Kriminalität in München - Reinhard Heydenreuter - E-Book

Kriminalität in München E-Book

Reinhard Heydenreuter

4,5

Beschreibung

Der wirtschaftliche Aufstieg Münchens zur mächtigsten Handelsstadt und schließlich zur Residenzstadt des Herzogtums Bayern ließ bald auch die Kriminalität ansteigen, und so hören wir schon im 13. Jahrhundert von Brandstiftungen, Morden, Aufständen und der entsprechenden Reaktion der Obrigkeit: Es wurde gehängt, geköpft und ertränkt. Auf dem Galgenplatz, auf der Köpfstätte und in den Gefängnissen der Stadt spielten sich die Dramen ab, die zeigen, wie sich seit dem Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Zahl der oft unschuldigen Opfer einer grausamen Strafjustiz ständig vermehrte. Das Buch verdeutlicht aber auch den übermächtigen Schatten des Landesherrn, der zwar der Stadt die Blutgerichtsbarkeit überlässt, aber doch nach Belieben in diese eingreift, wann immer es ihm gefällt.

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Zum Buch

Der wirtschaftliche Aufstieg Münchens zur mächtigsten Handelsstadt und schließlich zur Residenzstadt des Herzogtums Bayern ließ bald auch die Kriminalität ansteigen, und so hören wir schon im 13. Jahrhundert von Brandstiftungen, Morden, Aufständen und der entsprechenden Reaktion der Obrigkeit: Es wurde gehängt, geköpft und ertränkt. Auf dem Galgenplatz, auf der Köpfstätte und in den Gefängnissen der Stadt spielten sich die Dramen ab, die zeigen, wie sich seit dem Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Zahl der oft unschuldigen Opfer einer grausamen Strafjustiz ständig vermehrte.

Das Buch verdeutlicht aber auch den übermächtigen Schatten des Landesherrn, der zwar der Stadt die Blutgerichtsbarkeit überlässt, aber doch nach Belieben in diese eingreift, wann immer es ihm gefällt.

Zum Autor

Reinhard Heydenreuter, Prof. Dr., geb. 1942, Jurist und Historiker, war bis Ende 2007 Archivdirektor am BayHStA und Leiter des Archivs der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er lehrte Neuere und Neueste Geschichte sowie Bayerische Landesgeschichte.

REINHARD HEYDENREUTER

Kriminalität in MünchenVerbrechen und Strafen im alten München (1180–1800)

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

REGENSBURG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eISBN 978-3-7917-6038-4 (epub)

© 2014 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

Diese Publikation ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2608-3

Weitere Publikationen aus unserem Programm finden Sie auf www.verlag-pustet.de

Kontakt und Bestellungen unter [email protected]

»MÜNCHEN WILL GAR NICHT ERÖRTERT, MÜNCHEN WILL GELEBT UND GELIEBT SEIN.« Wer möchte Ernst Heimeran (1902–1955), dem dieses so urmünchnerisch klingende Leitmotiv zugeschrieben wird, ernsthaft widersprechen? Doch vielleicht wird man ihn ergänzen dürfen, ihn, den großen Verleger und Autor, der in Schwabing das Gymnasium besuchte und wie viele als „Zuagroaster“ in München Wurzeln schlug: Die Liebe zur ersten oder zweiten Heimat schließt die Kenntnis über sie nicht aus – und umgekehrt.

Die Geschichte einer Stadt ist ebenso unerschöpflich wie die Geschichten, die in ihr spielen. Ihre Gesamtheit macht sie unverwechselbar. Ob dramatische Ereignisse und soziale Konflikte, hohe Kunst oder niederer Alltag, Steingewordenes oder Grüngebliebenes: Stadtgeschichte ist totale Geschichte im regionalen Rahmen – zu der auch das Umland gehört, von dem die Stadt lebt und das von ihr geprägt wird.

München ist vergleichsweise jung, doch die über 850 Jahre Vergangenheit haben nicht nur vor Ort, sondern auch in den Bibliotheken Spuren hinterlassen: Regalmeter über Regalmeter füllen die Erkenntnisse der Spezialisten. Diese dem interessierten Laien im Großraum München fachkundig und gut lesbar zu erschließen, ist das Anliegen der Kleinen Münchner Geschichten – wobei klein weniger kurz als kurzweilig meint.

