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Krimi Doppelband 2201 – Zwei Krimis Von Alfred Bekker Dieser Band enthält folgende Krimis: Kubinke und der Sturm (Alfred Bekker) Die Hannover-Morde (Alfred Bekker) Ein Orkan verwüstet einen Vorort von Wilhelmshaven. Eine gute Gelegenheit, dort eine Leiche abzulegen. Doch wer ist dieser Tote? Und warum wurde er von dem sogenannten "Stecher" umgebracht? Wer hat den Killer beauftragt? Die Kriminalinspektoren Kubinke und Meier werden mit diesem Fall betraut. Mit Hilfe ihrer Kollegen kommen sie der Lösung des Falls immer näher, jedoch mit einer unerwarteten Wendung … Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
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Seitenzahl: 278
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Krimi Doppelband 2201 – Zwei Krimis
Alfred Bekker
Published by Alfred Bekker, 2021.
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Krimi Doppelband 2201 – Zwei Krimis
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Kubinke und der Sturm: Kriminalroman
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Die Hannover-Morde: Ein Kubinke Krimi
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Dieser Band enthält folgende Krimis:
Kubinke und der Sturm (Alfred Bekker)
Die Hannover-Morde (Alfred Bekker)
Ein Orkan verwüstet einen Vorort von Wilhelmshaven. Eine gute Gelegenheit, dort eine Leiche abzulegen. Doch wer ist dieser Tote? Und warum wurde er von dem sogenannten „Stecher“ umgebracht? Wer hat den Killer beauftragt?
Die Kriminalinspektoren Kubinke und Meier werden mit diesem Fall betraut. Mit Hilfe ihrer Kollegen kommen sie der Lösung des Falls immer näher, jedoch mit einer unerwarteten Wendung ...
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author /
© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Alles rund um Belletristik!
Harry Kubinke Roman
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 123 Taschenbuchseiten.
Ein Orkan verwüstet einen Vorort von Wilhelmshaven. Eine gute Gelegenheit, dort eine Leiche abzulegen. Doch wer ist dieser Tote? Und warum wurde er von dem sogenannten „Stecher“ umgebracht? Wer hat den Killer beauftragt?
Die Kriminalinspektoren Kubinke und Meier werden mit diesem Fall betraut. Mit Hilfe ihrer Kollegen kommen sie der Lösung des Falls immer näher, jedoch mit einer unerwarteten Wendung ...
Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jack Raymond, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.
Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/
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Ingo Pellemeier bremste seinen LKW.
Die apokalyptisch anmutende Landschaft, die ihn nun umgab, zeigte jetzt ihre Wirkung auf ihn. Er schluckte. Überall waren Häuser stark beschädigt, Dächer abgedeckt. Bäume und Strommasten waren von der Gewalt des gerade vorübergezogenen Orkans abgeknickt worden wie Streichhölzer.
Ingo Pellemeier hörte routinemäßig den Funk der örtlichen Polizei ab. Er lauschte einige Augenblicke den leicht verzerrten Stimmen und warf dann einen kurzen Blick auf den Kartenausschnitt, den ihm das große Display seines Navigationssystems zeigte und nickte zufrieden.
Die sind weit genug weg, dachte er.
Schließlich wollte er den Polizisten im Moment um keinen Preis der Welt begegnen. Normalerweise wich er auf diese Weise nur Geschwindigkeitskontrollen aus. Aber an diesem Tag hatte Ingo Pellemeier einen ganz besonderen Grund, um den Polizisten aus dem Weg zu gehen.
Und der hatte mit der Leiche zu tun, die sich im Laderaum seines LKWs befand.
Der schwere Sturm hatte sich gelegt und ein Schneise der Verwüstung durch einige Vororte von Wilhelmshaven in Niedersachsen gezogen. Viele Häuser waren stark beschädigt, einige sogar zerstört worden, Fahrzeuge hatte die Kraft des Sturms einfach beiseite geschoben oder auch auf die Seite geschleudert. In den Nachrichten war auch von Todesopfern und Vermissten die Rede gewesen. Zahlen, die genannt wurden, würden sich mit Sicherheit noch erhöhen.
Ingo stieg aus. Er öffnete mit ein paar geübten Handgriffen die Ladefläche seines LKWs, stieg hinauf und blickte dann auf die Leiche herab. Ein Mann, soviel war noch erkennbar. Aber das Gesicht war so schrecklich entstellt, dass ihn wohl selbst engste Angehörige nicht wiedererkannt hätten. Mit seinen Händen war auch irgendetwas geschehen. Sie wirkten rot. Das rohe Fleisch kam zum Vorschein. Es sah aus, als hätte er sich verbrannt. Ein scharfer Geruch hing in der Luft. Und der ramponierte Zustand seiner Kleidung passte irgendwie zu den Blessuren, die er selbst davongetragen hatte.
Ingo stand der Schweiß auf der Stirn.
An einem Haken hingen ein paar Arbeitshandschuhe. Die zog Ingo über. Dann fasste er den Toten an den Füßen und zog ihn zum Rand der Ladefläche. Mit einem dumpfen Geräusch fiel die Leiche wie ein nasser Sack auf den Boden.
Nichts für ungut, dachte Ingo und sprang hinterher. Er orientierte sich kurz. Dann hatte er seine Wahl getroffen. Ein Trümmerhaufen, der noch vor wenigen Stunden wohl noch ein ansehnlicher Vorstadtbungalow gewesen war, schien ihm der perfekte Ort zu sein, um eine Leiche loszuwerden. Er schleifte den Toten hinter sich her.
