Kurze Darlegung des Evangelium - Leo N. Tolstoi - E-Book

Kurze Darlegung des Evangelium E-Book

Leo N. Tolstoi

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Beschreibung

Am 24. Juli 1915 schickt der Philosoph Ludwig Wittgenstein dem Schriftsteller Ludwig von Ficker eine Buchempfehlung: "Sie leben sozusagen im Dunkel dahin und haben das erlösende Wort nicht gefunden. Und wenn ich, der ich so grundverschieden von Ihnen bin, etwas raten will, so scheint das vielleicht eine Eselei. Ich wage es aber trotzdem. Kennen Sie die 'Kurze Erläuterung des Evangeliums' von Tolstoj? Dieses Buch hat mich seinerzeit geradezu am Leben erhalten. Würden Sie sich dieses Buch kaufen und es lesen? Wenn Sie es nicht kennen, so können Sie sich auch nicht denken, wie es auf den Menschen wirken kann." Bei der "Kurzen Darlegung des Evangeliums", hier neu ediert in der Übersetzung von Paul Lauterbach (1892), handelt es sich um einen Auszug aus dem großen Werk "Vereinigung und Übersetzung der vier Evangelien" (Sojedinjenije i perewod tschetyrjoch Jewangeli, 1879-1881). Jesus erschließt Leo N. Tolstoi zufolge die Einheit der menschlichen Familie und entlarvt die Gottlosigkeit jedes Krieges: "Wenn ihr es nur gut meint zu euren Landsleuten, werden alle es gleichfalls nur gut meinen zu ihren Landsleuten, und dies führt zu Kriegen. Ihr aber werdet zu allen Völkern dieselben sein und werdet Söhne Gottes sein. Alle Menschen sind seine Kinder, folglich sind alle eure Brüder ... Verhaltet euch zu fremden Völkern grade so, wie ich euch sagte ... Für den Vater aller Menschen gibt es keine Verschiedenheit der Völker, noch der Reiche: alle sind sie Brüder, alle Söhne eines Vaters. Unterscheidet nicht zwischen den Menschen nach Volk und Reich." Eingeleitet wird diese Neuedition mit einem Text von Käte Gaede über Tolstois Weg "vom Schriftsteller zum Bibelinterpreten" (1980). Tolstoi-Friedensbibliothek Reihe A, Band 4 (Signatur TFb_A004) Bearbeitet von Peter Bürger und Thomas Nauerth

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Tolstoi-Friedensbibliothek Reihe A | Band 4

Bearbeitet von Peter Bürger und Thomas Nauerth

Tolstoi Friedensbibliothek TFb_A004

Inhalt

Zur Einleitung L

EW

N

IKOLAJEWITSCH

T

OLSTOI

Vom Schriftsteller zum Bibelinterpreten

Von Käte Gaede

(1980)

_____

Leo N. Tolstoi K

URZE

D

ARLEGUNG DES

E

VANGELIUM

Aus dem Russischen von Paul Lauterbach (1892)

Vorbemerkung des Übersetzers

Vorwort zur Kurzen Darlegung des Evangelium

Das Evangelium. Die Verkündigung vom Heile Jesu Christi, des Sohnes Gottes. Einleitung

I. Kapitel. Der Sohn Gottes. Der Mensch ist ein Sohn Gottes, ohnmächtig im Fleische and frei durch den Geist. (Unser Vater!)

II. Kapitel. Und darum muß der Mensch nicht dem Fleische, sondern dem Geiste dienen. (Der du bist im Himmel.)

III. Kapitel. Aus dem Vater-Geiste ging das Leben aller Menschen hervor. (Geheiligt werde dein Name!)

IV. Kapitel. Das Reich Gottes. Und darum ist der Wille des Vaters das Leben und Heil aller Menschen. (Dein Reich komme.)

V. Kapitel. Das wahre Leben. Die Erfüllung des Willens des Vaters wird das wahre Leben geben. (Dein Wille geschehe!)

VI. Kapitel. Das falsche Leben. Und dazu, daß er das wahre Leben empfange, muß der Mensch auf Erden sich lossagen vom falschen Leben des Fleisches und durch den Geist leben. (Wie im Himmel, so auch auf Erden.)

VII. Kapitel. Ich und der Vater sind eins. Die wahre Speise des Lebens ist die Erfüllung des Willens des Vaters und die Vereinigung mit ihm. (Unser nötiges Brot gieb uns –)

VIII. Kapitel. Das Leben ist keines in der Zeit. Und darum lebt der Mensch wahrhaft, wann er sich nährt von der Erfüllung des Willens des Vaters im Gegenwärtigen, und abläßt von allen Gedanken an das Vergangene und Zukünftige. (Heute.)

IX. Kapitel. Die Verführungen. Der Trug des zeitlichen Lebens verbirgt vor den Menschen das wahre Leben im Gegenwärtigen und in der Vereinigung mit dem Vater. (Und vergieb uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.)

X. Kapitel. Der Kampf mit den Verführungen. Und darum muß man, sich vom Bösen zu befreien, zu jeder Stunde seines Lebens eins sein mit dem Vater. (Und führe uns nicht in Versuchung.)

XI. Kapitel. Das Abschieds-Gespräch. Das persönliche Leben ist ein Trug des Fleisches, ist das Böse. Das wahre Leben ist das, das allen Menschen gemeinsam ist. (Sondern erlöse uns vom Bösen.)

XII. Kapitel. Der Sieg des Geistes über das Fleisch. Und darum giebt es für einen Menschen, der kein persönliches, sondern ein gemeinsames Leben im Willen des Vaters lebt, kein Böses. Der fleischliche Tod ist die Vereinigung mit dem Vater. (Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.)

Schluß. Die Erkenntnis des Lebens ist die Ausübung des Guten

Erste Epistel Johannis des Theologen

_____

A

NHANG

Kommentierte Bibliographie zu Leo N. Tolstois Werken über die Evangelien

Ausgewählte Sekundärliteratur zu Tolstois Bibelarbeit

Leo N. Tolstoi (1828-1910) im sechsten Lebensjahrzehnt

commons.wikimedia.org

Zur Einleitung

Lew Nikolajewitsch Tolstoi

Vom Schriftsteller zum Bibelinterpreten

(Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 1980)1

Von Käte Gaede

Lew Nikolajewitsch Tolstoi (1828-1910) hat bereits zu Lebzeiten Aufsehen erregt. Iwan Sergejewitsch Turgenjew (1818 bis 1883), mit dem Tolstoi eine Zeitlang freundschaftliche Beziehungen verbanden, hat einmal geäußert: „Tolstoi … ist unter den russischen Schriftstellern ein Elefant, der es vermag, mit seinem Rüssel einen Baum im Walde mit den Wurzeln herauszureißen, aber auch einen Schmetterling so zart von der Blume zu heben, daß ihr Blütenstaub nicht beunruhigt wird.“2

Maxim Gorki (1868-1936) hat Erinnerungen an ihn aufgezeichnet; andere Zeitgenossen hielten Gespräche mit ihm fest, schrieben seine Biographie oder gaben seine Briefe und Tagebücher heraus.3

Die zaristische und auch die geistliche Zensurbehörde verfolgten aufmerksam seine Veröffentlichungen.