So reichen dann auch 140 Seiten, zwei Nachmittage im Park oder Café, ein paar S- oder U-Bahnfahrten für jedes Thema. Nach und nach wird die Reihe die bekannteren Geschichten neu beleuchten und die unbekannteren dem Vergessen entreißen. Sie wird die schönen Seiten der schönsten Millionenstadt Deutschlands ebenso herausstellen wie manch hässliche nicht verschweigen. Auch Großstadt kann Heimat sein – gerade wenn man ihre Geschichte(n) kennt.

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, lehrt Neuere/Neueste Geschichte an der Universität Regensburg und forscht zu Stadt und Bürgertum in der Neuzeit.

Einleitung oder: Ein Rückblick auf ungemütliche Zeiten

Mehr noch als viele andere große Städte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit hat München, Residenzstadt und größte Stadt des Herzog- und Kurfürstentums Bayern, ein beträchtliches Aufkommen an Kriminalität. Im Unterschied zu vielen Städten des Heiligen Römischen Reichs war München keine Reichsstadt, die sich ihre eigenen Gesetze geben konnte und nur dem fernen Kaiser unterworfen war, sondern eine Landstadt des bayerischen Regenten. In ihren Mauern residierte der Landesherr, der sehr energisch den Takt angab, auch in der Rechtsprechung. Die vergleichsweise geringe Autonomie, die die Stadt in der Rechtsprechung, insbesondere mit dem Erwerb der Blutgerichtsbarkeit gewonnen hatte, war immer gefährdet. In manchen Epochen der Münchner Geschichte war der städtische Rat nichts anderes als ein Befehlsempfänger des Landesherrn.

Das führte dazu, dass der Mechanismus der Strafrechtspflege in München weit ausgebildeter war als in anderen Städten Deutschlands: In München wurde auf Grund des landesherrlichen Diktats und aufgrund der Tatsache, dass man die wichtigsten Strafrechtsfälle des Landes in München konzentrierte, weit mehr gestraft als in vergleichbaren Städten. Die landesherrlichen Juristen, die am Hofe tätig waren, haben sich darüber hinaus nicht nur als eifrige Gesetzgeber in allen Strafrechtsbereichen betätigt, sie reagierten auch sehr genau auf die Entwicklungen im Lande und außerhalb. Insofern ist die Strafrechtspflege in München auch ein wichtiger Hinweis auf die Entwicklung im europäischen Kontext.

Die Münchner Kriminalfälle, die im Folgenden präsentiert werden, habe ich nur zum Teil aus den Quellen erarbeiten müssen. Die weitaus meisten Beispiele verdanke ich den Recherchen von Helmuth Stahleder, der in seiner voluminösen Chronik der Stadt München auch die wichtigsten Strafrechtsfälle aufgeführt hat. Die drei Bände seiner zwischen 1995 und 2006 erschienenen Chronik sind eine wahre Fundgrube auch für mich. Mit Hilfe der Jahresdaten können die jeweiligen archivalischen Belege dem Werk von Stahleder entnommen werden.

Warum endet diese Darstellung in der Zeit um 1800? In dieser Zeit endet eine wichtige Epoche der Strafrechtsgeschichte: Erst jetzt setzt sich die Aufklärung im Bereich des Strafvollzugs durch, erst jetzt verschwindet die Folter, erst jetzt werden die Galgenplätze vor den Toren der Städte beseitigt. In modernen Strafgesetzbüchern lesen wir nichts mehr von Hexerei oder „Leichtfertigkeit“.

Das Strafrecht in der Zeit vor 1800 stellt für den Betrachter eine so fremde Welt dar, dass es nötig ist, zunächst einmal die Grundlagen des bis dahin geltenden „mittelalterlichen“ Strafvollzugs zu erklären. Daher beginnt das vorliegende Buch zunächst mit der Vorstellung der Personen, die in München für die Strafrechtspflege zuständig waren, und mit einer Schilderung des Strafverfahrens sowie der Gerichtsorte.

Die Entwicklung des Strafverfahrens in München vom Mittelalter bis 1800

Münchner Zuständigkeiten über Leben und Tod: Landesherr, Stadtrat, Hofrat und Stadtoberrichter

Gerichtsherr in München und damit Herr über Leben und Tod waren zunächst der Landesherr oder die von ihm delegierten Richter. Schon sehr früh scheinen aber die bayerischen Herzöge die Blutgerichtsbarkeit den Bürgern überlassen zu haben, also die Befugnis, über Mitbürger bei schweren Delikten Gericht zu halten und sie zum Tode zu verurteilen. Die Blutgerichtsbarkeit in der Stadt München wurde durch den Stadtoberrichter ausgeübt, der seit dem Mittelalter durch die Stadt ernannt wurde, offensichtlich schon seit dem ersten großen Stadtprivileg, dem Rudolfinum von 1294. Da er die formelle Befugnis, die Blutgerichtsbarkeit auszuüben, vom Herzog empfing, blieb dessen Einfluss auf die Ernennung bestehen. Aus dem Stadtschreiber wurde ab 1391 ein Stadtunterrichter.