Es konnte ja nicht allzu schwer sein, ihn so zu drapieren, dass man ihn für ein Opfer des Sturms hielt.
Nach ein paar Minuten war er fertig. Er hetzte zur Fahrerkabine des LKWs, stieg ein und startete. Ingo Pellemeier trat das Gaspedal voll durch. Der Motor heulte auf wie ein getretenes Ungetüm. Nur weg!, dachte Ingo. So schnell und so weit wie möglich weg von hier!
Ungefähr eine Stunde fährt man von Berlin nach Quardenburg. Rudi und ich hatten uns nicht ohne Grund dort hinbemüht. Wir trafen uns mit einigen Mitgliedern des Ermittlungsteam Erkennungsdienstes, dessen Dienste uns zur Verfügung standen, seit man uns zu Kriminalinspektoren befördert hatte. Und das Ganze hatte natürlich mit einem neuen Fall zu tun, der uns übertragen worden war. Ein Fall, bei dem es um einen Toten ging, der vor kurzem in einer vom Orkan ziemlich zerstörten Siedlung in der Nähe von Wilhelmshaven gefunden worden war.
„Sie sind spät dran“, stellte Friedrich G. Förnheim fest. Unser Naturwissenschaftler sprach mit einem Akzent, der so hamburgisch klang, dass er damit wohl selbst an der Elbchaussee als eingebildet gegolten hätte.
„Wir wurden aufgehalten”, sagte ich.
„Unsere Kollegin Lin-Tai Gansenbrink würde das wohl eher als ein Zeichen für schlechte Berechnung verschiedener, in Betracht zu ziehender Parameter interpretieren, wie zum Beispiel Länge des Anfahrtswegs, Geschwindigkeitsbegrenzungen, Staumeldungen, Verkehrsverhältnisse und so weiter.”
„Was soll’s, FGF”, mischte sich der Forensiker und Gerichtsmediziner Gerold Wildenbacher ein. Der Bayer zuckte die Schultern. „Fangen wir an!”
„Dieser Meinung bin ich auch”, ergänzte Lin-Tai Gansenbrink, die Mathematikerin und IT-Spezialistin des Teams. „Soll ich für unsere Kriminalinspektoren die Pointe vorwegnehmen, dass wir zwar die Identität des Opfers noch nicht kennen, aber dafür wissen, wer der Täter war - oder wäre das jetzt ein allzu forscher Vorgriff?”
„Wie bitte?”, mischte ich mich ein.
„Es scheint mir, dass unsere Kollegin in Ihrem Bemühen, sich mathematisch kurz zu fassen, etwas über ihr Ziel hinausgeschossen ist und damit vermutlich mehr Verwirrung verursacht, als für Klarheit gesorgt hat, wie ich befürchte, wenn ich mir die Gesichter von Harry und Rudi so ansehe”, sagte Förnheim.
„Ich schlage vor, wir fangen einfach von vorn an und kommen endlich zur Sache”, lautete die nüchterne Ansicht von Charlotte Ferretz, unserer Wirtschaftswissenschaftlerin, die immer dann zur Stelle war, wenn es darum ging, die betriebswirtschaftlichen Implikationen eines Falles zu beurteilen. Insbesondere, wenn es im Zuge von Ermittlungen im Bereich des organisierten Verbrechens darum ging, verborgene Geldströme und wirtschaftliche Verflechtungen zu erfassen, waren wir auf die Hilfe von Mitarbeitern angewiesen, die sich in diesem Bereich auskannten. Und nicht selten führten gerade die Erkenntnisse aus diesem Bereich erst dazu, dass man überhaupt an die Hintermänner herankam, die sich allzu gern mit weißer Weste zeigten und angeblich nichts mit den schmutzigen Geschäften ihrer Untergebenen zu tun hatten.
Dass Charlotte bei diesem Meeting anwesend war, zeigte allerdings schon, dass es auch in diesem Fall um eine Verwicklung in Machenschaften einer kriminellen Organisation ging.
„Man kennt also den Täter - aber nicht das Opfer”, sagte Rudi an Wildenbacher gewandt. „Das klingt auf jeden Fall schon mal so, als würde es etwas vom üblichen Schema abweichen - vorsichtig ausgedrückt.”
„In diesem Fall ist einiges nicht, wie es sein sollte”, stellte der Bayer fest. Er warf einen Blick auf das Laptop, das vor ihm auf dem Tisch stand und dessen Funktionen er gerade mit einem Tastendruck aus dem Schlaf des Energiesparmodus geweckt hatte. „Wie auch immer. Fangen wir von vorne an! Ein heftiger Orkan hat einen Vorort von Wilhelmshaven in Niedersachsen nahezu zerstört. Da steht kaum noch ein Haus, das nicht einen Schaden aufzuweisen hat. Es gibt leider auch ein paar Todesopfer. Unter den Trümmern von einem der zerstörten Häuser wurden drei Leichen entdeckt, die von den Kollegen des Polizeidienststelle in Wilhelmshaven einfach durchnummeriert wurden. Bei Leiche 1 und 2 handelt es sich um ein älteres Ehepaar, das in diesem Haus gewohnt hat. Leiche Nummer 3 wurde ebenfalls in den Trümmern dieses Hauses gefunden, ist aber nach wie vor unidentifiziert.” Wildenbacher aktivierte einen Großbildschirm, der die Ansicht seines Laptops in vergrößerter Form zeigte. Ein schrecklich entstelltes Gesicht war darauf zu sehen - oder das, was davon übrig geblieben war. „Hier sehen Sie den Grund dafür, weshalb es den Kollegen bisher nicht gelungen ist, den Toten zu identifizieren.”
