Ren Dhark – Weg ins Weltall 96: Reise ins blassblaue Universum - Jan Gardemann - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 96: Reise ins blassblaue Universum E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Auf dem Planeten Anfang ruft der oberste Rudelführer Pakk Raff den Notstand aus. Zur gleichen Zeit bauen die Nogk gemeinsam mit den Menschen und den Kraval im Randbereich der Milchstraße gigantische Orbitalstationen, um die zerstörerischen Energien der mysteriösen Sonne abzusaugen und in den Hyperraum abzustrahlen. Ren Dhark und seine Gefährten erfahren von alledem nichts, denn sie begeben sich mit dem Experimentalraumer TSS RANLAK auf die Reise ins blassblaue Universum… Gary G. Aldrin, Jan Gardemann und Jessica Keppler verfassten diesen packenden SF-Roman nach dem Exposé von Anton Wollnik.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 96

Reise ins blassblaue Universum

 

von

 

Gary G. Aldrin

(Kapitel 1 bis 7)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 8 bis 13)

 

Jessica Keppler

(Kapitel 14 bis 20)

 

und

 

Anton Wollnik

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

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Impressum

Vorwort

Endlich! Das Jahr 2020 ist fast vorbei. In den vergangenen Monaten ist vieles passiert, was hervorragend in einem dystopischen Roman zu verarbeiten gewesen wäre. Tatsächlich hatten wir kurz darüber nachgedacht, die aktuellen Probleme in unseren Geschichten aufzugreifen, haben uns jedoch dagegen entschieden. In REN DHARK spielen dank des technologischen Fortschritts Pandemien ohnehin keine Rolle mehr bei den Terranern. Die Mediziner und Forscher an Bord der POINT OF finden binnen kürzester Zeit für fast alles ein Gegenmittel. Erst vor wenigen Weg ins Weltall-Bänden haben sie Sahara von Kharamaks Seuche befreit. Eine weitere dystopische Virusgeschichte wäre daher langweilig.

Davon abgesehen: Was auch immer man von der aktuellen Situation rund um Corona hält, egal, wie man zu den Maßnahmenkatalogen steht – ich denke, auf eines können wir uns alle einigen: Das Virus betrifft jeden von uns in irgendeiner Weise. Die Medien sind voll von deprimierenden Nachrichten. Wenn wir uns aufregen wollen, brauchen wir bloß die Zeitung aufzuschlagen oder den Fernseher einzuschalten. Wir müssen nicht auch noch unsere Lieblingsserie damit infizieren.

Für mich persönlich bedeutet REN DHARK, dass ich mich abends gemütlich auf die Couch fläzen, einen Band der Serie aufschlagen und für ein paar Stunden das alltägliche Chaos ausblenden kann. Ich möchte mit unseren Helden zu fernen Welten aufbrechen, Abenteuer erleben, Geheimnisse lüften und mit ihnen mitfiebern in dem Wissen, dass am Ende alles gut wird. Und so soll es auch bleiben.

Zugegebenermaßen ist das mit dem Mitfiebern als Herausgeber nicht mehr so einfach. Schließlich kenne ich schon alle Geschichten – zumindest diejenigen, deren Exposés ich verfasst habe. Allerdings schmökere ich gerne in den alten Bänden. An vieles erinnere ich mich nicht mehr genau, deshalb kann ich mich alle paar Jahre immer wieder aufs Neue überraschen lassen.

Kürzlich habe ich mir bei meinen Recherchen für die kommenden Weg ins Weltall-Bände die Abenteuer um ERRON-3 im Classic-Zyklus zu Gemüte geführt. Mann, waren die spannend – aber leider viel zu kurz!

Ren Dhark und seine Gefährten werden daher das Wissensarchiv der Worgun auf jeden Fall etwas genauer untersuchen, und wir werden gemeinsam mit ihnen noch einiges entdecken. Jetzt müssen sie aber erst einmal ins blassblaue Universum gelangen. Die technischen Voraussetzungen haben sie bereits erfüllt, zumindest theoretisch, doch leider gibt es Individuen, die ihnen unnötig Steine in den Weg legen. Eines davon haben wir bereits im letzten Weg ins Weltall kennengelernt: Check Lasz, den egozentrischen Anführer der Tak Saff Saraff. Zum Glück verfügt Ren Dhark über diplomatisches Geschick und weiß mit solchen Gestalten umzugehen. Der Reise ins blassblaue Universum steht also nichts mehr im Wege. Oder etwa doch?

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leser, eine spannende Lektüre, Chanukka Sameach, ein gesegnetes Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch ins neue Jahr.

 

Düsseldorf, im Dezember 2020

Anton Wollnik

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden. Das befreundete Weltallvolk der Syntie hat den Masseverlust der Sonne wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen.

Anfang 2074 bittet Marschall Bulton den Commander um Hilfe bei der Suche nach Dan Riker und dessen Verband. Dabei machen Ren Dhark und seine Gefährten eine erschütternde Entdeckung: der Krayn Kharamak, ein totgeglaubter Feind, hat von dem Konteradmiral Besitz ergriffen und versucht mithilfe von Rikers Verband, sich aller Unsterblichen zu bemächtigen. Sie machen dem Krayn einen Strich durch die Rechnung und verbannen sein Bewusstsein in einen Hyperkalkulator, der sich nun im Keller der Point-of-Stiftung befindet.

Kurze Zeit später scheint mit einem Mal überall in der Milchstraße in der Worgun-Technologie der Wurm zu stecken. Selbst die Experten im Industriedom auf Hope können die Ursache für die harmlosen Störungen nicht finden.

Zur selben Zeit ereignet sich im Randbereich der Milchstraße, etwa 1.000 Lichtjahre vom Corr-System entfernt, eine gewaltige Gefügeerschütterung. Der Forschungsraumer CHARR fliegt hin, um sie zu untersuchen. Dabei stößt die Mannschaft auf eine transitierende Sonne, die die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen scheint. Das Volk der Oumpf wird ausgelöscht. Die POINT OF und die TALKARN, das Flaggschiff der Nogk, versuchen gemeinsam, die Sonne von einer weiteren Transition abzuhalten, doch diese rührt sich nicht mehr. Die Phänomene breiten sich allerdings langsam weiter aus.

Währenddessen errichten die Meeg im Auftrag Bruder Lamberts einen neuen globalen Schutzschirm um die Erde. Kaum sind sie abgereist, aktiviert sich dieser plötzlich von selbst und lässt sich nicht mehr abschalten. Ren Dhark und seine Gefährten begeben sich auf die Suche nach einer Lösung für dieses Problem, doch alles, was sie ausprobieren, scheitert. Da erreicht sie eine Nachricht von Babylon: Dort seien Thanagog, anscheinend Freunde der Worgun, gelandet. In der Hoffnung, Hilfe von den Gästen aus Orn zu erhalten, fliegt der Commander hin. Tatsächlich eröffnen sie ihm, den Schutzschirm um Terra abschalten zu können, doch dazu benötigen sie etwas von ERRON-3, aus dem zentralen Wissensarchiv der Worgun. Dieses befindet sich im blassblauen Universum, welches man nach ihren Aussagen mit einem mächtigen Raumschiffantrieb erreichen könne. Ren Dhark und seine Freunde erinnern sich an das Experimentalraumschiff, ein Projekt, das sie vor Jahren für gescheitert erklärt haben. Gemeinsam mit der Gruppe Saam, den Thanagog sowie einigen weiteren Helfern gelingt es den Experten der POINT OF, die TSS RANLAK zu bauen und den Antrieb zu stabilisieren. Damit brechen sie, eskortiert von Dharks Ringraumer sowie den Thanagog-Schiffen, Richtung Sternenbrücke auf. Kurz bevor sie dort ankommen, meldet Tino Grappa plötzlich Energiespitzen, die auf eine Raumschlacht hindeuten …

1.

