kommandanten von Raumschiffen«, argumentierte Huxley vorsichtig. »Wir sind für unsere jeweiligen Mannschaften verantwortlich. Deshalb kannst du das Bestreben der Faráom sicher genauso nachvollziehen wie ich selbst auch. Ihr Interesse, mehr über das Schicksal ihrer Artgenossen zu erfahren, ist durchaus legitim.«

»In dieser Hinsicht gebe ich dir recht, Huxley. Was ich persönlich jedoch zu diesem Sachverhalt meine, ist nicht ausschlaggebend. Vielmehr existieren Regeln und Vorschriften. Und diese sehen nun einmal vor, dass die Benutzung unserer Transmitter nur gegen Gebühren gestattet ist. Alles andere wird vom Sternenrat als provokativer, wenn nicht gar aggressiver Akt gewertet, der als solcher auch genauso behandelt werden muss.«

»Das verstehe ich durchaus, dennoch möchte ich dir einen Vorschlag zur Güte unterbreiten, Commodore. Es gibt eine Möglichkeit, aus einem, wie du erwähntest, ›aggressiven Akt‹ein gemeinschaftlichesUnternehmen zu machen.« Huxley wartete nicht ab, bis Ha-Ku-Sa etwas erwiderte, sondern fuhr gleich fort: »Und zwar, indem die Cromga, die Faráom und auch wir eine gemeinsame Reise nach Nal wagen.«

Das kleine, rüsselnasige Gesicht des Commodore blieb ohne Regung. »Warum sollten wir das tun, Huxley?«

»Weil es für euer Volk nur von Vorteil sein kann!« Der Kommandant der CHARR räusperte seine Stimme frei. Ihm war bewusst, dass das Gespräch nun in die entscheidende Phase kam, in der er selbst indirekt die Weichen zur Zukunft des Forschungsraumers stellen konnte. »Während die Faráom in Nal nach ihrem Raumer suchen, könnten die Cromga sowie weitere Völker aus Orn Handelsbeziehungen zu den Sternenvölkern Nals knüpfen. Um diese intergalaktischen Geschäfte überhaupt logistisch durchführen zu können, müssten auch sie dafür eure Transmitter benutzen.« Huxleys Stimme sprühte vor Begeisterung. »Stell dir nur einmal vor, was das für euch bedeuten würde: Ihr könntet Gebühren für die Transmitterbenutzung und zusätzlich Wegzoll verlangen. Das wäre eine unfassbar lukrative Einnahmequelle und würde den Cromga zweifellos die Vorherrschaft in Orn sichern. Zuerst müssen diese Handelsbeziehungen aber aufgebaut werden, und dazu bedarf es einer kleinen Investition.«

Die Euphorie, die von Huxley ausging, schien auch auf Ha-Ku-Sa überzugreifen. Der Umstand, dass dieser seinen beweglichen Hals einzog, sodass lediglich noch die rüsselartige Nase aus dem Plattenpanzer herausragte, zeigte den Grad seines Erregungszustandes an.

»Dein Vorschlag ist sicher eine Überlegung wert, Huxley«, räumte der Commodore ein. »Die Beweggründe der Cromga und der Faráom für eine solche Reise nach Nal hast du dargelegt. Aber weshalb wollt ihr selbst dorthin?«

Auf diese Frage war der Generaloberst vorbereitet. Noch immer galt sein von Anfang an vertretenes Motto, niemandem die genauen Umstände des Aufenthalts der CHARR in dieser Galaxis zu verraten. Daran hatte er sich bislang gehalten und würde das auch weiterhin tun. Deshalb antwortete er, ohne zu lügen, jedoch so unverbindlich, dass die wahren Motive verborgen blieben: »Mein Volk könnte ebenfalls von einem intergalaktischen Handel profitieren, indem wir euch dabei helfen, Verträge mit diversen Fremdvölkern auszuhandeln und dafür eine Provision kassieren.«

