Krimi Doppelband 2224 - Alfred Bekker - E-Book

Krimi Doppelband 2224 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Mörderischer Broadway (Cedric Balmore) Central Park Killer (Alfred Bekker) Zwei Menschen werden kurz hintereinander im New Yorker Central Park ermordet. Die Opfer scheinen zunächst nichts gemeinsam zu haben. Als es weitere Tote gibt, kommen die Ermittler schließlich einer krakenhaften Organisation auf die Spur, die von Amerikanern muslimischen Glaubens Schutzgelder erpresst, um damit den heiligen Krieg islamistischer Terror-Kommandos zu finanzieren... Rasanter Action-Krimi von Henry Rohmer (Alfred Bekker)! Henry Rohmer ist das Pseudonym des bekannten Fantasy- und Jugendbuch-Autors Alfred Bekker. Daneben schrieb Bekker an zahlreichen Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X mit.

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Seitenzahl: 248

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Krimi Doppelband 2224

Copyright

​Mörderischer Broadway: Kriminalroman

Central Park Killer

Krimi Doppelband 2224

Alfred Bekker, A.F.Morland

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Mörderischer Broadway (Cedric Balmore)

Central Park Killer (Alfred Bekker)

Zwei Menschen werden kurz hintereinander im New Yorker Central Park ermordet. Die Opfer scheinen zunächst nichts gemeinsam zu haben. Als es weitere Tote gibt, kommen die Ermittler schließlich einer krakenhaften Organisation auf die Spur, die von Amerikanern muslimischen Glaubens Schutzgelder erpresst, um damit den heiligen Krieg islamistischer Terror-Kommandos zu finanzieren...

Rasanter Action-Krimi von Henry Rohmer (Alfred Bekker)!

Henry Rohmer ist das Pseudonym des bekannten Fantasy- und Jugendbuch-Autors Alfred Bekker. Daneben schrieb Bekker an zahlreichen Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X mit.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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​Mörderischer Broadway: Kriminalroman