Andere Schriftsteller, unter ihnen Max Brod, Thomas Mann, Romain Rolland, Anna Seghers, Stefan Zweig, haben sich in gesonderten Arbeiten mit Person und Werk des großen Russen auseinandergesetzt.

Seit über einem Jahrzehnt erscheint in der DDR eine zwanzigbändige Tolstoi-Ausgabe, die uns seine Werke in erfreulichem Umfang und systematisch zugänglich macht und in Nachworten und zum Teil ausführlichen Anmerkungen wichtige Übersicht über zeitgeschichtliche, gesellschaftliche und persönliche Zusammenhänge vermittelt.4

Noch heute gehören die Werke Tolstois zu der in die meisten Weltsprachen übersetzten Literatur. Und noch vor seinem Tode schrieben bereits Literaturwissenschaftler, Pädagogen, Politiker, Theologen und Philosophen die ersten Bücher oder Abhandlungen über ihn. Sein umfassendes Gedankengut analysierend aufzunehmen ist eine Aufgabe, die nur von verschiedenen Fachleuten geleistet werden kann.

In der bei Reclam 1974 erschienenen „Russischen Literatur im Überblick“ wird Tolstoi (Seite 326) unter anderem wie folgt charakterisiert: „In einem lange währenden qualvollen Prozeß des Suchens nach Klarheit über seinen Platz in der Welt und einer Philosophie, die ihm Richtlinie sein kann, gelangt er zum völligen Bruch mit seiner Klasse und zum Übergang auf die Position der patriarchalischen, also altväterlich-traditionstreuen Bauernschaft. Hiermit verbunden ist ein Bruch mit den Dogmen der orthodoxen Kirche, der bis zur Errichtung eines eigenen christlichen Gedankengebäudes geht.“ Jenes „eigene christliche Gedankengebäude“, häufig mit ,Tolstois Christentum‘ oder ,seiner Bergpredigtinterpretation‘ umschrieben, prägte dann besonders die letzten dreißig Jahre seines Lebens. Gleichfalls Turgenjew war es – kurz vor seinem Tode -, der angesichts jener Wandlung Tolstoi wissen ließ: „Weh und leid ist es uns, daß Sie, der große Künstler des großen Rußland, Ihren [literarischen] Pinsel zur Seite gelegt haben.“5

Von Tolstois Interpretation der biblischen Botschaft und seinem Demonstrieren ihrer Aktualität sah sich dann nicht nur die Russische Orthodoxe Kirche seinerzeit herausgefordert. Auch evangelische Theologen haben Aspekte für die Ablehnung oder Gültigkeit seiner Aussagen herausgearbeitet. Der Theologe Martin Doerne hat erst 1961 in seiner Untersuchung über Tolstoi und Dostojewski darauf hingewiesen, daß Tolstoi heute für jene Theologen, die die Mitmenschlichkeit als kritisches Maß aller Christlichkeit hervorheben, als Kronzeuge gelten könnte. Die 150. Wiederkehr des Geburtstages Tolstois, am 9. September 1978 (28. August alten Stils), konnte ein Anlaß sein, Tolstois Schaffen von theologischer Seite erneut zu würdigen. Darüber hinaus liegt uns daran, vor allem jenes christliche Gedankengebäude anhand der dafür zentralen und schwer zugänglichen Schriften darzustellen sowie sein Entstehen und Wirken zu skizzieren. Die Aktualität dessen, seinerzeit am Reagieren der verschiedenen Kreise ablesbar, wird sich auch dem heutigen Leser erschließen.

______

Das Leben des außergewöhnlichen Menschen Graf Lew Nikolajewitsch Tolstoi nahm auch ein ungewöhnliches Ende. Am 28. Oktober 1910 brach er in dämmriger Frühe aus seinem Gut in Jasnaja Poljana („helle Lichtung“), im Gouvernement Tula, südlich von Moskau gelegen, auf und kehrte nur noch als Toter dorthin zurück.

Mit seinem Hausarzt Dusan P. Makovicky (1866-1921), der ihn seit 1904 ständig begleitete, hatte sich Tolstoi zunächst in das Optina-Einödkloster (Optina pustyn) begeben, das im 19. Jahrhundert ein geistlicher Mittelpunkt der Russischen Orthodoxen Kirche war. Am darauffolgenden Tag besuchte er seine Schwester Maria im nicht allzuweit entfernten Kloster Schamardino. Seine Weiterfahrt auf der Eisenbahnlinie Rjasan – Ural – das genaue Ziel war noch nicht festgelegt – mußte er dann an der kleinen Bahnstation Astapowo unterbrechen: Eine Erkältung, die eine Lungenentzündung nach sich zog, zwang ihn aufs Krankenlager. Am 7. November starb er und wurde am 9. November in Jasnaja Poljana beigesetzt.

Heftige Auseinandersetzungen mit seiner Frau waren Tolstois Aufbruch vorausgegangen. Sie als einzigen Beweggrund zu werten, würde der Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit nicht gerecht werden.

Ungewöhnlich kann dieser Aufbruch nicht genannt werden; denn er gehört in die Reihe derer, die Tolstoi während seines Lebens immer wieder unternommen hat, weniger Aufbrüche äußerer als vielmehr innerer Art, die sich in seinem praktischen Handeln und in der literarischen Reflexion – im weitesten Sinne – niederschlugen. Alle waren sie auf die Verwirklichung eines sinnerfüllten Lebens gerichtet.

Auch der letzte Aufbruch Tolstois ist weniger spektakulär – will man auch die anderen in seinem Leben nicht so sehen –, als vielmehr von der Absicht getragen, wie er es im Brief an seine Frau am 28. Oktober 1910 ausdrückt, „nicht länger in jenem Luxus zu leben …“ In einem weiteren Brief an seine Frau vom 30./31. Oktober 1910 formuliert Tolstoi geradezu nüchtern: „Vielleicht sind die Monate, die wir noch zu leben haben, wichtiger als alle durchlebten Jahre, und wir müssen sie gut leben.“6 Von demselben Grundgedanken ist die Mahnung vom 1. November 1910 an seinen ältesten Sohn, Sergej Lwowitsch Graf Tolstoi, getragen: „… denke einmal über Dein Leben nach, darüber, wer Du bist, was Du bist, worin der Sinn des menschlichen Lebens besteht und wie jeder vernünftige Mensch es verbringen soll …“

Bereits 19jährig formuliert Tolstoi in seinem Tagebuch, am 17. April 1847, den Zweck des Lebens: „… das bewußte Streben nach allseitiger Entwicklung alles Seienden … Ich wäre der unglücklichste Mensch, wenn ich keinen Zweck für mein Leben gefunden hätte, keinen allgemeinen und nützlichen Zweck, nützlich in dem Sinne, daß die unsterbliche Seele, wenn sie ihre natürliche Entwicklung abgeschlossen hat, in ein höheres Wesen und einen diesem angemessenen Zustand übergeht. Mein ganzes Leben soll nun ein tätiges, unermüdliches Streben nach diesem Ziele sein …“7.

