Krimi Quintett Sonderband 1037 - 5 Krimis in einem Band - Alfred Bekker - E-Book

Krimi Quintett Sonderband 1037 - 5 Krimis in einem Band E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis von Alfred Bekker: Kommissar Haller und der Mord am Prinzipalmarkt: Münster-Krimi Ein Killer in Ostfriesland Toter Killer Der explosive Fall Commissaire Marquanteur und der Schuss auf Julie Ein Auftragsmörder und ein Enthüllungsjournalist werden ermordet in einer Wohnung gefunden. Wer wollte diese beiden Männer tot sehen? Die beiden FBI-Agents Jesse Trevellian und Milo Tucker ermitteln in einem ominösen Fall. Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

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Seitenzahl: 457

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Alfred Bekker

Krimi Quintett Sonderband 1037 - 5 Krimis in einem Band

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Inhaltsverzeichnis

Krimi Quintett Sonderband 1037 - 5 Krimis in einem Band

Copyright

Kommissar Haller und der Mord am Prinzipalmarkt: Münster-Krimi

​Ein Killer in Ostfriesland

Toter Killer

Der explosive Fall

Commissaire Marquanteur und der Schuss auf Julie

landmarks

Titelseite

Cover

Inhaltsverzeichnis

Buchanfang

Krimi Quintett Sonderband 1037 - 5 Krimis in einem Band

Alfred Bekker

Dieser Band enthält folgende Krimis

von Alfred Bekker:

Kommissar Haller und der Mord am Prinzipalmarkt: Münster-Krimi

Ein Killer in Ostfriesland

Toter Killer

Der explosive Fall

Commissaire Marquanteur und der Schuss auf Julie

Ein Auftragsmörder und ein Enthüllungsjournalist werden ermordet in einer Wohnung gefunden. Wer wollte diese beiden Männer tot sehen? Die beiden FBI-Agents Jesse Trevellian und Milo Tucker ermitteln in einem ominösen Fall.

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /COVER A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2025 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Kommissar Haller und der Mord am Prinzipalmarkt: Münster-Krimi

Alfred Bekker

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Kommissar Haller und der Mord am Prinzipalmarkt: Münster-Krimi

von ALFRED BEKKER

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Nebelschwaden über Münster, ein Morgen am Aasee – und eine Leiche, die das friedliche Stadtbild erschüttert. Kommissar Sven Haller, ein Mann der Schatten und der frühen Stunden, steht vor einem Rätsel: Wer hat die erfolgreiche Anwältin Julia Meißner getötet? Während Haller und sein Partner Raaben durch die engen Gassen der Altstadt und die verborgenen Netzwerke der Stadt ermitteln, geraten sie in ein Geflecht aus Schuld, Erpressung und verzweifelter Hoffnung. Zwischen alten Freundschaften, zerrütteten Familien und dunklen Geschäften tauchen immer neue Verdächtige auf – doch die Wahrheit liegt tief verborgen im Nebel, der über Münster hängt. Ein atmosphärischer Kriminalroman über Verlust, Verantwortung und die Schatten, die jeder Mensch mit sich trägt.

Prolog: Nebel über Münster

Münster, früh am Morgen. Die Stadt lag noch im Halbschlaf, als die ersten Sonnenstrahlen zaghaft durch die Wolken drangen und den Dom in blasses Licht tauchten. Die Straßen waren feucht vom nächtlichen Regen, das Kopfsteinpflaster glänzte wie polierter Stein, und in den engen Gassen der Altstadt schwebte ein dünner Nebel, der die Konturen der alten Häuser verwischte. Die Stadt war ruhig, aber unter der Oberfläche regte sich das Leben – verborgen, wartend, voller Geschichten, die darauf drängten, erzählt zu werden.

In einem kleinen Café am Prinzipalmarkt saß Kommissar Sven Haller und blickte aus dem Fenster. Der Kaffee vor ihm war noch heiß, doch er hatte ihn kaum angerührt. Haller war ein Mann der frühen Stunden, ein stiller Beobachter, der die Stadt kannte wie seine Westentasche. Er mochte die Zeit, bevor Münster erwachte, bevor die Fahrräder klappernd über das Pflaster rollten, bevor die Studenten und Touristen die Cafés füllten und die Händler ihre Stände aufbauten.

Haller war groß, schlank, mit grauem Haar und einem Gesicht, das von langen Nächten und schwierigen Fällen gezeichnet war. Seine Augen waren wachsam, aber oft nachdenklich, als würde er in jedem Schatten eine Geschichte vermuten. Er trug einen dunklen Mantel, den Kragen hochgeschlagen, und hatte die Hände um die Tasse gelegt, als wollte er sich an der Wärme festhalten.

Die Stadt war für ihn mehr als ein Arbeitsplatz. Sie war ein Rätsel, ein Geflecht aus Geheimnissen und Erinnerungen. Haller hatte in Münster studiert, war geblieben, hatte geheiratet, eine Tochter bekommen, sich scheiden lassen. Die Stadt hatte ihn geprägt, und er hatte sich in ihren Rhythmus gefügt – ein Leben zwischen den Gassen, den Parks, den Menschen, die kamen und gingen.

Er dachte an Lina, seine Tochter, die jetzt in Hamburg lebte. Sie war siebzehn, klug, eigensinnig, und Haller vermisste sie mehr, als er sich eingestehen wollte. Die Wochenenden, an denen sie bei ihm war, waren selten geworden. Die Arbeit ließ wenig Zeit für Besuche, und die Entfernung war eine Ausrede, die er sich selbst zu oft erzählte. Manchmal schrieb sie ihm Nachrichten, schickte Fotos, erzählte von der Schule, vom Klavierunterricht, von Freunden. Haller antwortete, so gut er konnte, aber er wusste, dass Worte oft nicht reichten.

Sein Blick wanderte über den Prinzipalmarkt, wo die ersten Händler ihre Stände aufbauten. Die Stadt war ein Puzzle aus Stimmen, Gerüchen, Farben. Der Duft von frischem Brot und Kaffee lag in der Luft, vermischte sich mit dem Regen und dem Nebel. Haller beobachtete die Menschen, die vorbeigingen – eine ältere Frau mit Einkaufstasche, ein Student mit Kopfhörern, ein Mann in Anzug und Mantel, der eilig telefonierte.

Er dachte an die Kollegen im Präsidium, an Raaben, seinen langjährigen Partner. Raaben war anders als er – jünger, breitschultrig, mit dunklem Haar und einem offenen Lachen. Er wohnte in Gievenbeck, hatte Frau und zwei Kinder, ein Haus mit Garten, einen Hund, den er morgens ausführte. Raaben war der ruhige Pol im Team, geduldig, sachlich, ein Mann, der zuhören konnte und selten die Geduld verlor. Haller schätzte ihn, auch wenn sie sich manchmal stritten. Sie waren ein gutes Team, weil sie sich ergänzten – der Grübler und der Macher, der Einzelgänger und der Familienmensch.

Raaben war heute früh unterwegs, wie immer. Er hatte ihm am Abend zuvor eine Nachricht geschickt:„Morgen Kaffee im Med? Ich bringe die Zeitung mit.“

Haller hatte nur mit „Klar“ geantwortet. Die Routine war ihnen beiden wichtig, ein Anker im Alltag, ein Ritual, das half, die Arbeit von der privaten Seite zu trennen.

Im Café Med war es noch ruhig. Die Bedienung, eine junge Frau mit roten Haaren, wischte die Tische ab, stellte frische Blumen in die Vasen. Haller kannte sie vom Sehen, wusste, dass sie Literatur studierte und abends in einer Kneipe am Hafen arbeitete. Die Menschen in Münster hatten oft mehr als ein Gesicht, mehr als eine Geschichte. Das war es, was Haller an der Stadt liebte – die Vielschichtigkeit, die Mischung aus Alt und Neu, aus Tradition und Veränderung.

Er dachte an die Fälle, die sie in den letzten Monaten bearbeitet hatten. Ein Einbruch in der Salzstraße, ein Streit am Hafen, ein verschwundener Student, ein Unfall auf der Promenade. Die Stadt war friedlich, aber unter der Oberfläche lauerte das Dunkel. Haller wusste, dass die Wahrheit oft zwischen den Zeilen lag, in den kleinen Gesten, in den Blicken, die Menschen wechselten, wenn sie glaubten, unbeobachtet zu sein.

Er erinnerte sich an Julia Meißner, eine Anwältin, die er vor Jahren einmal getroffen hatte. Sie war klug, ehrgeizig, mit einem Lächeln, das selten die Augen erreichte. Julia arbeitete in einer Kanzlei am Prinzipalmarkt, war spezialisiert auf Wirtschaftsrecht, hatte keine Familie, lebte allein in einer modernen Altbauwohnung im Kreuzviertel. Haller hatte sie bei einer Verhandlung erlebt, ruhig, sachlich, aber mit einer Energie, die ihn beeindruckt hatte. Sie war jemand, der wusste, was sie wollte – und oft bekam, was sie wollte.

Er hatte sie seitdem nur selten gesehen, manchmal im Café, manchmal auf dem Markt, immer in Eile, immer konzentriert. Die Menschen in Münster kannten sich, aber oft nur oberflächlich. Haller wusste, dass Julia mehr war als ihre Akten, mehr als die Fälle, die sie bearbeitete. Er hatte gehört, dass sie sich für Kollegen einsetzte, dass sie manchmal zu viel Verantwortung übernahm, dass sie nachts lange arbeitete und morgens als Erste im Büro war.