„Was das Geschlecht angeht, sind Sie sich aber sicher?”, fragte ich.
„Es ist ein Mann, das steht fest”, erklärte Wildenbacher. „Allerdings wurde sein Gesicht höchstwahrscheinlich mit einer sehr starken Säure so verätzt, dass kein Gesichtserkennungsprogramm der ganzen Welt ihn noch wiedererkennen könnte.”
„Ich habe einen Abgleich anhand einer telemetrischen Gesichtsanalyse mit unseren Daten durchgeführt”, mischte sich Lin-Tai Gansenbrink ein. „Leider mit negativem Ergebnis.”
„Man muss dazu sagen, dass die Säurebehandlung, der dieser Mann ausgesetzt gewesen ist, so starke Entstellungen hinterlassen hat, dass teilweise selbst die Knochen angegriffen wurden und es damit wohl einer aufwändigeren Rekonstruktion bedarf, um überhaupt die ursprünglichen Abstände zwischen den Augen oder Kinn und Nase und so weiter feststellen zu können, die ja für eine Identifizierung mit Hilfe von telemetrischen Daten notwendig sind. Aber Sie sehen hier sehr schön, wie zum Beispiel unterhalb des linken Auges nicht nur das Gewebe durch die chemische Reaktion ...”
„Ich glaube das reicht, Gerold”, mischte sich Charlotte Ferretz ein. „Wir können uns das alle lebhaft vorstellen.”
„Nun, wenn Sie an diesen wichtigen Details kein Interesse haben, dann ist das geradezu fahrlässig. Schließlich werden wir versuchen müssen, anhand der sterblichen Überreste dieses Unbekannten, irgendwie herauszufinden, wer er ist.” Wildenbacher ließ ein weiteres Bild auf dem Großbildschirm erscheinen. Es zeigte die Hände des Unbekannten. „Die Fingerkuppen wurden auf ähnliche Weise behandelt, wie Sie sehen. Das bedeutet, dass wir ihn auch nicht über die Fingerabdrücke identifizieren können.”
„Die Tatsache, dass man sich diese Mühe gemacht hat, könnte darauf hinweisen, dass dem Täter klar war, dass man das Opfer auf diese Weise schnell identifizieren könnte”, sagte ich.
„Zusammen mit den Abdrücken von Millionen weiteren lebenden oder toten Personen, deren Abdrücke irgendwann mal gespeichert wurden”, nickte Wildenbacher. „Die gespeicherten Kriminellen fallen da zahlenmäßig kaum noch ins Gewicht. Unser Opfer wird dadurch leider noch nicht sehr eingegrenzt. Aber bisher hatte ich auch nur die Bilddaten und die Untersuchungsergebnisse der Kollegen aus Wilhelmshaven zur Verfügung. Wenn ich die Leiche selbst untersucht habe, dann finde ich vielleicht doch noch eine Möglichkeit, herauszufinden, um wen es sich da handelt.”
„Vielleicht sollten wir jetzt über den Täter sprechen”, schlug nun Förnheim vor. „Über den wissen wir schließlich sehr viel mehr.”
„Nur keine Ungeduld”, gab Wildenbacher zurück. „Zunächst mal möchte ich feststellen, dass die Kollegen in Wilhelmshaven richtigerweise festgestellt haben, dass diese Säurebehandlung nur das Gesicht und die Finger betrifft und mit Sicherheit post mortem durchgeführt wurde. Das heißt, mit dem Ziel, die Identität des Toten zu verschleiern. Der Unbekannte wurde also keineswegs gefoltert oder dergleichen. Die Todesursache sehen wir hier ...” Ein neues Bild erschien jetzt. „Sie erkennen hier eine Hautpartie am Rücken in starker Vergrößerung. Die markierte Stelle haben die Kollegen in Wilhelmshaven als Einstichstelle identifiziert - richtigerweise, wie ich sagen muss. Dem Opfer wurde eine Substanz injiziert, die die Eigenschaft hat, mit einer Verzögerung von zehn bis fünfzehn Minuten zu wirken - und absolut tödlich zu sein.”
„Den bisherigen Analysen nach ist diese Substanz sehr speziell zusammengesetzt”, ergriff jetzt Förnheim das Wort. „Eine sehr individuelle Mischung, die in ihrer Zusammensetzung typisch für einen bekannten Auftragskiller ist, der unter der Bezeichnung ‘der Stecher’ bekannt ist.”
„Der Stecher arbeitet als Auftragsmörder”, stellte Lin-Tai Gansenbrink fest. „Seine Methode läuft darauf hinaus, dass er seinem Opfer quasi im Vorbeigehen eine Injektion verpasst. Ein Stich mit einer feinen Nadel durch die Kleidung hindurch, zum Beispiel in einem dichten Gedränge in der Bahn oder aber an einem anderen Ort, an dem er die Gelegenheit hat, dem Opfer nahe zu kommen.”
