Kuss & Gut 2 - Regina Mars - E-Book

Kuss & Gut 2 E-Book

Regina Mars

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Beschreibung

Das erste Date mit einem Torwart. Das Wiedersehen mit einem Tischler. Ein heißer Einsatz mit einem heißeren Feuerwehrmann und ein Treffen mit alten Freunden aus ‚Aufgetaut‘ und ‚Lautstark verliebt‘. Dieser Kurzgeschichtenband enthält all dies und vieles mehr. Auf locker-leichte Art erzählt Regina Mars vom Finden der Liebe, von verpassten Chancen und von Currywurst. Der Sammelband enthält folgende Kurzgeschichten: Der Torwart, das erste Date und der viel zu teure Whisky Der Page im Porsche Weihnachten in Ebernau Der Duft von Erdnussbutterkeksen Nicht unproblematisch 24 Stunden mit Djako Ein Kuss in Ebernau Herzklopfen und Sägespäne Fünf Jahre ohne ihn

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Der Torwart, das erste Date und der viel zu teure Whisky
Der Page im Porsche
Weihnachten in Ebernau
Der Duft von Erdnussbutterkeksen
Nicht unproblematisch
24 Stunden mit Djako
Ein Kuss in Ebernau
Herzklopfen und Sägespäne
Fünf Jahre ohne ihn

Impressum

 

Alle Texte Copyright © 2023 Regina Mars

Alle Rechte am Werk liegen beim Autor.

 

Regina Mars

c/o Block Services

Stuttgarter Str. 106

70736 Fellbach

 

[email protected]

www.reginamars.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

Der Torwart, das erste Date und der viel zu teure Whisky

 

Ich bin nicht nervös. Warum sollte ich nervös sein? Ich habe ein Date mit einem Kerl, mit dem ich bereits geschlafen habe, also …

Alter.

Ich habe mit einem Kerl geschlafen. Und mit was für einem Kerl.

Langsam setze ich mich auf mein Bett und überhöre dessen Protestknarren. Der Geruch meines Deos weht mir um die Nase und aus dem Spiegel starrt mir ein ziemlich hilfloses Gesicht entgegen.

Ich schnüffle an meinen Achseln. Ist das zu viel Deo? Entlarvt mich der Duft »Epic Fresh Mojito and Chill« als Proleten? Ist das Joakim wichtig? Ich meine, er ist einer von diesen Oasenwichsern, äh, Leuten. Ja, Leuten. Vielleicht sind die doch nicht alle so scheiße, wie ich dachte.

Ich meine, er hat mir gestern das Leben gerettet. So richtig. In meiner Brust wird es ganz warm, wenn ich daran denke. Er hat mich durch den halben Mörkelsee geschleppt statt mich ertrinken zu lassen. Alleine wäre er viel schneller gewesen, aber er hat mich mitgeschleppt und dann habe ich ihn gerettet, als er einen Krampf hatte und dann sind wir lebend aus dem See gestiegen und haben uns im Van meines Onkels aufgewärmt und dann …

Ich vergrabe das Gesicht in den Händen. Meine Wangen sind knallheiß. Hinter meinem Fenster geht die Sonne unter und mein Date rückt immer näher und mein Magen hebt und senkt sich.

»Fuck«, murmele ich. »Fuck, fuck, fuck.«

Tief Luft holen. Einatmen. Ausatmen. Verdammt, ich bin doch sonst nicht so!

Aber sonst habe ich auch keine Dates mit Kerlen, die mir den Arsch gerettet haben und mich endlich vom Fluch der Jungfräulichkeit erlöst haben und die außerdem irgendwie … also. Heiß sind. Und …

»Fuck.«

Ich springe auf. Recke den Kopf in die Höhe und spanne den Bizeps an.

»Hey«, sage ich zu meinem Spiegelbild. »Du siehst verdammt gut aus.«

Hoffentlich hört mich keiner. Und hoffentlich ist Joakim genau so beeindruckt von meinen Muskeln, wie es die Mädels normalerweise sind. Er hat nämlich mehr Muskeln. Er ist ein echter Schrank und ich nur athletisch. Keine Ahnung, ob ihm das reicht. Gestern fand er mich ja gut genug, um mit mir zu vögeln.

Das Gesicht im Spiegel verliert wieder an Sicherheit.