Anfang August 2074

 

Es war ein wahrer Höllenschlund – ein Zivilisationen verschlingender, glutheißer Abgrund, riesig und torkelnd, von dem außer seiner Beschaffenheit nicht viel bekannt war. Und dennoch war dieses Ding, dieses Monstrum, das so jäh am galaktischen Rand der Milchstraße aufgetaucht war, so real wie die Weite des Alls um dieses herum.

Handelte es sich wirklich um eine gewöhnliche Sonne der Spektralklasse G2V? Falls ja, woher stammte sie? Und wieso vermochte sie durch den Hyperraum zu springen, wie es schon mehrfach der Fall gewesen war?

Fragen über Fragen, die einer dringenden Antwort bedurften.

Nach wie vor hatten die Astronomen, Physiker und Mathematiker nicht die geringste Ahnung, was das Gestirn dazu brachte, sich so zu verhalten. Mancher Experte spekulierte, dass das Objekt mit einem Hyperraumantrieb manipuliert wurde und deshalb ein fremdgelenkter Körper sei. Andere wiederum verwarfen diese Theorie wieder, weil bei sämtlichen Analysen weder Sprungtriebwerke noch anderweitige Anhaltspunkte dafür gefunden worden waren. Vielleicht jedoch täuschten sie sich alle.

Ist diese Sonne tatsächlich nur eine solche oder etwa doch eine Waffe, möglicherweise sogar ein eigenständiges, todbringendes Lebewesen?

Mit Schaudern erinnerte sich Generaloberst Frederic Huxley, der hagere Kommandant der CHARR, daran, wie die fremde Sonne im Heimatsystem der Oumpf materialisiert war. Mit ihrer puren Schwerkraft wirbelte sie die Planetenbahnen regelrecht durcheinander und die Raumzeitverwerfungseffekte sorgten dafür, dass die eben erst entdeckte Zivilisation vollkommen ausgelöscht wurde. Es war ein wahres Desaster, und die Mannschaften der CHARR und der POINT OF konnten nur dabei zusehen, ohne helfend einzuwirken.

Huxley glaubte nicht daran, dass die in unregelmäßigen Zeitintervallen stattfindende Transition der Sonne ein natürliches Phänomen darstellte. Schließlich hatten die Wissenschaftler der CHARR, der POINT OF sowie der Nogk-Raumer lange und ausgiebig nach einer physikalischen Erklärung gesucht, aber nichts gefunden. Auch auf die Fragen bezüglich der seltsamen Verwerfungen im Raum-Zeit-Gefüge gab es noch immer keine Antworten. Fest stand nur eines: Die Verwerfungen, die sich sphärisch von dem mysteriösen Stern aus ausbreiteten, würden in wenigen Monaten die nächstgelegenen Sonnensysteme erreichen und womöglich weitere Lebewesen in ihrer Existenz bedrohen. Dies galt es zu verhindern. Insbesondere für das Corr-System, das sich nur rund eintausend Lichtjahre entfernt befand, stellte die transitierende Sonne eine existenzielle Gefahr dar.

Terraner und Nogk erforschten bereits seit Wochen gemeinsam die mysteriöse Sonne. Mittlerweile hatten sie einen vielversprechenden Lösungsansatz für das Problem mit den Verwerfungen gefunden.

Gedankenversunken starrte Frederic Huxley, der im schalenförmigen Kommandantensessel in der Zentrale der CHARR saß, durch die Allsichtsphäre in die ewige, sternenbesprenkelte Weite des Alls hinaus. Der Ausschnitt durch die transparenten Außenwände zeigte eine Sonne, deren gelbliches Licht ihm entgegenschien.

In einem Abstand von jeweils zehn Lichtminuten befanden sich auf einer Umlaufbahn um die Sonne ein halbes Dutzend zigarrenförmige Raumstationen, die in Richtung des Sternes zeigten. Sie bestanden aus drei Modulen, die mit Verbindungselementen gekoppelt waren, und besaßen einen Durchmesser von jeweils fünf Kilometern. Die Oberflächenstrukturen aus goldenen Metallsegmenten verdeckten die darunter liegenden, übereinander angeordneten Rohrsysteme, Kabel, Leitungen, Aggregate, Relais und sonstigen Komponenten. In den mittleren Zentraleinheiten mit den verschiedenen technischen Einrichtungen sowie dem Kontrollmodul waren trichterförmige Landebuchten für Reparaturdrohnen eingelassen. Seitlich davon gab es Träger- und Stauplattformen, auf denen gigantische Robotergreifarme auf quaderförmigen Gitterstrukturen angebracht waren. Auf diesen Gitterflächen ließen sich die einzelnen Elemente optimal und sicher positionieren.

Die Aufgabe der Raumstationen bestand darin, die von der Sonne freigesetzten Energien aus materialisierter Schwerkraft, Solar-, elektromagnetischer und Teilchenstrahlung, die zu den destruktiven Raumzeitverwerfungseffekten führten, zu absorbieren und in den Hyperraum abzuleiten. Das gelang in geringem Umfang, der in keinem Verhältnis zu der Energie stand, die für den Prozess aufgebracht werden musste. Diese lieferten mehrere Tofirit-Reaktoren, die in den oberen und unteren Segmenten der Orbitalstationen untergebracht waren. Das rot funkelnde Metall wurde in To-Ringbeschleunigern durch gezielte Kollisionen in seine subatomaren Bestandteile zerlegt und schließlich in die Meiler weitergeleitet. Alles in allem steckte die Technologie noch in den Kinderschuhen.

Zum Glück hatten die Verwerfungseffekte rund um die Sonne etwas abgenommen, breiteten sich jedoch weiterhin wellenförmig aus. Vielleicht verloren sie mit der Zeit und Distanz zur Quelle ihre Intensität, aber das mussten Terraner und Meeg erst noch herausfinden. Jedenfalls war diesem mysteriösen Himmelskörper nicht zu trauen! So ähnlich hatte Huxley das auch Ren Dhark bei ihrem letzten Hyperfunkgespräch mitgeteilt.

Die CHARR und die Nogk-Raumschiffe befanden sich in ausreichendem Abstand zur Sonne und den Stationen, um nicht selbst in einen der verheerenden Wirbel oder eines der Gravitationslöcher zu geraten.

Neben der terranischen Besatzung gab es natürlich Nogk an Bord, schließlich gehörte das Ellipsoidschiff einst zur Flaggeinheit des Nogk-Verbandes. Im Juni 2057 war es vom Rat der Nogk an Frederic Huxley zum Zeichen der Anerkennung für seine Verdienste um das Volk der Hybridwesen als persönliches Eigentum übergeben worden. Die Besatzungsstärke des Forschungsraumers lag bei über zweihundert Mann. Das Gros wurde von terranischen Wissenschaftlern und Technikern gestellt. Es befanden sich jedoch auch Nogk an Bord, darunter Aardan, Kett und Treenor, die schon 2065 bei der Entdeckung Aurums dabei gewesen waren. Der technisch versierteste von ihnen war jedoch der Ingenieur Kryym, der wie alle Meeg stets eine gelbe Uniform trug. Er war es auch, der nun die Zentrale betrat.

