Krimi Doppelband 2226 - Alfred Bekker - E-Book

Krimi Doppelband 2226 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Mrs. Fergusons Gäste (Theodor Horschelt) Killer Street (Alfred Bekker) Ein Serienkiller treibt sein Unwesen gibt den Ermittlern Rätsel auf. Handelt es sich nur um die Taten eines Verrückter, der seine dunklen Trieben folgt? Oder steckt mehr dahinter? Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Jack Raymond, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

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Seitenzahl: 354

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Krimi Doppelband 2226

Copyright

Mrs. Fergusons Gäste

Copyright

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

X

XI

XII

XIII

XIV

XV

XVI

XVII

XVIII

XIX

XX

XXI

XXII

Killer Street

Krimi Doppelband 2226

Theodor Horschelt, Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Mrs. Fergusons Gäste (Theodor Horschelt)

Killer Street (Alfred Bekker)

Ein Serienkiller treibt sein Unwesen gibt den Ermittlern Rätsel auf. Handelt es sich nur um die Taten eines Verrückter, der seine dunklen Trieben folgt? Oder steckt mehr dahinter?

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Jack Raymond, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

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Alles rund um Belletristik!

Mrs. Fergusons Gäste

Krimi von Theodor Horschelt

Der Umfang dieses Buchs entspricht 220 Taschenbuchseiten.

Die Einladung zu einer Wochenendparty nimmt der Schriftsteller Carol Howard zunächst nur widerwillig an und stellt bald fest, dass er nur durch eine Verwechslung eingeladen wurde. Als die Gastgeberin jedoch ermordet wird, steckt er plötzlich mitten in einem Mordfall, und die Reihe der Verdächtigen scheint endlos. Jeder hatte ein Motiv, aber wer war es wirklich?

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Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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I

Als Carol Howard am Samstagmorgen geweckt wurde, verfluchte er die englische Sitte, die dem Gastgeber gebietet, seinen Gästen zu nachtschlafender Zeit eine Tasse Tee ans Bett bringen zu lassen.

Er fuhr auf und betrachtete seine Umgebung, wie ein staunender Knabe das wegen seiner Kostbarkeit unerreichbare Bilderbuch seines reichen Freundes betrachtet. Er lag in einem hypermodernen Bett, das zusammen mit praktischen Möbeln skurril von der gotischen Kemenate mit ihren zwei Spitzbogenfenstern abstach.

Vor ihm stand ein korrekt gekleideter Diener von etwa sechzig Jahren und hielt auf einem Tablett eine dampfende Tasse.

„Ich habe die Ehre, Mister Howard einen recht schönen guten Morgen zu wünschen!“, sagte der Diener und stellte die Tasse auf den Nachttisch.

Howard zerwühlte sein Haar. „Wer sind Sie, mein Freund?“

Der Diener verneigte sich gemessen. „Charly Reffel, mein Name, Sir!“

Howard griff nach der Tasse und verbrannte sich zuerst einmal gehörig den Mund. Hm, der Tee war wirklich exquisit.

Während der Gast in vorsichtigen Schlucken trank, entfernte sich der Diener schweigend.

Ein interessanter Mann, dachte Carol. Sieht eigentlich nicht aus wie ein Diener. Well, nicht meine Sache!

Er trank seinen Tee aus und sprang dann missmutig aus dem Bett. Gewöhnt, nachts zu arbeiten und bei Tag zu schlafen, fühlte er sich durch das frühe Wecken in seinem Lebensrhythmus empfindlich gestört und wusste nichts Rechtes mit sich anzufangen.

Durch das gotische Fenster hatte er einen begrenzten Ausblick auf die Anlagen von Pancras Abbey, das Mrs. Ferguson – der Himmel mochte wissen, weshalb – zu ihrem Wohnsitz erkoren hatte. Howard sah im Süden die sanften Höhenzüge der Lincoln Woods und vor sich den Park aus knorrigen Eichen und Eschen, links daneben den Tennisplatz, der zu der Abtei wie die Faust aufs Auge passte – wie eine sehr gepflegte Faust allerdings.

Howard trat zurück und suchte in seinem Koffer nach dem Remington. Er steckte den Stecker in den Kontakt, und sofort begann der Elektromotor zu surren. Wütende Grimassen schneidend, rasierte sich der Gast und dachte dabei über die sonderbare Einladung nach.

Am Freitagmorgen war die süßliche Einladung einer ihm völlig unbekannten Mrs. Ferguson in sein Londoner Heim geflattert, und Carol hatte nicht gewusst, wie er zu der Ehre kam. Vielleicht habe ich die Besitzerin von Pancras Abbey auf einem literarischen Tee oder sonst einer Einladung kennengelernt, hatte er gedacht. Man sollte solche Partys verbieten, die anständige Menschen von der Arbeit abhalten und nur dazu dienen, leeres Stroh in verzuckerter Form zu dreschen.

Diese letztere Formulierung hatte ihm besonders gefallen.

Aber da Howard für das Wochenende nichts anderes vorhatte, setzte er sich in seinen Jaguar und fuhr nach Norden.

Am Freitagabend war Carol eingetroffen und von einer sonderbar farblosen Sekretärin empfangen worden. Diese Miss Pritchard hatte ihm mitgeteilt, dass die Übrigen Gäste –lauter bedeutende Leute – erst im Laufe des Samstags eintreffen würden, und ihn auf sein Zimmer geführt.

Howard gürtete seine Lenden mit einem dezenten Bademantel, nahm seine Toilettensachen und schlenderte missmutig in den Gang, um sich ins Bad zu begeben.

Dass dieses besetzt war, konnte seine schlechte Laune auch nicht gerade verbessern.

Er überlegte gerade, ob er warten oder im sein Zimmer zurückgeben solle, als drinnen der Riegel aufgestoßen wurde und gleich darauf ein kleiner schmächtiger Mann unbestimmbaren Alters herauskam, der wie eine sauber geputzte Ratte wirkte.

Der Fremde trug einen schlechtsitzenden Schlafanzug und Lackpantoffeln. Er zog einen Flunsch, als er Howard sah, und fragte schleimig-freundlich: „Auch ein Gast, wie? Humpf!“

Howard zuckte zurück und merkte erst nach ein paar sprachlosen Sekunden, dass sein Visavis offenbar die Gewohnheit hatte, durch die Nase zu schnüffeln.

„Auch ein Gast!“, nickte Carol endlich. „Carol Howard mein Name!“

„Ich bin John Storr!“ versicherte der andere eifrig und legte sein Gesicht in demütige Falten. „Habe ich etwa das eminente Vergnügen mit dem berühmten Dichter Howard? Dem Verfasser der Maida-Vale-Revue?“

„Sie haben es!“, nickte Carol. „Im Übrigen habe ich nie behauptet, ein berühmter Dichter zu sein. Ich bin nur ein Schriftsteller, der das Glück hat, den Geschmack des Publikums zu treffen. Well, kennen Sie Mrs. Ferguson schon lange?“

Storr schüttelte den Kopf. „Nee, ganz und gar nicht. Ich wurde ihr einst im Hause meines Chefs, des bekannten Fabrikanten Marley, vorgestellt und weiß gar nicht, wie ich zu der Ehre der Einladung komme.“

Howard lachte. Unter Umständen konnte er eine ganze Reihe origineller Typen für sein nächstes Buch kennenlernen!

„Sie sind bei Marley angestellt?“, fragte er und tat interessiert.

„Ich bin sein einziger Prokurist, sozusagen seine rechte Hand, humpf!“, versicherte Storr stolz. „Aber ich will Sie nicht länger aufhalten, Mr. Howard. Wir sehen uns dann beim Frühstück.“

*

Als der Schriftsteller angekleidet war, verließ er sein Zimmer wieder und ging zu der mächtigen Freitreppe, die zur großen Halle hinunterführte. Sie war leer.

