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Kundenorientierung bedeutet, die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu erkennen und sich zu bemühen, diese zu erfüllen. Sie dient der längerfristigen Bindung von Kunden und kann auf wettbewerbsintensiven Märkten das Überleben des Unternehmens sichern. Um kundenorientiertes Verhalten zu fördern, müssen Führungskräfte verstehen, wie Kundenzufriedenheit entsteht, welche Bedingungen dabei zu beachten sind und welche Maßnahmen sie ergreifen müssen. Der Band stellt zunächst die theoretischen Modelle der Kundenzufriedenheit und Methoden zu ihrer Erfassung vor. Dabei werden wichtige Bedingungen für die Entstehung von Kundenorientierung, wie z.B. die Persönlichkeit des Mitarbeiters, seine Motivation, Rollenkonflikte im Kontakt mit dem Kunden sowie das Organisationsklima, ausführlich dargestellt und erläutert. Im Anschluss daran wird das Vorgehen bei der Rekrutierung und Auswahl von Mitarbeitern, bei der Beurteilung ihrer Leistung, beim Training notwendiger Fähigkeiten und bei der Belohnung kundenorientierten Verhaltens anhand von Beispielen aus der Unternehmenspraxis detailliert beschrieben.
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Kundenorientierung
Praxis der Personalpsychologie
Human Resource Management kompakt
herausgegeben von
Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep
Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges
Band 4
Kundenorientierung
von
Friedemann W. Nerdinger
Göttingen • Bern • Toronto • Seattle
Kundenorientierung
von
Friedemann W. Nerdinger
Göttingen • Bern • Toronto • Seattle
Prof. Dr. Friedemann W. Nerdinger, geb. 1950. Studium der Psychologie in München. 1989 Promotion. 1993 Habilitation. Seit 1995 Professor für Wirtschafts- und Organisationspsychologie an der Universität Rostock. Arbeitsschwerpunkte: Psychologie der Dienstleistung, Arbeitsmotivation und -zufriedenheit, Extra-Rollenverhalten, virtuelle Gruppenarbeit.
© Hogrefe-Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen • Bern • Toronto • Seattle 2003
Rohnsweg 25, D-37085 Göttingen
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1 Kundenorientierung
1.1 Definition
1.2 Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen und Konzepten
1.3 Bedeutung für das Personalmanagement
2 Modelle
2.1 Die Erwartungen der Kunden
2.1.1 Was sind Erwartungen?
2.1.2 Wie bilden sich Erwartungen?
2.1.3 Was erwarten Kunden?
2.2 Kundenzufriedenheit
2.2.1 Was ist Kundenzufriedenheit?
2.2.2 Wie entsteht Kundenzufriedenheit?
2.2.3 Wie kann man die Auslöser von Zufriedenheit ermitteln?
2.2.4 Folgerungen für die Unternehmensstrategie
2.3 Konsequenzen der Zufriedenheit: Loyalität und Bindung
3 Analyse der Bedingungen und Maßnahmen
3.1 Kundenorientiertes Verhalten der Mitarbeiter
3.1.1 Verbale Kommunikation
3.1.2 Nonverbale Kommunikation
3.1.3 Anpassung an den Kunden
3.2 Kundenorientierte Einstellung und die Persönlichkeit des Mitarbeiters
3.3 Motivation zu kundenorientiertem Verhalten
3.3.1 Intrinsische und extrinsische Motivation
3.3.2 Orientierung an Leistungs- oder Lernzielen
3.4 Rollenklarheit
3.4.1 Die Rolle des Mitarbeiters
3.4.2 Rollenkonflikte bei der Arbeit mit Kunden
3.4.3 Die Bewältigung von Rollenkonflikten
3.5 Wahrgenommene Kundenorientierung des Unternehmens
3.5.1 Dimensionen
3.5.2 Messung
4 Vorgehen
4.1 Rekrutierung
4.2 Auswahl
4.2.1 Psychologische Tests und Analyse der Anforderungen
4.2.2 Verhaltenssimulationen
4.2.3 Einstellungsgespräche: Das Multimodale Interview
4.3 Leistungsbeurteilung: Das Mitarbeitergespräch
4.3.1 Ziele
4.3.2 Aufbau
4.3.3 Vorbereitung und Durchführung
4.4 Training
4.4.1 Informelles Training
4.4.2 Formelles Training
4.5 Belohnungssysteme
4.5.1 Bedingungen effektiver Belohnung
4.5.2 Die Tätigkeit belohnend gestalten
5 Weiterführende Literatur
6 Literatur
Karte:
Kundenorientiertes Gesprächsverhalten
Hohe Kundenansprüche und die steigende Wettbewerbssituation auf den Märkten erfordern Kundenorientierung
Die Kunden sind heute allgemein kritischer, vor allem aber qualitäts- und preisbewusster geworden. Von den Unternehmen und von deren Mitarbeitern lassen sie sich nicht mehr wie Bittsteller behandeln (Bruhn, 1997). Ihr Selbstbewusstsein wird gestärkt durch gravierende Veränderungen an den Märkten: Die Produkte werden immer austauschbarer, deshalb sind die Kunden nicht mehr auf einen bestimmten Anbieter angewiesen. Wenn sie mit den Leistungen eines Anbieters unzufrieden sind, finden sich genügend andere, die vergleichbare Produkte bereit stellen. Viele Märkte sind zudem gesättigt. Neue Kunden zu gewinnen, fällt daher immer schwerer. Der Wettbewerb gewinnt an Härte und für die Unternehmen gilt es mehr denn je, die Kunden an sich zu binden. Dem dient das Ziel der Kundenorientierung.