Als Frederic Huxley ihn hereinkommen sah, stand er von seinem Kommandosessel auf, um sich nicht noch kleiner vorzukommen.

Das aufrecht gehende Wesen, das an eine Mischung aus Echse und Libelle erinnerte, war um die zweieinhalb Meter groß und überragte den Kommandanten mit seinen ein Meter achtzig deutlich. Die gefühllos wirkenden Facettenaugen über den kräftigen Beißzangen musterten eindringlich das kantige Gesicht des Terraners. Diejenigen, die die Nogk nicht besser kannten, würden dies vielleicht als indirekte Bedrohung ansehen. Dabei waren Kryym und seine Artgenossen den Menschen alles andere als feindlich gesonnen. Vielmehr verband die beiden Sternenvölker eine tiefe Freundschaft. Huxley selbst pflegte eine ganz besonders enge Kameradschaft zu Charaua, dem Herrscher der Nogk.

Kryym sah zu den transparenten Wänden der Zentrale hinaus, dann wieder zu dem Menschen. Dem fremdartigen Gesicht war keine Gefühlsregung anzusehen. Der Kopf wie auch der in der Uniform steckende, hagere Leib waren von einer schwarzbraunen ledrigen Haut bedeckt, übersät von gelben Punkten und Flecken. Bedächtig bewegten sich die beiden aus dem Schädel emporragenden Fühlerpaare, während der Meeg Frederic Huxley eine telepathische Bildbotschaft zusandte: Die Raumstationen werden keineswegs ausreichen, um die von der Sonne freigesetzten Kräfte vollständig zu neutralisieren.

Um die Nogk verstehen zu können, trugen die meisten terranischen Besatzungsmitglieder der CHARR kleine Translatorimplantate, die die Telepathieströme in für sie begreifbare Bilder umwandelten. Umgekehrt übersetzten die Translatoren die Worte der Menschen in für die Nogk verständliche semitelepathische Bildimpulse und strahlten diese auf derselben Wellenfrequenz ab, welche die Hybridwesen für ihre telepathieartige Kommunikation verwendeten.

Huxley war sogar der erste Mensch gewesen, der ein solches Implantat erhalten hatte. Auf seinem Oberkörper, verborgen unter der Uniform, bildeten haarfeine, metallisch schimmernde Linien eine Ellipse, deren Brennpunkte durch zwei nadelfeine Punkte markiert wurden.

»Du hast recht, Kryym«, antwortete er dem Meeg. »Noch befindet sich der Versuchsaufbau der Orbitalstationen im Anfangsstadium, aber wie du weißt, schwebt unseren Experten der Bau einer einzigen gigantischen Station vor, um die von der Sonne freigesetzten Energien vollständig abzusaugen.«

Ein solches Projekt werden die Terraner und die Nogk jedoch nicht alleine stemmen können, gab Kryym zu bedenken. Deshalb sollten wir Experten anderer Völker mit einspannen. Schließlich betreffen die Auswirkungen der sich ausbreitenden tödlichen Phänomene womöglich die gesamte Milchstraße.

»Gibt es denn ein Volk, das sich besonders mit einer solchen Problematik auskennt?«

Der Meeg bewegte leicht seinen libellenartigen Kopf, während sein reptilienhafter Körper weiter reglos verharrte. Die Kraval sind in der Hyperraumtechnologie bestens bewandert. Deshalb wäre es eine gute Idee, sie zu kontaktieren.

Für einen Moment dachte Huxley an den Krieg gegen die Kraval, der seinen Höhepunkt in der großen Schlacht im Januar 2069 erreicht hatte: Damals standen sich bei der dritten Transmitter-Asteroidenstation auf der Babylon-Strecke mehr als zweitausend Raumschiffe verschiedener Milchstraßenvölker und eintausend Walzenschiffe der Kraval unter dem Kommando von Großadmiral Dennschock gegenüber. Trotz der zahlenmäßigen Übermacht gewannen die Kraval aufgrund ihrer überlegeneren Raumer und Waffen die Oberhand. Dann aber griff der Checkmaster, das Bordgehirn der POINT OF, in die Schlacht ein und koordinierte in Absprache mit Ren Dhark zweihundert Ringraumer in einem schier unglaublichen Manöver. Die Kraval erlitten hohe Verluste, vernichteten bei der sogenannten »Operation Apokalypse« die dritte Transmitterstation und zogen sich mittels einer Transition zurück. Der endgültige Sieg über die Aggressoren gelang letztlich nur mithilfe der Syntie. Im August 2069 kam es zur Unterzeichnung eines galaxisweiten Friedensvertrages mit den Kraval.

Schnell zerstreute Huxley seine Bedenken, schließlich waren seit dem Krieg fünf Jahre vergangen. Seitdem hatte sich viel verändert. »Das ist eine gute Idee, Kryym. Ich werde zusehen, wie wir die Kraval am besten davon überzeugen können, uns bei diesem Vorhaben zu unterstützen.«

*

Bevor Frederic Huxley persönlich versuchte, die Kraval auf Brock zu kontaktieren, setzte er sich zunächst mit Ren Dhark über Hyperfunk in Verbindung, denn weder er noch die Nogk waren mit ihnen befreundet. Aus diesem Grund wäre es wenig aussichtsreich, sie einfach anzufunken und um Hilfe zu bitten, zumal sie behaupten könnten, dass die transitierende Sonne nicht ihr Problem sei. Es würde einiges an Überzeugungsarbeit kosten. Und derjenige, der sich wegen seines außergewöhnlichen diplomatischen Geschicks sowie seines legendären Rufs dafür am besten eignete, war nun einmal der ehemalige Commander der Planeten.

Ren Dhark zeigte sich erstaunt und erfreut darüber, so schnell wieder von Huxley zu hören.

»Die Orbitalstationen leisten hervorragende Arbeit«, informierte der Generaloberst ihn nach der Begrüßung über den neuesten Stand der Dinge am Rande der Milchstraße. »Allerdings reichen ihre Kapazitäten nicht aus, das Problem mit der fremden Sonne vollständig zu lösen. Deshalb haben unsere Forschungsteams den Vorschlag unterbreitet, einen deutlich größeren und weitaus leistungsstärkeren Prototyp zu bauen.«

Der weißblonde Raumfahrer, dessen Gesicht Huxleys Bildschirm zeigte, zog die Stirn kraus, aber nur für einen Moment, dann nickte er. »Sehen Sie sich und die Meeg denn in der Lage, ein solch gigantisches Projekt stemmen zu können?«

Der Generaloberst schüttelte den Kopf. »Nein, Mister Dhark. Das ist auch der Grund, weshalb ich Sie kontaktiere. Wir benötigen Ihre Hilfe.«

»Meine? Ich verstehe natürlich die Wichtigkeit Ihres Projekts, allerdings kann ich aufgrund der Probleme mit dem nach wie vor aktivierten globalen Schutzschirm um die Erde im Augenblick nicht mit der POINT OF zu Ihnen kommen.«

»Das erwarte ich auch gar nicht, Mister Dhark. Kryym meinte, dass theoretisch die Kraval in der Lage sein könnten, uns mit ihrem Wissen über den Hyperraum zu unterstützen. Dieser Einschätzung schließe ich mich an. Da Sie einen guten Draht zu diesem Sternenvolk haben, hielt ich es für das Beste, mich zuerst an Sie zu wenden.«

Der Commander lächelte. »Sie möchten also, dass ich den Kontakt zu den Kraval für Sie herstelle.«

»Genau.«

»Dabei könnte ich Ihnen tatsächlich behilflich sein. Allerdings wird mein Besatzungsmitglied Parock die Kraval kontaktieren. Er ist selbst ein Angehöriger dieses Volkes.«

»Umso besser. Wir sind wirklich für jede Hilfe dankbar.«

»Ich werde alles Nötige in die Wege leiten. Sie hören wieder von mir, Generaloberst.«

Huxley bedankte sich, dann wurde die Verbindung getrennt. Es dauerte nicht lange, da meldete sich Ren Dhark schon wieder über Hyperfunk. Parock war es gelungen, den Weltrat seines Volkes von der Notwendigkeit des Prototyps zu überzeugen. Genauere Absprachen sollten allerdings zwischen den Kraval und der Besatzung der CHARR getroffen werden.