Selbstverständlich konnte der Landesherr jeden Prozess an sich ziehen. Am Ende des Mittelalters, als man daranging, die Kompetenzen juristisch klarer auszuformulieren, entstand in München Streit darüber, wem die Blutgerichtsbarkeit zustehe: Während sich etwa 1427 die Stadt für berechtigt hielt, einige zum Tod verurteilte Pferdediebe zu begnadigen, lesen wir 1488 in einem landesherrlichen Eidbuch, dass der Herzog die Blutgerichtsbarkeit in München ausübe.

Dagegen weist die Stadt in ihren Kammerrechnungen einen besoldeten Scharfrichter auf. Doch scheinen die teilweise recht gewaltsamen Eingriffe der jeweiligen Landesherrn in die städtische Gerichtsbarkeit weitgehend klaglos hingenommen worden zu sein. 1457 etwa befreite der junge Herzog Johann zwei Straßenräuber, die Augsburger Kaufleute überfallen hatten, gewaltsam vom Galgen. Wahrscheinlich hatte es ihn gestört, dass die Festnahme der Delinquenten in München durch Augsburger Schergen (im Zusammenwirken mit der Stadt) erfolgt war. 1467 holte Herzog Sigmund eigenmächtig aus der städtischen Fronveste (städtisches Gefängnis) im Rathaus, der sogenannten Schergenstube, einen Adeligen namens Pernrieder, weil dieser als Mitglied des Hofstaats seiner Meinung nach nicht in ein städtisches Gefängnis gehöre. Ein ähnlicher Eingriff ist für das Jahr 1482 überliefert, als Bürgermeister Schrenck einen Adeligen namens Rohrbeck in der Schergenstube inhaftierte. Erbost bestrafte Herzog Albrecht IV. den Bürgermeister mit kurzfristiger Stadtverweisung und einer Haft von drei Monaten im Rathausturm.

Abb. 1:München von Osten. – Holzschnitt von Michael Wolgemut aus Hartmann Schedels „Liber cronicarum“, Nürnberg 1493.

Dass sich der Landesherr, sehr gegen den Willen des Stadtrats, das Recht anmaßte, jedes Verfahren an sich zu ziehen, zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 1652, als der landesherrliche Hofrat eine Baddirn aus der Schergenstube in den Falkenturm bringen ließ, obwohl der Stadtrat einen zaghaften Protest einlegte.

Zu einer definitiven und juristisch detaillierten Regelung der städtischen Gerichtsbarkeit kam es schließlich im sogenannten Albertinischen Rezeß, infolge der landesherrlichen Zusagen auf dem Landtag von 1557 zwischen Herzog Albrecht V. und der Stadt München geschlossen. Der Stadt wird nun die Blutgerichtsbarkeit bestätigt, die man als bestehend voraussetzte. Das Datum der Verleihung ließ man offen.

Wie trotz des Vertrags von 1561 die Verhältnisse noch ungeklärt waren, zeigt sich 1586, als Herzog Wilhelm V. versuchte, für das vakante Stadtoberrichteramt einen eigenen Kandidaten durchzusetzen. Die Stadt wies dieses Ansinnen zwar zurück und erließ eine eigene Stadtgerichtsordnung, doch 1592 wiederholte sich bei der erneut anstehenden Wahl eines Stadtoberrichters der Vorgang. Herzog Maximilian beauftragte seine Hofkammer, in einem Gutachten zu klären, wem es eigentlich zustehe, das Oberrichteramt in München zu besetzen. Der Herzog gab schließlich nach. Die Stadt musste dem Landesherrn für die Übertragung der Blutgerichtsbarkeit jährlich 67 Gulden, 25 Kreuzer, 5 Heller zahlen. Darüber hinaus hatte der Stadtoberrichter vor dem landesherrlichen Hofrat einen Eid abzulegen, der lautete: „Ihr sollt schwören zu Gott einen Eid unserm gnädigsten Landesfürsten und Herrn N., zu richten über das Blut, dem Armen als dem Reichen, dem Gast als dem Landsmann, das rechtlich ist.“ Dann empfing er vom Hofrat die Vollmacht.