Die Halle von Pancras Abbey war ein Schmuckstück besonderer Art. Sie war mit großen, groben Tischen und wurmstichigen Lederstühlen möbliert und hatte früher wohl als Refektorium gedient. An den Wänden standen rostige Ritterrüstungen und hingen Waffen aus allen Epochen, und Howard konnte sich des Verdachtes nicht erwehren, dass die Besitzerin von Kunst nicht viel Ahnung habe.

Er verließ die Halle durch den Hauptausgang und schlenderte in den Park. Aus einiger Entfernung sah er sich die Abtei an.

Das Haupthaus hatte die Form eines länglichen Rechtecks. An der Westseite war der strengen linearen Form des Gebäudes eine quadratische Ausbuchtung angefügt, hinter der sich ein aus mächtigen Quadern gefügter normannischer Rundturm gen Himmel reckte.

An der Vorderseite des gotischen Gebäudes erhob sich ein Gewirr von Pfeilern und Halbsäulen, die selbständig zu Türmchen und Zinnen emporstiegen und die Linien der Gewölbe fortsetzten. Das Ganze machte einen gelösten aufwärts strebenden, sich in edler Maßhaltigkeit auflösenden Eindruck und Howard fühlte sich wider Willen im Innersten davon angerührt.

„Einwandfrei englische Gotik“, murmelte er beeindruckt. „Frühes vierzehntes Jahrhundert. Mrs. Ferguson scheint ein tolles Bankkonto zu besitzen, wenn sie sich diesen Kasten wirklich leisten kann.“

„Da haben Sie vollkommen recht, Mr. Howard!“, sagte eine dunkle Stimme.

Der Schriftsteller wandte sich langsam um und stand nun Miss Pritchard gegenüber, die lautlos her angekommen war.

„Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Mr. Howard“, sprach Mrs. Fergusons Sekretärin weiter. „Mrs. Ferguson ist in der Tat eine erstaunliche Frau. Sie hat Geld, sie ist interessiert, sie malt und komponiert nicht übel und versteht zu leben. Ich. bin froh und glücklich, dass ich im Hause einer derart bedeutenden …“

Carol ließ die Sekretärin einfach reden und hörte nicht auf ihre monotonen Erklärungen, während er sich den Anschein eines interessierten Zuhörers gab.

Miss Pritchard war vielleicht vierzig Jahre alt. Sie trug ihr blauschwarzes Haar eng am Kopf anliegend und zu einem schweren Nackenknoten gedreht, hatte in dem gesund getönten Antlitz etwas hervorstehende Backenknochen und entzückende Grübchen, wenn sie lächelte. Vermutlich besaß sie eine tadellose, gertenschlanke Figur, sie verhüllte sie allerdings durch ein etwas unglücklich gewähltes weites Tuchkleid fast völlig. Die altmodische Hornbrille trug auch nicht gerade dazu bei, den Eindruck einer Sexbombe hervorzurufen, und so mochte die Sekretärin bei Männern in keiner Weise auffallen. Lediglich Howard, der Frauenkenner, witterte hinter der altmodischen Schale achselzuckend einen süßen Kern.

„Da sind Sie ja, Jane, ich suche Sie schon im ganzen Hans!“, platzte plötzlich eine etwas gezierte Stimme in die Unterhaltung.

Vor dem Portal von Pancras Abbey stand plötzlich eine hochgewachsene Frau.

Jane Pritchard entschuldigte sich hastig und ging eilig auf ihre Herrin zu.

Das muss Mrs. Ferguson sein!, dachte der Schriftsteller.

Mrs. Ferguson war früher vermutlich eine Schönheit gewesen. Sie war über mittelgroß, hatte immer noch die rudimentären Reste einer guten Figur, die sie durch ein prall sitzendes, viel zu helles Nylonkleid zur Geltung zu bringen suchte, und über einem fast faltenfreien Gesicht hochblondes Haar.

„Sie trägt sich wie dreißig“, murmelte Howard lautlos und geringschätzig, „wirkt aus der Ferne wie fünfundvierzig und ist in Wirklichkeit bestimmt über sechzig. Und das Haar – nun, seine Farbe stammt aus der Retorte des Chemikers und nicht aus der Werk statt der Natur.“

Inzwischen hatte die Hausherrin ihre geflüsterte Konferenz mit Miss Pritchard beendet und kam nun mit ausgebreiteten Armen auf Howard zu.

„Nein, welche Freude!“, säuselte sie. „Sie sind, wie mir schon gestern Abend berichtet wurde, meiner Einladung gefolgt. Ich verspreche Ihnen ein interessantes Wochenende. Es kommen lauter ungewöhnliche Leute. Gerade Sie als Journalist werden sicher Inspirationen empfangen!“

In diesem Ton ging es weiter, bis sich Howard endlich geschickt ihrer Hand bemächtigte und sie küsste.

„Sie sind zu gütig, gnädige Frau“, sagte er, „einen völlig Fremden zum Wochenende einzuladen. Im Übrigen muss ich einen Irrtum berichtigen. Ich bin nicht Journalist, sondern Schriftsteller.“

„Es ist mir egal, wie Sie sich jetzt selbst bezeichnen“, erwiderte Mrs. Ferguson. „Hauptsache, Sie sind ein bekannter Mann. Ich liebe es, mich mit Leuten zu umgeben, die sich vorteilhaft aus der Masse Mensch hervorheben. Ich kann nicht leben, kann nicht atmen, wenn ich nicht unter meinesgleichen bin. Aber jetzt entschuldigen Sie mich, lieber Mr. Howard, ich muss mich um alles selbst kümmern. Sie wissen ja, das Personal heutzutage!“

Mrs. Ferguson machte die eindrucksvolle Armbewegung einer segnenden Göttin und segelte wie eine Dampffregatte davon.

„Eine erstaunliche Frau!“, flüsterte Howard ganz ergriffen hinter ihr her. „Und so bescheiden!“

*

Der knapp vierzigjährige Schriftsteller war genau das, was junge Damen aller Altersklassen als einen interessanten Mann zu bezeichnen pflegen – und dies nicht nur wegen seines Berufes.

Groß und schlank gewachsen, hatte er schmale Hüften und breite Schultern. Auf dem geraden Hals saß ein fein modellierter Kopf, dessen Haar in brünetten, von einzelnen Silberfäden pikant getönten natürlichen Wellen anlag. Im Gesicht konnte ein Menschenkenner Linien wahrnehmen, die auf Kämpfe und Schicksalsschläge hindeuteten. Howards Mund war erstaunlich gut geschnitten, die Oberlippe sanft geschweift und deutete eine gewisse beherrschte Leidenschaftlichkeit an, während die gerade Nase und das gekerbte Kinn im Verein mit den strahlend blauen Augen Festigkeit, Charakterstärke, vielleicht sogar einen gewissen Eigensinn widerspiegelten. Die hohe geistvolle Stirn rundete den Eindruck eines pikanten, jeden faden Zug entbehrenden Männerantlitzes von ungewöhnlicher Wandlungsfähigkeit ab.

Howard hatte es im Leben nicht leicht gehabt, aber nach vielen Irrungen und Wirrungen war der Schriftsteller in jeder Hinsicht übern Berg und behauptete mit Umsicht und Klugheit die einmal errungene Position.

Gegen acht hielt es der Schriftsteller,, der einen legeren grauen Anzug trug, nicht mehr im Park aus.

Er stieß unter dem Portal mit einem undurchsichtigen Butler zusammen und erkundigte sich nach dem Frühstückszimmer.