Der Commodore, dessen Hals wieder aus dem Panzer herauskam, überlegte nun etwas länger. »Bezüglich deines Vorschlages werde ich mit dem Sternenrat Rücksprache halten, Huxley«, versprach er dann. »Letztlich ist dieser eine ausgezeichnete Alternative zu der unwiederbringlichen Zerstörung der Giga-Transmitter. Es ist durchaus möglich, dass der Sternenrat einer kommerziellen Nutzung der Transmitterstrecke zwischen Orn und Nal zustimmt. Allerdings nur, wenn sich genügend an einem solchen Handel interessierte Völker finden lassen, die zudem über ausreichende Finanzmittel verfügen. Ansonsten ließe sich die Verteidigung des Transmittertunnels nicht finanzieren.«

Huxley war erleichtert, zeigte dies nach außen hin jedoch nicht. Wäre es ihm nicht gelungen, Ha-Ku-Sa für seinen Vorschlag zu begeistern, dann gäbe es keine nennenswerte Hoffnung mehr für die CHARR, jemals wieder in die Milchstraße zurückzukehren. Jetzt musste allerdings noch die Regierung der Cromga einer Reise nach Nal unter diesen in Aussicht gestellten Bedingungen zustimmen.

»Und wann wirst du mit dem Sternenrat sprechen?«, wollte Huxley wissen, darauf bedacht, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen.

Die Antwort, die der Commodore gab, bremste seine aufflammende Euphorie jedoch erheblich. Zumindest, was den Zeitaspekt anbelangte. »Wie erwähnt, möchte ich deinen Vorschlag dem Sternenrat vorbringen«, kam es aus den Schallfeldern. »Allerdings nicht, ohne zuvor ein handfestes Argument vorzuweisen. Alles andere wäre kontraproduktiv.«

»Was meinst du damit?«

»Dass du zuerst nach einem Handelspartner Ausschau hältst, um ihn für deinen Vorschlag zu gewinnen und ich somit ein gewichtiges Argument in der Hand habe. Nur so kann es gelingen, meine Regierung zu überzeugen. Oder habt ihr andere Referenzen vorzuweisen, die den Rat davon überzeugen werden, dass ihr beim Aufbau unseres Handelsimperiums unverzichtbar für uns seid?« Ha-Ku-Sa hielt kurz inne, um den nachfolgenden Worten noch mehr Gewicht zu verleihen. »Aus diesem Grund wäre es von Vorteil, wenn die CHARR nach Terra Nostra fliegt, um dort für dieses Vorhaben zu werben. Wir haben die Römer schon lange im Blick. Wie es heißt, verfügen sie über Worgun-Technologie. Die könnte für uns von Vorteil sein, aber bislang haben wir noch keine diplomatischen Beziehungen mit Terra Nostra geknüpft.«

Huxley runzelte die Stirn, sich dessen bewusst, dass der Cromga diese Mimik nicht deuten konnte, sonst hätte er sicher nachgefragt.

Terra Nostra …

Mit diesem Planeten war er noch nie in Berührung gekommen. Er wusste so gut wie nichts von ihm und seinen Bewohnern. Doch das sollte sich gleich ändern. Denn kaum hatte der Commodore Terra Nostra erwähnt, lud Lee Prewitt bereits sämtliche bekannten Informationen über den Planeten in die Allsichtsphäre, die aus den Datenbanken der Point-of-Stiftung stammten. So konnte sich Huxley unauffällig einen Schnellüberblick verschaffen, während der Cromga seine Idee weiter ausführte.

Terra Nostra war der zweite von zwölf Planeten einer G2-Sonne in der Materiewolke Gardas im Randbereich von Orn. Die Zusammensetzung der Atmosphäre war erdähnlich, außerdem existierten Kontinente und Meere. Die Hauptstadt hieß Nova Roma.