Der Stadtoberrichter agierte unabhängig vom Hofrat; er war in seinem Amt autonomer als die landesfürstlichen Pfleger, Landrichter oder Verwalter.

Der Albertinische Rezeß

Dieses Dokument aus dem Jahr 1561 ist ein nach Herzog Albrecht V. benannter Vertrag, der die Beziehungen zwischen dem Herzog und seiner Residenzstadt München regeln soll. Darin wird festgelegt, dass die Stadt die gesamte Gerichtsbarkeit (auch die Blutgerichtsbarkeit) über ihre eigenen Bürger ausüben soll. Sie darf auch den dafür zuständigen Stadtoberrichter ernennen. Die Gerichtsbarkeit über die Hofbediensteten hat der Herzog. Geregelt wird auch die Stellung der Hofbediensteten, die nicht in der Residenz, sondern in der Stadt wohnen, insbesondere deren Steuerpflicht.

Seit dem 17. Jahrhundert wurde der Magistrat mehr und mehr zum Befehlsempfänger des Landesherrn und verlor damit zunehmend an Kompetenzen im Bereich der Strafrechtspflege. Im Dreißigjährigen Krieg musste die Stadt sogar um ihre Blutgerichtsbarkeit bangen. 1638 bis 1649 übertrug der Landesherr neben dem Stadtoberrichter auch dem Hofoberrichter die Gerichtsbarkeit in der Stadt, angeblich wegen Mängeln in der Verfahrensweise. 1642 drohte der landesherrliche Hofrat der Stadt aus Anlass eines Malefizprozesses, in dem der Stadtoberrichter angeblich zu milde geurteilt hatte, mit dem Entzug des „jus gladii“, wenn die Delinquenten weiterhin „so gering und schlecht“ abgestraft würden. Schon 1611 hatte es wegen eines Hexenprozesses, den die Stadt nach Meinung des Hofrats zu wenig energisch betrieb, Erörterungen über die Strafgerichtsbarkeit der Stadt gegeben. Damals stellte der Hofrat fest, dass der Stadt die Gerichtsbarkeit jederzeit wegen Nachlässigkeit („ob causam negligentiae“) bzw. damit das öffentliche Wohl gewahrt bleibe („ob causam publicae utilitatis“), entzogen bzw. vom Hofrat an sich gezogen werden könne.

Die von der Stadt verhängten Todesurteile konnten vom Landesherrn auf dem Gnadenweg gemildert werden. Auch bei der Bestimmung des Ortes und der näheren Umstände der Hinrichtung redeten die Landesherren mit. So wurden beispielsweise unter Herzog Wilhelm V. fast alle Verurteilungen zum Tod durch Hängen in Hinrichtungen mit dem Schwert umgewandelt. Auch die Aussetzung von Verfahren konnte der Herzog anordnen, wie etwa 1622, als zwei ausländische Soldaten wegen Räubereien zum Tod verurteilt worden waren, der Herzog ihnen jedoch nach Bittgesuchen einflussreicher Leute das Leben schenkte und den schon anberaumten Hinrichtungstag (Malefizrechtstag) absagen ließ. Die Delinquenten wurden des Landes verwiesen.

Der Scharfrichter (Henker)

Erstmals taucht ein Scharfrichter, in München meistens Züchtiger oder Nachrichter genannt, im Jahr 1321 auf. Dieser Magister Haimpert beginnt sein Amt mit einer eindrucksvollen Aufgabe: Er darf seinen Amtsvorgänger köpfen. In den Kammerrechnungen wird dieser Haimpert „jugulus“, also Henker genannt, was darauf hinweist, dass im Mittelalter die Strafe des Hängens die gebräuchlichste Todesstrafe in München war. Da dieser Magister Haimpert von der Stadt bezahlt wird, kann man annehmen, dass die Blutgerichtsbarkeit damals schon in den Händen der Stadt lag.

Die Ehre

Dieser Begriff spielte seit dem 16. Jahrhundert im gesellschaftlichen Leben eine beherrschende Rolle. Ehrverletzung durch Beleidigung wird jetzt zunehmend schärfer bestraft und die Mitgliedschaft in einer Zunft wird nur „ehrenhaften“ Personen gestattet. Als nicht ehrenhaft galten etwa eine uneheliche Geburt oder eine „unehrliche Tätigkeit“, wie etwa die Arbeit des Scharfrichters. Eine verlorene Ehre konnte durch einen obrigkeitlichen Akt wiederhergestellt werden.