Nach Abbruch seines Studiums an der Fakultät für orientalische Sprachen und der Rechte an der Kasaner Universität unternimmt Tolstoi mit der Gründung einer Schule in Jasnaja Poljana seine ersten pädagogischen Versuche, die er aber bald aufgibt und erst zehn Jahre später mit größerer Wirkung fortsetzt.

Dazwischen liegt die Zeit freiwilligen Dienstes in der Armee, währenddessen seine ersten literarischen Werke entstehen. Am Schluß der „Kindheit“, die 1852 in der Zeitschrift „Sowremennik“ (Der Zeitgenosse) erscheint, läßt Tolstoi bereits den Helden seiner Autobiographie, Nikolai Irtenjew, über den Tod der Haushälterin Natalja Sawischna auf dem Gute Petrowskoje, dem Sommersitz der Familie Tolstoi, reflektieren: „Sie schied ohne Bedauern aus dem Leben, fürchtete den Tod nicht, sondern nahm ihn als eine Wohltat entgegen. Das wird oft gesagt, doch wie selten ist es wirklich so! Natalja Sawischna konnte den Tod nicht fürchten, weil sie in unerschütterlichem Glauben starb und die Vorschriften des Evangeliums erfüllt hatte. Ihr ganzes Leben war eine reine, uneigennützige Liebe und Selbstaufopferung gewesen. Gewiß, ihr Glaube hätte vielleicht erhabener, ihr Leben auf ein höheres Ziel gerichtet sein können; aber war diese reine Seele deswegen etwa weniger liebenswert und bewunderungswürdig? Sie hatte das beste und größte Werk dieses Lebens vollbracht – sie ist ohne Bedauern und ohne Furcht gestorben …“ (Werke Bd. 1, S. 124). In den zwei Jahre später erschienenen „Knabenjahren“ weitet Irtenjew den Blick über die unmittelbare Umgebung hinaus aus und macht damit eine „moralische Wandlung“ durch: „Es wurde mir zum erstenmal klar, daß nicht nur wir, nicht unsere Familie allein, auf Erden lebten, daß sich nicht alles ausschließlich um uns drehte, sondern daß auch noch andere Menschen existierten, die ihr eigenes Leben führten, nichts mit uns gemein hatten, sich nicht um uns kümmerten und nicht einmal von unserem Dasein wußten“ (Werke Bd. 1, S. 142 f.).

Jene anderen Menschen seiner unmittelbaren Umgebung nehmen dann mehr und mehr die Aufmerksamkeit Tolstois in Anspruch. Gleichzeitig mit ersten pädagogischen Versuchen widmet er sich seinen Aufgaben als Gutsherr. Die Erlebnisse des 19jährigen, seine Pläne und Absichten haben in der Erzählung „Der Morgen eines Gutsbesitzers“ ihren Niederschlag gefunden. Erst 1856 fertiggestellt, spiegelt dieses literarische Werk seiner Frühzeit noch ebenso die illusionären Vorstellungen wider, wie es Aufschluß über die Offenheit gegenüber den Problemen des Volkes deutlich macht: Der autobiographische Züge tragende Nechljudow „kannte seit langem, nicht vom Hörensagen, sondern aus eigener Anschauung, die furchtbare Armut, in der die Bauern seines Gutes ihr Leben fristeten; doch diese Verhältnisse widersprachen so sehr dem Milieu, in dem er erzogen war, seiner Geistesrichtung und Lebensweise, daß er gegen seinen Willen oft die Wirklichkeit vergaß und daß sich jedesmal, wenn sie ihm jetzt in so anschaulicher Weise in Erinnerung gebracht wurde, ein ungemein bedrückendes, quälendes Gefühl seiner bemächtigte, als sei er an ein von ihm begangenes, noch ungesühntes Verbrechen erinnert worden.“ (Werke Bd. 2, S. 427 f.) Nechljudow, der den rauhen Alltag und die kärglichen Lebensbedingungen bei seinen Besuchen und den Bittgesuchen der Bauern erlebt, muß bald feststellen, daß seine Pläne, „inmitten dieser schlichten, empfänglichen und unverbildeten Klasse des Volkes zu wirken, sie aus ihrer Armut zu befreien und zum Wohlstand zu führen, ihr etwas von der Bildung zu vermitteln, … ihre auf Unwissenheit und Aberglauben beruhenden Laster zu bekämpfen und ihre Moral zu heben, sie zu lehren, das Gute zu lieben …“ (S. 470), nicht so leicht zu verwirklichen sind.

Tolstoi beschäftigt sich weiter mit der Bauernfrage und versucht, eine eigene Form der Leibeigenschaftsreform durchzuführen, stößt dabei jedoch auf den Widerstand der Bauern. Diese erwarten von der durch Zar Alexander II. (1855-1881) vorbereiteten Aufhebung der Leibeigenschaft, alles Land zugesprochen zu bekommen, was Tolstoi ihnen – zu günstigen Bedingungen – verpachten will.

Freilich sind Tolstois Aktivitäten in jenen Jahren von dem Bemühen getragen, „das ganze Gebäude von der Feuersbrunst zu retten, die mit jeder Minute um sich greifen“ würde, wie er in einem Brief am 9. Juni 1856 an Graf Bludow (1785-1864; zeitweise Innenminister) betont.

Er unterwirft die gesamte gesellschaftliche Situation Rußlands einer vernichtenden Kritik, wenn er an seine Großcousine väterlicherseits, Alexandra Alexandrowna Gräfin Tolstaja (A. A. Tolstaja, 1817-1904, Kammerfräulein, Hofdame und Erzieherin der Zarentöchter), am 18. August 1857 schreibt: „In Rußland ist es abscheulich, abscheulich, abscheulich. In Petersburg, in Moskau hört man alle schreien, sind alle empört, warten auf etwas, und fern von den Hauptstädten trifft man gleichfalls das patriarchalische Barbarentum, Diebstahl und Gesetzlosigkeit …“ Tolstoi spricht vom „Gefühl des Abscheus“ gegenüber seiner Heimat und beginnt sich erst langsam wieder zu gewöhnen „an all die Schrecken, die uns hier ewig umgeben“: „… wie eine vornehme Dame auf der Straße ihr Mädchen mit dem Stock schlug, wie mir der Landkommissar ausrichten ließ, ich solle ihm eine Fuhre Heu schicken, sonst werde er meinem Diener die Heiratserlaubnis nicht ausschreiben, wie ein Beamter vor meinen Augen einen siebzigjährigen kranken Greis halbtot schlug, weil dieser Beamte sich an dem Alten gestoßen hatte, wie mein Verwalter, um mir gefällig zu sein, einen Gärtner, der sich bezecht hatte, damit bestrafte, daß er ihn, abgesehen von den Prügeln, noch barfuß aufs Stoppelfeld schickte, das Vieh zu hüten …“ Und während Tolstoi feststellt, daß „das Leben in Rußland eine einzige ewige Anstrengung und ein Kampf gegen die eigenen Gefühle“ ist, kommt er hier zu dem Schluß, daß „als Rettung die Welt der Moral, die Welt der Künste, der Poesie und der Neigungen“ existiert – wo niemand stört.