Bevor sich der Commander erneut verabschiedete, informierte er Huxley: »In den nächsten Tagen werden meine Mannschaft und ich vermutlich nur schwer oder gar nicht erreichbar sein.«

»Ich verstehe, Mister Dhark. Sie haben wahrlich genug um die Ohren. Und da jetzt der Kontakt zu den Kraval hergestellt wurde, möchte ich Sie bei der Ausführung Ihrer Pläne nicht weiter aufhalten. Ich wünsche Ihnen viel Glück.«

»Danke, Generaloberst. Dasselbe gilt auch für Ihre Mission, die nicht minder wichtig ist.«

*

Zwei Tage später

 

Es handelte sich um insgesamt acht walzenförmige Raumschiffe mit einem Durchmesser von rund vierhundert Metern und einer Länge von über eintausend Metern, die am Rande der Milchstraße auftauchten. Diese bestanden aus mehreren Gebilden, die aussahen, als habe man einige gigantische irdische Schlachtschiffe aus dem Zweiten Weltkrieg unterhalb der Wasserlinie abgeschnitten und die verbliebenen Teile zu einer kolossalen Walze zusammengeschweißt. Diese altertümlichen und schwerfällig anmutenden Konstruktionen, aus denen die Kommandotürme, die Strahlengeschütze und die Wuchtkanonentürme herausragten, kennzeichneten sie als Kraval-Schiffe. Auch wenn sie träge erschienen, waren sie mindestens genauso schnell und beweglich wie die CHARR. Allerdings sah die Hälfte der Walzenraumer noch älter und ausrangierter aus als gewohnt. Das Flaggschiff des kleinen Flottenverbandes war die BROCK II.

Jeff Perry, der Dritte Offizier der CHARR, meldete die Kraval-Schiffe, sobald er sie geortet hatte.

»Na endlich!«, entfuhr es Huxley mehr unabsichtlich. Wie fast immer saß er im bogenförmigen Hauptleitstand. Er warf einen schnellen Blick nach links zur Ortungskonsole.

In diesem Moment meldete der diensthabende Funker Iggy Lory einen Funkspruch: »Admiral Zutrack von der BROCK II, der militärische Befehlshaber der Kraval-Flotteneinheit, Sir.«

»Schalten Sie den Kanal frei, Mister Lory.«

Die Finger des Funkers tippten wie auf einem Klavier auf dem Eingabegerät der Konsole. Gleich darauf erschien der angekündigte Kraval auf dem Schirm. Das von Wülsten und Wölbungen geprägte Gesicht in dem klobigen Schädel, der oben herum von Hornplatten geschützt war, verriet keine Gefühlsregung.

»Zutrack grüßt den Kommandanten der CHARR.«

Huxley erwiderte den Gruß. Die Kommunikation lief verzögerungsfrei über die Translatoren. »Es erfüllt mich mit großer Freude, dass ihr der Bitte Ren Dharks und Parocks gefolgt seid. Mit eurer Hilfe könnten wir eine vielleicht sogar universelle Gefahr bannen und die Verbundenheit zwischen den Völkern der Kraval, der Nogk und der Terraner stärken. Dafür sind wir dankbar, Admiral.«

Zutrack erwiderte nichts darauf, sondern sagte stattdessen: »Wir sollten mit unseren Experten und Chefingenieuren zusammensitzen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.«

Huxley und der Kraval vereinbarten, dass dieser mit einer wissenschaftlichen Delegation an Bord der CHARR kam.

Das Treffen fand wenig später in Konferenzraum 3 des Forschungsraumers statt. Anwesend waren auf terranischer Seite außer dem Kommandanten, der Bordastronom Allister Bannard, der Astrophysiker Doktor Bernard sowie der Chefingenieur Erkinsson. Von den Meeg waren neben Yushiada, dem Verbandsführer der drei Nogk-Raumer, außerdem die verantwortlichen Hyperraumingenieure Riruha und Heydua sowie der Astrophysiker Zitrinja dabei – und natürlich Kryym. Die Kraval stellten neben dem Admiral zusätzlich Sadlock, einen Experten für Hyperraumtechnologie, den Cheftechniker Enock und den Weltraumingenieur Tritjack.

Die vier Meter großen Kraval mit ihren vier massigen Beinen, den beiden kräftigen tentakelartigen Armen, die knochenlosen Muskelschläuchen ähnelten, sowie den Außenhäuten aus stabilen Hornschuppen stachen aufgrund ihrer physischen Dominanz aus der Gruppe der Anwesenden hervor. Dagegen muteten sogar die zwei Meter fünfzig großen Nogk geradezu winzig an – ganz zu schweigen von den noch kleineren Terranern.

Es war wahrlich ein bunter Haufen fremdartiger Spezialisten, die sich auf der CHARR eingefunden hatten und die die allumfassende Bedrohung durch die fremde Sonne einte.

Die Besprechung zog sich über einige Stunden hin. Es gab vieles zu klären. Dabei einigten sich Terraner, Nogk und Kraval zunächst darauf, die geplante Giga-Orbitalstation GOLIATH zu nennen. Damit kamen sie dem Wunsch der Menschen nach.

»Im Vorfeld haben wir bereits mit den Meeg über das Baumaterial für die GOLIATH gesprochen, um das sie gebeten haben«, erklärte Admiral Zutrack. »Dieses befindet sich an Bord der vier älteren Schiffe.«

Die Meeg quittierten diese Information mit Freude.

»Vielleicht werdet ihr euch fragen, weshalb wir ausrangierte Raumer im Flottenverband mitführen«, führte Zutrack weiter aus, wobei er sich mit dem Ende seines rechten Armes über das Gesicht strich. »Das hat einen einfachen Grund.« Er übergab das Wort an seinen Cheftechniker Enock.

Der erläuterte: »Ein neues Gerüst für den geplanten Prototyp der Station zu bauen, würde nur unnötig Zeit und auch Material verschwenden. Deshalb schlagen wir vor, die älteren Walzenraumer als Grundkonstruktion zu verwenden. Die Pläne hierfür haben wir bereits ausgearbeitet.«

»Konkret sähe das so aus, dass wir gemeinsam diese vier Schiffe zu einer Einheit verbinden«, ergänzte Tritjack, der Weltraumingenieur des Kraval-Verbandes.