Der Scharfrichter galt zwar später als „unehrliche Person“, der mit Handwerkern und den Mitgliedern einer Zunft keinen gesellschaftlichen Umgang pflegen sollte, seine soziale Stellung war jedoch nicht so niedrig, wie man gemeinhin annimmt. Im Mittelalter war er sogar in wesentlichen Punkten am Strafverfahren beteiligt. So ist für das Jahr 1371 überliefert, dass der Stadtrat die Verurteilung ausspricht und der Scharfrichter die Todesart bestimmt.

Die Scharfrichter waren in der Regel sehr vermögend, da sie nicht nur von den beträchtlichen Gebühren der Hinrichtungen lebten, sondern meist als Heilkundige und Verkäufer von mehr oder weniger wirksamen Heilmitteln viel Geld machen konnten. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lieferten sie das Menschenfett, das zu dieser Zeit in keiner Apotheke fehlte.

Diese „Nebentätigkeit“ führte zu Konflikten mit den landesherrlichen Behörden. So beschwerte sich der Hofrat 1612 über den Münchner Scharfrichter Hans Stadler, der „allerhand zauberische und verbotene Stückel mit Wahrsagen und Wiederbringung verlorener Sachen“ vollbringe und dabei einen großen Zulauf genieße. 1617 verbot man dem Scharfrichter, in seine Arzneien Weihwasser zu mischen, und 1640 beschuldigte man ihn, ohne Genehmigung eine Leiche seziert zu haben: Er hatte einer Kindsmörderin das Herz herausgeschnitten und die Haut abgezogen, um diese zu Medizin zu verarbeiten. Tatsächlich hatte ihm der Bannrichter, der für München und Oberbayern zuständige oberste Strafrichter, die Genehmigung zur Sektion erteilt.

Der unfähige Scharfrichter

Nach dem Tod des Scharfrichters Johann Michael Kober war die Stelle dem Münchner Wasenmeistersohn Johann Georg Hörmann übertragen worden, der eine Tochter von Kober geheiratet hatte. Bei den ersten Hinrichtungen stellte sich heraus, dass Hörmann extrem kurzsichtig war und mit seinem Richtschwert immer danebenschlug, zuletzt einem Delinquenten in die Achsel. Auf kaiserlichen Befehl, der am 15. November 1742 in München eintraf, musste sich die Stadt einen neuen Scharfrichter suchen.

Zum Streitpunkt in München wurde manchmal das Begräbnis eines Scharfrichters: Im Mittelalter wurde er in der Regel, wie die von ihm Gehängten, unter dem Galgen begraben. Im Jahr 1474 bemühte sich die Stadt um ein ordentliches Begräbnis ihres Scharfrichters, erhielt aber vom Bischof keine entsprechende Genehmigung.

Verbrechensbekämpfung: Das Strafverfolgungsprivileg von 1315

1315 erhält die Stadt München von ihrem Wohltäter, König (seit 1328: Kaiser) Ludwig dem Bayern, ein Privileg, das in dieser Form bisher keine andere bayerische Stadt erhalten hatte: Sie durfte Verbrecher im ganzen Herzogtum Bayern fangen und „überwinden“, ihnen also den Prozess machen. Dieses Verfolgungsrecht macht deutlich, dass München inzwischen nicht nur zur mächtigsten und bevölkerungsreichsten Stadt im Herzogtum Bayern geworden war, sondern dass die Stadt gegen eine Zunahme der Kriminalität zu kämpfen hatte. „Schädliche“ Leute konnten durch ein einfaches „Übersiebnungsverfahren“, d. h. wenn mindestens sieben Mitglieder des Inneren Rates als oberste Gerichtsinstanz sie für schuldig befanden, hingerichtet werden.

In der Praxis hatte das o.g. Privileg keine allzu große Bedeutung, auch wenn Kreittmayr es lobte: „Niemand ist aber meines Wissens so weit hierin privilegiert als die Stadt München …“ Es endete an den Territorialgrenzen. Das „Ausland“ begann nämlich schon wenige Kilometer nördlich und nordöstlich von München, nämlich mit dem Hochstift Freising, zu dem die Grafschaft Ismaning gehörte. Als im Jahr 1520 die Münchner versuchten, einen Delinquenten, der in München einen Mord begangen hatte, in Ismaning zu verhaften, und sich auf ihr Privileg beriefen, protestierten die fürstbischöflichen Räte von Freising beim Münchner Hofrat. Dieser stellte fest, dass die Grafschaft Ismaning nicht zum Herzogtum Bayern gehöre und deswegen das Privileg von 1315 dort keine Geltung habe. Die Münchner mussten nachgeben.

Gerettet: Münchner Asylstätten