„Charles, mein Name“, sagte der Butler. „Wenn Sie etwas brauchen, Sir, bitte sich nur an mich zu wenden. Das Frühstückszimmer …“

„Dann gibt es also einen Charles und einen Charly in diesem Hause?“

„Sehr wohl, Sir! Darf ich Sie in das Frühstückszimmer geleiten? Dort steht Jean bereit!“

Carol wurde durch die Halle in eine unterirdische Krypta geführt, die der absonderliche Geschmack Mrs. Fergusons unter grober Vergewaltigung jedes Stilempfindens eine durch Neonröhren erhellte, hypermodern eingerichtete Frühstücksbude verwandelt hatte.

Dort unten bediente ein etwa fünfunddreißigjähriger Mann, dessen blauschwarze Wangen einen starken Bartwuchs verrieten, einen dicken glatzköpfigen Herrn, der sich die guten Sachen mit der Miene eines Verbrechers schmecken ließ, der durch widrige Umstände in die Hände der NKWD gefallen ist.

Der Diener, der den gebürtigen Franzosen nicht verleugnen konnte und wollte, nahm sich sofort Howards an und rückte ihm servil den Stuhl zurecht. Der dicke Glatzkopf warf Carol einen schiefen Blick zu und stellte sich missmutig vor: „Gestatten – Halfdane Guillott.“

„Ich heiße Howard! – Sind Sie etwa der Reeder aus Aberdeen?“

„Der bin ich. Im Übrigen erstaune ich immer noch über mich selbst, dass mich die alte Spinatwachtel zu diesem Affentheater herumgekriegt hat.“

Es konnte kein Zweifel bestehen, wen Mr. Guillott mit alte Spinatwachtel meinte.

*

Während sich Howard, obwohl von Geburt Engländer, trotzdem kontinentalen Sitten zugetan, eine Tasse Kaffee und ein Butterbrot eben servieren ließ, stocherte der Reeder lustlos in seinen Ham and Eggs herum.

Nach einer schweigenden Pause spießte er Carol förmlich mit seinen Pupillen auf. „Hören Sie, Howard, Ihren Namen hab’ ich auch schon mal gehört. Sind Sie etwa der Dichter …“

Bei dem Wort Dichter glitt ein missmutiger Zug über Guillotts Gesicht.

„… der Ein Strauss Nelken verbrochen hat?“

„Ich kann es nicht leugnen!“, erwiderte Carol lächelnd.

„Na, hören Sie mal!“, ereiferte sich der Mann. „Ich habe das Buch nach den ersten sechzig Seiten weggelegt Es ist – verzeihen Sie meine Offenheit – ausgemachter Mist. Die Charaktere sind völlig verzeichnet und dazu unglaubwürdig und die Hauptheldin – heißt sie nicht Kay? – würde im wirklichen Leben schleunigst wegen Schizophrenie in die Klapsmühle gesperrt werden.“

„Sie haben in der Tat recht!“, entgegnete der schwer misshandelte Dichter höflich. „Unter uns gesagt, das Buch taugt wirklich nichts. Aber was wollen Sie machen? Das Publikum hat diesen betrüblichen Umstand nicht gemerkt, und ich konnte auf diese Weise eine Riesentantieme kassieren!“

Guillott mochte nun doch zu Bewusstsein kommen, dass er sich ungehörig aufgeführt hatte, und er suchte den Eindruck seiner Worte ungeschickt zu verwischen. „Wissen Sie, Bester, ich bin nun mal ein grober Klotz und sage grundsätzlich, was ich denke.“

„Dass Sie es trotzdem im Leben zu etwas gebracht haben, wundert mich!“, erwiderte Carol mit feinem Lächeln.

Der Reeder erwiderte dieses Lächeln. „Halten Sie mich ja nicht für dumm, Mann. Diesen hervorstechen den Charakterzug habe ich so lange geschickt verborgen, bis ich es geschafft hatte. Aber dann hab ich mir nie mehr eine Beschränkung auferlegt, und heute kann mich nichts mehr erschüttern.“

Dass trotzdem bald ein Umstand eintreten sollte, der ihn schwer erschütterte, konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen.

*

Carol ging nach dem Frühstück auf sein Zimmer, um sich einige Gedanken zu notieren, die ihm im Laufe des Vormittags eingefallen waren.

Nach englischer Sitte war die Dame des Hauses so rücksichtsvoll, ihre Fürsorge auf das leibliche Wohl der Gäste zu beschränken und ihnen im Übrigen selbst zu überlassen, womit sie sich vergnügen wollten.

Inzwischen war ein sonniger Tag über Lincolnshire heraufgezogen. Howard verließ gegen zehn sein Zimmer und lief auf dem Gang geradewegs einer füllig schlanken jungen Dame in die Arme, die knapp sitzende weiße Shorts und einen hauchdünnen Pullover trug.

„Sie sehen ganz so aus“, sagte die junge Dame zu Carols Verblüffung, „als könnte man mit Ihnen eine Partie Tennis spielen. Machen Sie mit? Im Übrigen heiße ich Donna Adams und weiß nicht recht, wie ich zu der Ehre dieser Wochenendeinladung komme!“

Das muntere Mädchen macht mir Laune!, dachte der Schriftsteller vergnügt und nannte seinen Namen.

Donna hatte sofort glänzende Augen. „Howard? Doch nicht Carol Howard?“

„Derselbe!“

„Prächtig! Hätt’ ich auch nicht gedacht, dass ich auf diese Weise meinem Lieblingsschriftsteller in die Arme laufen würde. Aber fürchten Sie nichts, Mr. Howard, ich habe nicht die Absicht, Sie mit übergeschnappter Konversation à la Teenager zu überschütten.“

Howard versprach lachend, in zehn Minuten beim Tennisplatz zu sein, und zog sich zum Umkleiden in sein Zimmer zurück.

II

Nachdem sich ein ungeheuer vergnügter junger Mann, der Cliff Perry hieß und Mrs. Fergusons Leibchauffeur war, zum Balljungen herabwürdigen ließ, konnte das Spiel beginnen.

Howard gab sich zunächst keine große Mühe und wusste selbst nicht, wie ihm geschah, als er den ersten Satz an Miss Adams verlor.

Beim zweiten Satz kam er ins Schwitzen und strengte sich mehr an, aber es gelang ihm erst, den dritten Satz knapp zu gewinnen.

Die füllig-schlanke Donna strich sich eine Strähne ihres silberblonden Haares aus der Stirn und ließ das Racket sinken.

„Zigarettenpause!“, bestimmte sie kategorisch.

Carol sprang über das Netz und holte sein Etui. Dann setzte er sich zu Donna auf eine Bank und betrachtete tiefsinnig den braunen Boden des Platzes.

Der Rauch der Kensitas zog bolzengerade in die Luft.

„Uff, es wird heiß!“, sagte Donna plötzlich. „Wir werden noch vor Abend ein Gewitter haben. In diesem Teil der Lincoln Woods ist ein Unwetter besonders schlimm!“

„Sie kennen die Gegend?“

„Ich bin hier geboren und arbeite in Lincoln als Chefsekretärin.“

„Sie kennen Mrs. Ferguson schon lange?“

„Seit etwa zehn Jahren. Damals wurde sie Witwe und kaufte Pancras Abbey. Ich hätte aber nie gedacht, dass sie mich eines Tages einer Einladung würdigen könnte.“

Auf der einzigen Zufahrtsstraße nördlich des Tennisplatzes, die Pancras Abbey mit der Außenwelt verband, ertönte das asthmatische Stöhnen eines gequälten Automotors.

Sekunden später schob sich der kochende Kühler eines uralten Austin Sportwagens in beider Blickfeld

Der Wagen blieb mit einem letzten Seufzer vor Pancras Abbey stehen.

Ein bekümmerter junger Mann in salopper Wildlederjacke stieg aus und riss sich die weiße Schirmkappe vom Kopf.