Eine Diskussion brandete auf. Die verschiedenen Experten gingen das Für und Wider durch, wobei das Hauptaugenmerk weniger auf der Konstruktionsweise als vielmehr auf der Zeitachse lag. Tatsächlich würden Monate eingespart, falls man dem Vorschlag der Kraval folgte. Schließlich einigten sich die Anwesenden darauf, diesen anzunehmen.

»Das bedeutet aber auch, dass zudem ein umfangreicher Umbau vorgenommen werden muss«, gab Chefingenieur Erkinsson zu bedenken. Kryym, der neben ihm saß, bestätigte dies.

Das sehen wir genauso, stimmte Riruha, der Hyperraumingenieur der Meeg, zu und schloss damit die Meinung seines Kollegen Heydua und des Astrophysikers Zitrinja gleich mit ein. Deshalb sollten wir unabhängig voneinander zunächst die bereits ausgearbeiteten Konstruktionspläne überprüfen und dann eine Liste mit den notwendigen Ausbauarbeiten anfertigen.

Frederic Huxley legte die Hände wie zum Gebet zusammen. »Schön, dass wir uns einig sind. Allerdings sollten wir diese Analysen möglichst rasch durchführen, um unverzüglich mit dem Bau der GOLIATH beginnen zu können. Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt, bevor die fremde Sonne erneut ihre destruktiven Kräfte potenziert. Momentan scheinen sich die Verwerfungen etwas beruhigt zu haben, doch wir können uns nicht darauf verlassen, dass dies so bleibt.«

Diese Worte fanden bei den Kommandanten der Nogk und der Kraval allgemeine Zustimmung. Die Experten der drei Völker versprachen, sich sofort an die Arbeit zu machen.

Die Zeit drängte wirklich.

2.

Die nächsten Tage arbeiteten die Terraner, Nogk und Kraval gemeinsam daran, die GOLIATH zu bauen. Nachdem die diesbezüglichen Konstruktionspläne aufmerksam geprüft worden waren und die notwendigen Umbauarbeiten feststanden, gab es zumindest in der Theorie nichts mehr, was den Bau verzögern konnte.

Die sechs kleineren Raumstationen um die fremde Sonne herum absorbierten weiter die von dieser freigesetzten Energien, um sie in den Hyperraum umzuleiten. Zum Glück hielten sich die Raumzeitverwerfungseffekte noch immer in vertretbaren Grenzen, doch niemand wusste, wie lange das so bleiben würde. So schwebte die Gefahr während der Konstruktion der gigantischen Orbitalstation wie ein Damoklesschwert über den Technikern und Ingenieuren.

Selbst Frederic Huxley musste sich eine gewisse Nervosität eingestehen. Schließlich hing vom Gelingen dieser Mission das Wohl von Sternenvölkern, vielleicht sogar das der gesamten Milchstraße ab. Jeweils nach vierundzwanzig Stunden ließ er sich den Fortschritt der Arbeiten von Chefingenieur Erkinsson persönlich berichten.

Die Grundkonstruktion der GOLIATH war mithilfe von Arbeitsrobotern bereits beendet worden. Es war nicht einfach gewesen, die vier Walzenraumer im Vakuum zu verbinden. Präzisionsarbeit war gefordert, denn schon der kleinste Fehler konnte das Vorhaben zunichtemachen.

Nun folgten die Umbauarbeiten, die bereits voll im Gange waren. Die vier Walzenraumer der Kraval erinnerten an zwei untereinanderliegende Metallaugen, die mit Verbindungsmodulen miteinander gekoppelt waren. Darauf war eine Gitterkonstruktion errichtet worden, um den eigentlichen Aufbau fest zu verankern. So wurde Raum für die Energiefänger- und Ableiter geschaffen, ebenso für die Transformatoren, Energiesender, Stabilisatoren und Abschirmer. Außerdem fanden die verschiedenen Meiler samt den sonstigen Aggregaten ihren vorbestimmten Platz.

Die Techniker und Ingenieure lagen im Zeitplan.

Allerdings gab es auch einen Wermutstropfen: Über einen eigenen Antrieb verfügte die Riesenstation nicht. Genauso wenig blieb sie ohne den enorm starken Schutzschirm der Kraval. Das machte sie natürlich anfällig für Fremdeinwirkungen jeglicher Art, wie etwa feindliche Angriffe, doch das war einfach nicht zu ändern.

»Einen Tod muss man bei der Rettung des Universums sterben«, meinte Huxley ironisch zu seinem Ersten Offizier.

Schließlich kam der große Tag, an dem die technischen Verantwortlichen der Nogk, Kraval und Terraner die Fertigstellung des Prototyps der gigantischen Raumstation meldeten. Einige Zeit war ins Land gezogen, mit Hoffen und Bangen.

Dennoch hatten sie es geschafft, sämtlichen Widrigkeiten zu trotzen und diese aus dem Weg zu räumen. Das war wirklich beeindruckend!

Nun stand der erste vorsichtige Testlauf an. Dabei sollte die GOLIATH jedoch keineswegs an die Grenzen ihres Leistungsvermögens gebracht werden.

Frederic Huxley, seine Führungsmannschaft sowie die Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker, die sich in der Zentrale der CHARR versammelt hatten, starrten gebannt durch die Allsichtsphäre hinaus in den Weltraum, wo die Orbitalstation majestätisch und unheimlich zugleich wie ein metallener Planet schwebte. Der Generaloberst war sich sicher, dass Admiral Zutrack und Verbandsführer Yushiada dasselbe taten. Niemand wollte sich das anstehende Schauspiel entgehen lassen, von dem so vieles abhing.

Der Forschungsraumer CHARR, die Kraval- und Nogk-Schiffe befanden sich weiterhin in gebührendem Abstand zur Sonne, ebenso zur Neukonstruktion der gigantischen Orbitalstation. Zeitgleich mit der ersten Inbetriebnahme der GOLIATH wurden die sechs kleineren Raumstationen um das mysteriöse Gestirn abgeschaltet. Das barg natürlich ein gewisses Risiko, denn so musste die Giga-Station sofort deren Aufgabe übernehmen, die freigesetzten Energien zu absorbieren, die zu den katastrophalen Raumzeitverwerfungseffekten führten, und in den Hyperraum zu leiten. Die Frage war, ob diese technische »Übergabe« nun auch so reibungslos funktionierte wie es von den Experten der drei Völker in der Theorie geplant worden war.

Als die zahllosen Lichter am Außenmantel der GOLIATH wie von Zauberhand angingen und die der kleineren Orbitalstationen gleichzeitig erloschen, stockte Huxley für einen Moment der Atem.

Jetzt kam es darauf an …

Die GOLIATH übernahm die Funktion der sechs außer Betrieb genommenen kleineren Raumstationen. Es kam nicht einmal eine Nanosekunde zu einer Unterbrechung, sondern vielmehr zu einer hundertprozentigen fehlerfreien Übernahme der Aktivitäten. Mehr noch: Die große neue Station absorbierte ein Vielfaches von dem, was die kleineren zuvor geschafft hatten.

Lee Prewitt und Paul Maxwell erhoben sich Hände klatschend aus ihren Sesseln, ebenso wie die taktischen Offiziere im Waffenleitstand. Die übrigen Besatzungsmitglieder und Gäste taten es ihnen gleich. Große Erleichterung spiegelte sich in ihren Gesichtern. Selbst Huxleys Miene verzog sich zu einem flüchtigen Lächeln. Nur Kryyms Ausdruck blieb regungslos. Dafür schienen seine Fühlerpaare für einen Moment regelrecht zu tanzen, aber vielleicht war das auch lediglich eine optische Täuschung.