Auslandsaufenthalte Tolstois fordern ebenfalls sozialkritische Äußerungen heraus. Seine Urteile sind nicht Ergebnisse von Analysen der historischen Entwicklungstendenzen, sondern aus dem unmittelbaren Erleben zufälliger Situationen erwachsen. Das mindert nicht den Wert der jeweils positiven oder kritischen Position, muß aber bedacht werden, um manch absolutes, negatives Urteil Tolstois zu relativieren. Einerseits ist er beispielsweise hochgestimmt, als er sich im Frühjahr 1857 in Paris aufhält, wie es sich im Brief an den Schriftsteller, Kritiker und Publizisten Wassili Petrowitsch Botkin (1811-1869) vom 24./25. März niederschlägt: „Ich bin ein völliger Nichtswisser; nirgends habe ich das so heftig empfunden wie in Paris. Schon allein deswegen kann ich also zufrieden und glücklich über mein Leben hier sein; um so mehr, als ich spüre, diese Unwissenheit ist nicht hoffnungslos. Und dann die Kunstgenüsse … vor allem aber das Erlebnis der sozialen Freiheit, von der ich in Rußland nicht einmal eine Vorstellung hatte …“ Aber noch in demselben Brief schlägt Tolstois Stimmung völlig um: „Ich habe die Dummheit und Grausamkeit besessen, mir heute morgen eine Hinrichtung anzusehen … Ich habe im Krieg und im Kaukasus viel Schreckliches gesehen, aber hätte man in meiner Gegenwart einen Menschen in Stücke gerissen, wäre das nicht so abstoßend gewesen wie diese kunstvolle und elegante Maschine … Dort herrscht nicht vernünftiger Wille, sondern menschliche Leidenschaft, hier aber handelt es sich um die raffinierteste Gelassenheit und Zweckmäßigkeit beim Töten ohne auch nur eine Spur von Erhabenheit. Der nackte, anmaßende Wunsch, Gerechtigkeit, das Gesetz Gottes zu vollziehen. Eine Gerechtigkeit, über die Advokaten entscheiden – von denen jeder, gestützt auf Rechtlichkeit, Religion und Wahrheit, etwas Entgegengesetztes behauptet … Gesetz von Menschen – Mumpitz! Die Wahrheit ist, daß der Staat eine Verschwörung nicht nur zur Ausbeutung, sondern vor allem zur Entsittlichung der Staatsbürger darstellt. Und dennoch existieren Staaten, und noch dazu in unvollkommener Gestalt. Und von dieser Ordnung können sie nicht zum Sozialismus übergehen. Was ist also zu tun, von denen, die alles so ansehen wie ich?“ Und Tolstoi äußert den Entschluß, „niemals und nirgends irgendeiner Regierung [zu] dienen“. Aus Zürich schreibt er am 9. Juli 1857 ebenfalls an W. P. Botkin und erwähnt Erlebnisse in Luzern, die ihn so stark beeindruckten, daß „beinahe ein ganzer Aufsatz daraus geworden“ ist. Die den entsprechenden Titel tragende Erzählung, „Luzern“, enthält Tolstois Kritik an der doppelgesichtigen bürgerlichen Daseinsweise in der republikanischen Schweiz.

Dennoch setzt Tolstoi, nach Jasnaja Poljana zurückgekehrt, seine gesellschaftlichen Aktivitäten fort. Er wird in das Amt eines Friedensrichters gewählt, das er im Distrikt vier des Kreises Krapiwna ausübt. Das Friedensrichteramt – nach der Aufhebung der Leibeigenschaft gebildet, um Probleme zwischen den Gutsbesitzern und den Bauern zu klären – hat Tolstoi wiederum sehr bald in eine Konfrontation mit den zaristischen Behörden gebracht.

Schließlich soll an dieser Stelle bereits Tolstois Aktion im Zusammenhang mit der Verurteilung eines Infanteriesoldaten erwähnt werden, dessen Hinrichtung er 1866 beiwohnen mußte, da er zuvor als dessen Verteidiger aufgetreten war. Der erschütternde Eindruck, den dieses Ereignis auf Tolstoi hinterlassen hat, dürfte vor allen Dingen auch darin seinen Grund haben, daß sich Tolstoi hier mit der feudalen Gewaltherrschaft konfrontiert sah und seine Ohnmacht erkannte, diese durch Gesetz und Gerechtigkeit zu zügeln. Denn obgleich er bei seiner Verteidigung an den „allgemeinen Geist“ der „Gesetzgebung“ appellierte, „nach welchem die Waagschale des Richterspruchs immer nach der Seite der Gnade gesenkt wird“8, ließ sich die Verurteilung des Soldaten nicht abwenden. In späteren Äußerungen (1908) zu diesem Ereignis hat Tolstoi selbst zwar sein Auftreten als sehr „widerlich“ charakterisiert; denn aus späterer Sicht schien es ihm ein unmöglicher Versuch, beweisen zu wollen – „indem man sich auf diese lügnerischen und dummen Worte“ stützt, „die man das Gesetz nennt“ –, „daß man diesen Menschen gar nicht zu töten braucht. … Denn man kann nicht beweisen, daß das Leben jedes Menschen heilig ist, daß es nicht das Recht eines Menschen sein kann, dem anderen sein Leben zu nehmen, alle Menschen wissen es, und man kann es nicht beweisen, weil es nicht nötig ist. … Man kann und darf und soll nur eines: sich bemühen, die menschlichen Richter aus dieser Betäubung zu befreien, die sie zu einer so unmenschlichen, unmöglichen Absicht brachte …“ (weil es der menschlichen Natur zuwider ist).

Seit 1859 steht vor allem Tolstois pädagogische Tätigkeit im Vordergrund. Sie ist Ausdruck der praktischen Verwirklichung seiner Einsicht – Brief an Botkin, 26. Januar 1862 –, daß „solange nicht im wesentlichen Gleichheit der Bildung besteht es auch keinen besseren Aufbau unseres Staates geben“ wird. Deshalb sieht er auch – im selben Brief geäußert – das für ihn Wesentliche damit getan, daß in seinem „Distrikt von 9000 Seelen … in diesem Herbst einundzwanzig Schulen entstanden“ sind. Im Brief vom 12. März 1860 an den russischen Schriftsteller Jegor Petrowitsch Kowalewski (1811-1868) findet sich der Hinweis Tolstois, daß „das zahlenmäßige Mißverhältnis ins Auge springen [muß], das zwischen Gebildeten und Ungebildeten oder, richtiger gesagt, zwischen Wilden und des Lesens und Schreibens Kundigen besteht“. Und er kommt weiter zu dem Schluß, daß die Bildung bisher nicht existiere; denn sie sei „noch nicht begründet worden und wird nie begründet werden, wenn die Regierung für sie zuständig ist“. Denn: „Soll es mit der Volksbildung vorangehen, muß sie der Gesellschaft übertragen werden … Die Gesellschaft muß Erfolg haben, weil ihre Interessen unmittelbar mit dem Bildungsgrad des Volkes verknüpft sind, weil das aller Gewaltmittel beraubte Handeln der Gesellschaft sich ausschließlich nach den Bedürfnissen des Volkes richten wird, … und am Grad der Befriedigung der Bedürfnisse des Volkes könnte man dieses Handeln ständig überprüfen.“