Er dachte an Markus Voss, einen Mann, der ihm in den letzten Wochen öfter begegnet war. Markus war Wirtschaftsberater, groß, kräftig, mit dunklem Haar und Bart. Er hatte eine Vergangenheit, die von Schulden und Streitigkeiten geprägt war, eine Firma, die gescheitert war, ein Leben, das sich immer wieder neu ordnen musste. Haller hatte ihn einmal im „Herr Sonnenschein“ am Hafen getroffen, nervös, aufgebracht, mit einem Handy, das ständig klingelte. Markus war jemand, der nicht zur Ruhe kam, der immer etwas suchte – Geld, Anerkennung, einen Ausweg.

Die Stadt war voll von solchen Menschen. Haller kannte sie, weil er ihnen jeden Tag begegnete. Die Fälle waren nur die Spitze des Eisbergs, die Geschichten darunter waren oft vielschichtiger, trauriger, komplizierter.

Er dachte an Peter Schulte, einen Bauunternehmer, der in Münster einen Namen hatte. Schulte war bullig, wettergegerbt, bekannt für seine harten Methoden. Er hatte Geld, Einfluss, Freunde in der Politik, aber auch Feinde. Haller hatte ihn einmal bei einer Verhandlung erlebt, laut, fordernd, mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Schulte war jemand, der wusste, wie man Druck ausübte – und wie man ihn weitergab.

Und dann war da Felix Bertram, ein Wirtschaftsprüfer, schlank, mit grauen Haaren und einem Anzug, der immer tadellos saß. Bertram war ruhig, höflich, aber Haller wusste, dass hinter der Fassade mehr steckte. Er hatte Bertram bei einem Empfang getroffen, ein Mann, der viel wusste, aber wenig preisgab.

Die Stadt war ein Netz aus Beziehungen, aus Geschichten, aus Geheimnissen. Haller wusste, dass die Wahrheit oft im Verborgenen lag, dass die Motive der Menschen selten einfach waren. Jeder hatte seine Sorgen, seine Ängste, seine Träume.

Er dachte an Raaben, an dessen Familie, an die Gespräche, die sie führten, wenn die Arbeit vorbei war. Raaben sprach oft von Lisa und Finn, von Sabine, von den kleinen Dingen, die das Leben ausmachten – das Frühstück am Sonntag, das gemeinsame Joggen, die Fahrradtouren am Kanal. Haller hörte gerne zu, auch wenn er wusste, dass sein eigenes Leben anders war. Die Familie war für Raaben ein Anker, ein Schutz vor den Schatten der Arbeit.

Für Haller war die Arbeit der Anker. Die Fälle gaben ihm Struktur, Halt, ein Gefühl von Sinn. Aber sie nahmen ihm auch viel – Zeit, Energie, Hoffnung. Er wusste, dass er sich in den letzten Jahren verändert hatte, dass er einsamer geworden war, verschlossener. Die Kollegen merkten es, Raaben merkte es, Lina merkte es. Aber Haller wusste nicht, wie er es ändern sollte.

Er blickte auf die Uhr, trank einen Schluck Kaffee, und sah, wie Raaben das Café betrat. Er winkte ihm zu, und Raaben setzte sich, legte die Zeitung auf den Tisch, lächelte.

„Morgen, Sven. Alles klar?“

Haller nickte. „Geht so. Und bei dir?“

„Die Kinder sind früh wach gewesen. Finn will heute zum See, Lisa hat einen Test. Sabine hat einen schwierigen Patienten. Und ich habe einen schwierigen Kollegen.“

Haller lächelte. „Du bist zu gut für diese Welt.“

Raaben lachte. „Das sagen alle, bis sie mich im Verhör erleben.“

Sie sprachen über die Stadt, über die Arbeit, über die kleinen Dinge, die das Leben ausmachten. Die Routine war ihnen wichtig, das Gespräch ein Ritual, das half, die Sorgen zu teilen, die Gedanken zu ordnen.

Draußen wurde die Stadt lebendiger. Die Fahrräder klapperten über das Pflaster, die Händler riefen ihre Angebote aus, die Cafés füllten sich. Münster erwachte, und mit ihr die Geschichten, die darauf warteten, erzählt zu werden.

Haller dachte an die Fälle, die kommen würden. Er wusste, dass sie schwierig sein würden, dass sie Antworten suchen mussten, die nicht immer leicht zu finden waren. Aber er wusste auch, dass er nicht allein war. Raaben war da, die Kollegen waren da, die Stadt war da.

Er blickte auf den Dom, der im Morgenlicht aufragte, und spürte, wie die Sorgen für einen Moment nachließen. Die Stadt war voller Schatten, aber auch voller Licht. Die Menschen waren voller Ängste, aber auch voller Hoffnung.

Der Tag begann, und Haller wusste, dass er bereit war. Für die Arbeit, für die Fragen, für die Geschichten, die Münster zu erzählen hatte.

Er trank den letzten Schluck Kaffee, stand auf, und ging mit Raaben hinaus in die Stadt. Die Gassen waren noch feucht, der Nebel hob sich langsam, und Münster begann, einen neuen Tag.

Kapitel 1: Nebel über dem Aasee

Kommissar Sven Haller mochte die frühen Stunden in Münster. Das Kopfsteinpflaster der Altstadt glänzte feucht vom nächtlichen Regen, und der Dom ragte wie ein dunkler Wächter in den grauen Morgen. Haller war kein Freund von Eile, aber heute drängte die Zeit. Die Nachricht war um sechs Uhr eingegangen: Eine Leiche am Aasee.

Raaben wartete schon am Einsatzwagen, die Hände tief in den Taschen seines grauen Mantels vergraben. Sein Gesicht war wie immer undurchdringlich, nur die Brauen zuckten kurz, als Haller näherkam. - "Morgen“, sagte Haller knapp. - "Morgen“, erwiderte Raaben und deutete mit dem Kopf zum See.

Der Aasee lag still, ein dünner Nebel hing über dem Wasser. Jogger liefen wie Schatten an ihnen vorbei, keiner wagte einen Blick zur Absperrung am Ufer. Die Uniformierten hatten einen schmalen Streifen abgeriegelt, die Spuren waren noch frisch im nassen Gras.

„Wer hat sie gefunden?“, fragte Haller, während sie sich dem Tatort näherten. - "Angler. Wollte früh raus, um die besten Plätze zu kriegen. Hat wohl mehr als einen Hecht erwartet.“ Raaben klang wie immer lakonisch, fast gelangweilt.

Die Leiche lag halb im Wasser, das Gesicht zur Seite gedreht. Eine Frau, vielleicht Mitte dreißig. Das blonde Haar klebte ihr an der Stirn, die Kleidung war teuer, aber durchnässt. Haller kniete sich neben sie, musterte die Hände: Keine Abwehrspuren, aber ein goldener Ring am Finger. - "Sieht nicht nach Raub aus“, murmelte er. Raaben nickte. „Handtasche ist da, Portemonnaie auch. Keine Papiere.“

Haller blickte auf die andere Seite des Sees, wo die Türme des LWL-Museums aus dem Nebel ragten. Münster war eine Stadt, die Geheimnisse gut zu verbergen wusste. Zwischen den alten Häusern, den engen Gassen und den stillen Parks passierte mehr, als die Studenten und Touristen ahnten.

„Was meinst du?“, fragte Raaben. „Noch nichts“, sagte Haller und stand auf. „Aber ich glaube, das hier wird kein Spaziergang.“

In der Ferne läutete die Glocke des Doms. Haller sah auf die Uhr. Sie hatten wenig Zeit, bevor die Stadt erwachte und ihre Spuren verwischte. „Lass uns anfangen“, sagte er. Raaben nickte und folgte ihm, während der Nebel sich langsam hob und Münster einen neuen Tag begann.

Kapitel 2: Schatten in der Altstadt

Die Sonne kämpfte sich langsam durch die Wolken, als Sven Haller und Raaben die Leiche am Aasee dem Rechtsmediziner übergaben. Das Wasser glitzerte harmlos, doch Haller wusste, dass die Idylle trügte. Münster war eine Stadt, die ihre Schatten kannte, und heute war einer davon besonders lang.

„Wir sollten uns die Umgebung ansehen“, sagte Haller, während sie am Ufer entlanggingen. Die Jogger waren verschwunden, nur ein paar Studenten radelten auf dem Weg Richtung Universität. Raaben folgte Haller schweigend, sein Blick glitt über das Gras, die Bänke, die Papierkörbe. - "Vielleicht hat sie hier auf jemanden gewartet“, murmelte Raaben und zeigte auf eine Bank, deren Holz noch feucht war. Haller kniete sich nieder, untersuchte die Sitzfläche. Ein zerknülltes Taschentuch, ein halber Müsliriegel. Nichts Auffälliges. Doch auf dem Boden daneben lag ein zerbrochenes Handy. Das Display war gesprungen, der Akku fehlte. - "Sieht aus, als hätte jemand es absichtlich zerstört“, sagte Haller. Raaben nickte. „Oder in Panik fallen lassen. Wir nehmen es mit.“

Sie sicherten das Handy, fotografierten die Fundstelle und machten sich auf den Weg zurück zur Absperrung. Der Geruch von feuchtem Laub lag in der Luft, und Haller spürte, wie die Stadt langsam erwachte. Die Glocken des Doms läuteten erneut, und irgendwo in der Ferne begann ein Markt aufzubauen.

„Ich rufe die Spurensicherung“, sagte Raaben.