„Das Opfer bemerkt diesen Stich normalerweise nicht gleich”, stellte Wildenbacher fest. „Die Wirkung des Giftes setzt ja erst mit Verzögerung ein - und dann kommt sowieso jede Hilfe zu spät, während der Killer bereits auf und davon ist.”
„Wie sicher ist es, dass tatsächlich dieser sogenannte Stecher hinter dem Mord steckt?”, fragte ich.
„Nun, das verwendete Gift ist quasi seine Visitenkarte”, meinte Förnheim. „Die Methode selbst kommt häufiger vor und wird ansonsten auch gerne von Angehörigen verschiedener fremder Geheimdienste verwendet. Früher hat sie sich insbesondere bei Angehörigen verschiedener Ost-Block-Geheimdienste, wie dem KGB, großer Beliebtheit erfreut, wobei keine konventionellen Gifte verwendet wurden, sondern beispielsweise Tollwut-Erreger, bei denen die Täter getrost davon ausgehen konnten, dass in den westlichen Ländern kaum noch ein Arzt in der Lage ist, die Symptome rechtzeitig und zutreffend zu diagnostizieren.”
„Dann könnte der Killer möglicherweise auch aus diesem Umfeld kommen?”, fragte Rudi.
Aber Förnheim schien das nahezu auszuschließen. Jedenfalls schüttelte er energisch den Kopf - bemerkenswerterweise annähernd synchron zu Dr. Wildenbacher. „Nach allem, was man über den Stecher in unserem Archiv abrufen kann, ist er hier im Zusammenhang mit Morden gebracht worden, die im Dunstkreis krimineller Banden geschehen sind“, sagte Wildenbacher. „Ihm werden einige Dutzend Auftragsmorde zur Last gelegt.“
„Eins verstehe ich allerdings nicht“, bekannte ich. „Die Sache mit der Säure. Wie passt das mit der Vorgehensweise des Stechers zusammen?“
„Überhaupt nicht“, mischte sich Lin-Tai Gansenbrink ein. „Ich hatte bisher nur für eine Kurzanalyse der Fälle Zeit, die dem Stecher angelastet werden.”
„Und wie ist hier das Ergebnis?”, fragte ich. Wenn Gansenbrink von einer Kurzanalyse sprach, dann war die oft profunder als das, was andere nach einer langen Beschäftigung mit dem jeweiligen Problem zuwege brachten. Sie hob die Augenbrauen.
„Ich meine, der Tatablauf, der sich aus den bisherigen Erkenntnissen ergibt, macht meines Erachtens überhaupt keinen Sinn. Da wird jemand mit einer Giftnadel angerempelt, stirbt in angemessenem zeitlichen Abstand, so dass der Täter von Zeugen gar nicht mehr in einen zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod des Betreffenden gebracht werden kann, aber anschließend sucht derselbe Killer sein Opfer noch mal auf und sorgt dafür, dass es nicht mehr identifizierbar ist.”
„Das könnten ein oder mehrere Komplizen getan haben”, erklärte Rudi.
„Dem Täter ist es offenbar nicht unwichtig, dass man ihn als den Stecher identifiziert”, sagte Gansenbrink. „Sonst hätte er ein Gift verwenden können, was schon nach kurzer Zeit nicht mehr nachweisbar wäre, und vor allem hätte er dann nicht eine so speziell designte Substanz verwendet, die direkt auf ihn hinweist.”
„Er ist ein Profi und will seine Handschrift hinterlassen, damit man ihn wieder engagiert”, glaubte Rudi und lag damit vermutlich richtig.
Gansenbrink stimmte dem zu.
„Sie haben recht, Rudi. Allerdings widerspricht die anschließende Säurebehandlung des Opfers tatsächlich vollkommen der bisherigen Vorgehensweise des Stechers.”
„Möglicherweise war es bei diesem Mord für den Auftraggeber von besonderer Bedeutung, dass die Identität des Opfers so lange wie möglich unbekannt ist”, vermutete Rudi.
„Die andere Möglichkeit wäre, dass es sich bei dem Täter nicht um den Stecher handelt, sondern um jemanden, der nur sein Gift benutzt - was aber äußerst unwahrscheinlich ist”, meinte Förnheim. „Die Herstellung ist sehr speziell. Es wäre allenfalls denkbar, dass er es aus derselben Quelle bezieht, was ich nicht glaube, da diese Quelle ein zu großes Risiko wäre.”
„Dann denken Sie, der Stecher hat es selbst hergestellt?”, fragte ich.
Förnheim nickte.
„Davon bin ich überzeugt. Wir suchen jemanden mit profunden chemischen Kenntnissen. Er hat vielleicht ein Studium in diesem Bereich absolviert oder mal für ein gewisse Zeit in der chemischen Branche gearbeitet.”
„Jedenfalls ist das der erste Mord des Stechers seit fünf Jahren”, sagte Gansenbrink.
„Der Erste, von dem wir wissen”, schränkte Förnheim ein.