Ein wichtiger Schritt war getan.

In der Folge stellten die Experten jedoch fest, dass GOLIATHS Leistungsfähigkeit den ersten Erwartungen zwar weitgehend entsprach, die Station aber noch nicht effizient genug arbeitete. Deshalb wurde vereinbart, einen Konverter zu entwickeln, der die von der fremden Sonne eingefangene Energie nutzbar machen konnte. Damit wäre es möglich, dass sich die Giga-Orbitalstation nach einer initialen Energieeinspeisung selbst betrieb. So könnte man die absorbierte Energie, anstatt sie verschwenderisch in den Hyperraum abzuleiten, sinnvoll verwenden. Man wäre auch nicht mehr auf Tofirit-Nachschub angewiesen.

Vor allem die Kraval liebäugelten mit diesem Vorschlag der Meeg. Sadlock, der Experte für Hyperraumtechnologie, gab zu bedenken, dass es eventuell gefährlich sein könnte, zu große Mengen der von der Sonne freigesetzten Energien aus dem hiesigen Einstein-Universum in den übergeordneten, mehrdimensionalen Raum zu pumpen.

»Vielleicht treten dadurch mit der Zeit unerwünschte Nebeneffekte auf, die womöglich destruktiver als die bisherigen Verwerfungen sind«, warnte der Kraval weiter. »Wie etwa ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum, der sich nicht mehr schließen lässt.«

Chefingenieur Erkinsson schloss sich diesem Einwand an. »Zwar deutet momentan nichts auf diese Probleme hin, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, wie wir Terraner zu sagen pflegen.«

Kryym formulierte einen Kompromiss: Aus diesen Gründen sollte die Leistungsfähigkeit GOLIATHS nur langsam gesteigert werden, damit wir etwaige diesbezügliche Auswirkungen sofort feststellen und beheben können.

Auch dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung bei den Experten.

Eine wichtige Frage blieb jedoch weiterhin unbeantwortet: Stammte die von der mysteriösen Sonne freigesetzte Energie überhaupt von ihr selbst?

*

Mitte August 2074

 

Schritt für Schritt kamen die Verbesserungsarbeiten am Prototyp der gigantischen Orbitalstation voran. Wie vereinbart war GOLIATHS Leistungsfähigkeit aus Sicherheitsgründen auf die Hälfte reduziert worden. Die kleineren Raumstationen wurden zusätzlich ebenfalls wieder in Betrieb genommen.

Währenddessen hielt sich die CHARR in der Nähe der BROCK II auf, jedoch nach wie vor in großem Abstand zur Sonne und den Orbitalanlagen. Die übrigen Walzenraumer sowie die Nogk-Schiffe verteilten sich einige Tausend Kilometer entfernt von der GOLIATH. Sämtliche Daten wurden aus der Ferne ausgewertet. Mobile Technik- und Ingenieurteams aller drei Völker befanden sich auf der Giga-Station, um die notwendigen Arbeiten vorzunehmen.

Frederic Huxley wollte sich soeben aus dem Kommandantensessel erheben, um sich nach vierzehn Stunden Dienst ein wenig hinzulegen, als ihn der scharfe Ruf seines Ortungsoffiziers innehalten ließ.

»Rasanter Energieanstieg bei der Sonne!«, meldete Jeff Perry. Er gab die genauen Daten an, die kontinuierlich in die Höhe stiegen. Schon jetzt hatten sich die Werte fast verdoppelt!

»Höchste Alarmstufe!«, rief Huxley. »Lory, stellen Sie sofort Kontakt zu Erkinsson her!«

»Aye, Sir!«

Während ohrenbetäubend »Alarmstufe rot!« aus allen Schallfeldern ertönte, bedrohliches rotes Licht durch Gänge und Räume pulsierte und sich die Besatzungsmitglieder zu den ihnen zugewiesenen Notplätzen auf den Decks begaben, stellte der Funker die Verbindung zum Chefingenieur her. Dieser befand sich mit anderen Technikern im zentralen Mittelmodul der GOLIATH und beaufsichtigte dort die Umbauarbeiten. Natürlich waren sie längst über den abrupten Energieanstieg der Sonne informiert worden.

Allerdings verkündete er eine weitere Hiobsbotschaft: »Der Antrieb unseres Beibootes ist gestört, Sir.«

»Wie sieht es mit denen der Meeg und Kraval aus, Mister Erkinsson?«, wollte Huxley wissen.

»Dasselbe Problem, Sir«, erwiderte der Chefingenieur und fügte hinzu: »Wenn es so weitergeht, dann fliegt uns hier alles um die Ohren.«

»Keine Sorge, wir holen Sie da raus!« Der Generaloberst wandte sich an seinen Ersten Offizier. »Ordnen Sie sofort das Ausschleusen der Beiboote an. Sämtliche Technikerteams in der GOLIATH müssen unverzüglich evakuiert werden!«

»Auch die der Meeg und Kraval?«

»Was für eine Frage – natürlich! Beeilen Sie sich!«

Wortlos nickte Lee Prewitt. Genauso wie die anderen diensthabenden Offiziere verfiel er in professionelle Hektik. Jeder ihrer Handgriffe an den Instrumententafeln saß.

Wenige Minuten später startete ein Rettungstrupp in den vierzehn Meter langen Beibooten, die eine exakte Miniaturausführung des Mutterschiffes darstellten. Bereits nach kurzer Zeit erreichten sie die GOLIATH, dockten an der Station an und nahmen die Techniker auf. Danach kehrten sie unverzüglich zur CHARR zurück.

Als Prewitt schließlich die Wiedereinschleusung verkündete, atmete Huxley auf. Dann sah er seinen Navigator von der Seite her an. »Wie sieht es mit dem Schutzschild aus, Mister Maxwell?«

»Zurzeit noch stabil, Sir!«

»Admiral Zutrack auf der einen Phase, und auf der anderen Verbandsführer Yushiada, Sir«, meldete Iggy Lory.

»Legen Sie die Gespräche zusammen auf Konferenzschaltung!«, befahl Huxley.

»Erledigt, Sir.«

Gleich darauf erschienen die Projektionen des Kraval-Admirals und des Nogk. Sie äußerten sich ebenfalls besorgt über den jähen Energieanstieg. Huxley berichtete, dass soeben sämtliche Techniker und Ingenieure von der GOLIATH evakuiert worden waren, weil deren eigene Beiboote nicht mehr funktionsfähig zu sein schienen. Sie befanden sich nun auf der CHARR. Diese Nachricht wurde mit Erleichterung aufgenommen.

Jederzeit ist damit zu rechnen, dass die Sonne erneut springt, gab Yushiada zu bedenken. In seiner insektoiden Mimik war nicht die geringste Regung zu erkennen. Nur die Mandibeln bebten leicht – ein Ausdruck innerer Anspannung. Sein reptilienartiger Körper verharrte weiterhin vollkommen ruhig.

Huxley nickte. »Unsere Schiffe müssen sich sofort in Sicherheit bringen.«

»Zuvor sollten wir jedoch sämtliche Stationen auf volle Leistungsfähigkeit schalten«, fand Zutrack. »So können wir vielleicht die freigesetzten Energien neutralisieren …«

»Weiterer Energieanstieg, Sir!«, rief Perry durch den Hauptleitstand und unterbrach damit den Kraval.