„Mach das. Ich will wissen, ob jemand die Frau gesehen hat. Wir sollten uns in den Cafés umhören.“

Sie gingen gemeinsam Richtung Ludgeristraße, vorbei an den ersten Bäckereien, deren Duft nach frischem Brot und Kaffee durch die Straßen zog. Münster war bekannt für seine Cafés, und Haller wusste, dass hier morgens viele Stammgäste saßen. Vielleicht hatte jemand etwas gesehen.

Im „Café Med“, einem beliebten Treffpunkt für Studenten und Professoren, war es schon voll. Haller zeigte seinen Ausweis, sprach mit der Bedienung. „Entschuldigen Sie, ist Ihnen heute Morgen etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Eine Frau, blond, etwa Mitte dreißig?“

Die Bedienung schüttelte den Kopf. „Hier war alles wie immer. Die Stammgäste, ein paar Touristen. Niemand, der auffiel.“

Haller bedankte sich und blickte sich um. Raaben stand am Fenster, beobachtete die Straße. - "Wir sollten zum Aegidiimarkt gehen“, sagte er leise. „Da ist mehr los.“

Sie verließen das Café, gingen die Straße entlang. Die Stadt war jetzt lebendig, Fahrräder klapperten über das Pflaster, Händler bauten ihre Stände auf. Der Aegidiimarkt war ein Ort, an dem sich viele Wege kreuzten. Hier trafen sich die Menschen, hier wurden Gerüchte geboren.

Am Obststand sprach Haller mit einer älteren Verkäuferin. - "Haben Sie heute früh eine Frau gesehen, blond, schicke Kleidung? Vielleicht war sie in Begleitung?“

Die Verkäuferin überlegte. „Da war eine Frau, ja. Sie stand allein, hat auf ihr Handy gestarrt. Dann kam ein Mann, groß, dunkle Jacke. Sie haben sich gestritten, glaube ich. Ich habe nicht alles verstanden, aber sie wirkte aufgeregt.“

„Wann war das?“

„Kurz nach sechs. Es war noch dunkel.“

Haller notierte die Aussage. - "Können Sie den Mann beschreiben?“

„Groß, kräftig. Dunkle Haare, Bart. Er hat sehr laut gesprochen, aber ich konnte nicht verstehen, worum es ging.“

Raaben nickte. „Wir sollten die Überwachungskameras prüfen. Hier sind doch welche.“

Sie gingen zum nächsten Geschäft, baten um die Aufnahmen. Der Besitzer war kooperativ, zeigte ihnen die Bilder vom Morgen. Tatsächlich: Um 6:09 Uhr sahen sie die Frau, blond, elegant gekleidet, wie sie am Stand stand und auf ihr Handy sah. Dann trat ein Mann zu ihr, groß, dunkle Jacke, Bart. Die beiden diskutierten, die Frau wirkte angespannt. Der Mann gestikulierte wild, dann verließ die Frau den Markt, ging Richtung Aasee. Der Mann folgte ihr mit Abstand.

„Wir haben ihn“, sagte Raaben.Haller nickte. „Wir brauchen die Bilder für die Fahndung. Und wir sollten herausfinden, wer die Frau ist.“

Sie kehrten zum Präsidium am Friesenring zurück. Der Flur roch nach Kaffee und Papier, Kollegen grüßten knapp. Im Büro legte Haller das zerbrochene Handy auf den Tisch. - "Vielleicht finden wir hier Hinweise auf ihre Identität.“

Die IT-Abteilung war schnell. Nach einer halben Stunde hatten sie die ersten Ergebnisse. - "Das Handy gehört einer Julia Meißner“, sagte die junge Kollegin. „Wohnhaft in Münster, arbeitet als Anwältin in einer Kanzlei am Prinzipalmarkt.“

Haller runzelte die Stirn. „Eine Anwältin. Das erklärt die teure Kleidung.“

Sie recherchierten weiter. Julia Meißner, 34 Jahre, spezialisiert auf Wirtschaftsrecht. Keine Vorstrafen, keine Auffälligkeiten. Ledig, laut Einwohnermeldeamt. „Wir sollten zur Kanzlei“, sagte Raaben. Haller nickte. „Und ihre Wohnung überprüfen.“

Sie fuhren zum Prinzipalmarkt, vorbei an den Arkaden, den alten Häusern mit ihren Giebeln. Die Kanzlei lag im ersten Stock eines historischen Gebäudes, die Fenster blickten auf das bunte Treiben unten.Die Sekretärin war blass, als sie von Julia Meißner hörte. „Sie ist heute nicht erschienen. Das ist ungewöhnlich, sie ist immer pünktlich." - "Hatte sie in letzter Zeit Probleme? Streit mit Kollegen oder Mandanten?“ Die Sekretärin zögerte. „Sie wirkte in letzter Zeit gestresst. Hat oft mit einem Mann telefoniert, ich glaube, es war ein Mandant. Sie wollte nicht darüber sprechen.“

Haller bat um die Kontaktdaten der Mandanten, ließ sich Julias Büro zeigen. Der Raum war ordentlich, Akten gestapelt, ein Laptop auf dem Schreibtisch. - "Wir nehmen den Laptop mit“, sagte Raaben.Die Sekretärin nickte, Tränen standen ihr in den Augen.

In Julias Wohnung, einer modernen Altbauwohnung am Kreuzviertel, fanden sie keine Spuren von Gewalt. Die Wohnung war aufgeräumt, persönliche Fotos zeigten Julia allein, beim Wandern, auf Reisen. Im Schlafzimmer lag ein Brief auf dem Nachttisch.Haller öffnete ihn vorsichtig.

„Julia, ich kann das nicht mehr. Wir müssen reden. Ruf mich an. – M.“

Raaben las über Hallers Schulter. „M. Wer könnte das sein?" - "Wir sollten ihre Kontakte prüfen. Vielleicht ein Mandant, vielleicht jemand aus ihrem privaten Umfeld.“

Sie durchsuchten die Wohnung weiter, fanden nichts Auffälliges. Im Badezimmer lagen Medikamente gegen Schlaflosigkeit, in der Küche ein angebrochener Rotwein. - "Sie war nervös, vielleicht hatte sie Angst“, sagte Haller leise.

Zurück im Präsidium sichteten sie die Daten vom Laptop. Julia hatte in den letzten Tagen viele E-Mails geschrieben, die meisten geschäftlich. Doch eine Korrespondenz stach hervor: Ein intensiver Austausch mit einem Mann namens Markus Voss. - "Markus Voss. Wirtschaftsberater, wohnhaft in Münster. Sie haben sich oft getroffen, die letzten Mails sind angespannt.“

Haller las die letzte Nachricht:„Julia, du musst mir helfen. Es geht um alles. Ich kann nicht mehr warten. Bitte komm zum Aasee. – Markus“

Raaben sah auf die Uhr. „Das war gestern Abend. Er wollte sie am See treffen.“

Sie recherchierten Markus Voss. Keine Vorstrafen, aber in den letzten Monaten war er in mehrere Streitigkeiten verwickelt. Schulden, Ärger mit Geschäftspartnern. - "Wir sollten ihn aufsuchen“, sagte Raaben.

Markus Voss wohnte in einem modernen Neubau am Hafen. Die Gegend war beliebt, Cafés und Restaurants säumten das Wasser. Sie klingelten, niemand öffnete. - "Wir brauchen einen Durchsuchungsbeschluss“, sagte Haller.

Raaben nickte. „Ich kläre das.“

Während sie warteten, sprachen sie mit Nachbarn. Eine Frau im dritten Stock erinnerte sich: „Markus war gestern Abend sehr aufgeregt. Er telefonierte laut auf dem Balkon, schien zu streiten. Später verließ er das Haus, kam erst gegen Mitternacht zurück.“

Haller notierte die Aussage. - "Hat er Besuch bekommen?" - "Nein, er war allein.“

Als sie endlich die Wohnung betreten durften, fanden sie Markus Voss nicht vor. Die Wohnung war unordentlich, Kleidung lag herum, auf dem Tisch standen leere Bierflaschen. Im Schlafzimmer lag ein zerknülltes Hemd, im Bad ein blutiges Handtuch. - "Hier ist Blut“, sagte Raaben.Haller untersuchte das Handtuch. „Nicht viel, aber frisch.“

Sie sicherten die Spuren, suchten nach weiteren Hinweisen. Auf dem Schreibtisch lag ein Notizbuch, darin ein Eintrag:„Julia, 6 Uhr, Aasee. Muss alles klären.“

Raaben sah Haller an. „Er war dort. Aber wo ist er jetzt?“

Sie überprüften Markus’ Handy. Es war ausgeschaltet, aber die letzten Anrufe gingen an Julia und an eine unbekannte Nummer. - "Wir müssen diese Nummer zurückverfolgen“, sagte Haller.

Im Präsidium arbeitete die IT fieberhaft. Die Nummer gehörte zu einem Prepaid-Handy, registriert auf einen falschen Namen. - "Vielleicht ein Komplize“, murmelte Raaben.

Während sie warteten, meldete sich die Spurensicherung. - "Wir haben Fingerabdrücke am Handy und an der Bank am Aasee. Einer gehört zu Markus Voss.“

Haller schloss die Augen. Die Spuren verdichteten sich. Julia Meißner war am Morgen mit Markus Voss am Aasee gewesen. Sie hatten gestritten, ihr Handy war zerstört worden. Markus war seitdem verschwunden, in seiner Wohnung fanden sie Blutspuren.