A. F. Morland

Ohne Eile setzte der Killer sein Präzisionsgewehr zusammen. Jeder Handgriff saß, war oft geübt. Der Mann befand sich in einem kleinen, schmalen Raum. Es roch nach Reinigungsmitteln. Über der Tür befand sich ein rechteckiges Fenster, durch das ein wenig Licht sickerte.
Der Mörder hätte kein Licht gebraucht. Er hätte die Waffe auch mit verbundenen Augen zusammenbauen können. Darauf war er mal gedrillt worden, und er hatte nichts von dem, was man ihm damals beigebracht hatte, vergessen. Nachdem Schalldämpfer und Zielfernrohr montiert waren, verließ der Killer den Raum, und von diesem Moment an hatte sein Opfer nur noch kurze Zeit zu leben…
***
June Archibald, Annie Lamontino, Milo Tucker und ich hatten an diesem Abend keinen Dienst. Wir freuten uns auf die Premiere des Sensations-Musicals »Lavinia«. Die Musik hatte Jack F. Hammersteen, ein ganz Großer in der Branche, komponiert, und der Text stammte von Sal Martino, dem derzeit erfolgreichsten Drehbuchautor Hollywoods.
Filme wie »Bloody Law«, »Kill Baby Kill«, »Murder Town« und »Double Spy« waren nach seinen Scripts gedreht worden und hatten sensationelle Einspielergebnisse erzielt.
Mit »Lavinia« hatte er Neuland betreten, doch wenn man den Zeitungsberichten Glauben schenken durfte, war ihm damit erneut ein ganz großer Wurf gelungen.
Die Produzenten Joe Jordan und Wayne Randle hatten weder Kosten noch Mühen gescheut, um dem Musical zu einem fulminanten Start zu verhelfen.
Vor einem Monat hatte es zwischen den beiden einen mordsmäßigen Krach gegeben, Jordan war erbost ausgestiegen, hatte rücksichtslos sein Geld aus der aufwendigen Produktion gezogen, und Randle war gezwungen gewesen, auf die Schnelle einen neuen finanzstarken Partner aufzutreiben.
Er hatte ihn in Marty Connick, einem üblen Gangsterboss, gefunden, und Connicks einzige Bedingung war gewesen, dass Hammersteen und Martino für Forest Gordon, seinen Schützling, der für die männliche Hauptrolle vorgesehen war, einen weiteren zugkräftigen Song schreiben sollten.
Komponist und Texter hatten das getan, und die neue Nummer befand sich in den amerikanischen Charts bereits auf Platz 15 - Tendenz steigend.
»Honey I Miss You« - so der Titel des Songs, der auf dem besten Weg war, zum Mega-Seller zu werden - wurde täglich von allen Sendern des Landes gespielt.
Man munkelte zwar, dass Marty Connick das Produkt mit unlauteren Mitteln pushte - was ihm durchaus zuzutrauen war aber »Honey I Miss You« hätte auch ohne ihn seinen Weg gemacht, weil sich Qualität einfach immer und überall durchsetzt.
»Lavinia« konnte mit einer repräsentablen Star-Besetzung aufwarten. Neben Forest Gordon, der bei der letzten Oscar-Verleihung als bester Nebendarsteller in einem Rauschgiftdrama namens »Deadly Snow« ausgezeichnet worden war, würde keine Geringere als Theresa Demme, die derzeit beliebteste und begehrteste Power-Frau Hollywoods, auf der Bühne stehen.
Filmfirmen und Star-Regisseure hofierten sie und versuchten sie zu Super-Gagen für geplante Projekte zu gewinnen. Sie konnte sich aus einem Berg von hochkarätigen Drehbüchern aussuchen, was sie spielen wollte.
Ihre beiden letzten Streifen »Nervous Breakdown«, eine Screwball-Komödie, und »Pick Up«, ein Kriegsdrama, lagen auf der ganzen Welt hervorragend im Rennen.
Und nun würde sie als »Lavinia« auf dem Broadway - wo schon 1935 George Gershwin mit »Porgy and Bess« Triumphe gefeiert hatte - wie eine Bombe Anschlägen.
Seit der Vor-Premiere überschlugen sich die Medien vor Begeisterung und heizten das Interesse an »Lavinia« ungemein an. Deshalb war die Vorstellung auch restlos ausverkauft, und wenn June Archibald nicht ihre guten Beziehungen zum Direktor dieses Theaters hätte spielen lassen, hätten wir keine vier Logenplätze bekommen.
Unsere sexy Kolleginnen hatten sich hübsch herausgeputzt. June hatte ihr blondes Haar hochgesteckt, und ihren schlanken Hals zierte ein goldenes Collier. Annie wirkte trotz des wilden Feuers in ihren dunklen Augen höchst damenhaft.
Niemand wäre wohl auf die Idee gekommen, diese beiden zauberhaften Geschöpfe für zähe, durchtrainierte, kampferfahrene und in allen Bereichen der Verbrechensbekämpfung bestens ausgebildete FBI-Agentinnen zu halten.
Es sollte ein schöner Abend werden. Wir vier hatten auch etwas zu feiern, nämlich Annies Rückkehr nach New York. Wegen eines Dramas, das sich während ihres letzten Falles hier in der Weltmetropole am Hudson River zugetragen hatte, hatte sie kurzzeitig New York City verlassen und sich nach Thailand in ein buddhistisches Kloster zurückgezogen, wo die Kung-Fu-Fighterin und FBI-Agentin zu sich selbst hatte finden wollen.
Sie hatte noch mehr gefunden - nämlich eiskalte Verbrecher, die in der Nähe des Klosters ihr Drogen-Hauptquartier aufgeschlagen hatten. Annie hatte uns daraufhin unverzüglich verständigt, und Milo und ich waren nach Thailand gereist, um sie im Kampf gegen den Drogen-General Loi und dessen Armee skrupelloser Verbrecher zu unterstützen.[1]