Zur Geschichte gab es folgende Kurzinformationen: Im Jahr 15 vor Christus hatten drei Ringraumer die 48. Römische Legion und ihren Tross, der aus 5.800 Männern und 3.000 Frauen bestand, sowie zahlreiche Nutz- und Haustiere von Terra nach Orn verbracht und auf dem Planeten abgesetzt. Aus den Nachfahren dieser Menschen entwickelten sich die neuen Römer, die sich bis heute so bezeichneten.

»Da du selbst ein Römer bist«, sagte Ha-Ku-Sa, »und deine Kompetenz im Führen eines solch großen Raumschiffes, wie es die CHARR ist, begründet liegt, ist es dir sicher möglich, Zugang zur dortigen Regierung zu bekommen. Mit dieser kannst du dann über einen Handel zwischen Orn und Nal sprechen, dessen gesamte Logistik später, wie angedacht, mit unseren Transmittern abgewickelt wird.«

Huxley wechselte einen schnellen Blick mit seinem Ersten Offizier. Römer waren ebenfalls Menschen, aber keine Terraner im eigentlichen Sinne. Das konnte ein Außenstehender wie Ha-Ku-Sa jedoch nicht wissen. Schließlich war die äußere Erscheinung frappierend ähnlich.

Klar war, dass ein Besuch auf Terra Nostra Zeit in Anspruch nehmen würde; Tage, vielleicht sogar Wochen. Dabei wäre Huxley am liebsten gleich durch einen Cromga-Transmitter geflogen, um die Milchstraße endlich wieder zu erreichen …

»Du zögerst mit einer Antwort?«, riss Ha-Ku-Sa den Generaloberst aus seinen Überlegungen.

»Keineswegs, Commodore. Deine Idee klingt plausibel. Allerdings werden wir Zeit dafür brauchen.«

»Mach dir darüber keine Gedanken. Das Aufladen der Energiespeicher der Giga-Transmitter dauert ohnehin mindestens zwei Wochen. Danach müssen unsere Techniker sich Mae-Amo-Ri anschauen. Bis zu ihrer Rückkehr werden wir uns gedulden müssen. Diese Zeit könntet ihr sinnvoll nutzen. Noch einmal möchte ich betonen, dass, wenn ihr die Römer für uns gewinnt, ich den Sternenrat sicher davon überzeugen kann, dass die Giga-Transmitter vorerst erhalten bleiben.«

»Das klingt gut, zumal ich davon überzeugt bin, ein Abkommen mit den Römern aushandeln zu können. Tatsächlich könnten in der Zwischenzeit eure Techniker ans Ende des Transmittertunnels reisen, um ihn zu überprüfen. Vielleicht ist er ja tatsächlich gar nicht einsatzfähig und muss erst noch repariert werden.«

»Wir kontrollieren ohnehin unsere Giga-Transmitter regelmäßig. Sollten sie wirklich defekt und irreparabel sein und sollten wir sie somit nicht mehr benutzen können, dann müssten wir uns sowieso keine Gedanken mehr über eine Transmitterstrecke zwischen Orn und Nal machen.«

Damit war eigentlich alles gesagt. Jeder wusste, was er zu tun hatte.

Huxley beendete die Bildfunkverbindung. Um für die CHARR eine Rückkehr in die Milchstraße zu ermöglichen, blieb ihm wohl oder übel nichts anderes übrig, als nach Terra Nostra aufzubrechen. Ohne zu wissen, was sie dort erwartete.

Allerdings gab es noch eine weitere positive Aussicht: Anscheinend waren die Römer in der Lage, Ringraumer zu bauen. Dies wiederum bedeutete, dass man theoretisch auch auf anderem Wege nach Hause zurückkehren könnte – und zwar mithilfe eines Koppelfluges. Dazu mussten zehn Ringraumer aneinandergekoppelt werden, sodass sich die Ringe praktisch zu einer Art Rohr übereinander stapelten. Dabei sorgten die Intervallfelder für einen Düseneffekt, sobald alle angedockten Schiffe auf Sternensog schalten würden, der Überlichtgeschwindigkeit im Normalkontinuum ermöglichte. Durch diesen Effekt waren die Raumer bei geringerem Energieverbrauch wesentlich schneller und konnten eine Höchstgeschwindigkeit von 11,2 Lichtjahren erreichen. Diese Informationen stammten ebenfalls aus den Datensätzen der Point-of-Stiftung. Da zwischen Orn und der Milchstraße eine Distanz von rund zehn Milliarden Lichtjahren lag, ließe sich die Strecke mit zehn Ringraumern theoretisch binnen weniger Tage zurücklegen. Man müsste nur irgendwie an diese Raumschiffe gelangen.