„Wir müssen ihn finden“, sagte Haller. Raaben nickte. „Und herausfinden, was wirklich passiert ist.“

Sie setzten eine Fahndung nach Markus Voss auf. Streifenwagen suchten die Umgebung ab, Kollegen befragten Freunde und Geschäftspartner.Haller fuhr zum Aasee zurück, betrachtete den Uferstreifen, wo Julia gefunden worden war. Die Sonne stand jetzt hoch, das Wasser glitzerte. Spaziergänger gingen vorbei, ahnten nichts von dem Drama, das sich hier abgespielt hatte.

Er setzte sich auf die Bank, die Julia vielleicht benutzt hatte. In der Ferne hörte er das Läuten der Domglocken, das Rauschen der Fahrräder. Münster war friedlich, doch Haller wusste, dass unter der Oberfläche etwas lauerte.

Er dachte an Julia. Eine erfolgreiche Anwältin, die sich mit Markus Voss getroffen hatte. Ein Mann mit Problemen, Schulden, Streitigkeiten. Sie hatten sich gestritten, Julia war tot, Markus verschwunden.Doch Haller spürte, dass etwas fehlte. Die Spuren waren eindeutig, aber das Motiv war unklar. Warum sollte Markus Julia töten? Was war so wichtig, dass er sie am See treffen wollte?

Er rief Raaben an. - "Wir müssen mehr über Markus herausfinden. Wer sind seine Geschäftspartner, wer seine Feinde? Vielleicht gibt es einen dritten Beteiligten.“

Raaben war schon dabei, die Kontakte zu überprüfen. - "Er hatte Streit mit einem Mann namens Peter Schulte. Die beiden haben sich letzte Woche im „Gasthaus Leve“ geprügelt. Schulte ist ein Bauunternehmer, bekannt für harte Methoden.“

Haller nickte. „Wir sollten ihn befragen.“

Sie trafen Peter Schulte in seinem Büro am Hafen. Der Mann war bullig, das Gesicht wettergegerbt. - "Markus? Ja, wir hatten Streit. Er schuldet mir Geld. Aber ich habe mit Julia nichts zu tun." - "Wo waren Sie heute früh?" - "Im Büro. Meine Sekretärin kann das bestätigen.“

Die Alibis wurden überprüft, doch Schulte blieb verdächtig. Sein Ton war aggressiv, seine Antworten knapp.

Zurück im Präsidium sichteten sie die Ergebnisse. Die Blutspuren in Markus’ Wohnung stammten von ihm selbst, nicht von Julia. - "Er hat sich verletzt, vielleicht im Streit“, sagte Raaben. - "Oder er war nach der Tat nervös“, ergänzte Haller.

Sie überprüften die Überwachungskameras am Aasee. Um 6:30 Uhr sahen sie Markus, wie er das Ufer verließ, den Kopf gesenkt, die Hände in den Taschen. Er ging Richtung Innenstadt, verschwand in einer Seitenstraße.

Haller spürte, wie sich die Schlinge zuzog. Markus war am Tatort, er hatte mit Julia gestritten, er war verletzt und verschwunden. Doch war er wirklich der Täter? Oder war er selbst in Gefahr?

Sie setzten alles daran, Markus zu finden. Kollegen durchsuchten Hotels, befragten Taxifahrer, überprüften Krankenhäuser. Doch Markus blieb verschwunden.

Am Abend saß Haller in seinem Büro, die Akte vor sich. Die Stadt war ruhig, das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich im Fenster.Er dachte an Julia, an Markus, an die Schatten der Stadt. Münster war friedlich, doch in den Gassen lauerte das Dunkel.

Haller wusste, dass der Fall noch lange nicht gelöst war. Zu viele Fragen blieben offen. Wer hatte Julia wirklich getötet? Wo war Markus? Und was verband die beiden wirklich?

Er nahm einen Schluck kalten Kaffee, sah auf die Fotos vom Tatort. Die Stadt schlief, doch Haller war wach. Der Schatten am Aasee war nur der Anfang.Und irgendwo in Münster wartete die Wahrheit darauf, entdeckt zu werden.

Kapitel 3: Versteckte Spuren

Das Licht der Straßenlaternen spiegelte sich auf dem nassen Asphalt, als Sven Haller spät am Abend noch einmal durch die Altstadt ging. Die Glocken des Doms hatten längst das Ende des Tages eingeläutet, aber in Münster schlief niemand wirklich tief. Haller wusste das aus Erfahrung. Die Stadt war voller Leben, voller Geschichten – und manchmal auch voller Geheimnisse.

Er hatte das Gefühl, dass der Fall um Julia Meißner und Markus Voss mehr war als ein Streit unter Geschäftspartnern. Die Spuren waren widersprüchlich, die Motive unklar. Haller spürte, dass sie etwas übersahen. Etwas, das sich zwischen den Zeilen verbarg, in den Schatten der alten Häuser und den stillen Parks.

Er ging langsam die Rothenburg entlang, vorbei an den kleinen Boutiquen und Cafés, die jetzt geschlossen waren. Die Stadt war ruhig, aber Haller hörte das leise Summen der Fahrräder, das entfernte Lachen aus einer Kneipe. Münster war nie ganz still.

Sein Handy vibrierte. Raaben.

„Ich habe die letzten Kontobewegungen von Julia Meißner und Markus Voss überprüft“, sagte Raaben, ohne Begrüßung. „Da ist etwas Seltsames. Julia hat vor zwei Tagen eine größere Summe auf ein Schweizer Konto überwiesen. Markus hat kurz darauf versucht, Geld abzuheben, aber sein Konto war leer.“

Haller runzelte die Stirn. „Das klingt nach Erpressung oder Flucht.“

„Vielleicht beides. Ich habe außerdem mit Julias Kanzlei gesprochen. Sie hatte einen neuen Mandanten, einen gewissen Dr. Felix Bertram. Wirtschaftsprüfer, aber in letzter Zeit auffällig oft in der Kanzlei.“

Haller blieb stehen und dachte nach. „Bertram. Ist er in den Akten?“

„Nein. Aber ich habe einen Termin mit ihm vereinbart. Morgen früh, acht Uhr.“

„Gut. Ich komme dazu.“

Haller steckte das Handy weg und ging weiter. Die Stadt war jetzt fast leer, nur ein paar Nachtschwärmer schlenderten über den Prinzipalmarkt. Er dachte an die Überweisung. Julia hatte Geld ins Ausland geschafft – warum? Hatte sie Angst? Wollte sie fliehen? Oder wurde sie erpresst?

Er erinnerte sich an den Brief in ihrer Wohnung. „Julia, ich kann das nicht mehr. Wir müssen reden. Ruf mich an. – M.“ War das Markus? Oder jemand anderes? Haller spürte, dass die Antwort in Julias Vergangenheit lag.

Er kehrte ins Präsidium zurück, setzte sich an seinen Schreibtisch. Die Akte wuchs, aber die Antworten blieben aus. Er öffnete Julias Laptop, suchte nach persönlichen Dateien. Zwischen den E-Mails und Akten fand er einen Ordner: „Privat“. Das Passwort war schnell geknackt – Julias Geburtsdatum.

Im Ordner lagen Fotos, Briefe, Scans von Dokumenten. Haller klickte sich durch die Dateien, bis er auf einen Scan stieß: Ein Vertrag, unterschrieben von Julia und Markus. Es ging um eine Firma, „Voss & Meißner Consulting“. Die Firma war vor drei Jahren gegründet, dann aber schnell wieder aufgelöst.Haller las die Details. Die Firma hatte Schulden gemacht, ein Kredit war nie zurückgezahlt worden. Markus war als Geschäftsführer eingetragen, Julia als Teilhaberin.

Er rief Raaben an. „Die beiden waren Geschäftspartner. Die Firma ist pleite gegangen, Markus hat Schulden. Vielleicht hat Julia das Geld überwiesen, um ihn zu retten.“

„Oder um sich freizukaufen“, sagte Raaben. „Ich habe außerdem herausgefunden, dass Markus in den letzten Tagen mehrfach mit einem Mann namens Bertram telefoniert hat.“

„Dann ist Bertram der Schlüssel.“

Am nächsten Morgen war Münster in Nebel gehüllt. Die Fahrräder glitten lautlos durch die Straßen, die Cafés öffneten langsam ihre Türen. Haller traf Raaben vor der Kanzlei, beide waren müde, aber entschlossen.

Dr. Felix Bertram wartete im Konferenzraum. Er war ein schlanker Mann, graue Haare, teurer Anzug. Seine Hände zitterten leicht, als er die Polizisten begrüßte.