In den Jahren 1871/72 entsteht dann eine Fibel, Material für den Schulunterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen sowie methodische Hinweise für die Unterrichtung. Unter dem Titel „Das neue Alphabet“ erscheint sie schließlich – umgearbeitet – 1875, hat Erfolg und wird sogar vom zaristischen Unterrichtsministerium für den Schulgebrauch empfohlen. Eine Auswahl der im „Neuen Alphabet“ sowie in einer anderen Sammlung von Lesestücken, den „Russischen Lesebüchern“, erschienenen Erzählungen enthält Band 8 der 20bändigen Tolstoi-Ausgabe.

Erlebter Alltag, Geschichte und Natur sind ebenso Inhalt der Erzählungen wie Fabeln, Märchen und Legenden.

Tolstoi war auf seinen Reisen auch in Erfahrungsaustausch mit ausländischen Pädagogen getreten. Die gewonnenen Erkenntnisse und theoretischen Grundsätze stellt er schließlich in einem Jahrgang seiner Zeitschrift „Jasnaja Poljana“ der Öffentlichkeit vor (1862/63). Aber sehr bald wird er denunziert und verdächtigt, revolutionäre Flugblätter gedruckt zu haben, was eine Haussuchung zur Folge hat. Tolstoi war zu jenem Zeitpunkt gerade zur Kur. Eine derartige Konfrontation mit gegen seine freiheitlichen Tendenzen mißtrauischen Behörden löst erneut seinen Unmut über die politischen Verhältnisse aus: „… ich empfinde Erbitterung und Abscheu, nahezu Haß gegen jene liebe Regierung, die bei mir eine Haussuchung nach lithographischen und typographischen Maschinen zum Nachdruck der Proklamationen Herzens vornimmt …“ (Brief an A. A. Tolstaja, 22./23. Juli 1862).

Nach diesen Erfahrungen verliert Tolstoi wieder das Interesse am Schulunterricht. Wenig später, am 23. September 1862, heiratet er eine Tochter eines Moskauer Arztes, Sofja Andrejewna Behrs (geb. 1844). Intensives literarisches Schaffen nimmt ihn dann bald ganz in Anspruch. Von 1864 bis 1869 arbeitet er an dem Epos „Krieg und Frieden“, das ihm Weltruhm einbringt. 1873 entsteht zunächst die erste Fassung des großen Romans „Anna Karenina“, der schließlich als zweiteiliges Werk 1875 abgeschlossen ist.

Auf diese Zeit zurückblickend, schreibt Tolstoi in seinen Selbstbekenntnissen, der „Beichte“, 1879: „Obwohl ich die Schriftstellerei in diesen fünfzehn Jahren als Kinderei betrachtete, schrieb ich dennoch weiter. Ich hatte schon die Verlockung der Schriftstellerei gekostet, die Verlockung riesiger Honorare und lauten Beifalls für völlig wertlose Arbeit und hatte mich ihr als einem Mittel ergeben, meine materielle Lage zu verbessern und alle Fragen nach dem Sinn meines Lebens und des Lebens überhaupt in meinem Innern zum Schweigen zu bringen“ (Werke Bd. 15, S. 85).

Tatsächlich mußte Tolstoi 1862 dem Herausgeber der Zeitschrift „Russki westnik“ (Der russische Bote), Michail Nikoforowitsch Katkow (1818-1887), die noch unvollendete Novelle „Die Kosaken“ überlassen, die dann 1863 erscheint. Das Honorar von 1000 Rubel hatte er beim Billardspiel bereits an Katkow verloren. Jenes Meisterwerk wurde von Tolstoi wegen der damit verbundenen unangenehmen Erinnerungen nicht vollendet. Zehn Jahre lang hatten ihn die Kosaken beschäftigt, und sie zeigen auch das unablässige Ringen des Denkers. In der Idee der Selbstverleugnung und des Wirkens für andere berühren sie sich mit dem „Morgen eines Gutsbesitzers“ und enthalten – ebenso wie seine pädagogischen Aufsätze – den Gedanken, daß man beim Volk in die Schule gehen müßte.

In das umfassende Zeitpanorama von „Krieg und Frieden“ bettet Tolstoi in den Gestalten von Pierre Besuchow und Andrej Bolkonski die Entwicklung von unbeschwerten jungen Menschen zu verantwortungsbewußt lebenden Erwachsenen ein. Auf der Suche nach einer sinnvollen Erfüllung ihres Lebens durchlaufen sie viele Stadien, gewinnen neue Eindrücke, sind von diesen wiederum enttäuscht, entwickeln Illusionen und verlieren sie.

Bereits während der Arbeit an „Anna Karenina“ liest Tolstoi mit besonderem Eifer und großer Intensität philosophische Werke, religionswissenschaftliche Abhandlungen, betreibt hebräische und griechische Sprachstudien, so daß die Arbeit an jenem Roman immer wieder unterbrochen wird. In der Gestalt Konstantin Lewins finden sich Tolstois innere Kämpfe ebenso verdichtet wie seine Erfahrungen als Gutsbesitzer, Pädagoge und Reformer. Zweifel an der Richtigkeit der eigenen Lebensweise, der des russischen Volkes und der Menschheit überhaupt plagen den jungen Gutsbesitzer, und ebenso wie Tolstoi in seiner „Beichte“ (Werke Bd. 15, S. 87 f.) die gegen sich selbst angewandte List zur Vertreibung von Selbstmordabsichten beschreibt, ist Lewin „mehrmals so nahe daran, sich das Leben zu nehmen, daß er jeden Strick versteckte, um sich nicht damit zu erhängen, und es vermied, mit einem Gewehr auszugehen, um nicht in Versuchung zu kommen, sich zu erschießen“ (Werke Bd. 7, S. 500).

Daß Tolstoi (Lewin) seinem Leben kein Ende bereitet hatte, lag wohl daran, daß er … nach jenen geistigen Grundsätzen gelebt, die er mit der Muttermilch eingesogen hatte, aber beim Nachdenken über das Leben hatte er diese Grundsätze nicht anerkannt und sich sogar mit Vorbedacht über sie hinweggesetzt. Jetzt war er zu der Überzeugung gekommen, daß er nur dank jenen Grundsätzen leben konnte, nach denen er erzogen worden war. Was wäre aus mir geworden und was für ein Leben hätte ich bis jetzt wohl geführt, wenn ich nicht diese Grundsätze gekannt und nicht gewußt hätte, daß man für Gott statt um seiner eigenen Bedürfnisse willen leben muß? …“ (Werke Bd. 7, S. 511).