General Loi war tot - er hatte sich selbst das Leben genommen,als Milo und ich sein Hauptquartier stürmten. Sein US-amerikanischer Komplize Jeremy Holden allerdings war uns entkommen, doch ich war mir sicher, dass wir irgendwann wieder von ihm hören würden.
Ja, und jetzt waren wir alle wieder hier in New York und wollten den Abend irgendwie feierlich begehen, denn Annie, unsere junge Latina-Kollegin, hatte erneut zurück in unsere Reihen gefunden…
Milo blätterte im Programmheft und blieb an Forest Gordons Foto hängen. »Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, denke ich automatisch an den jungen Frank Sinatra«, sagte er.
»Es gibt ja auch eine Menge Parallelen zwischen den beiden«, bemerkte Annie. »Sinatra war sowohl als Sänger als auch als Filmschauspieler erfolgreich. Gordon ist es ebenfalls. Sinatra wurden Beziehungen zur Mafia nachgesagt. Über Gordon hält Marty Connick schützend seine Hand.-Das ist ein offenes Geheimnis.«
Es begann künstlich zu dämmern.
»Es geht los«, sagte June Archibald und machte es sich in ihrem Sessel bequem.
Es wurde dunkel. Stille. Erwartungsvolle Spannung. Im Orchestergraben ertönte eine kleine Glocke. Geigen spielten zum ersten Mal das harmonische Hauptthema an, das sich durch das ganze Stück ziehen würde.
Klavier und Bläser stimmten nacheinander ein, und ein harter Rhythmus trieb die Ouvertüre, sich kontinuierlich steigernd, auf den ersten Höhepunkt des großen Abends zu.
Mit einem Paukenschlag hob sich der Vorhang, und fast das ganze Ensemble sang die erste mitreißende und ins Ohr gehende Nummer. Ein Kunstgenuss vom Feinsten.
Man merkte sofort, dass Komponist, Textautor, Musiker und Interpreten wahre Meister ihres Fachs waren.
Niemand ahnte, dass sich irgendwo in diesem Theater ein skrupelloser Killer auf einen eiskalten Mord vorbereitete…
***
Er pirschte sich an einen grauhaarigen Mann auf der Beleuchterbrücke heran.
Fürs Erste war hier oben nicht viel zu tun. Erst im zweiten Akt fiel diesen Scheinwerfern eine größere dramaturgische Bedeutung zu, dann sollten sie nämlich punktgenau in das Geschehen mit einbezogen werden. Vorläufig aber hatten sie lediglich dazu beizutragen, dass die Bühne in ihrer Gesamtheit voll ausgeleuchtet wurde, und der Beleuchter hatte dadurch Zeit, die-Darbietung entspannt zu genießen.
Als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahmahm, ruckte sein grauer Kopf herum. Es war ziemlich dunkel hinter den heißen Scheinwerfern, deshalb konnte der Beleuchter das Gesicht des Killers kaum sehen. Glück für ihn, weil er sonst hätte sterben müssen.
»Sir«, sagte er höflich, aber bestimmt. »Hier darf sich kein Unbefugter aufhalten.«
Der Killer näherte sich ihm.
»Sir, ich muss Sie bitten, die Beleuchterbrücke augenblicklich zu verlassen.«
Der Killer holte eine kleine Spraydose aus der Tasche seines langen schwarzen Ledermantels.
»Hören Sie nicht, was ich sage, Sir? Unbefugte haben hier keinen Zutritt! Was wollen Sie hier oben?«
Der Killer antwortete nicht. Er hob die Hand. Ein leises Zischen war zu hören.
Der Beleuchter griff sich erschrocken an die Kehle, riss die Augen auf, japste verzweifelt nach Luft und sackte bewusstlos zusammen.
Achtlos schob der Mörder den Mann zur Seite, holte sein Gewehr unter dem Mantel hervor und suchte sich die beste Position für den tödlichen Schuss…
***
Lavinias Auftrittslied wurde von Theresa Demme gefühlvoll und professionell nuanciert vorgetragen. Sie war als Schauspielerin ebenso begnadet wie als Sängerin, deshalb war sie für Wayne Randle auch von Anfang an und ohne Diskussion die erste Wahl gewesen, während Joe Jordan lieber seiner Lebensgefährtin Sandra Heald den Vorzug gegeben hätte.
Als Randle seinen Willen durchgesetzt und Sandra Heald zur zweiten Besetzung degradiert hatte, war es zwischen den Produzenten zur ersten leidenschaftlichen Auseinandersetzung gekommen, der etliche weitere in immer kürzeren Abständen gefolgt waren - bis sie nicht mehr miteinander konnten und Jordan daraus die bekannten Konsequenzen gezogen hatte.
Nach dem Auftrittslied der Lavinia gab es einen so lange anhaltenden frenetischen Applaus für Theresa Demme, dass sie den Song wiederholen musste.
Erst danach konnte das Stück weitergehen.
Auch Forest Gordon wurde vom Publikum begeistert begrüßt. Zwischen ihm und Theresa Demme flogen die Pointen wie Pingpong-Bälle hin und her. Es war ein Vergnügen, den beiden zuzusehen und zuzuhören. Sie waren exzellente Vollblutkomödianten, und ich konnte nicht verstehen, warum Gordon seine Seele dem Teufel verkauft hatte. Er wäre mit Sicherheit auch ohne Marty Connicks Hilfe groß geworden.
Vielleicht hätte er den einen oder anderen Rückschlag einstecken müssen, aber geschafft hätte er den Aufstieg auf jeden Fall.