Er öffnete die Motorhaube und Carol hörte ihn seufzend sagen: „Jetzt ist Tante Lizzie endgültig gestorben!“

Carol wandte sich lachend zu seiner Begleiterin um und sah, dass Donna blass wie ein Leintuch war.

Das Mädchen, das von den dreißiger Jahren nicht weit entfernt war; stieß mit zuckenden Lippen einen kleinen Schrei aus. „Das ist eine schöne Bescherung! Mr. Howard, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Wir sehen uns später!“

*

Carol, schon von Berufs wegen neugierig, ging Donna langsam nach und nahm hinter den Büschen, die den Tennisplatz gegen unerwünschte Zuschauer abschlossen, Deckung.

Er sah, wie sich der Angekommene umwandte und Donna erkannte. Der hochgewachsene junge Mann, der so sympathisch wirkte (fand Howard), erstarrte buchstäblich zu Stein und ließ vor Überraschung seine Kappe fallen, die er immer noch in der Hand gehalten hatte.

„Donna – du?“, platzte er heraus.

„Wir müssen gute Miene zum bösen Spiel machen!“, erwiderte Miss Adams eisig. „Sie werden die Gewogenheit besitzen, Mr. Border …“

„Hussman mein Name!“, fiel der junge Mann befehlend ein. „John Couch Hussman!“

Donnas Lippen schürzten sich verächtlich. „Also ein neuer Name? Nun, mich wundert nichts mehr bei Ihnen!“

Der junge Mann wurde unwillig. „Aber Donna, lass dir doch erklären …“

Donna wandte sich unwillig ab. „Nun gut, Mr. Hussman, ich füge mich. Was ich Ihnen noch zu sagen habe, ist folgendes: Sie werden in mir eine fremde Dame respektieren, und ich verzichte darauf, Sie bloßzustellen. Guten Tag!“

Donna schritt hoch aufgerichtet auf das Herrenhaus zu.

„Verdammt hübsche Beine hat die Kleine!“, murmelte der Schriftsteller. „Das kann unter Umständen ein vergnügtes Wochenende werden!“

Wie recht er mit dieser Prognose hatte, sollte ihm erst später aufgehen.

*

Der junge Mann, der offenbar früher Border geheißen hatte und sich jetzt Hussman nannte, seufzte tief auf und schob seinen havarierten Wagen zur Seite.

Dann lud er seine Koffer aus dem Beifahrersitz und ließ sie sich von Mrs. Fergusons Chauffeur ins Haus tragen.

Howard trat aus den Büschen heraus und schlenderte auf den Platz vor der Abtei. Fast im gleichen Augenblick fuhr wieder ein Wagen durch das verwitterte Parktor, ein protziger Continental, der bestimmt seine achttausend Pfund gekostet haben mochte.

Der Fahrer – er trug eine weiße Lederhaube – fuhr angeberisch vor und trat dann so abrupt auf die Bremse, dass die blockierten Räder meterlange Rillen im Kies zogen.

Er stieg aus und entpuppte sich als ein fetter, schwabbeliger Elegant von einigen dreißig Jahren. Aussteigen und auf Howard zustürzen war eins.

„Grüß Gott!“, rief er mit vergnügter Stimme. „Auch so ein Wochenendopfer unserer ehemaligen eisernen Jungfrau? Wie steht’s, wie geht’s, was machen die lieben Kleinen?“

Ehe Carol etwas dagegen unternehmen konnte, wurde ihm der rechte Arm beinahe aus dem Gelenk geschüttelt.

„Ich bin Leroy Gutzman, der liebe kleine Leroy“, sagte der fette Mann heiter. „Und mit wem habe ich die Ehre eines innigen Missvergnügens?“

„Ich bin Carol Howard.“

Der Name schien Gutzman nichts zu sagen. „Freut mich, Ihre wertgeschätzte Bekanntschaft zu machen, lieber Carol. Verheiratet? Nicht? Toller Knabe! Beruf?“

Carol hätte beinahe hinausgelacht. „Ich bin Schriftsteller, und kein Unbekannter!“

„Möglich, alter Junge, alles möglich. Erwarten Sie keine Lobeshymnen von mir. Mit so überflüssigen Dingen wie Lesen gebe ich mich nämlich nicht ab. Der herrliche Spaß Leben ist ohnehin viel zu kurz. Hoffentlich gibt es hier recht viele hübsche junge Damen, die von mir getröstet werden möchten, die nach meiner knisternden Männlichkeit lechzen …“

„Sonderbarerweise gibt es nur eine einzige junge Dame hier, und ob die nach Ihnen lechzt, käme auf den Versuch an.“

Gutzmans Gesicht war plötzlich das eines betrübten Schuljungen. „Keine jungen Damen, sagen Sie? Ja, ist denn unser korsettgezähmter weiblicher Kalkberg plötzlich verrückt geworden?“

Über diesen Punkt konnte der Schriftsteller dem originellen Nichtstuer auch keine Auskunft geben.

*

Vor dem Portal prallte Carol direkt mit einem eleganten, massiven Sechziger zusammen und entschuldigte such wortreich.

„Nicht so viel reden, junger Mann!“, erwiderte der massive Sechziger. „Reden Blech – Schweigen Platin. Ist von mir. Auch Gast hier?“

„Dachten Sie, Chauffeur?“, erwiderte Howard und stellte sich vor.

„Freut mich!“, antwortete der andere kurz. „Mein Name – Marley.“

„Den habe ich heute schon mal gehört!“, bemerkte der Schriftsteller. Und dann flog ein Schein des Erinnerns über sein männliches Gesicht. „Hören Sie, haben Sie einen Prokuristen namens Storr, humpf?“

Der Fabrikant sprang einen Schritt zurück. „Was, Sie kennen den schnüffelnden John?“

„Aber sicher, mein Bester. Er ist nämlich auch hier!“

„Grundgütiger Himmel!“, sagte Marley entgeistert. „Mir bleibt auch nichts erspart. Diese Ferguson ist eine wahre Bestie! – All right, sehen uns beim Essen wieder. So long!“

Der Lunch sollte um vierzehn Uhr sämtliche Wochenendgäste von Pancras Abbey einen.

Seiner bedächtigen Art entsprechend hatte sich der Schriftsteller so rechtzeitig in Schale geworfen, dass er schon mit dem ersten feierlichen Gongschlag das Refektorium betrat.

Er war der erste Gast. Mrs. Ferguson stand mit Miss Pritchard in der einen Ecke und gab dem Butler und den Dienern die letzten Anweisungen. Sie trug ein rotes Kleid, das einer Dreißigerin gut zu Gesicht gestanden hätte, und wirkte darin auf Howard wie eine mit Silberpapier herausgeputzte Ruine.

Die Herrin von Pancras Abbey bedachte den Schriftsteller mit einem zerstreuten Kopfnicken. Carol wusste, dass man eine Hausfrau vor Beginn einer feierlichen Handlung nicht stören darf, und sah sich aus Langeweile zunächst einmal die mit erlesenem Porzellan und blitzendem Silberzeug gedeckte Tafel an.

Mrs. Ferguson hatte keine Mühe gescheut, die Tafel festlich zu gestalten. Von den in Silberkelchen angeordneten Rosen über die kostbaren Fingerschalen bis zu den Servietten aus feinstem Leinen fehlte nichts.

An jedem Platz lag eine mit Tusche gemalte Tischkarte. Howard sah, dass sämtliche Karten mit kleinen Zeichnungen geschmückt waren, und er suchte neugierig seine eigene.

Er fand sie nahe dem Präsidium der Tafel. Mister Carol Howard las der Schriftsteller laut, und dann zuckte er zusammen.