In diesen Sekunden achtete jedoch niemand auf diese Unhöflichkeit. Vielmehr klebten die Blicke aller auf den Anzeigen, die deutlich zeigten, dass die Katastrophe kurz bevorstand. Die drei unterschiedlichen Entscheidungsträger beendeten sofort die Konferenzschaltung, um die nötigen Befehle zu erteilen, ihre Schiffe vor den mysteriösen Kräften der Sonne zu retten. Die Wellenfront unbekannter Energie bewegte sich bereits mit annähernd Lichtgeschwindigkeit auf sie zu.

»Nottransition!«, befahl Huxley.

»Eingeleitet, Sir«, gab Lee Prewitt zurück. »Wir …«

Die weiteren Worte des Oberstleutnants gingen im ohrenbetäubenden Lärm des Dröhnens der Antriebsmaschinen und menschlicher Schreie in höchster Not unter. Dann wurde die CHARR von einer unsichtbaren Riesenfaust gepackt …

3.

Das bekannte Raum-Zeit-Gefüge schien vollkommen verrückt zu spielen und sämtliche bekannten Naturgesetze auf den Kopf zu stellen!

Grund dafür war die erneute Transition der mysteriösen Sonne. Dort, wo sie sich soeben noch befunden hatte, breitete sich nun das Epizentrum der Raumzeitverwerfungen samt den Strukturerschütterungen aus. Innerhalb weniger Sekunden zerstörten die unberechenbaren Gravitationseffekte die Walzenraumer der Kraval und die Schiffe der Nogk, die sich in der Nähe der Raumstationen aufhielten. Sie explodierten in Feuerbällen, die in der Weite des Alls wie winzige, blendend helle Glühwürmchen aussahen. Die unzähligen Trümmerteile schwirrten wie Schrapnelle umher, kollidierten miteinander oder verloren sich in den Gravitationslöchern. Sämtliches Leben an Bord der Schiffe war mit einem Schlag ausgelöscht.

Die kleineren Orbitalstationen waren nicht mehr in der Lage, die freigesetzten Energiemengen zu kanalisieren, überluden sich und zerbarsten fast zeitgleich. Selbstgesteuert versuchte nun die GOLIATH, ihre Leistungsfähigkeit durch die ausgefallenen Stationen zu komprimieren. Ihre Systeme liefen auf Hochtouren, um die Energien in den Hyperraum abzustrahlen. Dies geschah mit einer solch rasenden Geschwindigkeit, wie sie zuvor bei dem Prototyp noch nie ausprobiert worden war. Allerdings führte das dazu, dass sich die Energie im überlagerten, mehrdimensionalen Raum nicht mehr schnell genug verteilen konnte und dementsprechend »zurückreflektiert« wurde.

Davon jedenfalls ging Sadlock, der Experte für Hyperraumtechnologie der Kraval, aus. Im Gegensatz zum Cheftechniker Enock und dem Weltraumingenieur Tritjack, die sich nach der Rettungsaktion von der GOLIATH nun auf der CHARR befanden, stand er selbst neben Admiral Zutrack in der Zentrale der BROCK II. Die Kraval waren ebenso entsetzt über die Verluste ihrer Schiffe wie die Meeg.

Doch die Katastrophe war noch nicht vorbei, denn auch die Giga-Station konnte den ausgelösten Abnormitäten nicht länger standhalten. Ihre Grundstruktur, die aus den vier älteren mit Verbindungsmodulen gekoppelten Walzenraumern bestand, wurde wie von einem Beben erschüttert – und zwar so heftig, dass sie regelrecht auseinanderbrach! Die Transformatoren und Meiler explodierten. Die immensen Kräfte zerlegten die GOLIATH in sämtliche Einzelteile.

Bevor das Flaggschiff des kleinen Kraval-Verbandes, das sich noch immer in der Nähe der CHARR aufhielt, zu den Ausläufern der Gefügeerschütterungen gelangen konnte, wurde es von den reflektierten Energiewellen erfasst. Der enorm starke Schutzschirm, der die BROCK II in einem Abstand von zehn Kilometern umgab, flackerte auf und erlosch aufgrund der Überbelastung schließlich ganz.

Gleich darauf brach das reinste Chaos aus!

Der mehr als eintausend Meter lange, massiv gepanzerte Raumer wurde von den Energieverwerfungen erfasst. Die einzelnen Gebilde, aus denen er bestand, ächzten und kreischten. Verschiedene Aufbauten und selbst die Wuchtkanonentürme zerbarsten. Nur der mächtige Kommandoturm hielt den gewaltigen Kräften stand, die wie ein Hurrikan um die BROCK II herumwirbelten. Zwar waren sie aufgrund der Entfernung zum Epizentrum bereits abgeschwächt, brachten aber dennoch vielfachen Tod.

*

Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis Frederic Huxley wieder zu sich kam. Noch bevor er die Augen aufschlug, wusste er, dass sich die Welt um ihn herum drehte, als wäre sie ins Wanken geraten. Seine Mannschaft … Lebte sie noch?

Der erste bewusste Atemzug fühlte sich für ihn an, als hätte man ihm auf der linken Brustseite einen Stahlkeil zwischen die Rippen gerammt. In seinem Hinterkopf pochte es heftig. Der Schmerz zwang ihn dazu, endlich die Augen zu öffnen. Mit verzerrtem Gesicht blinzelte er in das flackernde Licht der Zentrale, das sich wie eine Nadel in seine Netzhaut bohrte. Instinktiv schloss er die Lider wieder, aber nicht für lange. Die Sorge um seine Besatzung und die CHARR war übermächtig in ihm. Er musste endlich aufstehen!

»… sind Sie in Ordnung, Sir?«

Eine vertraute Stimme drang an sein Ohr. Als er den Kopf zur Seite drehte und nach oben schaute, kam Lee Prewitts Gesicht in sein Blickfeld. Der Oberstleutnant stand leicht gebeugt über ihm und wollte ihm offenbar auf die Beine helfen.

»Es geht schon.« Seine eigenen Worte kamen ihm wie von weit her und seltsam fremd vor. Etwas Warmes, Klebriges rann von seiner Stirn. Als er mit dem rechten Zeigefinger darüber wischte, sah er, dass es sich um Blut handelte.

Als Huxley versuchte aufzustehen, gaben seine Knie nach. Er prallte auf dem blanken Metallboden auf. Erneut toste ein sengender Schmerz durch seinen Brustkorb.

»Ich helfe Ihnen, Sir.« Der Erste Offizier streckte die Hände nach ihm aus, aber der Generaloberst ignorierte sie.

Huxley versuchte ein weiteres Mal aufzustehen. Diesmal gelang es ihm, auch wenn er etwas wacklig auf den Beinen stand. Er hatte das Gefühl, als ob der Boden unter ihm schwankte. Deshalb stellte er die Füße weit auseinander, um das Gleichgewicht nicht noch einmal zu verlieren. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass seine Führungsmannschaft auf ihren Plätzen saß. Er selbst schien der Letzte zu sein, der aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war.

Maxwells Gesicht war blau geschwollen, als wäre er damit auf die Instrumententafel aufgeschlagen. Neben dem Dritten Offizier Jeff Perry stand der Sanitätsmaat Fletcher und verband ihm den linken Ellbogen. Der Waffenleitstand war mit dem taktischen Offizier Lem Foraker, dem Oberstabsgefreiten Mike »JCB« Brown sowie den Soldaten Julian Gransley und Pino Kreutzer besetzt, die lediglich ein paar blaue Flecken aufwiesen. Der Funker Iggy Lory schien heil davon gekommen zu sein.