Allerdings gab es dabei einen großen Nachteil: Sollte es wirklich so weit kommen, dann müsste Huxley die CHARR und die FO I in Orn zurücklassen. Das wiederum würde er nur tun, falls es gar keine andere Option gab.

Als der Generaloberst seiner Führungsmannschaft den neuen Plan kundtat, hob sich die Stimmung in der Zentrale sichtlich. Die Hoffnung, endlich wieder heimkehren zu können, beseelte jeden Einzelnen.

2.

»Aufgrund der aktualisierten Sternenkarte stellt es für uns kein Problem dar, nach Terra Nostra im Sol-System zu fliegen, Sir.« Der Zweite Offizier und Navigator sah den Kommandanten von seiner Konsole aus zuversichtlich an. »Wobei dieses Sol-System nichts mit unserem Sonnensystem zu tun hat. Die Römer benannten es einfach so nach ihrem ehemaligen Heimatsystem.«

Die CHARR musste von ihrem jetzigen Standort aus mehrfach transitieren, um die dreihundertsiebzig Lichtjahre durchmessende Materiewolke Gardas im Randbereich von Orn zu erreichen, in der Terra Nostra lag. Auch dies gelang ohne Schwierigkeiten.

Doch gleich darauf gab es einige Aufregung und Verwirrung in der Ortungsabteilung. Obwohl der Forschungsraumer zweifelsfrei an den festgelegten Zielkoordinaten ankam, stellte sich das römische Sol-System ganz anders dar, als es hätte sein müssen.

»Die Sonne fehlt!«, brachte es Navigator Paul Maxwell auf den Punkt. »Seltsam. Laut Bordrechner befinden wir uns an den richtigen Koordinaten. Das ergab auch der Abgleich mit den Sternenkonstellationen.«

Waren die Sternenkarten etwa veraltet?

Über die bordinterne Kommunikationsanlage meldete sich Huxley im Astrolab und stellte Professor Allister Bannard, dem Bordastronom, genau diese Frage.

Der weißhaarige Astrophysiker in fortgeschrittenem Alter, den der Generaloberst als Freund und Ratgeber in verzwickten Situationen schätzte, krauste die Stirn. »Das kann ich mir im Moment auch nicht erklären, Kapitän«, räumte er ein. »Vielleicht ist beim Einpflegen der Sternenkarten der Cromga, Faráom und von Unknown in unsere eigene Datenbank etwas schiefgelaufen. Wir werden das sofort überprüfen.«

Mithilfe des Bordrechners glichen die Mitarbeiter des Astrolabs die Koordinaten ab. Das Kernteam bestand neben seinem Leiter, Professor Bannard, zusätzlich noch aus Dr. Sanja Pranavindraman, einem Experten für astronomische Messverfahren, dem Strahlenphysiker und Astronom Dr. George Wong sowie dem Astrophysiker Dr. Bernard.

In der Zwischenzeit vermutete Maxwell einen technischen Fehler. »Es könnte daran liegen, dass der Flugvektor mittels falscher Daten berechnet wurde. Nur so kann ich mir diese Abweichung von der gewünschten Flugroute erklären. Wir sollten die Schiffssensoren neu kalibrieren.«

»Dann tun Sie das, Nummer Zwei!«, ordnete Huxley an.