Tolstoi hatte sich in jenen Jahren – wie er im Vorwort zur „Vereinigung und Übersetzung der vier Evangelien“ beschreibt – angesichts der „lebendigen Menschheit“ überzeugt, „daß die Menschen durch den Glauben lebten und leben … und aus diesem einen solchen Lebenssinn schöpfen, der ihnen die Kraft gab, ruhig und freudig zu leben und ebenso zu sterben“ (S. 9; vgl. Anm. 15). Er war ja im orthodoxen Glauben erzogen worden, hatte in seiner Jugendzeit und später immer wieder zur Heiligen Schrift gegriffen. In der „Beichte“ behandelt er die Frage des Glaubens ausführlicher und stellt fest, daß er nie wirklich gläubig gewesen sei, sondern nur Vertrauen zu dem gehabt habe, was ihn gelehrt worden sei und was die Erwachsenen in seiner Gegenwart bekannt hätten. Der von ihm konstatierte Abfall vom Glauben, der sich in den Jahren seiner Jugend ereignet habe, stellt sich darum nicht eigentlich als Abfall dar; denn der obenerwähnte Glaube Tolstois hatte den Charakter des Fürwahrhaltens überkommener Glaubenslehren. Darum habe man auch daraus, was ein Mensch tat, nicht entnehmen können, ob er an Gott glaube oder nicht. „Verstand …, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Güte und Sittlichkeit begegneten einem meist bei Menschen, die sich als Ungläubige bezeichneten“ (Werke Bd. 15, S. 74). „Daher ist es jetzt genau wie früher“, vermerkt Tolstoi weiter in der „Beichte“ (Werke Bd. 15, S. 75), „die Glaubenslehre, die vertrauensvoll aufgenommen wird und ihren Fortbestand äußerem Druck verdankt, schmilzt unter dem Einfluß von Kenntnissen und Lebenserfahrungen, die ihr widersprechen, allmählich dahin, und die Menschen leben sehr oft lange Zeit in der Einbildung, die ihnen seit ihrer Kindheit vermittelte Glaubenslehre sei noch unversehrt, während in Wirklichkeit keine Spur mehr davon vorhanden ist.“

In einem Brief an A. A. Tolstaja findet sich Ende April 1859 bereits – rückschauend auf seine Kindheit – folgende Einschätzung: „Als Kind glaubte ich glühend, sentimental und ohne zu überlegen, später, etwa mit vierzehn Jahren, fing ich an, über das Leben allgemein nachzudenken, und stieß auf die Religion, die nicht zu meinen Theorien paßte, und selbstverständlich hielt ich es für ein Verdienst, sie zu zerstören.“

Er habe dann etwa zehn Jahre lang „ein sehr unbekümmertes Leben führen können“, aber als sich ihm „alles erschlossen hatte, das Leben keine Geheimnisse mehr barg“, hatte dieses Leben dafür auch seinen Sinn verloren. Er habe dann jedoch „entdeckt, daß es Unsterblichkeit gibt, daß es Liebe gibt und daß man für den anderen leben muß, will man ewig glücklich sein“. Nachdem er die Ähnlichkeit dieser Gedanken „mit der christlichen Religion“ bemerkt hatte, wandte er sich dem Evangelium zu, habe dort aber weder „Gott, noch den Erlöser, noch die Sakramente“ gefunden und sei deshalb bei seiner „eigenen Religion geblieben und gut mit ihr ausgekommen“ – „Ich muß hinzufügen – noch“. In der Fortsetzung des eben zitierten Briefes präzisiert Tolstoi jedoch seine Gedanken dahingehend: „Ich liebe … die Religion, verehre sie, glaube, daß der Mensch ohne sie weder gut noch glücklich sein kann, ich möchte sie eher als alles andere auf der Welt besitzen, ich fühle, wie mein Herz von Jahr zu Jahr ohne sie verdorrt, ich hoffe noch, und für kürzere Augenblicke scheint mir, ich glaube, aber ich besitze weder Religion, noch glaube ich. Außerdem schafft bei mir das Leben die Religion und nicht die Religion das Leben …“

In der Schule von Jasnaja Poljana hatte Tolstoi zweimal in der Woche einen Priester kommen lassen, der die Ordnung des Gottesdienstes, die Liturgie und die im Alten und Neuen Testament überlieferten Feste mit den Kindern durchsprach. „Und Sie glauben immer, ich sei ein Heide. Dabei bringe ich dem Priester noch bei, wie er unterrichten soll“, schreibt dazu Tolstoi Anfang August 1861 an A. A. Tolstaja.

Leo N. Tolstoi (1828-1910) als junger Mann: Aufnahme aus dem Jahr 1854

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Aus Tagebucheintragungen und anderen Briefen ist ersichtlich, daß es immer wieder Zeiten gab, in denen er durchaus Gottesgewißheit hatte. Es finden sich Notizen über Gebete (1851), in denen Tolstoi von Gott als dem „allumfassenden Wesen“ spricht, dessen Vergebung er gewiß ist, und er ist von Liebe zu Gott ergriffen. Tolstoi bezeichnet hier auch Gott als die „Vorsehung“, die die „Quelle der Vernunft“ ist, weshalb es der Vernunft des Menschen nicht möglich sei, diesen Urquell zu durchdringen; denn der „Verstand verliert sich in diesen Abgründen der Weisheit …“ (Tagebuch 12. Juni 1851; Werke Bd. 18).

In einem Brief an seine Tante Tatjana Alexandrowna Jergolskaja (1792-1874) schreibt er am 6. Januar 1852, daß er seit einiger Zeit an Gott glaube, und am 26. Juni desselben Jahres heißt es: „… Gott, der den Grund meines Herzens sieht und der es leitet, weiß, daß es dank ihm während meines Lebens keine Zeit gegeben hat, die ich untadelhafter verbracht habe und die mir innerliche Befriedigung gewährt hat, als die acht Monate von meiner Reise nach Tiflis an bis zu diesem Tage …“9

Seinen Glauben faßt er im November 1852 in seinem Tagebuch wie folgt zusammen: „Ich glaube an den Einigen, unergründlichen, guten Gott, an die Unsterblichkeit der Seele und an die ewige Vergeltung unserer Taten. Ich begreife das Geheimnis der Dreieinigkeit und der Geburt des Sohnes Gottes nicht, aber ich achte den Glauben meiner Väter und verwerfe ihn nicht.“10

Wenig später, 1853, vermerkt er in seinem Tagebuch, daß er das Vaterunser „an die Stelle aller Gebete“ setzt, die er „erfunden“ hatte, weil in ihm alles, was er „von Gott erbitten könnte …, ungleich erhabener und … würdiger“ enthalten sei, nämlich „in den Worten ,Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden‘“.11

Auffällig ist, daß Tolstoi in Augenblicken, da er „Liebe zu Gott“ empfindet, auch der „seichten – der lasterhaften Seite des [eigenen] Lebens“ ansichtig wird (12. Juni 1851).