Kundenorientierung heißt, die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden zu erkennen und sich zu bemühen, diese zu erfüllen.
Kundenorientierung verfolgt ökonomische Ziele
Ziel der Kundenorientierung ist es, den Kundennutzen zu erhöhen und langfristig stabile Beziehungen zu den Kunden aufzubauen (Bruhn, 1998). Das hat vor allem ökonomische Gründe: Da es immer teurer wird, neue Kunden zu gewinnen, müssen die Stammkunden „gepflegt“ werden, sonst können die Unternehmen ihre ökonomischen Ziele nicht mehr erreichen. „Pflegen“ heißt, das Vertrauen der Kunden gewinnen, sie zufrieden stellen und an das Unternehmen binden. Das bedeutet aber auch, die Beziehung zu den Kunden muss lange genug dauern und zu so vielen ertragreichen Geschäftsabschlüssen führen, dass sich der Aufwand der Kundenorientierung für das Unternehmen bezahlt macht.
Kundenorientierte Ausrichtung des Unternehmens durchManagement-programme
Der Begriff „Kundenorientierung“ zielt nicht nur auf das Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in unmittelbaren Kontakt mit den Kunden treten. Häufig wird damit auch die gezielte Ausrichtung des ganzen Unternehmens zur optimalen Erfüllung der Kundenerwartungen bezeichnet. Dem dienen umfassende Managementprogramme. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl solcher Programme entwickelt, die letztlich alle dem Ziel dienen, die Organisation der Unternehmen kundenorientierter zu gestalten.
Lean Management zielt auf kundenorientierte Unternehmensstrukturen
Besonders bekannt geworden ist das sogenannte „Lean Management“. Dieser Ansatz zielt auf eine flexible Kundenorientierung bei möglichst geringem Einsatz der Ressourcen und gleichzeitig hoher Qualität der Produkte und Dienstleistungen. Im Zentrum steht der Versuch, jede Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden – das gilt besonders für menschliche Ressourcen. Zu diesem Zweck werden ganze Managementebenen beseitigt, um den Organisationsgrad zu verringern. Das soll die Organisation entbürokratisieren, gleichzeitig kann Entscheidungsspielraum und die damit verbundene Verantwortung an die Mitarbeiter abgegeben werden. Vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit direktem Kontakt zum Kunden können dann schneller auf deren Bedürfnisse reagieren, wodurch mehr Flexibilität, Kreativität und Eigeninitiative entstehen soll (zu weiteren Maßnahmen des Lean Management vgl. Friedel-Howe, 1994).
Premier Customer Care richtet den Vertrieb kundenorientiert aus
Neben solchen umfassenden Reorganisationen des ganzen Unternehmens wurde auch eine Reihe spezieller, direkt auf den Kunden abzielender Managementprogramme entwickelt, z. B. „Customer Focus“ von ABB (Bagdasarjanz & Hochreutner, 1997) oder das „Premier Customer Care Programm“ von BMW (Dünzel & Kirylak, 1997), das den Vertrieb kundenorientiert gestaltet.
Das Premier Customer Care Programm von BMW in den USA
BMW hat sich konsequenter Kundenorientierung verschrieben. Dem dient auch das Premier Customer Care Programm, das in den USA eingeführt wurde und drei Säulen umfasst: Customer Satisfaction Center, Perfection Plus-Programm und Performance Development Group.