Neben der Tuscheschrift erkannte er die genial hingeworfene Zeichnung: einen zwischen Kandelabern aufgebahrten Sarg mit einer Kinderleiche.

*

Howard war wie vom Donner gerührt. Was sollte diese derbe Geschmacklosigkeit bedeuten?

Aber Geschmack schien eben nicht die Stärke der Gastgeberin zu sein!

Carol umschritt den Tisch langsam und sah sich die Tischkarten der anderen Gäste an. Das Präsidium war nicht besonders gekennzeichnet, weil dort die Dame des Hauses ihren Platz hatte. Neben Howards Platz war für den Reeder Guillott gedeckt. Seine Tischkarte zierte das Bild eines sinkenden Dampfers. Sehr geschmackvoll!

Howard schritt weiter. Neben dem Reeder sollte Miss Adams sitzen. Ihre Karte war durch das Konterfei eines Neufundländers geziert.

An der dem Präsidium gegenüberliegenden Schmalseite des Tisches lag eine Karte Wendell Marley.

Das dazugehörige Bild war ausnahmsweise instruktiv. Es stellte unverkennbar den massiven Glatzkopf selbst dar. Er war von zwei Damen eingerahmt, einer maßlos dicken alten und einer kurvenreichen jungen.

An der zweiten Längsseite war zunächst der Platz des sonderbaren Mr. Hussman, der offensichtlich auch noch auf einen zweiten Namen hörte. Seine Karte zeigte die frech hingeworfenen Konturen einer Whiskyflasche. Daneben sollte die unscheinbare Miss Pritchard sitzen, deren Karte sinnigerweise keine Zeichnung aufwies, und der dritte im Bunde und damit Howards Visavis war der fette Nichtstuer Leroy Gutzman. Auf seiner Tischkarte hatte die mehr begabte als taktvolle Zeichnerin ein brennendes Haus abkonterfeit.

Howard konnte nur den Kopf schütteln.

Eine Stimme ließ ihn herumfahren.

Mrs. Ferguson legte vor ein freies Gedeck eine weitere Tischkarte.

„Jetzt hätte ich beinahe den lieben Mr. Storr vergessen!“, sagte sie süßlich.

Howard sah ihr über die Schulter und erkannte auf der Karte eine Zeichnung, die vermutlich die äußeren Umrisse einer Brauerei darstellen sollte.

„Warum schütteln Sie den Kopf, lieber Mr. Howard?“, fragte die Dame des Hauses sanft.

„Sie haben etwas sehr seltsame Tischkarten, gnädige Frau!“, war alles, was der Schriftsteller erwidern konnte.

Mrs. Fergusons Miene war reinster Kristallzucker. „Warum? Gefallen sie Ihnen nicht? Sie sind alle mein Werk. Ich bin eine begabte Zeichnerin, müssen Sie wissen. Haben Sie schon Ihre eigene Tischkarte angesehen?“

Carol nickte.

„Dann werden Sie mich sicher verstehen!“

Der konsternierte Schriftsteller schüttelte den Kopf. „Ganz und gar nicht, gnädige Frau!“

Mrs. Fergusons Gesicht war für Sekundenbruchteile eine Teufelsfratze. „Ach nee?“, sagte sie gedehnt. „Sie begreifen nichts? Oh, Sie kleiner Schäker, Sie!“

Sie machte bei ihm neckisch „Kieks!“ und ging lachend davon.

Carol konnte nur hilflos den Kopf schütteln.

*

In den folgenden Minuten trafen die anderen Tischgäste ein. Zuerst kam der drollige John Storr. Er sprach eifrig auf seinen Chef Marley ein und der hatte offenbar Mühe, seinen Unwillen zu verbergen. Dann trat Miss Adams auf, die ein einfaches, aber teures Nylonkleid trug, gefolgt von Hussman, der beschwörend auf sie einsprach, aber offenbar die kalte Schulter gezeigt bekam.

Den Beschluss machte der Reeder Guillott und Leroy Gutzman, der mit seiner lärmenden Betriebsamkeit dem groben Glatzkopf nur ein missbilligendes „tz-tz“ entlockte.

„Meine lieben Gäste!“, sagte Mrs. Ferguson, und alle wandten sich zu ihr um. „Es ist mir ein inniges Herzensbedürfnis, Sie hiermit offiziell in meinem Hause begrüßen zu dürfen. Ich verbinde damit den Wunsch, Sie alle ein vergnügtes, entspanntes Wochenende in Pancras Abbey verleben zu sehen. Darf ich mir erlauben, die Herrschaften zu Tisch zu bitten?“

Die Gäste murmelten einige Dankesworte und suchten ihre Plätze.

Howard beobachtete sie unter gerunzelten Augenbrauen. Er wollte wissen, was sie über ihre sonderbaren Tischkarten dachten.

Offensichtlich hatte Mrs. Fergusons Schuss im Schwarzen gesessen, denn ein Eishauch zog über die Tischgemeinschaft hin.

Gutzman stieß ohne jede Rücksicht einen groben Fluch aus, Storr war ein Bild des Jammers und schnüffelte im Dreivierteltakt durch die Nase, Donna Adams blickte hilflos von einem zum anderen, Guillott verfärbte sich, Hussman musste trocken schlucken und Wendell Marley machte ein Gesicht, als habe er sich eben eine Goldplombe ausgebissen.

„Aber meine Herrschaften“, rief Mrs. Ferguson neckisch. „Bitte nicht so steif! Wünsche allerseits einen recht gesegneten Appetit!“

Sie schien die einzige zu sein, die sich wahrhaft königlich amüsierte.

Der Schriftsteller war so verwirrt, dass er der wirklich exquisiten Vorspeise keine rechte Ehre antun konnte.

Es hat ganz den Anschein, dachte er konsterniert, als verstünden alle die Anspielung, die die Zeichnungen auf den Tischkarten wohl bedeuten sollen. Nur ich, ich bin arglos wie ein Baby.

Er musste widerwillig zugeben, dass die Vorgänge im Pancras Abbey ihn mehr und mehr zu interessieren begannen.

Die anderen Gäste waren nicht so guten Mutes. In Pancras Abbey schien eine Appetitlosigkeit-Welle ausgebrochen zu sein. Lediglich Mrs. Ferguson selbst, die ab und zu boshafte Blicke über ihre Gäste verstreute, schien sich pudelwohl zum fühlen, und Miss Pritchard, ihre Sekretärin, aß mit der Miene einer Schülerin, die eine schwierige Aufgabe im Schlaf beherrscht.

Der Lunch dauerte über eine Stunde und wurde durch Mrs. Fergusons Ankündigung beendet, dass im Frühstückszimmer alkoholische Erfrischungen aller Art bereitstünden.

Sonderbarerweise machten nur der Schriftsteller und Miss Adams von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die anderen Gäste tupften sich mit den Servietten den Mund und verschwanden wie auf Kommando in ihren Zimmern.

Howard machte sich den allgemeinen Aufbruch dazu zunutze, dass er kaltblütig sämtliche Tischkarten einsammelte. Warum er das tat, hätte er in diesem Augenblick nicht anzugeben vermocht.

*

Am Ende befand er sich mit der Dienerschaft und Miss Pritchard allein in der Halle.