Während Gordon von Liebe und Leidenschaft sang, schaute er nicht seine Partnerin an, sondern Annie Lamontino. Außer uns fiel das niemandem auf.
Die Latina fühlte sich natürlich geschmeichelt. Gleichzeitig war es ihr aber auch unangenehm. Mir fiel auf, dass sie nicht mehr ruhig sitzen konnte.
Dieser Forest Gordon war ein Halunke. Der wusste, wie man bei einer schönen Frau punktete. Es kam nicht oft vor, dass ein Mann unsere wilde Kollegin in Verlegenheit bringen konnte, aber Gordon schaffte es.
June beugte sich zu Annie hinüber und flüsterte: »Der Kerl macht dich an.«
Ich hörte es, weil ich direkt hinter Annie saß.
»Lass dich von dem bloß nicht einwickeln«, warnte June ihre Partnerin. »Der sammelt schöne Frauen wie andere Münzen, Bierdeckel oder Briefmarken.«
»Keine Sorge«, flüsterte Annie. »Für die nächsten hundert Jahre lasse ich die Finger von Männern.«
Ich hörte es und wusste, was sie meinte. Der tragische Tod von Curtis Bennett war der Grund für sie gewesen, New York für einige Zeit zu verlassen. Curtis Bennett, in den sie sich verliebt hatte, ohne zu wissen, dass er ein berufsmäßiger Killer gewesen war. Doch auch er hatte sich in Annie verliebt, hatte aussteigen und sich uns stellen wollten -und war dann an Gangsterkugeln gestorben.[2]
Annie hatte sich deswegen schreckliche Vorwürfe gemacht…
Theresa Demme und Forest Gordon klinkten sich nun in eine Tanzszene ein und boten auch dabei eine großartige Leistung. Sie mussten lange trainiert haben, um diese Perfektion zu erlangen.
Es war harte Knochenarbeit, was sie boten.
Alles sah spielerisch leicht aus, aber da wir so nahe an der Bühne saßen, konnten wir genau sehen, wie sehr die Künstler sich anstrengten…
***
Der Killer schob sein Gewehr zwischen den klobigen Scheinwerfern durch, justierte das Zielfernrohr mit großer Gelassenheit und ließ das Fadenkreuz sodann von einem Akteur zum anderen wandern. Haarscharf waren sie alle zu sehen.
Die tanzenden Girls in ihren aufreizend spärlichen Kostümen gefielen ihm besonders gut. Da war eine heiße Rothaarige mit üppigen Brüsten - was für eine durchtrainierte Tänzerin höchst ungewöhnlich ist.
An ihr konnte sich der Killer kaum satt sehen. Ihretwegen hätte er beinahe vergessen, weshalb er hier war. Er musste sich von ihrem umwerfenden Anblick regelrecht losreißen.
Verdammt, die Kleine wäre eine Sünde wert, ging es ihm durch den Sinn, während er sich die Lippen leckte. Doch er nahm sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf seinen Job.
Das Fadenkreuz kroch über die Bühne und an Forest Gordon hoch. Langsam wanderte es über dessen Beine, erreichte den Leib, glitt höher… Brust. Hals. Mund. Nase. Linkes Auge. Nasenwurzel. Rechtes Auge. Stirn.
Der Killer sah das sensible hautfarbene Mikrofon, das man dem Star an die Stirn geklebt hatte. Carusos Zeiten gehören der Vergangenheit an.' Heute lassen sich die Künstler von der Technik helfen. Eine ausgeklügelte Elektronik unterstützt sie beim Sprechen und Singen.
Gordon ging aufrecht und elastisch von der linken Bühnenseite zur rechten. Der Killer folgte ihm mit dem Gewehrlauf. Er behielt ihn ständig im Visier.
Theresa Demme begann zu singen. Leise stimmte sie ein trauriges Lied an, wobei sie mit langsamen Schritten der Bühnenmitte zustrebte.
Forest Gordon drehte sich zu ihr, stimmte behutsam ein, ordnete sich gekonnt unter und ließ sie weiterhin das Lied tragen. Jetzt ging er auf sie zu.
Sie trafen sich in der Bühnenmitte und umarmten sich. Ihre Stimmen schwollen an. Wange an Wange sangen sie dieses gefühlvolle Liebeslied.
Der Killer sah durch das Zielfernrohr beide Gesichter. Das Fadenkreuz pendelte leicht hin und her, als könne es sich für kein Ziel entscheiden.
Aber dann… Dann hatte es sich entschieden. Der Killer wartete geduldig, bis die Künstler das Lied fertig gesungen hatten…
Dann drückte er ab!
***
Das stimmungsvolle Lied war ein wahrer Ohrenschmaus. Ich genoss ihn mit halb geschlossenen Augen, ließ die wohlüberlegte Melodie und die hervorragend aufeinander eingestellten Stimmen auf mich einwirken, in mich eindringen und hatte dabei eine Gänsehaut.
Als der letzte Ton verhallt war, als wir alle noch einen Sekundenbruchteil lang den Applaus hinauszögerten, um dem klangvoll Schönen Gelegenheit zu geben, in uns restlos auszuklingen, ging urplötzlich ein heftiger Ruck durch Theresa Demmes schlanken Körper, und im selben Moment hatte sie ein Loch in der Stirn!
Jemand hatte auf sie geschossen!
Jemand hatte den Hollywood-Star erschossen!
Forest Gordon hielt eine Tote im Arm!
Die meisten Zuschauer realisierten das nicht. Sie applaudierten stürmisch und ließen sich zu begeisterten Bravo-Rufen hinreißen.
Makaber. Bravo-Rufe zu einem Mord!
So sah es aus. Erst als Forest Gordon seine tote Partnerin entsetzt losließ, als Theresa Demme, die beliebte und gefeierte Hollywood-Größe, blutüberströmt auf die Bühnenbretter fiel, begriffen alle, welch grauenvolles, heimtückisches und verabscheuungswürdiges Verbrechen in ihrer Gegenwart, vor ihren Augen verübt worden war.