»Doch«, sage ich. »Du lässt dich doch nicht davon einschüchtern, dass er größer ist und mehr Geld hat, oder? Das war gestern Abend ja auch egal.«

Gestern Abend war der beste Abend meines Lebens. Auch wenn es zunächst nicht so aussah. Fast zu ertrinken könnte man schon als unschön bezeichnen. Aber dann! Sex. Und Joakims Hand in meiner und die Sterne im Dachfenster über uns, deren Namen wir nicht kennen und für die wir uns viel bessere ausgedacht haben als sie vermutlich in Wirklichkeit haben. Ich meine, wer will »Perseus« heißen, wenn er stattdessen »Die intergalaktische Zahnfee« heißen kann? Niemand, oder?

Wir haben so lange aneinandergekuschelt dagelegen, dass ich dachte, es wird bestimmt gleich hell. Aber nachdem wir halbnackt über den Weg zur Party geschlichen sind und unsere Klamotten und Handys aus dem Farn geborgen hatten, war es kaum halb eins. Zur Party sind wir nicht zurückgekehrt. Da hat immer noch Lily auf uns gewartet und inzwischen war selbst mir klar, dass ich die Nacht nicht mit ihr verbringen würde. Oder wollte.

Zurück auf dem Parkplatz ist Joakim in seinen Porsche gestiegen und ich in meinen Van. Der Abschied war irgendwie komisch. Uns wurde wohl da erst richtig klar, was wir getan haben. Ich konnte ihn kaum anschauen. Am liebsten hätte ich ihn zum Abschied geküsst, aber als wir Tschüss gesagt haben, habe ich mich nicht getraut. Außerdem hätte uns jemand sehen können und dann hätten sie alle gewusst, was ich selbst kaum kapiere. Und worüber ich jetzt nicht nachdenken will. Nicht, wenn alles in mir kribbelt, wenn ich an seinen Geruch denke. Fast tut es mir leid, dass ich geduscht habe. Dass ich alle Spuren der letzten Nacht getilgt habe.

Meine Kehle wird eng. Gleich nach dem Abendessen werde ich in mein Auto steigen und zu ihm fahren. Und dann? Er wohnt in dieser schicken Neubausiedlung, die ich nur von Weitem kenne. Klar, ich wollte da auch nie hin. Bis jetzt. Aber was, wenn er es sich inzwischen anders überlegt hat?

Ich schaue auf mein Handy. Lese seine letzte Nachricht. Ein Daumen nach oben. Das ist alles. Unser gesamter Nachrichtenverlauf ist nicht besonders romantisch:

Heute um acht?

Passt. Wie ist deine Adresse?

Ludwigsgasse 11

Alles klar. Bis dann.

Und dann ein Daumen nach oben. Hätte ich irgendetwas anderes schreiben sollen? »Ich freue mich« zum Beispiel? Oder sogar »Ich freue mich auf dich«? Ehrlich, ich bin sonst nicht so. Echt. Wird Zeit, dass ich mich zusammenreiße, sonst bin ich gleich ein totales Nervenbündel. Und das bin ich nicht. Ich bin ein Mann. Ein verdammt gutaussehender Mann mit einem Führerschein und 31.952 Insta-Followern. Und Fußball spielen kann ich auch. Sehr männlich.

Und überhaupt nicht nervös.

 

***

 

»Wie siehst du denn aus?«, fragt meine Mutter beim Abendessen. Bisher haben wir schweigend unsere Fischstäbchen mit Kartoffelsalat aus dem praktischen Ein-Liter-Eimer gemümmelt. Mein Onkel ist heute mit Kochen dran und die ganze Küche riecht nach Bratenfett. Er ist überglücklich mit der Mahlzeit, aber Mama und mir hängen Fischstäbchen und Kartoffelsalat langsam zum Hals raus, nach fast zehn Jahren oder so.

»Wieso?« Ich starre sie an. Eine Kartoffel löst sich von meiner Gabel und fällt auf die Plastiktischdecke. »Wie sehe ich denn aus?«

»So gut.« Sie lächelt. Heute wirkt sie gar nicht so müde wie sonst. »Mit dem Hemd und allem.«

Ich sehe an dem Leinenhemd hinunter. Bisher hatte ich selten Gelegenheit, es anzuziehen, deshalb ist es tatsächlich noch weiß. Ich dachte, das wäre das Richtige für ein Date, solange ich gleichzeitig noch Jeans und schlabbrige Sneakers trage, um klarzumachen, dass das Hemd eigentlich nur ein Witz ist, aber … Ich schlucke. Wird Joakim denken, dass ich die Sache zu ernst nehme?