Während der Butler und seine beiden Kollegen laut los abräumten, wandte sich Howard an die Sekretärin. „Wie geht es nun weiter im Programm?“

Miss Pritchard zuckte die Achseln. „Die Gäste können sich den Nachmittag auf eigene Weise vertreiben. Um zwanzig Uhr ist Supper, und für den Sonntag hat sich Mrs. Ferguson eine besondere Überraschung aus gedacht, die nicht einmal ich kenne.“

„So ist das also. Nun, ich muss sagen, die bisherigen Ereignisse haben die Gäste bereits genügend überrascht, will mir scheinen. Was bedeuten denn die Zeichnungen auf den Tischkarten?“

Miss Pritchard zuckte die schön geschwungenen Schultern. „Da fragen Sie mich zu viel, Mr. Howard. Das weiß nur Mrs. Ferguson selbst. Sie hat sich jetzt zur Ruhe begeben und wird nicht vor drei Uhr auftauchen.“

„Wo befinden sich denn die Räume Mrs. Fergusons?“

„In dem alten normannischen Turm. Mrs. Ferguson hat ihn sich für ihre Zwecke ausbauen lassen und haust ganz allein dort oben.“

„Und wo ist der Zugang?“

„Es gibt nur einen einzigen, Mr. Howard, von der Anrichte aus. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich habe noch viel zu tun. Ich bin ja im Gegensatz zu Ihnen allen nicht zu meinem Vergnügen hier!“

Howard schritt zum anderen Ende der Treppe und erreichte über die Wendeltreppe die unterirdische Krypta. Auf einem improvisierten Büfett waren ganze Batterien von Flaschen und Gläsern aufgebaut.

Außer Carol befand sich nur Miss Adams in dem Raum. Sie trank gerade einen doppelten Whisky, und die Tränen rannen ihr dabei nur so über die Wangen.

„Aber meine liebe Miss Adams“, fragte Howard ehrlich besorgt. „Welche Laus ist Ihnen denn über die Leber gekrochen?“

Die pikante Frau warf wütend ihr Glas auf den Teppich.

„Das können Sie sich schließlich selber denken!“, rief sie schluchzend und verließ fast fluchtartig die Halle.

Der Schriftsteller öffnete die gekühlte Hausbar und nahm eine Pikkoloflasche Sekt heraus. Er entkorkte sie nachdenklich und trank dann das angenehm prickelnde Getränk.

Alle Gäste schienen die Anspielung auf den Tischkarten begriffen zu haben. War er, Howard, vielleicht ein Idiot, dass er nicht kapierte?

III

Howard, der in den letzten Wochen konzentriert gearbeitet, hatte fühlte eine gesunde Müdigkeit in seinen Knochen und beschloss, sich schlafen zu legen. Als er in die erste Etage hinaufschritt, in der die Gästezimmer lagen, war der Gang wie ausgestorben.

Der Schriftsteller entkleidete sich halb und warf sich dann auf eine Couch, die am anderen Ende seines gotischen Zimmers stand, das in dem sonderbaren Kontrast zwischen seinem strengen Baustil und den hypermodernen Möbeln wie eine für ein Lustspiel lästerlich missbrauchte Mönchszelle wirkte.

Ich muss wohl eingeschlafen sein, dachte Carol, als ihn gegen sechzehn Uhr ein fürchterlicher Krach weckte.

Er fuhr verwirrt auf und suchte seine Schuhe. Sein Zimmer war fast völlig finster, wurde aber alle Augenblicke durch zuckende Blitze erhellt, denen betäubende Donner folgten.

Miss Adams Vorhersage war in Erfüllung gegangen.

Da keine Pause zwischen den Blitzen und den Donnerschlägen lag, schien das Gewitter gerade über dem Hochtal zu stehen, in dem sich Pancras Abbey befand.

Howard ging zum Fenster und öffnete es. Er fühlte sich im Gegensatz zu so vielen Menschen, die sich vordem Gewitter fürchteten, durch das Wüten der Natur wunderbar angeregt und erfrischt.

Der Himmel hatte alle Schleusen geöffnet, der Regen fiel als wahrer Sturzbach auf die Erde. Blitz folgte auf Blitz, Donner auf Donner.

Howard steckte sich eine Zigarette an und blickte interessiert nach draußen. Gleich darauf sah er nur noch Feuer und Sterne vor seinen Augen und der krachende, betäubende Donner warf ihn fast um. Der Blitz war in eine der alten Eichen gefahren und hatte den dicken Stamm wie ein Axthieb gespalten. Für einen Augenblick schwankte die mächtige Krone – Howard konnte das im Schein der zuckenden Blitze genau erkennen – dann senkte sie sich, und der halbe Baum fiel krachend und prasselnd um.

Nun hielt es der Schriftsteller doch für geraten, das Fenster zu schließen.

Wie gut, dass mein Jaguar in der Garage ist!, dachte er.

Er blieb nicht mehr im Zimmer. Carol trat leise auf den dämmerigen Gang hinaus. Er war völlig leer. Fast gleichzeitig öffnete sich die Tür des gegenüberliegenden Zimmers, und Miss Adams stürzte heraus. Sie schien lange Hosen und einen Pullover angelegt zu haben und sich vor dem Gewitter entsetzlich zu fürchten.

Als sie Howards Umrisse erkannte, stammelte sie „Gott sei Dank“, und stolperte auf Carol zu. Hätte er sie nicht in seinen Armen aufgefangen, wäre sie gefallen.

Howard hatte alle Hände voll zu tun, das zitternde und bebende Etwas zu trösten.

Hier können wir nicht gut stehenbleiben, ohne uns Missdeutungen auszusetzen, dachte er und versuchte Miss Adams in sein Zimmer zu ziehen.

Das Mädchen widerstrebte heftig. Es war ganz außer Rand und Band.

„Nicht in das Zimmer!“, schluchzte Donna. „Ich fürchte mich doch so. Lieber, lieber Mr. Howard, halten Sie mich ganz fest. Ich kann die Blitze nicht mehr sehen und die Donner nicht mehr hören!“

Howard sprach ihr gut zu. Nach einer Viertelstunde war das Unwetter im Abflauen, und bald verebbten Blitz und Donner. Nur noch der Regen rauschte vom Himmel.

Miss Adams drängte nun selbst darauf, mit in Howards Zimmer zu gehen.

„Sie werden mich nicht missverstehen“, sagte sie, als sich die Tür hinter beiden geschlossen hatte, „denn Sie sind ein Gentleman. Haben Sie etwas zu trinken hier?“

Carol hatte eine Taschenflasche Whisky bei sich und Donna trank wie eine Verdurstende.

Jetzt erst fasste sie sich einigermaßen.

„Sie müssen mich für ein dummes Ding halten“, sagte sie mit einem scheuen Lächeln. „Auf jeden Fall haben Sie sich fabelhaft betragen. Ich danke Ihnen sehr!“

„Eine Frage, Miss Donna: Sie kennen Hussman?“

Das schöne Mädchen wandte sich voll um. „Natürlich. Ich war vor Jahren mit ihm verlobt. Mrs. Ferguson scheint davon nichts zu wissen. Und Sie werden keinen Gebrauch davon machen, nicht?“

„Natürlich nicht. Schade, äußerlich würde der junge Mann gut zu Ihnen passen. Er hat so etwas Bekümmertes an sich, und es will mir scheinen, als habe er Sie noch lange nicht vergessen.“

„Möglich!“, erwiderte Donna ernst. „Aber da kann ich ihm nicht helfen. Vorbei ist vorbei. Und einen Entschluss, den ich nach schweren inneren Kämpfen gefasst habe, stoße ich nicht um.“

Ein Gedanke zuckte durch Howards Kopf. „Und wie heißt Hussman mit seinem richtigen Namen?“

Donnas Züge wurden sofort verschlossen. „Lieber Mr. Howard, ich habe mit Hussman vollkommen gebrochen. Trotzdem werde ich an ihm nicht zum Verräter. Lassen Sie ihn in Ruhe, sonst bekommen Sie’s mit mir zu tun, bitte!“

Miss Adams wandte sich ab und verließ das Zimmer.

„Aber sie liebt ihn ja noch immer!“, murmelte Howard ganz entgeistert.