Zu diesem Zeitpunkt hatten wir unsere Loge bereits verlassen. June Archibald und Annie Lamontino waren über die Brüstung geklettert und auf die Bühne gesprungen, während Milo und ich uns kurz orientiert hatten, zu der Überzeugung gekommen waren, dass der Todesschuss von einer Beleuchterbrücke abgefeuert worden sein musste, und zu dieser im Laufschritt unterwegs waren.
Hinter uns aufgeregte Stimmen: »Was ist passiert?« - »Die Demme wurde ermordet !« - »Das gibt’s doch nicht! Von wem?«
- »Keine Ahnung.« - »Wie hat man sie…?«
- »Sie wurde erschossen.« - »Auf offener Bühne? Das - das ist ja unfassbar.«
Wir stürmten eine Treppe hoch. Im Theatersaal spielten sich tumultartige Szenen ab. Panik brach im Zuschauerraum aus. Die Menschen befürchteten, zum Ziel eines geistesgestörten Killers zu werden, der wahllos auf Leute schoss. Angstvoll rannten sie zu den Ausgängen. Jeder, der nicht schnell genug war, wurde niedergetrampelt.
Vernunft und rationales Denken hatten in dieser Situation keine Chance mehr. Jeder war sich nur noch selbst der Nächste. Der Mensch wurde zum egoistischen Tier, das auf niemanden mehr Rücksicht nahm.
Treppen. Gänge. Wir wussten nicht mehr genau, wo wir waren. Ein Platzanweiser kam uns entgegen. Ich zeigte ihm meinen Dienstausweis. »FBI!«, keuchte ich. »Wo geht es hier zur Beleuchterbrücke?«
»Die letzte Tür dort«, antwortete der Mann.
»Danke.«
Wir hasteten weiter. Ich erreichte die Tür, auf die der Platzanweiser gezeigt hätte, riss sie auf, streckte den Kopf kurz vor, zog ihn aber gleich wieder zurück.
Nichts passierte.
Niemand schoss auf uns.
Ich sprang vorwärts und entdeckte einen grauhaarigen Mann, der reglos hinter den Scheinwerfern lag. Noch eine Leiche?
Ich beugte mich über ihn, legte meine Finger auf seine Halsschlagader. Sie zuckte. Ich atmete erleichtert auf. Der Mann war nicht tot, nur bewusstlos.
Vom Killer fehlte jede Spur. Er hatte reichlich Zeit gehabt, unbemerkt zu verschwinden.
Ich packte den Beleuchter an den Schultern und schüttelte ihn heftig.
Allmählich kam wieder Leben in ihn. Er öffnete die Augen und schaute mich verwirrt an.
»Ich bin FBI-Agent«, sagte ich eindringlich. »Was ist hier passiert?«
»Da war ein Mann…«, kam es schleppend über die Lippen des Grauhaarigen. »Ich sagte ihm, hier hätten Unbefugte keinen Zutritt. Er sprühte mir irgendetwas ins Gesicht, und ich wurde ohnmächtig…«
»Wie sah der Mann aus?«
»Es war zu dunkel, Sir…«
»War er groß oder klein?«, bohrte ich.
»Mittelgroß…«
»Dick oder dünn?«
»Das kann ich nicht sagen, Sir…«
, »Wie war er gekleidet?«, wollte ich wissen.
»Das weiß ich nicht, Sir…«
»Er hat von hier oben Theresa Demme erschossen!«
»O mein Gott…«
»Sie haben nichts davon mitbekommen?«, fragte ich.
»Überhaupt nichts, Sir. Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann, Sir. Theresa Demme ist tot? Das ist ja nicht zu fassen, Sir…«
***
Helen, die junge, ungemein attraktive Sekretärin unseres Vorgesetzten, servierte mir den besten Kaffee zwischen der Ost- und der Westküste der Vereinigten Staaten.
June Archibald, Annie Lamontino und Milo Tucker redeten mit sämtlichen Angestellten des Broadway-Theaters, in der Hoffnung,' dass irgendjemand den Killer gesehen hatte und beschreiben konnte. Theresa Demme war seit vierzehn Stunden tot. Niemand konnte es verstehen.
Keiner hatte eine Erklärung dafür. Die Film- und Fernsehwelt war schwer geschockt. Sämtliche Medien verlangten den Kopf des Täters, und unsere Ermittlungen liefen auf Hochtouren.
Mr. McKee saß hinter seinem Schreibtisch und sah mich mit sorgenumwölkter Stirn an.
»Was glauben Sie, Jesse?«, fragte der Special Agent in Charge. »Haben Sie irgendeine Vermutung, wer es getan haben könnte?«
»Im Moment nicht, Sir«, gab ich bedauernd zurück.
»Sieht nach der Tat eines Wahnsinnigen aus.«
Ich trank einen Schluck Kaffee. »Wir tappen noch im Dunkeln.«
»Ich hoffe, das ändert sich bald.«
Ich nickte. »Wir ziehen alle Register, Sir.«
»Ich habe die Demme sehr gemocht«, gestand mir der SAC.
Der asketische Leiter des FBI District New York ein Fan von Theresa Demme! Das hatte ich nicht gewusst.
»Sie war eine großartige Künstlerin«, erwiderte ich, »ein Multitalent.«
»Die ganze Welt hat sie geliebt«, sagte John D. McKee mit finsterer Miene. »Wer bringt so jemanden um?«
Ich hob die Schultern. »John Lennon. Monika Seles… Prominente leben gefährlich. Es gibt immer wieder Psychopathen, die ihnen aus den abstrusesten Gründen nach dem Leben trachten. Viele von ihnen wagen sich ohne Bodyguards nicht mehr auf die Straße.«
»Es muss nicht unbedingt ein durchgedrehter Fan gewesen sein«, meinte Mr. McKee. »Vielleicht steckt auch ein Racheakt dahinter. Vielleicht sogar noch viel, viel mehr. Erinnern Sie sich noch ah den Fall des ›Erlösers‹?«