„Jedenfalls scheint in diesem Falle einiges anders gelaufen zu sein, als bei den bisherigen Morden, die mit dem Killer in Verbindung gebracht werden”, ergriff Gansenbrink wieder das Wort. „Das mit der Säure ist noch nachvollziehbar - wenn auch quasi die Brachialmethode. Es wäre sicherlich leichter gewesen, das Opfer an einem Ort zu entsorgen, wo die Leiche mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahrzehnten nicht gefunden wird. Aber den Kerl in den Trümmern eines vom Sturm zerstörten Hauses zu platzieren, in der Hoffnung, dass man ihn den Orkan-Opfern zuordnet und nicht genauer nachschaut, erscheint mir schon reichlich naiv.“
„Sagen Sie das nicht!“, widersprach Wildenbacher. „Was glauben Sie, was ich schon alles für Mordopfer auf dem Obduktionstisch liegen hatte, bei denen irgendein Wald- und Wiesenarzt ein Herzversagen diagnostiziert hat, obwohl der Betreffende eindeutige Einstichstellen am Körper aufweist, die auf eine Messerattacke hinweisen. In diesem Fall war es ja nur ein sehr kleiner Einstich einer Injektionsnadel - und den haben die Kollegen in Wilhelmshaven auch sofort entdeckt.”
„Ich denke, Gerold und ich werden kaum umhin kommen, selbst nach Wilhelmshaven zu fahren, um uns die Original-Leiche genauer anzusehen und außerdem noch einmal sämtliche anderen Spuren, die gesichert werden konnten”, sagte Förnheim.
„Ich habe eine Analyse von verdächtigen Transaktionen eingeleitet, die möglicherweise Hinweise auf besondere Entwicklungen innerhalb krimineller Vereinigungen geben könnten”, meldete sich nun Charlotte Ferretz zu Wort. Sie wandte sich dabei an Dr. Lin-Tai Gansenbrink. „Dabei werde ich sicherlich noch des Öfteren Ihre Unterstützung benötigen, Lin-Tai.”
„Auf die können Sie sich verlassen, Charlotte”, versprach Gansenbrink, ohne dass sich dabei in ihrem Gesicht irgendeine Regung zeigte.
„Es gab in der Vergangenheit Transaktionen über eine gewisse Bank in Deutschland bis zu den Cayman-Islands, die von damals ermittelnden Kollegen mit der Bezahlung des Stechers in Verbindung gebracht wurden, ohne dass dies jemals wirklich bewiesen werden konnte”, fuhr Charlotte Ferretz fort. „Wenn wir nach Transaktionen suchen, die nach einem ähnlichen Muster erfolgen, bringt uns das vielleicht weiter.”
„Was dies betrifft, bin ich mir nicht sicher, ob die Definition der Muster tatsächlich schon optimal ist. Da stehen wir noch ganz am Anfang und werden mit Sicherheit noch nachjustieren müssen.“
„Was Sie ja wohl nicht vor unüberwindbare Hindernisse stellen dürfte“, meinte Förnheim.
„Sicher nicht”, sagte Charlotte Ferretz.
„Ich denke, wir müssen die Sache etwas systematischer angehen”, erklärte Gansenbrink.
„Ach, das heißt, dass alles, was bisher geschehen ist, in Ihren Augen mehr oder minder unsystematisch war?”, fragte Förnheim etwas pikiert.
„So hart würde ich das nicht ausdrücken”, antwortete Gansenbrink - höflich und kühl, wie es ihrer Art entsprach. „Nur fürchte ich, werden wir die Identität des Opfers nicht schnell genug ermitteln, wenn wir nicht einen besseren Ansatzpunkt finden.”
„Auf den Röntgenbildern, die mir geliefert worden sind, ist zu sehen, dass die Zähne offenbar von der Säurebehandlung nicht allzu viel in Mitleidenschaft gezogen worden sind”, stellte Wildenbacher fest.
„Na, das ist doch etwas, worauf sich aufbauen lässt”, meinte Gansenbrink. „Gibt es da irgendwelche Auffälligkeiten?”
„Der Tote hatte eine Reihe aufwändiger Implantate. Ich würde sagen, man kann schon mal sagen, dass er gut versichert und zumindest nicht arm war.”
„Es müsste sich herausfinden lassen, wer diese Behandlung durchgeführt hat.”
„Wollen Sie sämtliche Zahnärzte und Zahnkliniken in Deutschland durchchecken?”, fragte Rudi.
Gansenbrink schüttelte den Kopf.
„Nicht sämtliche. Ich werde mich zunächst auf Fälle von vermissten Personen beschränken, die in irgendeiner Form im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen stehen. Möglicherweise ergeben sich auch Querverbindungen zu den Transaktionen, von denen gerade die Rede war. Dann dürfte man den Kreis der Personen sehr schnell eingrenzen können, die mit dem Toten aus dem Sturmgebiet identisch ein könnten.”
Förnheim wandte sich an mich.
„Sie haben sicher schon gemerkt, dass Lin-Tai eine unverbesserliche Optimistin ist.”
„Das bin ich auch”, bekannte ich. „Andernfalls kann man diesen Job wahrscheinlich auch nicht allzu lange machen.”
Am späten Nachmittag waren wir zurück im BKA in Berlin. Kriminaldirektor Hoch, unser Chef empfing uns in seinem Büro. Es ging darum, letzte Details bei diesem Einsatz zu besprechen.
„Ich habe gerade mit dem Chef der Polizei in Wilhelmshaven gesprochen”, erklärte Kriminaldirektor Hoch. „Man schickt Ihnen einen Kollegen als Verbindungsmann, der Sie vor Ort unterstützen soll. Es ist Kriminalhauptkommissar Jörn Pedersen.”
„Besitzt er irgendwelche besonderen Kenntnisse, was den sogenannten ‘Stecher’ angeht?”, fragte ich.