Gleich darauf meldete sich Professor Bannard zurück: »Wir können keine Unregelmäßigkeiten feststellen, Kapitän. Die Zusammenführung der Karten ergab keinerlei Konflikte mit unseren vorherigen Daten. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Daten der Point-of-Stiftung fehlerhaft sind.«

Huxley nahm das zur Kenntnis, während der Navigator die Neukalibrierung der Schiffssensoren vornahm und Jeff Perry mit seinen Ortungsinstrumenten den hiesigen Sektor abtastete. Überraschenderweise entdeckte er ein im Raum »frei fliegendes« Objekt, das seiner Masse nach ein Planet sein musste, aber um keinen Stern kreiste. Ein solcher kosmischer »Geisterfahrer« wurde auch planetary mass object oder kurz »Planemo« genannt.

Unverzüglich meldete der Dritte Offizier seine Entdeckung dem Kommandanten.

»Geht es noch etwas genauer, Mister Perry?«

»Gewiss, Sir. Dieser Planemo weist hohe Energieemissionen mit Mustern auf, die auf eine Zivilisation hindeuten und …« Perry verstummte und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, so, als könnte er nicht glauben, was er sah. »Ich muss meine Aussage revidieren, Sir«, meinte er gleich darauf. »Jetzt zeigen die Ortungsinstrumente insgesamt zwölf Planemos in relativer Nähe zueinander, die ihre Kreise um ein gemeinsames Zentrum ziehen.«

Huxley richtete sich in seinem Kommandantensessel zur vollen Größe auf. »Ein gemeinsames Zentrum?«

»Dort befindet sich eine riesige, annähernd runde Gaswolke. Deren Durchmesser beträgt etwa 160 Millionen Kilometer. Sie besteht zu 80 Prozent aus Wasserstoff, zu 19 Prozent aus Helium und zu je einem Prozent aus Sauerstoff, Kohlenstoff, Neon sowie Stickstoff. Das könnte eine Sonne vom Typ G2 sein, aber wir messen hier nur minimale Energieemissionen an. Sehr seltsam.«

Erstaunlicherweise stellte die Astroabteilung kurz darauf auch noch fest, dass der entdeckte Planemo exakt in Größe, Masse und Zusammensetzung der Atmosphäre Terra Nostras glich. Ebenso die Kontinente und Meere.

Bevor Huxley sich darüber den Kopf zerbrechen konnte, meldete sich der Flughund Rorr zu Wort: »Vom Planemo werden Funknachrichten gesendet, Sir.«

»Welcher Art, Rorr?« Huxleys Stimme hatte sich etwas verschärft, kam es ihm doch so vor, als müsste er seiner Mannschaft seit einigen Minuten jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.

»Die meisten Funksprüche drehen sich um Güter, Vorräte und Logistik, Sir«, erläuterte der Flughund.

»Lausch weiter und analysiere jede einzelne Nachricht bis ins Detail! Wir müssen wissen, was sich dort abspielt.«

»Aye, Sir.«

Der Kommandant wandte sich an seinen Zweiten Offizier. »Wie sieht es aus, Mister Maxwell?«

»Die Schiffssensoren sind nun neu kalibriert«, antwortete dieser. »Allerdings ergibt sich keine falsche Berechnung des ursprünglichen Flugvektors. Ich habe mich wohl geirrt, Sir.«

Nachdem auch das Astrolab festgestellt hatte, dass die zusammengeführten Koordinaten der Sternenkarten in die hiesigen Datenbanken korrekt waren, konnte das nur eines bedeuten: Die CHARR befand sich tatsächlich an den richtigen Koordinaten am Rand des römischen Sol-Systems. Bei dem Planemo handelte es sich um Terra Nostra, wobei die Frage unbeantwortet blieb, weshalb die Sonne augenscheinlich erloschen war. Eigentlich war das unmöglich!