„Sie möchten mit mir über Julia Meißner sprechen?“

Haller nickte. „Sie war Ihre Anwältin. Was können Sie uns über die letzten Tage sagen?“

Bertram räusperte sich. „Julia war nervös. Sie sagte, sie müsse etwas regeln, bevor sie einen Fall übernehmen könne. Ich habe sie am Montag getroffen, sie wirkte gehetzt. Dann hat sie mich gebeten, einen Vertrag zu prüfen – es ging um eine Firma, Voss & Meißner Consulting.“

Raaben zeigte ihm den Scan. „Diesen Vertrag?“

Bertram nickte. „Genau den. Sie wollte wissen, ob sie noch haftet. Ich habe ihr gesagt, dass die Verjährung erst nächstes Jahr greift.“

Haller lehnte sich vor. „Haben Sie Markus Voss getroffen?“

Bertram zögerte. „Er hat mich angerufen. Wollte wissen, ob Julia ihm helfen kann. Ich habe ihm gesagt, dass sie vorsichtig sein muss. Markus wirkte verzweifelt.“

„Worum ging es bei den Telefonaten?“

„Er hat Schulden. Ein Bauunternehmer setzt ihn unter Druck. Peter Schulte.“

Haller und Raaben tauschten einen Blick. Schulte war bereits auf ihrer Liste. - "Hat Julia Ihnen gesagt, dass sie Geld ins Ausland überwiesen hat?“

Bertram schüttelte den Kopf. „Nein. Aber sie hat mir angedeutet, dass sie eine Lösung sucht. Sie wollte Markus helfen, aber nicht um jeden Preis.“

Raaben schrieb mit. „Wissen Sie, ob Julia bedroht wurde?“

Bertram sah sie an. „Sie hatte Angst. Sie hat mir gesagt, dass jemand sie verfolgt. Sie wollte nicht sagen, wer.“

Haller spürte, wie sich die Puzzleteile langsam fügten. Julia hatte Angst, Markus war verzweifelt, Schulte setzte beide unter Druck. - "Wissen Sie, wo Markus jetzt ist?“

Bertram schüttelte den Kopf. „Er hat mir gestern Abend noch eine SMS geschrieben. Er wollte sich mit Julia am Aasee treffen. Danach habe ich nichts mehr gehört.“

Sie verabschiedeten sich von Bertram und gingen zurück ins Präsidium. Der Nebel hatte sich verzogen, die Stadt war jetzt voller Leben. Haller fühlte sich wie ein Schatten in der Menge.

Im Büro wartete eine Nachricht von der Spurensicherung. Die Blutspuren in Markus’ Wohnung waren frisch, aber nicht lebensgefährlich. Es gab keine Hinweise auf einen Kampf, keine fremden DNA-Spuren.

Haller setzte sich an seinen Schreibtisch, betrachtete die Akte. Sie hatten Julia, Markus, Schulte und Bertram – vier Menschen, deren Leben sich in den letzten Tagen auf gefährliche Weise gekreuzt hatten.

Er rief Schulte erneut an, bat um ein persönliches Gespräch. Schulte war gereizt, aber bereit, sich im „Gasthaus Leve“ zu treffen – einem der ältesten Lokale Münsters, bekannt für seine dunkle Holzvertäfelung und das herbe Bier.

Am Nachmittag saßen Haller und Raaben Schulte gegenüber. Der Bauunternehmer war nervös, spielte mit seinem Glas.

„Was wollen Sie noch wissen? Ich habe gesagt, ich war im Büro.“

Haller blieb ruhig. „Wir wissen, dass Sie Markus Voss unter Druck gesetzt haben. Warum?“

Schulte lachte bitter. „Er schuldet mir Geld. Viel Geld. Ich habe ihm einen Kredit gegeben, damit er seine Firma retten kann. Aber er hat alles verspielt.“

„Haben Sie Julia Meißner bedroht?“

Schulte schüttelte den Kopf. „Ich habe mit ihr gesprochen. Sie wollte Markus helfen, aber sie hatte Angst vor ihm. Ich habe ihr geraten, sich rauszuhalten.“

Raaben griff ein. „Waren Sie am Aasee?“

Schulte trank einen Schluck. „Nein. Ich war im Büro. Meine Sekretärin kann das bestätigen.“

Haller sah ihn an. „Was wissen Sie über Bertram?“

Schulte zuckte die Schultern. „Er ist ein Wirtschaftsprüfer. Hat mir mal geholfen, meine Bücher zu ordnen. Aber er ist harmlos.“

Sie beendeten das Gespräch, notierten Schultes Alibi. Haller spürte, dass Schulte mehr wusste, als er zugab. Aber er war kein Mörder – zumindest nicht in diesem Fall.

Zurück im Präsidium prüften sie die Überwachungskameras am Hafen. Markus Voss war nach dem Treffen am Aasee Richtung Hafen gegangen, dann verschwunden. Die letzten Bilder zeigten ihn, wie er in ein Café ging – das „Herr Sonnenschein“, ein beliebter Treffpunkt für Geschäftsleute.

Haller und Raaben fuhren zum Café, sprachen mit der Bedienung. - "Markus Voss? Ja, er war gestern früh hier. Sah schlecht aus, hat einen Kaffee getrunken, dann telefoniert. Er wirkte nervös.“

„Mit wem hat er gesprochen?“

„Keine Ahnung. Aber er hat das Café gegen sieben verlassen.“

Sie überprüften die Anrufliste von Markus’ Handy. Der letzte Anruf ging an die Prepaid-Nummer, die sie bereits kannten.Haller ließ die Nummer orten. Sie war zuletzt in der Nähe des Bahnhofs aktiv.

Sie fuhren zum Bahnhof, suchten nach Zeugen. Ein Taxifahrer erinnerte sich:„Markus Voss? Ja, ich habe ihn gestern früh zum Hotel Mauritzhof gebracht. Er war aufgeregt, hat ständig telefoniert.“

Im Mauritzhof fanden sie Markus’ Namen im Gästebuch. Er hatte ein Zimmer für eine Nacht gebucht, war aber nicht mehr da. Die Rezeptionistin sagte, er habe das Hotel gegen neun Uhr verlassen, ohne Gepäck.

Haller durchsuchte das Zimmer. Es war leer, nur ein zerknüllter Zettel lag auf dem Tisch:„Julia, ich wollte dir helfen. Es ist alles schiefgegangen. – M.“

Raaben las den Zettel. „Er bereut etwas. Aber was?“

Sie überprüften die Überwachungskameras des Hotels. Markus verließ das Gebäude, ging Richtung Promenade, den grünen Gürtel, der sich um die Altstadt zieht. Die Promenade war ein beliebter Ort für Spaziergänger, aber auch für Menschen, die verschwinden wollten.

Haller und Raaben folgten der Spur, befragten Passanten. Niemand hatte Markus gesehen. Doch am Rand der Promenade, nahe dem Schlosspark, fanden sie eine Tasche – Markus’ Aktentasche. Darin lag ein Laptop, ein paar Unterlagen, und ein Umschlag mit Bargeld.

Sie nahmen die Tasche mit, untersuchten den Laptop. Die Dateien waren verschlüsselt, aber die IT-Abteilung war schnell. Sie fanden E-Mails zwischen Markus und Julia, in denen von „Druck von oben“ die Rede war. - "Jemand wollte, dass Markus Julia unter Druck setzt“, sagte Raaben.

„Schulte?“

„Vielleicht. Aber es gibt noch einen Namen: R. Bertram.“

Haller stutzte. „Bertram?“

Sie überprüften die E-Mails. Bertram hatte Markus mehrfach gewarnt, Julia solle zahlen, sonst würde „etwas passieren“. - "Bertram ist nicht harmlos“, sagte Haller.

Sie konfrontierten Bertram erneut, diesmal in seiner Wohnung am Hafen. Der Wirtschaftsprüfer war nervös, seine Hände zitterten stärker als am Morgen.

„Was wollen Sie?“

Haller zeigte ihm die E-Mails. „Sie haben Markus unter Druck gesetzt. Warum?“

Bertram wich zurück. „Ich wollte nur mein Geld. Markus schuldet mir Geld, Julia sollte zahlen. Aber ich habe sie nicht bedroht.“

Raaben blieb hartnäckig. „Sie haben gesagt, Julia hatte Angst. Vor wem?“

Bertram sah sie an, dann brach er zusammen. „Ich habe Markus gewarnt, er solle Julia nicht zu sehr unter Druck setzen. Aber Schulte wollte sein Geld, und ich wollte meins. Ich habe Markus gesagt, er solle Julia dazu bringen, zu zahlen.“

Haller spürte, dass Bertram mehr wusste. „Wo ist Markus jetzt?“

Bertram schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Er hat mir gestern Abend geschrieben, er wolle alles klären. Ich habe ihm gesagt, er solle Julia nicht wehtun.“

Raaben notierte alles. „Sie haben also beide unter Druck gesetzt. Aber wer war am Aasee?“

Bertram schwieg. Dann sagte er leise: „Ich war nicht dort. Aber Schulte hat mir gesagt, er wolle Julia treffen. Vielleicht war er doch da.“

Sie überprüften erneut Schultes Alibi. Die Sekretärin bestätigte, dass Schulte gegen sechs Uhr das Büro verlassen hatte, erst um acht zurückkam. - "Er war also nicht die ganze Zeit im Büro“, sagte Haller.

Sie konfrontierten Schulte erneut, diesmal im Präsidium. - "Sie haben Julia Meißner am Aasee getroffen.“

Schulte schwieg. Dann sagte er: „Ich wollte sie nur warnen. Ich habe sie gesehen, wie sie mit Markus gestritten hat. Ich bin näher gegangen, aber dann bin ich weggegangen. Ich habe sie nicht getötet.“

Raaben blieb ruhig. „Wer war sonst noch da?“

Schulte sah sie an. „Da war noch jemand. Ein Mann, den ich nicht kannte. Dunkle Jacke, Kapuze. Er stand im Schatten, hat alles beobachtet.“

Haller spürte, wie sich das Netz zuziehen wollte. Ein Unbekannter, ein Schatten am Aasee. - "Können Sie ihn beschreiben?“

„Nicht genau. Er war groß, kräftig. Ich habe sein Gesicht nicht gesehen.“

Sie überprüften die Überwachungskameras am Aasee erneut. Tatsächlich: Neben Julia und Markus tauchte kurz ein dritter Mann auf, Kapuze, dunkle Jacke. Er blieb im Hintergrund, verschwand dann Richtung Promenade.