„Ja, er hat die Ermittlungen in dem letzten Fall geleitet, der mit dem Stecher in Verbindung gebracht wurde”, antwortete Kriminaldirektor Hoch. „Es ging da um die Ermordung eines windigen Finanzmaklers namens Daniel Rodenbach, der bis über beide Ohren in die Geldwäschegeschäfte einer kriminellen Vereinigung verwickelt war, die man die Hannover-Konföderation nennt. Leider waren die Ermittlungen nicht von Erfolg gekrönt.”
„Das liegt fünf Jahre zurück”, stellte ich fest. „Und der Stecher ist die ganze Zeit über nicht aktiv gewesen.”
„Sie können sich vorstellen, wie sehr Kommissar Pedersen daran gelegen ist, dass dieser Killer nicht wieder ins Auftragsgeschäft zurückkehrt, sondern dahin kommt, wo seinesgleichen am besten aufgehoben ist.”
„Allerdings ...”
Eine Ermittlung, die man nicht erfolgreich hatte zu Ende führen können, saß einem wie ein Stachel im Fleisch. Ich kannte das aus eigener Erfahrung. So etwas lässt einen lange nicht los. Mein Kollege Stefan Grüttner hatte mir in meiner Hamburger Zeit mal gesagt, dass man so etwas sportlich nehmen müsste. Und sportlich nehmen würde eben bedeuten, dass man akzeptieren müsste, dass man nicht immer gewinnen kann. Aber wenn man die Opfer im Blick hat, die bei Verbrechen dieser Art zurückgelassen werden, dann fällt es einem schwer, die Sache so zu sehen.
„Bei der Wilhelmshavener Polizeidienststelle ist außerdem Thorben Jansen Ihr Ansprechpartner. Er ist zurzeit Hauptkommissar bei der Mordkommission und war zuvor in der Abteilung für Organisiertes Verbrechen.”
„Bedeutet das, dass Hauptkommissar Jansen ebenfalls in die Ermittlungen im letzten Stecher-Fall eingebunden war?”
„Exakt. Und dieser Daniel Rodenbach besaß ein Ferienhaus in Wilhelmshaven. Ganz in der Nähe wurde er auch umgebracht.”
„Wissen Sie Näheres über diese Organisation, zu der Rodenbach Verbindung hatte?”
„Nur, dass sie ursprünglich von Weißrussen gegründet wurde und eine Art Verteidigungsbündnis kleinerer Banden gegen die aufkommenden Organisationen der asiatischen und arabischen Drogenmafia war. Aber mit der Zeit wurde sie selbst eine mächtige Krake des organisierten Verbrechens. Und soweit bekannt ist, hat die Organisation inzwischen auch ihren reinen Russen-Charakter längst verloren.” Kriminaldirektor Hoch seufzte. „Seit gut zwei Jahrzehnten mischen die recht kräftig mit in der Szene. Und es scheint, als ob Leute wie der Stecher dafür sorgen, dass hin und wieder mal ein Hindernis aus dem Weg geräumt oder ein vermeintlicher Verräter bestraft werden muss.”
„Ich verstehe”, murmelte ich.
„Dorothea hat Ihre Flüge gebucht und auch sonst alles vorbereitet”, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Und erstatten Sie mir sobald Sie können Bericht.”
„Ja”, sagten Rudi und ich fast wie aus einem Mund.
Wenig später übergab Dorothea Schneidermann, die Sekretärin unseres Chefs, uns alle nötigen Unterlagen und Tickets.
„Ich habe Sie beide, Wildenbacher und Förnheim zusammen in einer kleinen Pension untergebracht. Sie haben einen direkten Blick auf den Jadebusen. Wenn Sie ein regelmäßiger Kinogänger sind, werden Sie einiges wiedererkennen”, sagte sie lachend.
„Hauptsache, es führt auch eine Straße dahin”, lächelte ich.
„Keine Sorge”, gab Dorothea zurück. „Einsam ist diese Lage nicht - sie sieht nur so aus.”
Wilhelmshaven in Niedersachsen ist ab und an eine Kulisse für die Filmindustrie gewesen. Auch Fernsehserien sind dort gedreht worden. Wahrscheinlich gab es in der Gegend kaum einen Winkel, der nicht schon irgendwann einmal als Kulisse gedient hatte.
„Sie sind zu beneiden”, meinte Dorothea, nachdem wir alles eingesteckt hatten.
„Wieso?”
„Ich bin ein Fan von „Mörderische Stille“, aber bis Wilhelmshaven bin ich bislang leider nicht gekommen.”
„Ich werde Ihnen erzählen, ob es sich lohnt”, versprach ich.
Rudi und ich flogen am nächsten Morgen vom Flughafen Tegel aus mit einer Kleinmaschine nach Wilhelmshaven. Förnheim und Wildenbacher würden erst eine Maschine am Nachmittag nehmen, da sie noch ein paar Voruntersuchungen abschließen wollten, für die sie besser in Quardenburg ausgestattet waren, als dies am Zielort der Fall sein würde.
Eine Beamtin der Wilhelmshavener Polizeidienststelle empfing uns am Flughafen.
„Polizeiobermeisterin Tanja Dettmer”, stellte sie sich vor. „Sie sind?”
„Kriminalinspektor Harry Kubinke. Dies ist mein Kollege Kriminalinspektor Rudi Meier”, gab ich Auskunft.