*

Eine halbe Stunde später versammelten sich die Gäste alle in der Halle. Inzwischen hatte es zu regnen aufgehört und die Sonne lugte schüchtern aus den Wolken.

Auch Mrs. Ferguson war erschienen. Die sonderbare alte Frau schien durch das Gewitter kaum mitgenommen zu sein.

„Kein Grund zur Beunruhigung, meine Herrschaften“, sagte sie mit feinem Lächeln. „Pancras Abbey hat Jahrhunderte hindurch ganz anderen Stürmen getrotzt. Ich habe die Dienerschaft bereits ausgeschickt, um das Ausmaß der Verwüstungen festzustellen. Ich muss allerdings zugeben, dass ich in den zehn Jahren die ich hier wohne, kein solches Unwetter erlebt habe. Aber das spielt ja alles keine Rolle. Ich hoffe zuversichtlich, Sie werden mich für das Wüten der Natur nicht verantwortlich machen, es war wirklich nicht vorgesehen, Sie können mir glauben. Schade, dass wir jetzt nicht draußen in der Sonne sitzen können. Sie werden sich bei mir aber trotzdem wie zu Hause fühlen, nehme ich an. Vielleicht geht ein kleines Spielchen zusammen. Ich stelle mich jederzeit zur Verfügung. Wie wäre es damit?“

Außer dem dicken Nichtstuer Gutzman erwiderte niemand ein Wort. Gutzman selbst nahm sich kein Blatt vor den Mund.

„Himmel, Arm und Zwirn“, fluchte er. „Wohlfühlen soll sich der kleine Leroy in dieser Bruchbude! Wissen Sie, was der kleine Leroy will? Er will nicht in der Sonne sitzen, er will keinen Poker spielen, er will abreisen, aber sofort!“

Der Dicke wollte sich abwenden, aber ein Zuruf Mrs. Fergusons hielt ihn zurück.

„So haben wir nicht gewettet, mein lieber Junge!“, sagte sie böse in die peinliche Stille hinein. „Von Abreisen will ich nichts gehört haben, verstanden!“

Die gibt ja ganz schön an, dachte Howard verblüfft. Mal sehen, was der Komiker dazu zu sagen hat!

Gutzmans Reaktion war wirklich verblüffend. Er verfärbte sich und wand sich mit ein paar verlegenen Worten wie ein Wurm.

Dann ging er schwer auf Mrs. Ferguson zu und legte ihr ungeniert den Arm um die Taille.

„So war das auch wieder nicht gemeint, liebes Tantchen“, sagte er halb boshaft, halb ängstlich. „Bleiben wir eben hier und spielen wir das Marionettentheater weiter!“

Fast gleichzeitig hatte sich die Tür geöffnet und der Butler Bolton trat ein.

Er flüsterte Mrs. Ferguson ein paar Worte zu, und diese wandte sich gleich darauf mit strahlendem Lächeln an die Gäste: „Hab ich’s nicht gesagt? Abreisen ist nicht! Der Weg nach Trenton-on-Wash ist durch einen Bergrutsch verschüttet. Das heißt, wir sind für Tage oder auch nur Stunden von der Welt abgeschnitten. Das ist aber kein Grund zur Aufregung. Ich werde sofort mit Lincoln telefonieren und anfragen, wann man uns hier ausbuddelt. Inzwischen wünsche ich den Herrschaften recht viel Vergnügen.“

Sie wandte sich auf dem Absatz um und verschwand in einem gemauerten Durchlass, der, wie Howard nun wusste, die einzige Verbindung zwischen Haus und Turm war.

*

Mrs. Fergusons Gäste reagierten je nach Laune und Temperament und ließen keinen Zweifel darüber, was sie von der Lage im Allgemeinen und von Mrs. Ferguson im Besonderen hielten.

„Aber meine Herrschaften!“, legte sich Howard ins Mittel. „Das geht doch wirklich zu weit. Mrs. Ferguson ist so rührend um uns besorgt, und für das Walten der Natur kann sie doch bestimmt nichts!“

„Sehr richtig!“, fiel Gutzman ein. „Setzen wir uns zu einem Poker. Aber das eine sage ich, der kleine Leroy spielt nur um Goldfüchse. Heutzutage muss ein armer Mann eben alles mitnehmen, was er verdienen kann!“

„Tut mir leid, humpf!“, fiel John Storr sofort ein. „Von meinem Gehalt kann ich mir keine großen Sprünge erlauben wie gewisse junge Herren …“

„Quatsch mit Sauce!“, fiel Gutzman roh ein. „Sie hab ich doch gar nicht gemeint, alter Junge. Wer am Hungertuch nagt, ist selbst ein Textilfacharbeiter. Wie hab ich das wieder gesagt?“

Der Butler und die beiden Diener schleppten Spieltische und Karten heran.

Guillott, Donna Adams und Marley ließen sich zu einem Bridge nieder, und der bekümmerte Hussman wusste es geschickt so einzurichten, dass er als vierter Mann Partner seiner Ex-Braut wurde, wofür er von ihr einen Blick erntete, der einer gefährlichen Körperverletzung gleichkam.

Howard, dem an sich jedes Kartenspiel zuwider war, nahm sich der Übriggebliebenen an und schlug Storr und Gutzman eine Partie Canasta vor.

Wenig später war ein hektisches, aufgeregtes Spiel im Gange, das nur durch das Auftauchen Mrs. Fergusons unterbrochen wurde, die mit strahlendem Lächeln verkündete, mit einer Befreiung könne vor Sonntagabend nicht gerechnet werden.

Howard forderte Mrs. Ferguson zum Mitspielen auf.

Eda Ferguson sagte sofort zu und entpuppte sich als eine derart routinierte Spielerin, dass die letzten Zweifel des Schriftstellers an ihrer überlegenen Intelligenz ganz einfach weggefegt wurden.

*

In den spärlichen Pausen konnte sich der Schriftsteller davon überzeugen, dass sich die Besatzung des Bridgetisches immer mehr vom Eifer des Spieles hinreißen ließ.

Selbst Donna Adams schien ihren Zorn auf Hussman – oder wie er sonst heißen mochte – vergessen zu haben, und die beiden steckten verschiedene Male erregt die Köpfe zusammen, was Guillott zu der beißenden Bemerkung veranlasste, hier werde nicht geturtelt, sondern in Dreideibelsnamen sauber und korrekt gespielt.

Eine halbe Stunde vor dem Dinner wusste es Mrs. Ferguson mit diplomatischem Geschick so einzurichten, dass die Partien zu Ende gingen und die Gäste sich zum Umkleiden auf ihre Zimmer begeben konnten.

Der Nachmittag ging in wesentlich gelockerterer Stimmung zu Ende, als er begonnen hatte. Zwischen Donna Adams und Guillott kam sogar ein angeregtes Gespräch in Gang, als sie miteinander über die Treppe nach oben schritten. Storr machte sich an seinen Chef heran und wurde nicht ohne Wohlwollen geduldet, und Gutzman kabbelte sich großspurig mit Hussman, der als einziger immer noch einen bekümmerten Eindruck machte.

Marley schüttelte auf dem Gang vor den Gästezimmern seinen Prokuristen endlich ab und wartete dann auf Howard, der als letzter die Halle verlassen hatte.

„Affentheater, das Ganze!“, sagte er in seiner abgehackten Redeweise. „Selten so ein humorvolles Wochenende verbracht.“

Er wurde plötzlich vertraulich. „Bin rasend gespannt auf die Überraschung, die die alte Schraube in petto hat. Wird spannend werden, nicht?“

„Wie ich Mrs. Ferguson kennengelernt habe“, erwiderte Howard ruhig, der genau wusste, wen der Fabrikant mit der alten Schraube gemeint hatte, „wird ihre Überraschung ein durchschlagender Erfolg sein!“

Die beiden Herren trennten sich lachend.