»Auf dem stockfinsteren Planeten ist ein Überlebenskampf ausgebrochen«, meldete Rorr, nachdem er die einzelnen Funknachrichten analysiert hatte. »Offenbar sinken dort die Temperaturen stetig, sodass die eisige Kälte des Weltraums die Bewohner dahinrafft und immer mehr dezimiert. Allerdings ist der Kern von Terra Nostra noch nicht durchgefroren, wie verschiedene Bergbauunternehmen berichten.«

Mit solchen Problemen hatte Huxley wahrhaftig nicht gerechnet. Aus der ursprünglich »harmlosen« Mission, die Römer zu einer Handelsbeziehung zwischen den Sternenvölkern aus Orn und Nal zu bewegen, wurde, nun ja … was eigentlich?

Wie üblich entschied er rasch und konsequent. Er befahl, dass sich die CHARR vorsichtig und mit aktivierten gestaffelten Schutzschirmen Terra Nostra nähern sollte. Dabei blieben die Waffensysteme deaktiviert, um nach außen hin keinen feindlichen Eindruck zu erwecken. Nichtsdestotrotz ließ er den Waffenleitstand besetzen und die Besatzung in Alarmbereitschaft versetzen, um kein unnötiges Risiko einzugehen. Schließlich wusste man nie, wie sich eine Begegnung mit Fremden entwickelte.

Jeff Perry tastete mit den Messfühlern der CHARR weiter ununterbrochen das System ab. »Nach wie vor gibt es keine Anzeichen für feindliche Aktivitäten, Sir«, meldete er. »Allerdings befinden sich im Orbit mehrere Ovoid-Ringraumer der Rom-Klasse, die offensichtlich den Planeten sichern.«

Huxley wusste inzwischen aus den spärlichen Informationen der Datenbanken, dass es sich bei diesen einhundertneunzig Meter durchmessenden, aus Unitall bestehenden Schiffen um eine Weiterentwicklung der traditionellen Ringraumer der Worgun handelte. Von diesen waren im Jahr 2060 auf Terra Nostra täglich sechshundert für den Kampf gegen die Zyzzkt entwickelt und eingesetzt worden.

Huxley wandte sich an den Cheffunker. »Kontaktieren Sie die Raumhafenbehörde und bitten Sie um Landeerlaubnis, Mister Lory!«

Der Funker kam dem Befehl sofort nach. »Die Landeerlaubnis wird nicht erteilt«, meldete er jedoch gleich darauf. »Der diensthabende Offizier der Raumhafenbehörde verlangt, dass sich der Kommandant des Schiffes persönlich per Bildfunk bei ihm vorstellt.«

Warum das denn?, schoss es Huxley durch den Kopf.

Wenig später stand die Bildfunkverbindung nach Terra Nostra. Misstrauisch beäugte der römische Leutnant den Kommandanten der CHARR, während er explizit nachfragte, ob die Raumfahrer Römer seien. Nach einigem Hin und Her schien er davon überzeugt zu sein, dass es sich bei ihnen um Terraner handelte. Er unterbrach die Verbindung, teilte nach zwei Minuten jedoch mit, dass er nach Rücksprache mit seinen Vorgesetzten nun eine Landeerlaubnis genehmigen könne.

Während des Landeanfluges der CHARR beobachteten die Anwesenden in der Zentrale das Land unter sich, das aussah wie ein verschneiter Naturschutzpark auf Terra. Durch das Erlöschen der Sonne lag es zum größten Teil in tiefer Finsternis. Lediglich an strategisch wichtigen Stellen hatten die Römer für ausreichende Beleuchtung gesorgt, vor allem in Nova Roma. Aus der beeindruckenden Metropole Nova Romas ragte vor allem das Kapitol heraus, das, so wussten die Terraner inzwischen aus den Datenbanken, gigantischer und schöner war als sein Vorbild im alten Rom.

Der Forschungsraumer überflog die prächtige Wissenschaftsakademie mit den langgezogenen, flachen Gebäudetrakten, zwischen denen es parkähnliche Anlagen mit schneebedeckten Wiesen, Alleen und zugefrorenen Teichen gab. Sämtliche Blumen auf den ausgedehnten Feldern waren ebenfalls im Eis erstarrt.