O ja, das tat ich. Damals hatten wir es mit einem brandgefährlichen Killer zu tun gehabt, der es ebenfalls auf eine berühmte Hollywood-Schauspielerin abgesehen hatte. Sicherlich war der Kerl, der sich selbst der »Erlöser« genannt hatte, geistig krank gewesen, doch er hatte auch sehr persönliche Gründe für sein Handeln gehabt - eiskalte Rache und unbändiger Hass.[3]
Ich sah Mr. McKee an, musterte ihn und konnte am Blick seiner Augen erkennen, was er dachte. Er hielt es für möglich, dass auch diesmal mehr dahintersteckte, ähnlich wie beim Fall des »Erlösers«. Das tödliche Attentat auf die Schauspielerin war professionell durchgezogen worden, der Mörder hatte sie mitten in die Stirn getroffen.
Mr. McKees unausgesprochener Verdacht, den ich jedoch in seinem Gesicht regelrecht »lesen« konnte, war nicht von der Hand zu weisen, und da gleich vier FBI-Agenten bei dem Attentat zugegen gewesen waren und durch Forest Gordon beziehungsweise Marty Connick irgendwie auch das organisierte Verbrechen mit im Spiel war, konnte man die Angelegenheit durchaus als FBI-Fall ansehen…
»Finden Sie Theresa Demmes Mörder, Jesse«, sagte Mr. McKee hart. »Finden Sie ihn schnell. Das sind wir dieser großen Schauspielerin, die den Menschen mit ihrer Kunst so viel Freude gemacht hat, schuldig.«
»Sie können sich darauf verlassen, dass wir alle unser Bestes geben, Sir«, versicherte ich, leerte meine Tasse und kehrte in mein Büro zurück…
***
Kaum saß ich an meinem Schreibtisch, klopfte es.
»Come in!«, rief ich in Richtung Tür.
Blackfeather, unser indianischer Kollege, trat ein. »Hallo, Jesse.« Er trug einen Maßanzug aus grauer Seide. Sehr elegant. Sehr teuer.
Es war ein Tick von ihm, sich gut zu kleiden. Eine Menge von dem, was er verdiente, ging dafür drauf. Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen.
»Was gibt’s, Blacky?«, fragte ich.
»Da ist jemand, der dich sprechen möchte.« Der Indianer nickte nach draußen, und im nächsten Moment trat ein Mann ein schmales Gesicht, Dreitagebart, rotblondes Haar.
Er streckte mir die Hand entgegen. »Mr. Trevellian. Mein Name ist Norman Snake. Ich bin Reporter, schreibe für den Culture Chronicle. Hätten Sie ein paar Minuten für mich Zeit?«
Ich deutete auf den Besucherstuhl und forderte den Journalisten auf, sich zu setzen. Blackfeather zog sich zurück. Ich musterte mein Gegenüber. »Was kann ich für Sie tun, Mr. Snake?«
»Ich bin wegen des Mordes an Theresa Demme hier.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Ein großer Verlust.«
»Sie sagen es.«
»Man kann ohne zu übertreiben sagen, die Welt ist erschüttert. Auch mich hat diese Wahnsinnstat tief ins Mark getroffen. Haben Sie schon irgendeinen Verdacht?«
»Die Ermittlungen laufen.«
»Womit kann ich unsere Leser trösten, Sir?«, erkundigte sich Norman Snake.
»Dass dieser hinterhältige Mord nicht ungesühnt bleiben wird«, gab ich überzeugt zur Antwort.
»Verfolgen Sie eine konkrete Spur?«
»Wir verfolgen viele Spuren.«
Ein kurzes Lächeln umzuckte Snakes Mund. »Ich kenne solche Formulierungen. Ich weiß, was sie bedeuten.«
»Tatsächlich? Was denn?«
»Dass Sie - mit Verlaub gesagt - im Moment noch völlig ahnungslos sind. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Trevellian. Ich will Sie weder kritisieren, noch möchte ichlhnen sagen, wie Sie Ihren Job tun sollen, aber wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich mich mal mit Joe Jordan unterhalten. Mit Jordan, dem Produzenten.«
»Ich weiß, wer Jordan ist, Mr. Snake.«
»Er und Wayne Randle haben sich getrennt.«
Ich nickte. »Auch das ist mir bekannt.«
»Nun steckt Marty Connicks Geld in der Produktion.«
Ich nickte wieder, sagte nichts.
»Kennen Sie den Grund, weshalb Rändle und Jordan sich getrennt haben, Mr. Trevellian? Genau genommen gibt es mehrere. Aber es gibt auch einen Hauptgrund.«
»Jordan wollte Sandra Heald, seine Lebensgefährtin, als Lavinia auf der Bühne sehen.«
»Aber Rändle hat Theresa Demme den Vorzug gegeben«, sagte der Reporter des Culture Chronicle. »Und die Heald war bloß zweite Besetzung, wäre nur dann zum Einsatz gekommen, wenn die Demme krank geworden oder indisponiert gewesen wäre. Nach dem Mord an Theresa Demme sieht die Sache nun völlig anders aus. Jetzt darf, kann und muss Sandra Heald die Lavinia spielen. The show must go on. Die Produktion hat ein Vermögen verschlungen. Das Musical muss weitergespielt werden, damit das Geld, das dafür ausgegeben wurde, wieder hereinkommt. Nach Theresa Demme ist ohne Zweifel Sandra Heald die Idealbesetzung für die Titelrolle.«
»Sie meinen, Joe Jordan könnte den Mord in Auftrag gegeben haben, um seine Lebensgefährtin zur Nummer eins zu machen?«, fragte ich.