Howard wusste gar nicht, wie sehr recht er mit sei ner Vorhersage behalten sollte.

*

Der Schriftsteller machte sorgfältig Toilette und sah auf die Uhr. In etwa fünf Minuten musste der Gong zur Hauptmahlzeit ertönen.

Vom Gang her hörte Carol ein schlurfendes Geräusch, dem er zunächst keine Bedeutung beimaß.

Vor Carols Zimmertür verstummte das Geräusch plötzlich und erklang dann von Neuem.

Wenig später wurde der Gong in der Halle laut und deutlich angeschlagen.

Der Schriftsteller überprüfte seine Erscheinung sorgfältig im Spiegel und fand nicht ohne eine gewisse Eitelkeit, dass ihm der neue Frack wie angegossen saß.

An der Türschwelle stockte sein Schritt. Dort lag jetzt ein blauer Umschlag, den er vorher nicht bemerkt hatte.

Er bückte sich und hob den Umschlag auf. Er trug in Schreibmaschinenschrift seinen Namen.

Howard riss das Kuvert auf und entnahm ihm einen Zettel, der ebenfalls mit der Maschine geschrieben war.

Carol las verwundert:

„ Seien Sie präzise um 22 Uhr bei der Eiche hinter der Garage!“

Eine Unterschrift fehlte.

*

Der Empfänger dieser geheimnisvollen Botschaft bedauerte lebhaft, nicht doch den Schritten im Gang größere Beachtung geschenkt zu haben.

Wer mochte der Verfasser der Botschaft sein? Vielleicht Miss Adams?

Carol verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Donna Adams war aller Wahrscheinlichkeit nach ein modernes junges Mädchen von guter Herkunft, das sein Brot selbst verdienen musste. Auf solche Weise ein amouröses Abenteuer zu suchen, sah ihr nicht gleich. Also musste einer der anwesenden Herren der Absender sein.

Der Schriftsteller beschloss abzuwarten. Er wollte das Rendezvous auf jeden Fall wahrnehmen. Zu viel des Geheimnisvollen war geschehen, als dass er sich eine Chance hätte entgehen lassen, hier auch ein Achtel mitzuspielen.

Das Abendessen verlief geradezu harmonisch. Die Dienerschaft hatte sich gewaltig angestrengt, und Howard musste zugeben, in England selten so gut gespeist zu haben.

„Ihre Köchin ist ganz große Klasse!“, sagte er spontan und hob sein Glas der Dame des Hauses entgegen.

„Sie kostet mich auch eine Menge Geld!“, erwiderte Mrs. Ferguson kopfnickend und ging zur Tagesordnung über.

Das Fehlen der sonderbaren Tischkarten schien gar nicht aufzufallen.

Vielleicht nimmt Mrs. Ferguson an, die Herrschaften hätten die Karten eingesteckt, dachte der Schriftsteller, und die Gäste selbst haben vielleicht alle Veranlassung, nicht an der mysteriösen Sache zu rühren. Komisch, jeder einzelne weiß, dafür lasse ich mich jederzeit fressen, was die freche Zeichnung auf seiner Karte bedeutet, nur ich muss wieder mal der ahnungslose Engel sein!

*

Nach dem Souper erklärte Mrs. Ferguson in schöner Offenheit, sie sei eine alte Frau und müsse nun der Ruhe pflegen, ihre lieben und hochgeehrten Gäste möchten sich aber nicht stören lassen und den Abend nach Lust und Laune zu Ende bringen.

Die lieben und hochgeehrten Gäste duckten sich unter dieser Liebkosung wie unter einem Peitschenhieb.

Sonderbarerweise kam nach dem Essen keine rechte Stimmung mehr auf. Nach einer halben Stunde standen die meisten der Anwesenden auf und erklärten übereinstimmend schlafen zu wollen.

Auch der Schriftsteller ging auf sein Zimmer. Er hatte gerade noch Zeit, sich für sein Rendezvous umzukleiden, denn er wollte den kostbaren Frack nicht der Gefahr aussetzen, durch die Witterung zu leiden.

Als er kurz vor dem ausgemachten Zeitpunkt sein Zimmer verließ und in die Halle hinunterging, war diese völlig leer. Das mochte aber nichts besagen. Der geheimnisvolle Rendezvouspartner konnte die hintere Treppe, die zu einem Nebenausgang führte, benutzt haben.

Der Schriftsteller überzeugte sich davon, dass die Dienerschaft in den rückwärts untergebrachten Wirtschaftsräumen leise rumorte, und verließ ungesehen das Haus.

Er trat in eine wundervolle Nacht. Die Wolken türmten sich wie bizarre Gebirge am Himmel und nur hin und wieder lugte der Mond vorwitzig durch den natürlichen Schleier.

Carol sah immerhin so viel, dass er sich orientieren konnte. Er schlenderte langsam durch die angenehme Kühle der Nacht und erreichte das Ostende des gotischen Gebäudes, an dessen hinterer Schmalfront die Garage angebaut war.

Hinter der Garage stand ein einsamer mächtiger Eichenbaum.

Howard kniff die Augen zusammen. Bewegte sich dort etwas?

Er schlug einen kleinen Bogen und erreichte die nervös auf und ab gehende Gestalt.

„Miss Adams – Sie?“, fragte er fassungslos. „Also doch!“

IV

„Wen hatten Sie denn zu treffen erwartet?“, fragte Miss Adams schnippisch. „Schließlich haben Sie mich doch hierher bestellt. Oder wer sonst?“

„Also haben Sie auch einen Zettel erhalten?“

„Sicher. Und ich dachte, er stamme von Ihnen!“

„Bestimmt nicht, Miss Donna. Mir wurde der Zettel durch die Tür geschoben. Kurz vor dem Abendessen.“

„Mir genauso!“

„Well, da festzustehen scheint, dass ein unbekannter Dritter uns gegen zweiundzwanzig Uhr aus dem Haus locken wollte, muss unsere Abwesenheit eine nicht geringe Bedeutung haben.“

„Möglich. Aber welche? – Still, ich höre etwas!“

Howard wandte sich um. Er erkannte in der dunklen Ecke zwischen Haupthaus und Garage eine vage Gestalt. Diese schien zu merken, dass sie die Aufmerksamkeit der beiden erregt hatte, und floh mit flüchtigen Schritten.

„Ein reizendes Wochenende!“, sagte Miss Adams bitter. „Wenn ich gewusst hätte, wie alles kommt, wäre ich zum Nordpol oder sonstwo hin gefahren, nur nicht nach Pancras Abbey.“

„Da sprechen Sie mir ganz aus der Seele. Aber weil wir jetzt schon mal so ungestört zusammen sind, will ich Sie fragen: Welche Bewandtnis hat es mit den Tischkarten?“

„Lassen Sie doch Mrs. Fergusons Kindereien, ja? Ich denke, wir gehen wieder ins Haus.“

„Kindereien ist gut. Sie haben Sie immerhin zu Tränen gerührt.“

„Sie tun ganz so, als hätten Sie die Anspielung nicht verstanden.“

„Hab ich auch nicht. Auf meiner Karte zum Beispiel war das Bild einer Kinderleiche im Sarg. Damit kann ich nichts anfangen.“

„Um so besser. Und jetzt lassen Sie mich gehen!“

Ohne Howard eines weiteren Wortes zu würdigen drehte sich Miss Adams auf dem Absatz um und verschwand hinter der Garage. Vermutlich wollte sie durch den Hintereingang die erste Etage der Abtei erreichen und auf diese Weise vermeiden, in der Halle gesehen zu werden.

Gedankenverloren zündete sich der Schriftsteller eine Zigarette an und schleuderte unschlüssig auf und ab.