Verdammt. Ich muss mich zusammenreißen. Wann hört diese blöde Unsicherheit endlich auf?

»Hast du ein Date?« Mein Onkel zwinkert mir zu. »Wer ist die Glückliche?«

Oh. Ein neues Problem, von dem ich vor ungefähr 24 Stunden noch nichts geahnt habe. Ich zucke mit den Achseln.

»Komm schon.« Mein Onkel grinst. »Erzähl uns nicht, dass du dich für deine Kumpels so schick gemacht hast. Ich riech dich bis hier.«

»Willst du damit sagen, dass ich stinke?«

»Wie eine Blumenwiese.«

»Lass ihn«, sagt meine Mutter. »Dave, du musst uns nichts über dein Date erzählen.« Sie lächelt. »Ich bin sicher, dass sie sehr nett ist.«

Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Ja.« Räuspern. »Sehe ich echt so anders aus?«

»Ein bisschen.« Ihr Lächeln vertieft sich. »Das ist wohl ein ganz besonderes Mädchen.«

Argh. »Ja, schon.«

Die beiden wirken plötzlich sehr interessiert.

»Nein.« Mein Onkel hebt beide Brauen. »Du bist doch nicht etwa verliebt?«

»Überhaupt nicht!« Ich knalle die Gabel auf den Tisch. »Wir sind nur … Ich schaue nur, ob … Weiß noch nicht, ob das passt.« Mist. Sieht man es mir an? Wird er es mir ansehen? Was wird er davon halten? Was …

Okay, das reicht. Diesmal wirklich. Ich bin stark, schön und selbstbewusst. Alles Wörter, die mit S anfangen, genau wie …

Ich hebe den Kopf.

»Mal schauen.« Ich grinse vielsagend. »Gestern Abend war auf jeden Fall nett.«

»Ach, hast du sie bei der Party kennengelernt?« Mama legt den Kopf schief. »Kennen wir sie?«

»Ich dachte, ich muss euch nichts erzählen.«

»Nur, wenn du willst.« Sie steckt sich ein halbes Fischstäbchen in den Mund. »Willst du?«

»Nein.«

»Schade.«

Ich vernichte die Fischstäbchen und die Kartoffelpampe so schnell wie ich kann und springe auf. Schon halb acht. In einer halben Stunde muss ich da sein. Nicht, dass es eine halbe Stunde dauert, bis zur Oase zu kommen, aber was, wenn es unterwegs einen Stau gibt oder …

Nein. Halt. Ich sollte zu spät kommen. Nur ein wenig. Gerade so spät, dass es nicht so aussieht, als wäre ich total verrückt nach ihm, was ich absolut nicht bin, schließlich kennen wir uns kaum und …

»Tschüss, muss los.« Ich winke lässig und versuche, aus der Küche zu flüchten.

»Warte!«, ruft meine Mutter.

»Was?« Ich bin schon halb aus der Tür.

»Nimm Kaugummis mit.« Sie deutet auf die Schublade, in der immer eine angebrochene Großpackung liegt. »Du hast gerade Fischstäbchen gegessen. Du stinkst.«

»Fischstäbchen sind megalecker«, brummt mein Onkel.

»Fuck. Danke.« Ich stopfe mir gleich zwei Kaugummis in den Mund. Was, wenn Joakim sich vor Fisch ekelt und ich mir mit meinem Mundgeruch alle Chancen verbaue? »Danke, Mom.«

Sie steht auf und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Viel Spaß, Schatz. Tu nichts, was ich nicht auch tun würde.«

Was immer das heißt. Ich nicke und verlasse das Haus. Als ich in meinem Volvo sitze, atme ich tief durch. Das Innere des Wagens riecht nach alten McDonalds-Tüten und dem Lufterfrischerbäumchen, das mein Onkel mir zum Geburtstag geschenkt hat. Er ist furchtbar schlecht im Beschenken. Und das Lufterfrischerbäumchen kommt nicht gegen den Geruch nach alter Schrottkarre an, nicht im Geringsten. Ich denke an Joakims Porsche und ärgere mich. Kein Grund, sich unterlegen zu fühlen. Das Ding haben ihm seine Eltern geschenkt und was kann ich dafür, dass die reich sind und meine nicht?