Im Jahre 1857 schließlich studiert er – aufgezeichnetermaßen – die Evangelien, und er stellt hier fest, daß Homer, dessen „Ilias“ er zur gleichen Zeit las, deshalb nicht die Liebe als das einzig Gute erkannt habe, „weil er nichts von der Offenbarung wußte …“12

In den ersten Märztagen 1855 trägt Tolstoi in sein Tagebuch in Sewastopol ein: „Ein gestern geführtes Gespräch über das Göttliche und den Glauben brachte mich auf einen großen und erhabenen Gedanken, dem ich mein Leben zu weihen fähig wäre. Dieser Gedanke besteht in der Gründung einer neuen Religion, die dem Entwicklungsstand der Menschheit angemessen ist, einer Religion Christi, aber gereinigt von Glauben und Geheimnis, einer praktischen Religion, die kein künftiges Glück verheißt, sondern Glück auf dieser Erde gewährt. Einen solchen Gedanken können, das begreife ich wohl, nur Generationen in die Tat umsetzen, die bewußt auf dieses Ziel hinarbeiten. Eine Generation wird den Gedanken der folgenden als Vermächtnis hinterlassen, und irgendwann einmal wird Fanatismus oder Vernunft ihn verwirklichen. Bewußt daran zu arbeiten, Menschen und Religion zu vereinen, ist die Quintessenz dieses Gedankens, der mich hoffentlich nicht mehr losläßt“ (Werke Bd. 18, 2., 3., 4. März).

Dieses Vorhaben ist – so oft über Tolstois weltanschauliche Entwicklung und Position geschrieben worden ist – immer besonders herausgestellt worden. Nicht zu übersehen ist die auch in diesen großen Worten Tolstois vorhandene Verflochtenheit seiner Glaubensfragen mit den persönlichen und gesellschaftlichen Lebensproblemen seiner Zeit. Denn jener praktische Aspekt – die Religion, die Seligkeit auf Erden verleiht – ist es, dem Tolstoi mit seinen verschiedenartigen Aktivitäten bereits bis zum Jahre 1876 zu entsprechen versucht hatte. Sein in jungen Jahren im Vordergrund stehender Drang nach Selbstvervollkommnung wird immer mehr durch die einzig möglichen Beziehungen zwischen Individuum und Gesellschaft ausgefüllt. Die Gesellschaft aber repräsentierten für ihn mehr und mehr die Bauern beziehungsweise das Volk, weshalb er sich diesem schon in seiner pädagogischen Tätigkeit intensiv zugewandt hatte. Eine ebensolche Begegnung mit dem Volk hat bei seinen literarischen Gestalten zur Klärung geführt: Konstantin Lewin erfährt in „Anna Karenina“ ebenso wie Pierre Besuchow in „Krieg und Frieden“ Hilfe zur Selbstfindung durch einen Bauern. Ähnlich positive Auswirkungen hat das Zusammentreffen mit Menschen aus dem Volk für Olenin in den „Kosaken“ und Nechljudow in „Luzern“.

Wiederum steht Tolstoi den gesellschaftlichen Problemen seines Landes 1872 so kritisch gegenüber, daß er in einem Brief vom 15. September an A. A. Tolstaja die Absicht äußert, für immer nach England überzusiedeln beziehungsweise so lange dort zu bleiben, „bis bei uns Freiheit und Würde eines jeden Menschen garantiert sind“. Dennoch fühlt sich Tolstoi auch in jenen Jahren zum Volke hingezogen und von dessen Problemen betroffen. Erwähnt sei hier ein Aufruf, den er an die Herausgeber der Tageszeitung „Moskauer Nachrichten“ am 28. Juli 1873 sendet, um auf notwendige Hilfsmaßnahmen für die infolge jahrelanger Mißernten von Hungersnot bedrohten Familien aufmerksam zu machen. Dieser Brief erschien am 17. August desselben Jahres und hatte ein großes Echo, wurde vielfach nachgedruckt, und Sammlungen erbrachten nahezu zwei Millionen Rubel.13

1875 leitet Tolstoi siebzig Schulen, die in seinem Kreis eröffnet worden sind, wie aus dem Brief vom 16. Februar an Nikolai Nikolajewitsch Strachow (1828-1896, Literaturkritiker und Journalist) hervorgeht.

Tolstois Hinwendung zur Russischen Orthodoxen Kirche, wie sie seit 1876 verstärkt geschieht, ist eine andere Form der Hinwendung zum Volk. Die in der Kirche üblichen Zeremonien bereiten ihm allerdings Schwierigkeiten. Anläßlich der Bestattung eines Kindes seines Bruders äußert er sich 1873 gemeinsam mit diesem abfällig über jene äußeren Formen. In einem Brief (vermutlich) vom 27. Januar 1878 an N. N. Strachow findet sich aber jene Äußerung, daß die Antworten, die die Religion gebe, vom „Standpunkt der Vernunft aus … sinnlos [sind] … Dennoch aber antworten allein sie auf die Fragen des Herzens. Als Ausdruck, als Form sind sie sinnlos, als Inhalt jedoch sind sie wahr …“ Und Tolstoi nimmt in diesem Brief in bezug auf die äußeren Formen dann eine gemäßigtere Position ein: „… Alle Glaubensvorstellungen, die ich habe, die Sie haben und die das ganze Volk hat, beruhen nicht auf Worten und Überlegungen, sondern auf einer Reihe von Handlungen, von Menschenleben, die einander … unmittelbar beeinflussen, angefangen vom Leben eines Abraham, eines Moses, eines Christus, der heiligen Väter, und sogar durch äußere Handlungen: durch das Beugen der Knie, das Fasten, das Einhalten bestimmter Tage und dergleichen mehr. Aus der unendlichen Menge der Handlungen dieser Menschen haben sich aus irgendeinem Grunde bestimmte Handlungen herauskristallisiert und eine einzige, in sich geschlossene Überlieferung gebildet, die die einzige Antwort auf die Fragen des Herzens darstellt. Und deswegen enthält diese Überlieferung für mich durchaus nichts Sinnloses, ja noch mehr, ich begreife nicht einmal, wie man an diese Erscheinungen den Maßstab von Sinn und Unsinn anlegen kann …“ Im weiteren nimmt Tolstoi dann eine interessante Differenzierung vor: „… wenn mir daher diese Überlieferung sagt, ich müsse wenigstens einmal im Jahr Wein trinken, der Blut des Herrn heißt, dann werde ich diesen Akt auf meine Weise oder auch überhaupt nicht begreifen, ihn aber ausführen. Er enthält nichts, was meinem verworrenen Bewußtsein widerspräche; … aber wenn mir die Überlieferung … sagt: Laßt uns alle beten, daß wir möglichst viele Türken erschlagen …, dann werde ich mich nicht nach der Vernunft richten, sondern nach der zwar verworrenen, aber keinen Zweifel aufkommen lassenden Stimme des Herzens und sagen: Diese Überlieferung ist falsch …“ Obgleich Tolstoi in jener Zeit seinen „Seelenfrieden“ – im zitierten Brief erklärtermaßen – gefunden hat, wendet er sich abrupt vom gottesdienstlichen Geschehen ab. Der Grund dafür besteht in jenem Gebet ,gegen die Türken‘. Auf den letzten Seiten von „Anna Karenina“ polemisiert Konstantin Lewin bereits dagegen, den Einsatz von Freiwilligen zur Unterstützung von Serbien und Montenegro als dem „Volkswillen“ entsprechend zu behaupten (Kap. 15, Werke Bd. 7, S. 521 ff.).