Norman Snake hob die Schultern. »Wäre das nicht denkbar? Manchmal wird hinter den Kulissen mit verdammt harten Bandagen gekämpft. Dazu fallen mir auf Anhieb zwei konkrete Fälle ein: In San Francisco brechen bezahlte Schläger der Hauptdarstellerin einer großen Theaterproduktion das Nasenbein, damit die zweite Besetzung zum Zug kommt. Oder denken Sie an das Eis-›Biest‹ Tonya Harding und an die von ihr initiierte und von ihrem Leibwächter ausgeführte Eisenstangen-Attacke an ihrer Konkurrentin Nancy Kerrigan im Vorfeld von Olympia 94 in Lillehammer.«
»Kennen Sie Joe Jordan?«, fragte ich.
Der Journalist schüttelte den Kopf. »Nicht persönlich.«
»Aber Sie würden ihm Zutrauen, einen Killer zu engagieren, um…?«
Norman Snake hob sofort abwehrend beide Hände. »Das habe ich nicht gesagt, Mr. Trevellian. Ich habe Ihnen lediglich empfohlen, sich mal mit Joe Jordan zu unterhalten.«
»Weil Sie es für möglich halten, dass er mit dem Mord zu tun hat.«
»Es hegt mir fern, diesen mächtigen Produzenten in irgendeiner Form einer kriminellen Handlung zu bezichtigen«, erklärte der Reporter des Culture Chronicle vorsichtig. »Mr. Jordan ist ein reicher Mann. Er könnte mich verklagen, könnte seinen Anwälten auftragen, mich gnadenlos fertig zu machen, mich wie eine Kakerlake im Staub der Gosse zu zertreten.«
»Und deshalb halten Sie lieber den Mund, was?«
Er grinste schmal. »Ich mache mir bloß meine Gedanken. Dagegen kann niemand etwas haben.«
»Hat auch keiner. Teilen Sie Ihre Gedanken mit mir. Hier kann uns kein Dritter zuhören.«
Er kratzte seinen Dreitagebart. »Wenn ich mich frage, wer am meisten von dem Mord profitiert, fällt mir als erstes Joel Jordan ein - beziehungsweise seine Lebensgefährtin Sandra Heald.«
»Das war’s, was Sie mir sagen wollten?«
»So ist es, G-man.« Er rieb seine Handflächen an den Oberschenkeln warm und erhob sich. »War mir eine Freude, Sie kennen zu lernen, und ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern, Mr. Trevellian. Sie haben hoffentlich nichts dagegen, wenn ich einen Teil unseres Gesprächs in meinen Artikel einfließen lasse.«
»Solange Sie mich richtig zitieren, geht das in Ordnung«, gab ich zurück, schüttelte ihm die Hand, und er ging.
***
June Archibald saß dem kleinen, unscheinbaren Theaterdirektor gegenüber, den sie sei t Jahren kannte und der ihr die vier Logenplätze für die Premiere verschafft hatte.
»Es ist eine ganz schlimme Tragödie«, wehklagte Eric Knight. »Mord auf offener Bühne.« Er raufte sich die Haare. »So etwas hat es in diesem traditionsreichen Haus noch nie gegeben. Vor fünf Jahren hatten wir mal einen Bombenalarm, der sich hinterher als dummer Streich von Jugendlichen herausstell -te. Aber ansonsten ging es hier immer friedlich zu.« Er seufzte schwer. »Und plötzlich diese unbegreifliche Bluttat vor Tausenden von Augen«, sagte er erschüttert.
»Hatte Theresa Demme Feinde?«, fragte die blonde FBI-Agentin.
Knight schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste.« Er öffnete eine Zigarrenschachtel. »Sie war beliebt, war ein gefeierter Star, wurde angehimmelt und vergöttert.« Er nahm eine Zigarre heraus. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«, fragte er.
Die schöne Agentin lächelte. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es nicht tun würden, Eric.«
»Okay. Kein Problem.« Knight steckte die Zigarre in die Schachtel zurück.
»Bekam Theresa Demme viel Fanpost?«, erkundigte sich June Archibald.
Der Theaterdirektor nickte. »Waschkörbeweise.«
»Hat sie alle Briefe beantwortet?«
Eric Knight nickte abermals. »Alle. Selbst die Dümmsten und Verrücktesten.« Er kratzte sich am Hinterkopf. »Da war einer, den hielt sie für schizophren und paranoid, aber sie ließ dennoch keinen seiner Briefe unbeantwortet. Er bezeichnete sich als ihren allergrößten Fan. Niemand könne sie mehr verehren als er. Er behauptete, er wäre von Gott auserkoren, sie bis in alle Ewigkeit zu lieben.«
»Haben Sie mal einen Brief von ihm gelesen?«
»Nicht nur einen, Theresa ließ mich einige seiner Briefe lesen. Es haperte mit der Rechtschreibung. Die Sätze waren verdreht. Die Euphorie des Super-Fans schlug immer neue Kapriolen.«
»Wie ist sein Name?«, fragte June Archibald gespannt.
Eric Knight runzelte nachdenklich die Stirn. »Tim… Tim… Tim Davidson.«
»Wissen Sie zufällig seine Adresse?«, wollte die Agentin hoffend wissen.
Der Theaterdirektor zuckte bedauernd mit den Achseln. »Tut mir Leid, June.«
»Kann ich einen Brief von ihm sehen?«
»Theresa hat die Post weggeworfen, sobald sie die Briefe beantwortet hatte«, erwiderte Knight. »Ich habe sie mal gefragt: ›Warum, um alles in der Welt, machst du dir mit diesem Verrückten so viel Mühe?‹ Und sie antwortete: ›Weil er mir Leid tut. Weil ich Angst habe, dass er sich etwas antut, wenn ich nicht mehr zurückschreibe.‹ Sie war ein guter Mensch. Sie hatte ein ganz großes Herz.«
»Das hat man gespürt«, sagte June Archibald. »Das kam in jedem ihrer Filme rüber.«
»In letzter Zeit hat Davidson weniger geschrieben und mehr telefoniert«, erzählte Eric Knight. »Er wollte unbedingt mal mit Theresa ausgehen, sie ganz für sich allein haben. Diesen Wunsch hat sie ihm natürlich nie erfüllt.«