Die Strecke führt vor allem über die Landstraße. Inzwischen ist es dunkel und jedes Scheinwerferpaar, das mir entgegenleuchtet, kommt mir vor wie Raubtieraugen. Irgendwie fühle ich mich selbst wie ein Raubtier. Ich denke an gestern. Daran, wie sich sein Körper unter meinem angefühlt hat, und lecke mir die Lippen. Jetzt, wo ich unterwegs bin, ist es leichter, nicht nervös zu sein. Trotzdem parke ich kurz in einer Haltebucht, damit ich auf keinen Fall zu früh da bin. Ich darf nicht zu verzweifelt wirken.

Ludwigsgasse 11 ist eine Neubauvilla in einer langen Reihe von Neubauvillen, die alle unterschiedlich aussehen und doch einem gemeinsamen Stil folgen. Die Edelversion der Reihenhäuser, in denen mein Kumpel Victor wohnt. Sie sehen aus wie … Keine Ahnung. Wie ich mir so eine Finca vorstelle. Terrakottafarben, mit verwinkelten Balkonen und Palmen auf der Dachterrasse. Und groß. Vermutlich gibt‘s sogar einen Pool im Innenhof.

Ich knurre verächtlich und parke auf einem der Parkplätze vor der Villa. Ein Blick in den Rückspiegel bestätigt, dass ich zwar ein armer Schlucker bin, aber verdammt gutaussehend. Die Autotür knalle ich extra laut zu. Hoffentlich wird der arme Volvo nicht abgeschleppt, weil sein Farbton nicht zum Putz der umliegenden Gebäude passt.

Der Weg über den breiten Kiesweg, der eine halbrunde Schneise in den akkurat gestutzten Rasen schlägt, kommt mir viel zu lang vor. Oder zu kurz. Ich sehe Licht hinter zwei Fenstern im Erdgeschoss. Er ist da, jubelt mein Herz. Mein Magen krampft sich panisch zusammen.

Cool bleiben. Ich hole tief Luft, bevor ich klingle, und setze schon mal ein überhebliches Lächeln auf. Gerade noch rechtzeitig erinnere ich mich daran, die Hände locker in die Hosentaschen zu stecken und mich an einen der Türpfosten zu lehnen.

In der Tür ist ein blindes Glas-Bullauge und dahinter geht das Licht an.

Hey, denke ich und stelle mir vor, ich sei vollkommen entspannt. Joakim. Wie geht’s?

Er öffnet die Tür und ich starre zu ihm hoch. Irgendwie habe ich vergessen, wie groß er ist. Erst sehe ich sein Gesicht kaum, weil er von hinten angestrahlt wird. Nur die breiten Schultern und die kurzgeschorenen Haare. Er trägt einen schwarzen Pulli und ähnliche Jeans wie gestern. Solche, in denen man seine Oberschenkelmuskeln erkennt und … Ich zwinge mich, den Kopf zu heben und nicht seine Oberschenkel anzustarren, die so prall sind, dass sie den Stoff fast sprengen. Eigentlich ist er mehr gebaut wie ein Rugbyspieler als wie ein Fußballer.

»Hey«, bringe ich heraus, bevor meine Stimme in ein Krächzen abschmiert. Mist! Aber es ist egal, denn er schneidet mir eh das Wort ab.

»Es tut mir leid«, sagt er und sein Bass bohrt sich in meine Magenwände. »Wir haben ein Problem.« Endlich erkenne ich mehr von seinem Gesicht und es ist finster. Was ist los?

Ihm ist klar geworden, dass ich nicht der Richtige für ihn bin. Garantiert. Also nicht der Richtige für Sex. Von allem anderen hätte ich ja eh nicht mal geträumt, echt nicht.

Ich räuspere mich. »Ein Problem?«

Er reibt sich die Nasenwurzel. »Meine«, er macht eine winzige Pause, »Freunde haben rausgekriegt, dass meine Eltern heute nicht da sind. Sie sind im Wohnzimmer. Alle.«

»Oh.« Ich versuche zu schlucken, aber es geht nicht. Klar, er will nicht, dass seine Freunde mitkriegen, was hier läuft. Oder, dass sie mich zu Gesicht bekommen. Was soll er ihnen auch erklären, was ich hier tue?