Und als schließlich Rußland der Türkei den Krieg (1877-1878) erklärt, wird Tolstois Einsicht in die Rolle der Kirche tief erschüttert. Ein rückschauender Bericht seiner Frau – bei Raphael Löwenfeld, „Gespräche über und mit Tolstoi“ – ist in dieser Hinsicht eindeutig: „Tolstoi nahm an der Andacht teil, welche vor dem Auszug der Truppen in allen Kirchen Rußlands abgehalten wurde. Der Widerspruch, der sich daraus ergab, daß hier in christlichen Kirchen, dort in mohammedanischen Moscheen um dasselbe gebetet wurde, um die Überwindung des Feindes, regte die alte Ungläubigkeit wieder an. Der Zweifel war geweckt, und die politischen Ereignisse der nächsten Jahre machten ihn wachsen“ (S. 115).

Dennoch hat Tolstoi 1879 nicht mehr die Absicht, aus seinem Lande zu gehen; sondern er wendet sich sozusagen dem Glauben ‚seiner Väter‘ zu. Man wird sagen können, daß er in dieser Zeit seinen gesellschaftlichen Auftrag nicht nur erkannt, sondern angenommen hat, und nun strebt er danach, „das Kreuz … hinter Christus her [zutragen], indem … sein Gesetz der Liebe Gottes und des Nächsten“ erfüllt wird, wobei Tolstoi dieses Kreuz nicht auf sich nehmen will, sondern bereit ist, es zu tragen, weil es ihm auferlegt worden ist, wie er an A. A. Tolstaja am 25. März 1879 schreibt. Dort bezeichnet er allerdings sein Kreuz als das der „Denkarbeit“.

Das Jahr 1877 schließlich hat er selbst als das Datum gekennzeichnet, von wo an er „ein ganz neuer Mensch geworden“ ist. In den „Gesprächen über und mit Tolstoi“ heißt es, daß in Tolstois Werken „das Streben nach stetiger Vervollkommnung vom ersten bis zum letzten in auffallender Weise zum Ausdruck komme …“, worauf Tolstoi (im Jahre 1898) erwidert, daß er die Zeit vor 1877 nicht zähle, weil alles, „was vorher liegt …, Eitelkeit und Selbstsucht …“ gewesen ist (S. 83 f.).

Vielfach wird der mit dem Jahre 1876 einsetzende Lebensabschnitt Tolstois als Krise – und pointiert als „religiöse Krise“ – bezeichnet. Die einen sehen in dem Abbruch seiner literarischen Tätigkeit eine Abwendung von seinen vorherigen Lebenszielen, die anderen sehen mindestens in der Tatsache, daß sich Tolstoi eingehend der Interpretation des Evangeliums widmet und im Ergebnis dieser Arbeit eine Evangelienharmonie und darauf bezogene Schriften veröffentlicht, eine Wandlung in seinem Leben.

Pawel Iwanowitsch Birjukow (1860-1931) hat demgegenüber in seiner Tolstoi-Biographie wie folgt die Beziehung hergestellt: „Gewiß kann das Jahr 1876 nur im engeren, episodischen Sinn als der Beginn der Krise angesehen werden. Man kann auch anders sagen. Die Krise begann von dem Tage an, wo er anfing, bewußt zu leben; beides wird richtig sein.“ Und Birjukow beruft sich auf Tolstoi selbst, der geäußert habe, „daß es eine eigentliche Krise, eine Umwälzung in seinem Leben gar nicht gegeben habe, daß er immer danach gestrebt habe, den Sinn des Lebens zu finden und daß nur komplizierte äußere Erscheinungen und Ereignisse sowie seine eigenen Leidenschaften und Schwärmereien die Lösung der Lebensfrage aufgeschoben und die latenten Kräfte in einen mächtigen inneren Anstoß konzentrierten, welcher eben das morsche Gebäude zusammenstürzen machte …“ (Werke Bd. 2, S. 311 f.).

Außer den Bemühungen Tolstois, den Sinn des Lebens zu finden und zu verwirklichen, sind jetzt noch andere Ereignisse zu nennen, die ihn ebenfalls auf diesem Weg begleitet haben und die in einer Reihe von Untersuchungen über ihn einen hervorragenden Platz einnehmen: die Konfrontation mit dem Tode, besonders durch den Verlust nahestehender Personen. Eine Häufung dessen liegt durchaus in den Jahren 1873 bis 1875. Von seinen zwölf Kindern sterben in jenen Jahren drei Söhne, außerdem seine Tante T. A. Jergolskaja, die die Kinder nach dem Tode des Vaters, Graf Nikolaus Iljitsch Tolstoi, 1837 aufgenommen hatte. Tolstois Mutter, Maria Nikolajewa Wolkonsky, war bereits 1830 verstorben.

Es stirbt 1875 auch seine Tante Pelageja Iljinitschna Juschkowa, die zweitälteste Schwester seines Vaters, an die die Vormundschaft über Lew und seine Geschwister 1841 übergegangen war. Bereits 1860 leidet Tolstoi unter dem Verlust seines ältesten Bruders, Nikolai Nikolajewitsch Graf Tolstoi, der in seinen Armen stirbt und angesichts dessen Todes Tolstoi verzweifelt an den Lyriker Afanassi Afanassjewitsch Fet (1820 bis 1892) am 17. Oktober 1860 schreibt: „Wenn aber schon er nichts gefunden hat, woran er sich klammern konnte, was werde ich dann finden?“ Diese bange Frage bereitet ihm schließlich im September 1869 in Arsamas, einer Kreisstadt im ehemaligen Gouvernement Nishni Nowgorod, eine „quälende Unruhe“, wie er seine Frau in einem Brief am 4. September wissen läßt. Jener ‚Arsamasische Schrecken‘ findet später in den „Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen“ (1883) einen ausführlichen Niederschlag: „Und jenes entsetzliche Grauen, das ich damals in Arsamas und in Moskau empfunden hatte, befiel mich jetzt noch um das Hundertfache verstärkt … Nein, ich will nicht sterben! – Was bedeutet der Tod? Ich schickte mich an, wieder Gott anzurufen, ihm wieder Vorwürfe zu machen …; ich fühlte plötzlich, daß ich das nicht durfte … und daß ich allein an allem schuld hatte. Und ich betete zu Gott, bat ihn um Vergebung und empfand Abscheu vor mir selbst. Mein Grauen legte sich schnell …“ (Werke Bd. 12, S. 70). „Fortan las ich häufig die Heilige Schrift … Am allermeisten indessen fesselten mich die