Haller und Raaben setzten eine Fahndung nach dem Unbekannten auf. Sie überprüften die Bilder, suchten nach Hinweisen. Die Stadt war jetzt ein Puzzle aus Spuren, Motiven und Geheimnissen.

Am Abend saßen sie im Büro, die Akte vor sich. Julia Meißner war tot, Markus Voss verschwunden, Schulte und Bertram unter Druck. Aber der wahre Täter war noch irgendwo da draußen – ein Schatten in Münster, verborgen zwischen den alten Häusern und den stillen Parks.

Haller wusste, dass sie ihm näher kamen. Die Stadt schlief, aber die Wahrheit war wach. Und morgen würden sie den Schatten finden, der alles ins Dunkel gestürzt hatte.

Kapitel 4: Julias Schatten

Das Licht des Morgens war blass, als Kommissar Sven Haller im Präsidium saß und die Akte von Julia Meißner erneut durchblätterte. Die Fakten lagen vor ihm: Eine erfolgreiche Anwältin, tot am Aasee, verstrickt in die Schulden und Streitigkeiten ihres ehemaligen Geschäftspartners Markus Voss. Doch die Motive, die Julia an den See geführt hatten, blieben verschwommen – wie der Nebel, der noch immer über Münster hing.

Haller wusste, dass die Wahrheit oft zwischen den Zeilen lag. Er beschloss, tiefer in Julias Leben einzutauchen. Nicht nur in ihre Kanzleiakten, sondern in ihr privates Umfeld, ihre Beziehungen, ihre Ängste. Vielleicht würde er so verstehen, was Julia wirklich antrieb – und warum sie am Ende allein am Ufer stand.

Er begann mit Julias Wohnung. In den Tagen zuvor hatten sie die offensichtlichen Spuren gesichert: den Brief auf dem Nachttisch, die Medikamente gegen Schlaflosigkeit, die Fotos von Reisen und Wanderungen. Doch Haller fiel ein Detail auf, das er übersehen hatte: In einem Regal stand ein schmaler, in Leder gebundener Notizblock. Kein offizielles Tagebuch, sondern eher ein privates Journal, unscheinbar zwischen Romanen und Fachliteratur versteckt.

Er nahm das Buch vorsichtig heraus und blätterte durch die Seiten. Die Handschrift war klar, aber die Einträge waren oft abgehackt, manchmal nur Stichworte, manchmal ganze Absätze voller Gedanken.

12. März:„Markus hat wieder angerufen. Er klingt verzweifelt, aber ich weiß nicht, wie ich ihm noch helfen soll. Die Kanzlei ist ausgelastet, und ich habe kaum Zeit für mich. Ich spüre, wie der Druck wächst. Ich will nicht, dass alles wieder hochkommt – die Firma, die Schulden, die Fehler.“

22. März:„Schulte war heute in der Kanzlei. Er war freundlich, aber ich habe gemerkt, dass er etwas will. Markus hat ihm Geld versprochen, das er nicht hat. Ich habe Angst, dass Schulte nicht nur Markus unter Druck setzt. Ich will da raus, aber ich weiß nicht wie.“

2. April:„Bertram hat mir geraten, das Geld zu überweisen. Ich habe lange nachgedacht. Es fühlt sich falsch an, aber vielleicht ist es der einzige Weg, Markus und mich zu retten. Ich will nicht, dass jemand zu Schaden kommt. Ich will endlich wieder ruhig schlafen.“

Haller las die Einträge mit wachsender Beklemmung. Julia war nicht nur Anwältin und Geschäftspartnerin, sie war auch eine Frau, die sich in einem Netz aus Schuld und Verantwortung verfangen hatte. Sie wollte helfen, aber sie wusste, dass ihre Hilfe einen Preis hatte.

Er beschloss, mit Julias bester Freundin zu sprechen. Die Spurensicherung hatte in Julias Handy eine Nummer gefunden, die sie regelmäßig kontaktierte: Anna Becker, Lehrerin am Gymnasium Paulinum. Haller rief sie an und bat um ein Gespräch.

Anna empfing ihn in ihrer Wohnung, ein heller Raum voller Bücher und Pflanzen. Sie wirkte gefasst, aber traurig, als sie von Julia sprach.

„Julia war immer stark“, sagte Anna. „Sie hat nie viel über ihre Arbeit gesprochen, aber in den letzten Wochen war sie verändert. Sie hat oft nachts angerufen, wollte reden. Sie hatte Angst – nicht um sich, sondern um Markus. Sie hat sich verantwortlich gefühlt.“

„Wieso?“ fragte Haller.

Anna seufzte. „Die Firma damals, Voss & Meißner Consulting, war ihr Traum. Sie wollte etwas Eigenes aufbauen, unabhängig sein. Aber Markus hat Fehler gemacht, und Julia hat versucht, alles zu retten. Sie hat Schulden übernommen, Verträge unterschrieben, die sie nicht verstand. Am Ende war sie diejenige, die alles ausbaden musste.“

„Hat sie über Schulte gesprochen?“

„Nur einmal. Sie hat gesagt, er sei gefährlich. Sie wollte ihm aus dem Weg gehen, aber Markus hat sie immer wieder hineingezogen. Sie konnte nicht loslassen.“

„Und Bertram?“

Anna nickte. „Er war ihr Berater, aber auch ein Freund. Julia hat ihm vertraut, aber ich glaube, er hat sie auch unter Druck gesetzt. Sie hat mir erzählt, dass er ihr geraten hat, das Geld zu überweisen, um endlich Ruhe zu haben.“

Haller notierte alles. Julia war zwischen den Fronten geraten: Markus, der sie brauchte; Schulte, der sie bedrohte; Bertram, der sie drängte. Und sie selbst, die versuchte, alles zu kontrollieren – und dabei immer tiefer in den Strudel geriet.

Er fragte Anna nach Julias Familie. „Sie hat wenig Kontakt zu ihren Eltern“, sagte Anna. „Sie sind streng, wollten immer, dass Julia erfolgreich ist. Sie hat nie über ihre Gefühle gesprochen, nur über Arbeit und Pflichten. Ich glaube, sie wollte ihnen beweisen, dass sie stark ist.“

Haller verstand. Julia war nicht nur Opfer äußerer Umstände, sondern auch ihrer eigenen Ansprüche. Sie wollte helfen, retten, stark sein – und hat dabei sich selbst vergessen.

Zurück im Präsidium, bat Haller die IT-Abteilung, Julias Laptop noch einmal zu durchsuchen. Sie fanden einen Ordner mit privaten E-Mails, die Julia nie abgeschickt hatte – Entwürfe, Gedanken, Briefe an Markus, an ihre Eltern, an sich selbst.

Entwurf an Markus:„Du hast mich gebeten, dir zu helfen. Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich habe Angst, dass ich mich verliere, wenn ich weiter versuche, deine Fehler auszubügeln. Ich will nicht, dass du untergehst, aber ich kann nicht alles tragen.“

Entwurf an ihre Mutter:„Du hast immer gesagt, ich soll stark sein. Ich habe es versucht, aber manchmal weiß ich nicht, ob ich das wirklich bin. Ich habe Angst, Fehler zu machen. Ich habe Angst, euch zu enttäuschen.“

Entwurf an sich selbst:„Ich muss einen Weg finden, aus dem Schatten zu treten. Ich will nicht mehr nur funktionieren. Ich will leben.“

Haller las die Zeilen und spürte, wie sich das Bild von Julia veränderte. Sie war keine kalte Anwältin, keine reine Geschäftsfrau, sondern ein Mensch voller Zweifel, Ängste und Sehnsüchte. Sie wollte helfen, aber sie wusste nicht, wie sie sich selbst retten sollte.

Er beschloss, die Kanzlei noch einmal zu besuchen. Die Sekretärin, Frau Lenz, empfing ihn mit roten Augen.

„Julia war immer freundlich“, sagte sie. „Aber in den letzten Wochen war sie oft abwesend, hat Fehler gemacht, war nervös. Sie hat oft mit Markus telefoniert, manchmal geweint. Ich habe sie gefragt, ob alles in Ordnung ist, aber sie hat nur gelächelt.“

„Hat sie über ihre Probleme gesprochen?“

Frau Lenz schüttelte den Kopf. „Nie. Sie war stolz. Sie wollte nicht, dass jemand merkt, wie schwer es ihr fällt.“

Haller bat um Einsicht in Julias Arbeitsunterlagen. In einem Ordner fand er einen Vertrag, den Julia unterschrieben hatte – eine Bürgschaft für Markus’ Schulden. Sie hatte sich finanziell und persönlich für ihn eingesetzt, obwohl sie wusste, dass es gefährlich war.

Er sprach mit einem Mandanten, Herrn Schneider, der Julia in den letzten Wochen erlebt hatte.

„Sie war eine hervorragende Anwältin“, sagte Schneider. „Aber sie war nicht mehr die Alte. Sie hat mir gesagt, dass sie eine schwere Entscheidung treffen muss. Sie wollte nicht ins Detail gehen, aber ich habe gemerkt, dass sie Angst hatte.“

Haller fragte nach. „Hat sie von Markus gesprochen?“

„Ja. Sie hat gesagt, dass er Hilfe braucht, aber sie weiß nicht, ob sie ihm noch helfen kann. Sie hat mir gesagt, dass sie sich verantwortlich fühlt, aber auch, dass sie nicht mehr weiterweiß.“

Zurück im Präsidium, setzte sich Haller an seinen Schreibtisch und fasste zusammen:

Julia Meißner war eine Frau, die sich zwischen Pflicht und Freiheit aufgerieben hatte. Sie wollte Markus helfen, weil sie sich verantwortlich fühlte – für die Firma, für die Schulden, für die Fehler der Vergangenheit. Sie wollte Schulte aus dem Weg gehen, aber konnte nicht, weil Markus sie immer wieder hineinzog. Sie vertraute Bertram, aber er drängte sie zu Entscheidungen, die sie nicht wollte.