Überall in den Parks sowie neben den Straßen erhoben sich gigantische Statuen, die vor allem Cäsaren-Feldherren symbolisierten. Bei den unzähligen Tempeln hingegen, die allerdings keine große religiöse Bedeutung mehr besaßen, fanden sich Skulpturen von Göttern und Göttinnen. Vielmehr betrachteten die Römer diese formvollendeten Bauwerke heute als pure Dekoration oder als Orte innerer Einkehr, wenn sie zu sich selbst finden wollten. Andere wiederum benutzten die Tempel als Stätten gemeinsamer Meditation, die entweder auf den eigenen Geist, auf heroische Wesen oder alte Götter gerichtet war, deren Existenz empirisch jedoch nicht belegbar war.

Wenig später landete die CHARR auf dem ihr zugewiesenen Landeplatz des Raumhafens. Die Außentemperatur betrug minus zweiundachtzig Grad Celsius.

Gleich darauf meldete der Cheffunker einen Sprecher des Senats.

»Schalten Sie ihn zu, Mister Lory!«, befahl Huxley.

Die Projektion eines Mannes Mitte sechzig mit kahlem Schädel erschien. Er begrüßte Huxley äußerst freundlich und stellte sich selbst als Senator Titus Aquilius vor. »Der Senat ist sehr erfreut darüber, dass endlich Hilfe aus Nal eingetroffen ist, Kommandant. Deshalb lädt er dich und deine Begleiter in den Ratssaal ein.«

Der Generaloberst wechselte schnelle Blicke mit seinem Ersten und Zweiten Offizier. Offensichtlich wurden sie als Rettungsteam betrachtet, das nach Terra Nostra gekommen war, um zu helfen. Allerdings hinterfragte er das im Moment nicht. Stattdessen bedankte er sich für die Einladung, der er unverzüglich nachkommen wollte.

Als Begleitung wählte Huxley lediglich zwei Personen aus: Oberstleutnant Lee Prewitt und Leutnant Susannah Skerl, eine Expertin für Umweltsysteme und Lebenserhaltung. Auf einen Nogk oder Kraval verzichtete er, war es den Römern doch anscheinend so wichtig, »Terraner« zu empfangen. Deshalb sollten diese nicht unnötig durch die Anwesenheit von Mitgliedern anderer Sternenvölker verunsichert werden.

Ein Schweber mit einem Empfangskomitee, angeführt von Senator Aquilius, holte das Trio von der Landebahn ab. Die Römer trugen W-Anzüge, genauso wie die Besatzungsmitglieder der CHARR. Durch die dünne Folienhaut und den transparenten Klarsichthelm war nicht der leiseste Hauch der frostigen Kälte zu spüren.

Aufmerksam studierte Susannah Skerl die Umgebung. Soweit jedenfalls, wie es die Beleuchtung der gigantischen Lampen erlaubte, die rings um den Raumhafen positioniert waren. Die Start- und Landeflächen waren nur notdürftig von Schnee und Eis befreit worden. Dies war keineswegs dem Umstand einer Nachlässigkeit geschuldet, sondern den extremen Wetterbedingungen, die hier herrschten. Die Räummannschaften schienen trotz Unterstützung durch Roboter gar nicht mehr nachzukommen. Außerdem nahm sie zur Kenntnis, dass einige der beheizbaren Landebahnen in der arktischen Kälte funktionsuntüchtig geworden waren.

Diese Momentaufnahmen sagten der hochgewachsenen, schlanken Expertin mit den Rastalocken, die weit in ihr ebenholzfarbenes Gesicht fielen, bereits genug über die außergewöhnlichen klimatischen Zustände in der Stadt und auf dem ganzen Planeten.