Aus dem Augenwinkel registrierte Huxley einen Mann auf sich zukommen, der vor ihm stehen blieb.

»Ich werde Ihre Platzwunde behandeln, Sir.« Der Schiffsarzt Doktor Berger wartete nicht auf eine Erlaubnis des Kommandanten. Er machte sich sofort daran, die Verletzung an der Stirn zu versorgen, die der Kommandant sich beim Sturz gegen die Kante einer Konsole zugezogen hatte.

»Wie sieht es mit dem Gesundheitszustand der Mannschaft aus, Doc?«, erkundigte sich Huxley.

Berger sah ihn ernst, aber auch irgendwie erleichtert an. »Nach ersten Erkenntnissen haben alle überlebt, Sir. Einige sind allerdings verletzt und müssen behandelt werden.«

Glück im Unglück!, schoss es dem Generaloberst durch den Kopf, der sich jetzt in seinen schalenförmigen Kommandosessel setzte, um nicht doch noch das Gleichgewicht zu verlieren. »Mir geht es gut, Doc. Kümmern Sie sich besser um die anderen.«

Doktor Berger nickte und verließ mit dem Sanitätsmaat Fletcher die Zentrale.

Wie hat es so weit kommen können? Was zum Teufel ist überhaupt geschehen?, fragte sich Huxley im Stillen, während er einen Blick durch die eingeschaltete Allsichtsphäre hinaus warf. Laut Geschwindigkeitsanzeige raste die CHARR mit zwölftausend Metern pro Sekunde durchs All.

Gleich darauf kehrte die Erinnerung wie ein böser Albtraum zurück, die seine Fragen wenigstens teilweise beantwortete: die mysteriöse Sonne, ihre erneute Transition, die Energieverwerfungen, die Druckwelle …

»Statusmeldung, Mister Prewitt!«, befahl Huxley.

Der Erste Offizier, der sich wieder zu seinem Platz begeben hatte, kam dem Befehl sofort nach. »Als uns die Verwerfungen durch die springende Sonne erreicht haben, ist unser Schutzschirm maximal belastet worden, Sir. Wir wurden davongeschleudert. Sämtliche Bordsysteme laufen jetzt im Reservemodus. Wir sollten eine Deaktivierung des Schutzschirms in Erwägung ziehen, um Energie zu sparen.«

»Wie sieht es mit den anderen Schiffen und den Orbitalstationen aus?«

»Das wissen wir nicht. Wir können nur vermuten, dass die Raumer der Nogk und der Kraval, die sich in unmittelbarer Umgebung des mysteriösen Gestirns aufhielten, vernichtet wurden. Genauso wie die kleinen Stationen samt der GOLIATH. Über das Schicksal der BROCK II, die sich neben uns befand, ist nichts bekannt.«

»Und was ist mit der Sonne?«

»Auch das wissen wir nicht, Sir«, meldete sich der Ortungsoffizier Jeff Perry zu Wort. »Nach ihrer erneuten Transition scheint sie verschwunden zu sein. Weiß der Himmel, wo sie wieder auftaucht!«

Huxley biss so fest die Zähne zusammen, dass sie knirschten. Er dachte an die unzähligen Nogk und Kraval, vielleicht auch Menschen, die ihr Leben gelassen hatten. Hinzu kam, dass die GOLIATH-Mission gescheitert war und die unseligen Kräfte der mysteriösen Sonne weiterhin ungehindert walten konnten. Zum Glück hatten seine Leute wenigstens die Technikerteams rechtzeitig von der Giga-Station evakuieren können.

Abgesehen davon musste der rasende Flug der CHARR so schnell wie möglich beendet werden. Fraglos stimmte etwas nicht, denn nun, da Huxley wieder klar denken konnte, fiel ihm auf, dass es nicht die Antriebswerke des Schiffes waren, die für diese mörderische Geschwindigkeit verantwortlich waren. Das sonore Brummen, das sie normalerweise begleitete, war fast gar nicht zu hören. Es musste etwas anderes sein, das den Raumer wie an einem unsichtbaren Band hinter sich herzog.

Die Ausläufer der Energiewellen der mysteriösen Sonne, bevor sie transitierte! Gerade so, als wären wir in einem Traktorstrahl gefangen, der uns durch das All zieht!

»Leiten Sie sofort vollen Gegenschub ein, Mister Maxwell!«

Der Navigator tat wie geheißen. Tatsächlich bremste die CHARR so weit ab, bis sie zum relativen Stillstand kam.

»Systemüberprüfung durch den Bordrechner!« Die Stimme des Kommandanten hallte in angespanntem Tonfall durch den Hauptleitstand.

Neben den bereits bekannten Problemen bezüglich des Schutzschirms und der auf Reserve laufenden Bordsysteme ergab die Analyse, dass außerdem die Messinstrumente beschädigt waren. Auch mit dem Antrieb schien etwas nicht zu stimmen.

»Seit etwa zwanzig Minuten, also ab dem Zeitpunkt, an dem Sie aus Ihrer Bewusstlosigkeit erwacht sind, Sir, befinden wir uns in einem unbekannten Bereich des Alls«, informierte der Ortungsoffizier Huxley.

»Wollen Sie damit andeuten, dass Sie nicht einmal wissen, ob es sich um die Milchstraße handelt, Mister Perry?«

»Exakt, Sir. Aufgrund der defekten Ortung können wir unsere Position nicht.«

»Versuchen Sie es weiter.«

Perry richtete die Messinstrumente der CHARR erneut auf die Sternkonstellationen des endlosen Weltraums aus. Doch wieder konnten die Koordinaten des Forschungsraumers nicht bestimmt und der Raum nicht durchgeortet werden.

Huxley nahm die Hiobsbotschaft mit professioneller Grimmigkeit auf. Per Bordsprech kontaktierte er den Maschinenraum: »Was ist bei Ihnen los, Mister Erkinsson?«

Der Chefingenieur, der noch vor Kurzem mit seinen Leuten, den Technikern der Meeg und der Kraval von der GOLIATH evakuiert worden war, meldete sich unverzüglich. »Ich kann die Maschinen keinesfalls unter Hochdruck laufen lassen, Sir. Dazu verfügen wir nicht über genügend Energie.«

»Können Sie diese nicht aus anderen Bereichen abziehen?«

»Negativ, Sir.«

»Und wie sieht es mit einer Transition aus?«

»Völlig ausgeschlossen. Dazu reicht es ebenfalls nicht, schon gar nicht für den Schutzschirm. Auch eine längere Reise kommt zurzeit nicht infrage.«

»Wie kann das sein, Mister Erkinsson?«

»Der Antrieb ist beschädigt. Daraus resultieren die Probleme mit der Beschleunigung. Wir haben noch nicht herausgefunden, wo der Wurm steckt. Vermutlich in einem der Konverter. Das würde auch erklären, weshalb sich keine Antisphäre aufbauen lässt.«

Auch das noch!, durchzuckte es Huxley. Eine Katastrophe kommt selten allein!

Natürlich hatte Erkinsson recht. Gleich darauf gab der Kommandant diesem grünes Licht für die Reparaturarbeiten. Ob die Techniker die Probleme in den Griff bekommen würden, hing vor allem davon ab, welche Ersatzteile sie benötigten. Einiges befand sich an Bord, jedoch nicht alles.