Am Ende war Julia allein. Sie hatte das Geld überwiesen, in der Hoffnung, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Sie hatte sich mit Markus am Aasee getroffen, um einen Schlussstrich zu ziehen. Aber die Angst war stärker als die Hoffnung. Sie war nicht nur Opfer der Umstände, sondern auch ihrer eigenen Ansprüche und Gefühle.

Haller las noch einmal den letzten Tagebucheintrag:

5. April:„Ich weiß nicht, was morgen kommt. Ich habe alles getan, was ich konnte. Vielleicht ist das genug. Vielleicht nicht. Ich hoffe, dass Markus versteht, dass ich nicht mehr kann. Ich hoffe, dass ich endlich frei bin.“

Er schloss das Buch und blickte aus dem Fenster. Der Nebel hatte sich verzogen, die Sonne brach durch die Wolken. Haller spürte, dass er Julia besser verstand. Sie war keine Heldin, keine Täterin, sondern ein Mensch, der versucht hatte, das Richtige zu tun – und dabei gescheitert war.

Er wusste, dass dieses Wissen den Fall nicht löste, aber es machte die Wahrheit vollständiger. Julia war gestorben, weil sie helfen wollte. Aber sie war auch gestorben, weil sie sich selbst nicht retten konnte.

Als Haller das Kapitel in die Akte legte, wusste er, dass die Stadt Münster viele Schatten hatte. Aber Julia Meißners Schatten war einer, der nicht so schnell verschwinden würde.

Kapitel 5: Anna Becker – Zwischen Freundschaft und Wahrheit

Die Stadt Münster lag im Zwielicht, als Anna Becker aus dem Fenster ihres Altbauzimmers blickte. Der Regen hatte aufgehört, doch die Straßen glänzten noch feucht, und die Lichter der Cafés spiegelten sich auf dem Pflaster. Anna war Lehrerin am Paulinum, aber in diesen Tagen war sie mehr als das: Sie war die beste Freundin von Julia Meißner. Und seit Julias Tod fühlte sie sich, als würde sie durch einen Nebel aus Fragen und Erinnerungen treiben, unfähig, zur Ruhe zu kommen.

Die Polizei hatte sie bereits befragt, aber Anna wusste, dass es noch mehr zu sagen gab. Sie hatte Julia gekannt wie kaum jemand sonst – ihre Stärken, ihre Schwächen, ihre Träume und Ängste. Und sie wusste, dass hinter dem Bild der erfolgreichen Anwältin eine Frau stand, die sich oft verloren fühlte.

Am Morgen nach dem Gespräch mit Kommissar Haller saß Anna an ihrem Küchentisch, eine Tasse Tee in der Hand, und blätterte durch alte Fotos. Julia lachte auf einem Bild, aufgenommen bei einer Wanderung im Teutoburger Wald. Das war vor drei Jahren, bevor die Firma Voss & Meißner Consulting gegründet wurde, bevor die Schatten sich über Julias Leben legten.

Anna erinnerte sich an die Gespräche, die sie damals geführt hatten. Julia war voller Pläne, wollte etwas Eigenes schaffen, unabhängig sein. Sie hatte von Markus geschwärmt, von seiner Energie, seiner Vision. Anna hatte gewarnt, dass Markus zu impulsiv sei, zu riskant. Aber Julia hatte ihr vertraut.

In den letzten Monaten hatte sich alles verändert. Julia war gehetzt, müde, oft abwesend. Anna hatte versucht, sie zu erreichen, aber Julia hatte sich zurückgezogen. Die Gespräche wurden kürzer, die Treffen seltener. Anna spürte, dass etwas nicht stimmte, aber sie wusste nicht, wie sie helfen sollte.

Am Tag vor Julias Tod hatte Anna eine Nachricht erhalten:„Können wir uns morgen früh treffen? Ich muss reden. Es ist wichtig.“Anna hatte geantwortet, aber Julia hatte nicht mehr geschrieben. Jetzt war es zu spät.

Anna stand auf, ging zum Regal und nahm ein Buch heraus, das Julia ihr geschenkt hatte – „Die Kunst, nicht unglücklich zu sein“. Auf der ersten Seite stand eine Widmung:„Für Anna, die mich immer daran erinnert, dass das Leben mehr ist als Arbeit und Angst.“

Anna lächelte traurig. Sie wusste, dass Julia oft an sich zweifelte, dass sie sich für Markus verantwortlich fühlte, für die Fehler der Vergangenheit. Aber sie wusste auch, dass Julia nie gelernt hatte, loszulassen.

Als Lehrerin war Anna gewohnt, zuzuhören, zu helfen, zu trösten. Aber bei Julia war sie oft machtlos gewesen. Die Probleme waren zu groß, zu komplex, zu tief verwurzelt.

Am Nachmittag beschloss Anna, in Julias Wohnung zu gehen. Die Polizei hatte ihr erlaubt, persönliche Gegenstände zu holen. Sie betrat den hellen Raum, in dem alles noch so war wie immer – Bücher, Fotos, die Jacke über dem Stuhl. Anna setzte sich auf das Sofa und schloss die Augen.

Sie erinnerte sich an einen Abend vor zwei Wochen. Julia war bei ihr gewesen, hatte Rotwein getrunken und von Markus erzählt.„Er braucht mich“, hatte Julia gesagt. „Aber ich weiß nicht, ob ich ihm noch helfen kann. Ich habe Angst, Anna. Ich habe Angst, alles zu verlieren.“

Anna hatte versucht, Julia zu beruhigen. „Du bist nicht verantwortlich für Markus. Du musst auch an dich denken.“

Julia hatte den Kopf geschüttelt. „Wenn ich ihn fallen lasse, geht er unter. Und dann habe ich versagt.“

Anna hatte gespürt, wie tief Julias Schuldgefühl war. Es ging nicht nur um Geld oder Verträge, sondern um Vertrauen, um Freundschaft, um die Angst, jemanden zu enttäuschen.

Jetzt, in Julias Wohnung, sah Anna sich um. Sie fand einen Stapel Briefe, die Julia nie abgeschickt hatte. Einer war an Anna gerichtet.

Liebe Anna,

ich weiß nicht, wie ich dir alles sagen soll. Ich habe Fehler gemacht, und ich weiß nicht, wie ich sie wieder gutmachen kann. Markus ist in Schwierigkeiten, und ich habe versucht, ihm zu helfen, aber ich habe mich dabei selbst verloren. Ich wollte stark sein, für ihn, für mich, für meine Eltern. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich nur noch funktioniere.

Du hast mir oft gesagt, dass ich loslassen muss. Ich habe es versucht, aber ich habe Angst, dass dann alles auseinanderfällt. Ich wollte dir danken, dass du immer da warst, auch wenn ich nicht immer ehrlich zu dir war. Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen.

Deine Julia

Anna schluckte. Sie spürte, wie die Tränen kamen, aber sie hielt sie zurück. Sie wusste, dass Julia nie gelernt hatte, über ihre Gefühle zu sprechen, dass sie immer stark sein wollte. Aber sie wusste auch, dass Julia sich nach Nähe und Verständnis sehnte.

Anna nahm den Brief an sich und beschloss, mit Kommissar Haller zu sprechen. Vielleicht konnte sie ihm helfen, Julias Motive besser zu verstehen.

Im Präsidium empfing Haller sie mit ruhiger Stimme. Er hörte zu, als Anna von Julia erzählte – von ihrer Stärke und ihrer Verletzlichkeit, von ihrer Angst und ihrer Hoffnung.

„Julia war keine typische Anwältin“, sagte Anna. „Sie war sensibel, manchmal zu sensibel. Sie hat sich für andere aufgeopfert, weil sie dachte, das sei ihre Pflicht. Aber sie hat sich dabei selbst vergessen.“

Haller nickte. „Wir haben gesehen, wie sehr sie sich für Markus eingesetzt hat. Aber warum hat sie das Geld ins Ausland überwiesen?“

Anna überlegte. „Ich glaube, sie wollte einen Schlussstrich ziehen. Sie wollte Markus helfen, aber auch sich selbst schützen. Sie hat mir einmal gesagt, dass sie nicht mehr kann, dass sie einen Neuanfang will. Vielleicht war das ihre letzte Hoffnung.“

Haller fragte nach Julias Eltern. Anna erzählte von der strengen Erziehung, vom Druck, erfolgreich zu sein. „Julia hat immer versucht, ihre Eltern stolz zu machen. Aber sie hat nie gelernt, auf sich selbst zu hören.“

Sie sprachen lange, und Anna merkte, dass Haller wirklich verstehen wollte, wer Julia war. Nicht nur als Opfer, sondern als Mensch.

Als Anna das Präsidium verließ, fühlte sie sich leichter. Sie wusste, dass sie Julia nicht retten konnte, aber sie konnte helfen, dass ihre Geschichte erzählt wurde.