„Ich hatte eigentlich erwartet, dass ...” Sie brach ab und ihr Blick schweifte suchend umher.
„Wen suchen Sie?”, fragte ich.
„Ich dachte, Sie wären zu viert. Jedenfalls hat man mir das gesagt.”
„Dr. Förnheim und Dr. Wildenbacher werden mit einer späteren Maschine kommen. Das ist kurzfristig umdisponiert worden.”
„Oh ...”
Ich hob die Augenbrauen.
„Irgendwie habe ich den Eindruck, dass Sie ziemlich enttäuscht sind.”
Ihr Lächeln wirkte auf eine durchaus charmante Art und Weise verlegen.
„Sieht man das so deutlich? Wir sind natürlich sehr froh, dass Sie da sind und sich dieses Falles annehmen, Herr Kubinke.”
„Da bin ich ja froh!”
„Aber um ganz ehrlich zu sein: Ich hatte eigentlich gehofft, Dr. Förnheim zu treffen und deswegen sogar mit einem Kollegen getauscht, der eigentlich dazu eingeteilt war, Sie abzuholen. Irgendjemand scheint da die Information nicht weitergegeben zu haben.”
„Kann ja passieren”, meinte Rudi.
„Kennen Sie Förnheim?”, fragte ich, während wir bereits die Flughafenhalle verließen.
„Ja, ich meine nein. Ich meine ...”
„Was denn nun: Ja oder nein?”
„Also ich kenne ihn, aber er mich vermutlich nicht, beziehungsweise, er wird sich nicht an mich erinnern. Wie soll ich Ihnen das jetzt einigermaßen plausibel erklären? Also es ist so, ich bin bei der Spurensicherung. Vorletztes Jahr habe ich einen Fortbildungskurs auf der Akademie in Quardenburg mitgemacht, der dort für die Angehörigen regionaler Polizeibehörden durchgeführt wird. Und bei dieser Gelegenheit habe ich Dr. Förnheims faszinierende Tatort-Methodik kennenlernen dürfen.”
Sie hatte gelocktes, bis über die Schultern reichendes brünettes Haar und grüne Augen. Und in diesem Moment leuchteten diese Augen auf eine Weise, die mehr als viele Worte deutlich machte, wie sehr sie Förnheim offenbar verehrte.
„Ich bin überzeugt davon, dass sich noch eine Gelegenheit ergeben wird, FGF kennenzulernen”, versicherte ich.
„FGF? Friedrich G. Förnheim? Natürlich! So nennen Sie ihn? Das ist schon witzig. Klingt fast wie eine chemische Formel.”
Tanja Dettmer fuhr uns mit ihrem Dienstfahrzeug zur Polizeidirektion in der Mozartstraße.
Unterwegs redete Tanja Dettmer beinahe ununterbrochen. Sie wirkte ziemlich quirlig und irgendwie kam sie immer wieder auf Förnheim zurück.
„Hat FGF - wenn Sie gestatten, dass ich ihn so nenne, wie Sie das tun - auch etwas mit den Ermittlungen im Fall des Giftmischers von Berlin zu tun? Ich habe darüber in der Fachpresse gelesen, wissen Sie, ich bilde mich nämlich regelmäßig weiter.”
„Also, ich gestatte Ihnen ja gerne, unseren Kollegen FGF zu nennen, nur bin ich mir nicht sicher, ob er nicht möglicherweise was dagegen hätte.”
„Oh ...”, machte sie. „Ja, Sie haben vielleicht recht. Wissen Sie, hier in der Gegend sind wir eher unkonventionell und locker, aber Dr. Förnheim hatte während dieser Fortbildung, an der ich teilhaben durfte, durchaus einen Hang zum Förmlichen.”
„Ja, das hat er”, bestätigte ich.
„Sie müssen schon entschuldigen, es ist natürlich vollkommen unhöflich, dass ich die ganze Zeit über Ihren Kollegen rede und Sie dabei völlig vernachlässige ...”
„Ich kann damit leben”, versicherte ich milde lächelnd. „Und was das Genie unseres Kollegen betrifft, so teile ich Ihre Ansichten vollkommen. Rudi und ich sind auch immer wieder von der außergewöhnlichen Qualität seiner Arbeit angetan.“
„Herr Kubinke, ich ...”
„Nennen Sie mich ruhig Harry! Das macht es etwas unkomplizierter.”
„Harry! Sie sind doch wegen des bislang nicht identifizierten Toten hier, der in dem Gebiet gefunden wurde, das von der Sturmschneise ziemlich heftig zerstört worden ist.”
„Exakt.”
„Und was die Todesursache angeht, dürfte ja inzwischen feststehen, dass es sich um ein Verbrechen des sogenannten ‘Stechers’ handelt. Ich habe Dr. Förnheim eine Mail dazu geschrieben, nachdem ich die vorläufige Analyse des Labors auf dem Tisch hatte. Er hat sich dazu nicht bei mir zurückgemeldet, aber nach meinem bisherigen Wissensstand scheint man in Quardenburg meine Schlussfolgerung zu teilen. Schließlich gehen Sie ja auch offenbar von einer Täterschaft des Stechers aus.”
„Ich hatte eigentlich gedacht, die Einzelheiten mit Hauptkommissar Jansen und Kommissar Pedersen zu besprechen - aber da Sie anscheinend ja auch tief in die Materie eingearbeitet sind und wir ohnehin schon darüber reden, kann ich dazu nur Folgendes sagen: Die Sache mit dem Stecher ist eine Arbeitshypothese. Es spricht viel dafür, dass sie zutrifft, und wir haben bereits alle fahndungstechnischen Hebel in Bewegung gesetzt, um in dieser Sache weiter zu kommen.”