»Hat sie ihn damit nicht verärgert?«
»Doch. Angeblich wollte er einmal wissen, warum sie sich nicht mit ihm treffen wolle, ob er ihr zu minder wäre.«
»Was hat sie geantwortet?«
»Sie verstand es immer wieder, sich recht wortgewandt aus der Affäre zu ziehen, aber Davidson wurde immer ungeduldiger und zorniger, und kurz vor der Premiere soll er gesagt haben, wenn Theresa sich nicht endlich mit ihm treffen würde, würde ihr das schon bald sehr Leid tun.«
June Archibalds Augen wurden schmal. »Was kann er damit gemeint haben?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete der Theaterdirektor. »Er hat es nicht präzisiert. Vielleicht…«
»Ja?«, fragte die FBI-Agentin gespannt. »Ja, Eric?«
»Vielleicht das, woran Sie offenbar gerade denken, June«, sagte Eric Knight mit belegter Stimme.
***
Tim Davidson klebte Fotos von Theresa Demme in ein Album. Jodie Bloom, seine Freundin, sah ihm dabei missbilligend zu. Sie hasste die Filmgöttin abgrundtief.
Ärgerlich schüttelte sie die fettigen Strähnen ihres langen, ungepflegten Haares in den Nacken. Sie hatte einen aufgeschwemmten Körper, trank jeden Tag mehr, als ihr gut tat, war auch jetzt nicht ganz klar im Kopf.
Soeben nippte sie wieder an ihrem Flachmann. Er war der einzige Freund, der immer treu zu ihr hielt, der sie noch nie enttäuscht hatte, weil sie ihn stets rechtzeitig wieder füllte, damit er nie leer war, wenn sie ihn brauchte.
In verwaschenem Slip und zerschlissenem BH baute sie sich mit gegrätschten Beinen mitten im Wohnzimmer auf. Ordinär. Obszön.
Sie klatschte sich mit den Händen auf die Cellulite-Schenkel, um Tim auf sie aufmerksam zu machen, doch er schenkte ihr keine Beachtung.
»Hey!«
Er reagierte nicht, war in einer anderen Welt, war bei Theresa Demme, war glücklich mit ihr.
»Hey, du!«, rief Jodie streitsüchtig.
»Was ist?«
»Sieh mich an!«, verlangte sie.
»Ich hab keine Zeit.«
Sie schob ihr Becken vor - buschiges Schamhaar bauschte sich unter dem Slip - und schrie: »Verdammt noch mal, dreh dich um und sieh mich an!«
»Später.«
»Ich will was von dir!«
»Nicht jetzt.«
»Oh, doch!«, fauchte Jodie Bloom. »Jetzt! Ich möchte jetzt bumsen, Tim Davidson, du verfluchter Scheißkerl! Wozu bin ich zu dir gezogen, wenn du nichts von mir wissen willst? Immer begeilst du dich an dieser Schlampe. Starrst ihre Bilder an und befriedigst dich im Geist selbst. Zum Geier, sie ist nicht hier! Aber ich bin hier! Sie ist tot! Aber ich lebe! Komm her und besorg es mir! Oder kriegst du ihn bei mir nicht mehr hoch, du Versager?«
Davidson fuhr herum und erdolchte das betrunkene Girl mit seinen stechenden Augen. »Halt’s Maul, du besoffenes Luder!«
»Was bleibt mir denn anderes übrig, als mich zu besaufen?« Sie trank demonstrativ wieder vom verchromten Flachmann.
Davidson zog die Mundwinkel nach unten. »Du widerst mich an.«
»Weil ich nicht so schöne Titten und so stramme Schenkel habe wie deine Angebetete?«, ätzte Jodie.
»Du kannst dich mit ihr überhaupt nicht vergleichen.«
»Sie ist eine Hure.«
»Das ist gie nicht!« Seine Stimme zitterte vor Wut.
»Na schön, sie war eine, hat für jeden die Beine breit gemacht, nur für dich nicht.«
Er sprang auf. »Ich verbiete dir, so über Theresa zu reden!« Er ballte die Hände zu Fäusten.
Doch sie hatte keine Angst vor ihm. »Dü Schlappschwanz hast mir überhaupt nichts zu verbieten!«, schrie sie verächtlich. »Du bist ein durchgeknalltes Arschloch, tickst nicht richtig. Dir geht einer ab, wenn du die Fotos von dieser Edel-Nutte aus Hollywood siehst. Das ist nicht normal. Du bist krank im Kopf. Total ga-ga, vertrottelt, plemplem bist du!«
»Halt’s Maul!«, brüllte er außer sich vor Wut. Speichelbatzen flogen ihm aus dem Mund. »Halt dein gottverdammtes, dreckiges Maul, sonst…«
»Sonst was?«, wollte Jodie Bloom mit hohntriefender Stimme wissen.
»Sonst passiert etwas!«, drohte Tim Davidson.
Sie fürchtete sich nicht. »Was denn, eh? Was denn?«
»Ich mach dich kalt!«, fauchte er aggressiv.
Sie lachte ihn aus. »Das schaffst du nicht. Dafür hast du nicht genug Mumm.« Sie leerte ihren Flachmann, warf ihn aufs Sofa und griff sich eine Alabasterfigur. »Komm her, du perverse Kreatur! Nun komm schon! Komm her, du Theresa-Demme-Söhnchen, damit ich dir den Schädel einschlagen kann!«
Mit lautem Zorngebrüll, das einem Urschrei glich, stürzte er sich auf sie.
Sie holte mit der Statue aus und schlug ihn nieder. Die Figur zerbrach in vier Teile.
Tim Davidson blutete stark aus einer Platzwunde an der Stirn. Benommen griff er nach Jodies Beinen. Er riss das Girl zu Boden und warf sich auf sie.
»Ich bring dich um!«, schrie er. »Ich bring dich um! Ich bring dich um!«
Seine Hände legten sich um Jodies fetten Hals. Sie strampelte und kreischte, versuchte sich von seinem harten Würgegriff zu befreien, doch es gelang ihr nicht.
Sie wäre verloren gewesen, wenn nicht urplötzlich die Tür aufgestoßen worden wäre.