Am nächsten Tag traf Anna sich mit Markus Voss. Die Polizei hatte ihn gefunden, und er war bereit, mit ihr zu sprechen. Sie trafen sich in einem Café am Hafen, das Julia immer gemocht hatte.

Markus sah müde aus, erschöpft. Er war nervös, spielte mit seiner Tasse.

„Ich habe alles kaputt gemacht“, sagte er leise. „Julia hat immer versucht, mich zu retten. Aber ich habe sie nur weiter reingezogen.“

Anna sah ihn an. „Sie hat dir vertraut. Aber sie hat auch gelitten.“

Markus nickte. „Ich weiß. Ich habe sie gebeten, mir zu helfen, aber ich habe nie darüber nachgedacht, was das für sie bedeutet. Ich war egoistisch.“

Anna schwieg einen Moment. „Was wolltest du am Aasee?“

Markus sah aus dem Fenster. „Ich wollte mich entschuldigen. Ich wollte ihr sagen, dass sie frei ist, dass sie nicht mehr für mich kämpfen muss. Aber dann war alles zu spät.“

Anna spürte, dass Markus ehrlich war. Er war kein Mörder, aber er war Teil der Geschichte, die Julia zerstört hatte.

Sie sprachen lange, und am Ende wusste Anna, dass sie Markus nicht verurteilen konnte. Jeder hatte seinen Teil beigetragen, und jeder hatte verloren.

In den Tagen danach sprach Anna mit Julias Kollegen in der Kanzlei. Frau Lenz erzählte ihr, dass Julia oft spät gearbeitet hatte, dass sie sich immer um andere gekümmert hatte.

„Sie war immer für uns da“, sagte Frau Lenz. „Aber sie hat nie um Hilfe gebeten.“

Anna verstand. Julia war eine Frau, die alles gegeben hatte – für ihre Freunde, für ihre Familie, für ihre Arbeit. Aber sie hatte nie gelernt, sich selbst zu schützen.

Am Wochenende fuhr Anna zum Aasee. Sie setzte sich auf die Bank, auf der Julia vielleicht gesessen hatte, und sah auf das Wasser. Die Stadt war ruhig, nur das Rauschen der Fahrräder war zu hören.

Anna dachte an die letzten Jahre, an die Freundschaft, an die Gespräche. Sie wusste, dass sie Julia nicht retten konnte, aber sie konnte ihre Erinnerung bewahren.

Sie nahm den Brief aus ihrer Tasche und las ihn noch einmal. Sie spürte, wie die Trauer langsam zu einer stillen Dankbarkeit wurde – für die Zeit, die sie mit Julia gehabt hatte, für die Gespräche, für die Nähe.

Am Abend schrieb Anna einen eigenen Brief, den sie nie abschicken würde.

Liebe Julia,

ich vermisse dich. Ich wünschte, ich hätte dir mehr helfen können. Aber ich weiß, dass du immer versucht hast, das Richtige zu tun. Ich werde dich nie vergessen. Und ich werde dafür sorgen, dass deine Geschichte erzählt wird – nicht nur als Fall, sondern als Leben.

Deine Anna

Anna legte den Brief auf den Tisch und blickte aus dem Fenster. Die Stadt Münster war voller Geschichten, voller Schatten und Licht. Julias Geschichte war eine davon – traurig, aber auch voller Hoffnung.

Am nächsten Morgen ging Anna zur Schule. Sie unterrichtete ihre Schüler, lachte, tröstete, half. Sie wusste, dass das Leben weiterging, auch wenn die Trauer blieb.

Aber sie wusste auch, dass sie etwas gelernt hatte: Dass Freundschaft nicht bedeutet, alles zu lösen, sondern da zu sein, zuzuhören, zu verstehen.

Und so trug Anna Julias Erinnerung weiter – in ihrem Herzen, in ihren Worten, in den Geschichten, die sie erzählte.

Die Stadt Münster war wieder ruhig, aber Anna wusste, dass die Wahrheit manchmal im Schatten lag. Und dass es ihre Aufgabe war, das Licht zu bewahren.

Kapitel 6: Die Jagd durch Münster

Die Nacht war kurz. Kommissar Sven Haller hatte kaum geschlafen, seine Gedanken kreisten um den unbekannten Mann mit der Kapuze, der am Aasee gesehen worden war. Münster lag noch im Dämmerlicht, als er sich auf den Weg ins Präsidium machte. Die Straßen waren nass vom Regen, der in den frühen Morgenstunden auf die Stadt niedergegangen war. Haller fuhr mit dem Rad, wie es sich für einen Münsteraner gehörte, und ließ sich den Fahrtwind um die Nase wehen. Die frische Luft half ihm, die Müdigkeit zu vertreiben.

Im Präsidium am Friesenring war Raaben schon da, wie immer mit einem Becher schwarzen Kaffees in der Hand. Er nickte Haller zu, als dieser eintrat.

„Die Kollegen von der Kriminaltechnik haben die Überwachungsvideos noch einmal durchlaufen lassen“, begann Raaben, ohne Umschweife. „Der Mann mit der Kapuze taucht auf mehreren Kameras auf. Nicht nur am Aasee, sondern auch in der Nähe von Julias Wohnung im Kreuzviertel, und später am Bahnhof.“

Haller zog seine Jacke aus und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Hat jemand ihn erkannt?“

„Bisher nicht. Die Bilder sind zu unscharf, und das Gesicht ist nie richtig zu sehen. Aber es gibt eine Aufnahme von einer Kamera am Eingang des Bahnhofs, die ihn frontal zeigt – zumindest für einen Moment. Die IT arbeitet daran, das Bild zu verbessern.“

Haller lehnte sich zurück und dachte nach. Die Spuren verdichteten sich, aber der entscheidende Hinweis fehlte. Sie hatten Julia Meißner, die Anwältin, tot am Aasee gefunden. Markus Voss, ihr ehemaliger Geschäftspartner, war verschwunden. Schulte und Bertram hatten beide Motive, aber ihre Alibis waren bislang nicht widerlegt – und nun gab es diesen dritten Mann, der wie ein Schatten durch die Stadt geisterte.

„Wir müssen rausfinden, wer das ist“, sagte Haller schließlich. „Er war bei Julia, er war am See, und er war am Bahnhof. Vielleicht hat er Markus getroffen, vielleicht auch nicht. Aber er ist der Schlüssel.“

Raaben nickte. „Ich habe die Kollegen gebeten, die Krankenhäuser zu überprüfen. Falls Markus verletzt ist, könnte er sich dort gemeldet haben.“

Haller stand auf. „Ich fahre zum Bahnhof. Vielleicht hat jemand den Mann gesehen, vielleicht hat er mit jemandem gesprochen.“

Raaben trank einen Schluck Kaffee. „Ich bleibe hier und warte auf die Ergebnisse der IT. Ruf mich an, wenn du etwas findest.“

Haller verließ das Präsidium und radelte durch die Stadt. Die Promenade war voller Pendler, Studenten und Radfahrer. Münster war in Bewegung, die Stadt lebte. Am Bahnhof herrschte wie immer hektisches Treiben. Züge kamen und gingen, Menschen strömten durch die Halle, einige mit Koffern, andere mit Fahrrädern oder Einkaufstaschen.

Haller zeigte den Kollegen am Bahnhof das Bild des Mannes mit der Kapuze. Die Bundespolizisten schüttelten die Köpfe. „Viele Leute mit Kapuzen hier, Herr Kommissar. Aber der da? Nein, sagt mir nichts.“

Er ging zum Taxistand und sprach mit den Fahrern. Einer von ihnen, ein älterer Mann mit grauem Bart, erinnerte sich: „Da war einer, gestern früh. Dunkle Jacke, Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Wollte zum Hafen, aber dann hat er es sich anders überlegt und ist ausgestiegen, bevor wir da waren. Hat kaum gesprochen.“

„Wissen Sie, wo genau er ausgestiegen ist?“

„Am Hansaring, Ecke Hafenstraße. Da ist so ein altes Lagerhaus.“

Haller bedankte sich und machte sich auf den Weg. Das Lagerhaus am Hafen war ein Relikt aus alten Zeiten, jetzt stand es leer, nur gelegentlich wurde es von Künstlern oder Obdachlosen genutzt. Die Gegend war ruhig, nur wenige Menschen waren unterwegs.

Er umrundete das Gebäude, sah sich die Umgebung genau an. Auf der Rückseite fand er frische Schuhabdrücke im Schlamm, die in Richtung eines kleinen Parks führten. Haller folgte der Spur, bis er an eine Bank kam, auf der ein Mann saß – Kapuze tief ins Gesicht gezogen, die Hände in den Taschen. Als Haller näher kam, hob der Mann den Kopf.

„Markus Voss?“

Der Mann zuckte zusammen, sprang auf und wollte weglaufen. Haller war schneller, packte ihn am Arm. „Bleiben Sie stehen! Polizei.“

Der Mann ließ sich widerstandslos festnehmen. Erst als Haller ihm die Kapuze abnahm, erkannte er ihn: Es war tatsächlich Markus Voss. Sein Gesicht war bleich, die Augen gerötet, er wirkte erschöpft und verwirrt.

„Ich habe nichts getan“, stammelte er. „Ich wollte Julia helfen. Aber dann war alles zu spät.“

Haller brachte Markus ins Präsidium. Raaben wartete bereits, als sie eintrafen. Markus wurde in einen Vernehmungsraum geführt, Haller und Raaben setzten sich ihm gegenüber.

„Erzählen Sie, was am Morgen am Aasee passiert ist“, begann Haller.