Sie hob die Augenbrauen und sah mich einige Augenblicke länger an, als ich das in diesem Moment gut finden konnte. Schließlich saß sie am Steuer eines Fahrzeugs und Wilhelmshaven ist zwar nicht Hamburg oder Berlin, aber genug Verkehr, um seine Aufmerksamkeit am besten möglichst zu 99 Prozent auf das Straßengeschehen zu konzentrieren, gab es hier allemal auch.
„Dann schließen Sie nicht aus, dass es auch eine andere Ermittlungsrichtung geben könnte, die uns am Ende zum Ziel führt?”
„Warum sollt man das zu einem so frühen Zeitpunkt bereits ausschließen?”, gab ich zurück. „Schließlich ist der Ausschluss von alternativen Ermittlungsrichtungen der mit Abstand häufigste Fehler, der in der Polizeiarbeit gemacht wird.”
„Ich meine ja nur. Wenn es dieser Profikiller wäre, der als Stecher bezeichnet wird, würde das durchaus ins Bild passen.”
„Wie meinen Sie das?”
„Ich habe heute noch mit einem Kollegen aus der Abteilung für organisiertes Verbrechen gesprochen, und er hat meine Ansicht bestätigt. Wilhelmshaven und die ganze Küste scheinen im Moment ein umstrittenes Gebiet zwischen verschiedenen Syndikaten zu sein. Billiger Stoff wird auf den Markt geworfen, mit dem offenbar Drogenbanden Marktanteile an sich reißen.”
„Und die alteingesessenen Banden wollen das verhindern”, schloss ich.
„Ganz genau.”
„Aber so etwa kommt immer wieder vor, und auch wenn es bei solchen Verteilungskämpfen manchmal sehr blutig zur Sache geht, ist das eher etwas für die groben Jungs von der Straße - nicht für einen Auftragsmörder der Extra-Klasse, wie man den Stecher ja wohl sehen muss.”
„Sie meinen, so einer wird nur engagiert, wenn es wirklich um etwas geht?”
„Für alle anderen ist er einfach zu teuer.”
„Vielleicht ging es hier ja um so eine ganz große Sache, bei der sehr viel für alle Beteiligten auf dem Spiel stand.”
„Warten wir einfach ab, was die weitere Fahndung ergibt, anstatt dass wir Mutmaßungen anstellen“, sagte ich.
„Mal was ganz anderes”, mischte sich jetzt Rudi in unser Gespräch ein, der die Fahrzeit genutzt hatte, um ein Laptop aufzuklappen und ein paar Dinge zu erledigen, für die wir sonst unsere Büros in Berlin hatten. „Wir brauchen ein vernünftiges Fahrzeug für unseren Einsatz hier.”
„Steht alles für Sie bereit”, erklärte Tanja Dettmer. „Allerdings muss ich gestehen, dass ich über die Einzelheiten jetzt nicht so genau informiert bin. Das hat mein Kollege erledigt.”
„Ich verstehe”, murmelte Rudi.
Irgendwie schien ihm die quirlige Erkennungsdienstlerin etwas auf die Nerven zu gehen.
In der örtlichen Polizeidirektion brachte Tanja uns dann in das Büro von Hauptkommissar Thorben Jansen, einem hemdsärmeligen, untersetzten Mann mit etwas ungeordnet herumstehendem grauen Haar. Die Krawatte hing ihm wie ein Strick um den Hals und der Händedruck signalisierte, dass er zupacken konnte. „Wir haben Sie schon erwartet”, sagte Hauptkommissar Jansen. „Der Polizeipräsident wollte Sie eigentlich auch unbedingt sprechen, aber der ist zurzeit unabkömmlich.”
„Ich verstehe”, sagte ich.
„Nein, das verstehen Sie nicht, Herr Kubinke. Das versteht ehrlich gesagt niemand. Unser aller Chef ist nämlich zurzeit im Rathaus und wissen Sie, worum es dabei geht?” Er wischte sich mit der Hand über das Gesicht und schüttelte dann den Kopf, während er seinen Schreibtisch umrundete, um sich auf seinen Platz zu setzen. „Es ist kaum zu fassen, aber es geht um ein so wichtiges Thema wie unsere Homepage! Das Problem ist nämlich: Die Polizeidirektion hat keine eigene Homepage, sondern unsere Seiten sind auf der Internetpräsenz unserer Stadt versteckt. Dadurch werden wir relativ häufig mit der Polizeidienststelle von Wilhelmshaven verwechselt - denn die haben zwar gerade mal 300 Beamte, aber dafür eine sehr auffällige Internetpräsenz, die man vor allem viel leichter findet, wenn man danach sucht. Und unsere Bürger hier wundern sich dann, wenn die Kollegen aus unserer Direktion ihre Anfragen nicht kompetent beantworten können, geschweige denn, dass sie nicht mal wegen irgendeinem Kneipenstreit von dort aus ausrücken, wenn man ihnen eine Mail schreibt!”
„Ich bin überzeugt davon, dass wir ohne den Chef zurecht kommen”, sagte ich. „Hat sich unser Kollege, unser Verbindungsmann, schon hier gemeldet?”