Customer Satisfaction Center
Solche Zentren dienen der Kommunikation mit den Kunden. Jeder Kunde, der Probleme oder Fragen hat, kann sich unmittelbar an das Zentrum wenden. Neben der direkten Hilfe durch das Personal und der Betreuung unzufriedener Kunden erstellt das Zentrum wöchentlich Berichte über die aktuellen Zufriedenheitsinformationen. Dabei werden Informationen über die Zufriedenheit mit den Produkten, dem Unternehmen und den BMWHändlern zusammengefasst und an die verantwortlichen Stellen weiter geleitet.
Perfection Plus-Programm
Ein unabhängiges Marktforschungsinstitut führt regelmäßig telefonische Befragungen von Kunden durch – ungefähr zehn Tage nach der Auslieferung eines neuen Wagens und drei bis fünf Tage nach jeder Inanspruchnahme von Serviceangeboten werden die Kunden auf diesem Wege befragt.
Die Ergebnisse werden monatlich zusammen gestellt und den Händlern zugeleitet. Sie finden hier die Zufriedenheit mit ihren Leistungen detailliert aufgelistet, gleichzeitig erfahren sie die Höhe des Bonus, den BMW für besonders guten Kundendienst regelmäßig ausschüttet. BMW hat sich zum Ziel gesetzt, dass jedem Kunden, der eine Beschwerde hat, innerhalb von 24 Stunden von einem Händler eine Problemlösung angeboten wird.
Performance Development Group
Gemeinsam mit den Händlern sucht diese Gruppe nach Verbesserungsmöglichkeiten. Durch enge und langfristige Bindung der Händler an das Unternehmen sollen die BMW-Besitzer zufriedengestellt und ebenso langfristig an das Unternehmen gebunden werden. Jedem ausgewählten BMWHändler wird ein Beratungsteam zugeordnet, das aus Organisations- und Personalfachleuten besteht. Rund fünf Wochen lang analysieren sie vor Ort aus der Sicht des Kunden jeden einzelnen Aspekt des Verkaufsprozesses, die verschiedenen Leistungskomponenten und den Service. Jeder Kontaktpunkt mit dem Kunden wird auf Verbesserungsmöglichkeiten untersucht. Gleichzeitig wird auch die Zufriedenheit der Kunden und der Mitarbeiter des Händlers erhoben, da beides eng zusammen hängt. Mit dem Ziel, die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen, werden auch die Managementmethoden – Führungsstil, Teamarbeit, Kommunikation und vieles mehr – des Händlers sowie die Kultur der Niederlassung durchleuchtet. Die Ergebnisse aus den Untersuchungen werden dem Händler präsentiert und zur Beseitigung von Schwachstellen gemeinsam Aktionspläne entwickelt (nach Dünzl & Kirylak, 1997).
Entscheidend ist das Verhalten der Mitarbeiter mit Kundenkontakt
Restrukturierungen wie Lean Management und kundenbezogene VertriebsProgramme wie Premier Customer Care versuchen, die Organisation so zu verändern, dass sie auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden ausgerichtet ist. Damit wird eine wesentliche Voraussetzung der Kundenorientierung geschaffen. Der Erfolg solcher Managementprogramme hängt aber immer davon ab, ob sich die Mitarbeiter, die mit dem Kunden in Kontakt treten, kundenorientiert verhalten.