Die Terraner wurden zu einem Ovoid-Ringraumer der Rom-Klasse geführt, der am anderen Ende des Landeplatzes stand, und dann in einen der geräumigen Frachträume geleitet. So manche römische Frauen oder Männer, denen sie begegneten, blieben stehen und wandten die Köpfe, als sie das Trio von der CHARR erspähten. Lange hielten sie sich allerdings nicht mit der Betrachtung der Neuankömmlinge auf, sondern setzten ihren Weg oder ihre Tätigkeiten fort.

Der Frachtraum war zu einem prächtigen, beheizten römischen Sitzungssaal umfunktioniert worden. Neben der bogenförmigen Tür, die sie durchschritten, erhoben sich mannshohe Marmorskulpturen, allesamt fantasievolle Nachbildungen von Löwen und Tigern. Huxley bezweifelte allerdings, dass ähnliche Tiere auf Terra Nostra existierten.

Die Wände des rechtwinkligen, kreuzgewölbten Saales waren mit pompösen Teppichen mit Kampfszenen aus dem alten Rom behängt. Säulen aus poliertem Marmor strebten der hohen gewölbten Kuppeldecke entgegen, die Freskengemälde mit Göttern und Musen zeigten. Der Boden war mit verschiedenen Arten von Kalkgestein ausgelegt, die Ornamente aus vergoldeter Bronze und allerlei zusätzlichen Mosaikverzierungen aufwiesen. Es schien fast eine Sünde zu sein, darüber zu gehen.

Huxley und seinen Begleitern war es gerade so, als würden sie in eine andere, frühe Zeit auf Terra eintauchen, die schon Tausende Jahre zurücklag. Es fiel ihnen nicht leicht, sich von diesen wahrlich opulenten Eindrücken, gemischt mit modernen Details, zu lösen.

Auf Stühlen, die auf einer Bühne im Zentrum des Saales standen, nahmen Huxley und seine Begleiter Platz. Derweil zog sich Senatssprecher Titus Aquilius dezent zurück.

Die Sitze ringsherum waren von honorigen Senatoren mit elfenbeinfarbenen Gesichtern und ernsten Mienen besetzt.

Vor allem Susannah fiel unangenehm auf, dass es unter ihnen keine Frauen gab. Sie hielt sich mit ihren persönlichen Ansichten jedoch zurück. Sie hatte sich vorab an Bord der CHARR über die Römer informiert. Deshalb wusste sie, dass die hiesige Gesellschaft anders aufgebaut war als die moderne terranische in der Milchstraße. Darüber hatte sie in ihrer Rolle als Huxleys Beraterin aber nicht zu urteilen.

Dem weiblichen Geschlecht fiel auf Terra Nostra, schmeichelhaft ausgedrückt, die Rolle der Herrin über Heim und Familie zu, während sich die Männer um politische, wirtschaftliche und militärische Belange kümmerten und diesbezüglich das Sagen hatten. Hinzu kam ein weiterer sozialer Unterschied: Die Wissenschaftler und Akademiker, natürlich ebenfalls allesamt Männer, besaßen in der hiesigen Gesellschaft eine exponierte Stellung, die auch weitreichende Entscheidungen betrafen, die von den Senatoren dann umgesetzt wurden.

Deshalb kam es Susannah doppelt unangenehm vor, die strengen Blicke der zumeist älteren Herren ertragen zu müssen. Viele von diesen fragten sich wohl, weshalb der Kommandant der CHARR ausgerechnet einen weiblichen und nicht etwa einen zweiten männlichen Offizier als Begleitung mitgenommen hatte. Der hartgesotten wirkende Lee Prewitt hingegen schien ihr Wohlgefallen zu finden, ebenso wie Generaloberst Frederic Huxley.

Susannah rümpfte die Nase. Sie konnte sich doch nicht so gut zurückhalten, wie sie es von sich erhofft hatte. Es wurde höchste Zeit, dass das Patriarchat auf Terra Nostra eine zeitgemäße Modernisierung erfuhr! Als Huxley sie mit einem flüchtigen Seitenblick bedachte, grinste sie schief. Er ahnte wohl, was in ihr vorging.