Die Begegnung des Kunden mit den Mitarbeitern bildet den „Augenblick der Wahrheit“
Der Wert aller Maßnahmen des Managements verdeutlicht sich in dem Moment, in dem der Kunde mit dem Unternehmen in Kontakt kommt. Das Erleben des Kunden ist letztlich die Instanz, die über Gelingen oder Scheitern aller Bemühungen um Kundenorientierung entscheidet. Diese Kontakte werden daher auch als Augenblicke der Wahrheit bezeichnet (Stauss, 1999a). Bei jeder angebotenen Leistung finden sich unterschiedliche Situationen, an denen der Kunde mit dem Unternehmen, seiner Leistung und seinen Mitarbeitern in Kontakt kommt. Solche Kontaktpunkte können analysiert werden, indem man den Leistungsprozess in seine einzelnen Teilschritte zerlegt und dabei deutlich macht, welche Bereiche der Leistungserstellung für den Kunden sichtbar sind und welche ohne sein Beisein ablaufen. Ein einfaches Beispiel einer solchen, „Blueprinting“ genannten Analyse zeigt die folgende Darstellung am Beispiel eines Restaurant-Besuchs:
Abbildung 1:
„Blueprinting“ eines Restaurant-Besuchs (nach Stauss, 1999a, S. 328)
„Blueprinting“ zeigt auf, an welchen Stellen des Prozesses die Kunden mit dem Unternehmen in Kontaktkommen
Die Prozesse, die sich gewissermaßen „hinter dem Rücken des Kunden“ abspielen, lassen sich vom Management relativ gut steuern. So kann die Qualität der Getränke und der zubereiteten Speisen durch vielfältige Maßnahmen gesichert werden. Auch einige Merkmale des Kontakts mit dem Kunden kann das Management gut steuern, z. B. die Gestaltung der Parkplätze oder der Außenansicht des Restaurants. Der äußere Eindruck kann auf einen „Gourmet-Tempel“ oder eine „gemütliche Kneipe“ verweisen. Bereits auf der Basis dieser, durch die Gestaltung der Umwelt ausgelösten Eindrücke erschließt der Kunde, ob das gewählte Unternehmen seinen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Solche Eindrücke bilden den atmosphärischen Raum, in dem sich die Schlüsselerlebnisse entfalten: Die Kontakte mit den Mitarbeitern. Stimmt deren Verhalten mit den durch alle anderen Eindrücke ausgelösten Erwartungen überein, führt es zu positiven oder negativen Überraschungen? Was in diesen Augenblicken der Wahrheit geschieht, kann nicht mehr direkt vom Management gesteuert werden. Darüber entscheidet die Person des Mitarbeiters und sein Verhalten.
Bei Fehlern im System entscheidet das Verhalten der Mitarbeiter über die Kundenzufriedenheit
Die Bedeutung des Verhaltens der Mitarbeiter wird besonders deutlich, wenn Fehler in den nicht sichtbaren Prozessen auftreten, z. B. die Wartezeiten aufgrund logistischer Probleme in der Küche überlang sind oder eine Speise nicht optimal zubereitet wurde. Das Verhalten des Mitarbeiters, der dem Kunden von Angesicht zu Angesicht begegnet, entscheidet in diesen Fällen darüber, ob der Kunde unzufrieden oder sogar trotz der Fehler zufrieden mit dem Unternehmen und seiner Leistung ist. Wenn sich der Mitarbeiter in den Kunden einfühlt, seinen Ärger respektiert und ihm geeignete Kompensationen für die Fehler anbietet, wird sich der Kunde trotz der Probleme insgesamt positiv an den Restaurantbesuch erinnern (Nerdinger, 1994).
Kunden wechseln das Unternehmen vor allem aus Unzufriedenheit mit den Mitarbeitern
Viele Untersuchungen bestätigen die überragende Bedeutung des Verhaltens der Mitarbeiter mit Kundenkontakt für die Zufriedenheit der Kunden. Im Durchschnitt wandern nur 9 Prozent der Kunden wegen des Preises und 14 Prozent wegen der Qualität der Produkte ab, dagegen nennen 67 Prozent die Verhaltensweisen der Mitarbeiter als Ursache für den Wechsel eines Unternehmens (vgl. Müller, 1999). Im Bankbereich unterscheiden sich abgewanderte von aktuellen Kunden durch die Unzufriedenheit über
das mangelnde Vertrauen,
die geringe Beratungsqualität,
die ungenügende Betreuung,
die Unfreundlichkeit,
das geringe Entgegenkommen und
die Wartezeiten (Müller, 1999).
Das sind alles Merkmale, die von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern direkt beeinflusst werden.
Der Kunde istAusgangspunkt und Ziel kundenorientierten Verhaltens
Der Kunde ist Ausgangspunkt und Ziel kundenorientierten Verhaltens. Ausgangspunkt insofern, als sich kundenorientiertes Verhalten an den Erwartungen der Kunden ausrichtet. Daraus folgt die Frage: Was sind Erwartungen und welche Erwartungen haben Kunden? Das Ziel kundenorientierten Verhaltens ist letztlich die Zufriedenheit der Kunden. Daraus ergeben sich u. a. folgende Fragen: Was ist und wie entsteht Zufriedenheit? Wie kann man die Auslöser von Zufriedenheit ermitteln und was folgt daraus für die Unternehmensstrategie? Abschließend werden die Folgen der Zufriedenheit für das Verhalten des Kunden näher betrachtet.
Erwartungen beschreiben das geforderte Leistungsniveau
Erwartungen sind die Forderungen, die ein Kunde an ein Produkt oder eine Dienstleistung stellt – sie bezeichnen das Leistungsniveau, das der Kunde vom Unternehmen verlangt. Erwartungen können allerdings sehr unterschiedliche Formen annehmen (Georgi, 2001):