Hey, das ist Dave. Wir haben gestern Abend gevögelt und wollten das eigentlich wiederholen, aber jetzt seid ihr vorbeigekommen.

Ja. Nee. Besser, dass er mich hier abfängt und nach Hause schickt. Ich nicke lässig und schlucke den Kloß runter, der meine Kehle zudrückt.

»Alles klar«, flüstere ich.

»Sorry.« Er reibt sich den Nacken, was irgendwie sexy ist und fast ein bisschen süß. Also, wenn man Zwei-Meter-Kerle süß finden kann, was ich offensichtlich tue.

»Kein Problem.« Ich zucke mit den Achseln, um ganz klar zu machen, dass es mir wirklich scheißegal ist, dass er mich wegschickt.

»Echt?«

»Echt.« Ich schaffe ein lässiges Grinsen.

Er atmet aus. »Danke. Ich weiß auch nicht, warum sie ausgerechnet heute … egal. Komm mit.« Er dreht sich um und winkt mir, ihm zu folgen.

Hä?

Oh.

Er schickt mich gar nicht weg.

Ist natürlich dämlich, sich darüber zu freuen, aber ich tue es trotzdem. Ein bisschen. Mein Herz flattert wie Gardinen in einer Brise.

Der Flur ist so breit wie mein Zimmer und der Boden ist mit Marmor gefliest. An den Wänden hängen schnörklige Lampen und alles sieht aus wie in einem Film über reiche Säcke in New York oder so. Alles glänzt. Bis auf meine ausgetretenen Sneakers, die auf dem Marmorboden aussehen wie alte Putzlappen.

»Nett hier«, sage ich. »Genau so habe ich mir das vorgestellt.«

Er dreht sich zu mir um und ein winziges Lächeln spielt um seine Mundwinkel. »Ah ja. Gefällt‘s dir?«

»Klar. Gibt es auch einen Pool, oder …« Ich lege den Kopf schief.

»Einen draußen, einen im Keller.«

»Haha.« Ich mustere ihn von der Seite. »Was, echt?«

»Ja.« Das Lächeln wird breiter. »Sag es ruhig.«

»Was denn?« Ich versuche, unschuldig zu schauen.

»Geldsack. Oder Bonze. Oder … wie hast du mich gestern genannt? Goldjunge?«

»Hab ich das?« Ich räuspere mich. »Das war, bevor du mich gerettet hast. Außerdem hast du mich als Knilch bezeichnet. Das hat mich schwer verletzt.«

Er lacht. Leise, aber er lacht. Dabei war das echt nicht SO witzig. Vielleicht lacht er einfach, weil er … na ja. Vielleicht findet er mich witziger als ich bin.

»Tut mir leid«, sagt er. »Ich mach es wieder gut. Versprochen.«

Mein Magen macht einen Freudensalto, dabei bin ich gar nicht sicher, wie er das meint. »Hast du doch schon.« Ich grinse. »Aber ich nehme gern mehr.«

He, das ist einfacher als ich dachte. Es ist nicht … na, irgendwie seltsam zwischen uns. Nicht wie am Anfang oder, als wir uns gestern verabschiedet haben. Es fühlt sich mehr an wie im Van, als wir gemeinsam aus dem Dachfenster geschaut haben. Als es das Natürlichste der Welt war, meinen Kopf auf seine Brust zu legen und seine Finger in meinen Haaren zu spüren. Meine Hand streift seine, einen Moment lang. Er sieht mich an. Ich sehe ihn an.

Ich höre seine Freunde, lange, bevor ich sie sehe. Sie klingen, ehrlich gesagt, wie meine Freunde. Laut. Jemand brüllt etwas und alle lachen. Fast alle Stimmen sind männlich. Ich frage mich, ob Joakims Freunde sich auch dauernd beschweren, dass niemand Mädchen mitbringt. Bei unseren Treffen ist meist nur Bens Freundin dabei. Wenn wir Glück haben, bringt die noch ein weiteres Mädchen mit.

Aber als wir das Wohnzimmer betreten, wird klar, dass meine Freunde und seine nichts gemeinsam haben. Meine Freunde tragen weder gebügelte Klamotten noch cremefarbene Pullover über den Schultern. Ich erkenne einige vom See. Und von unserem letzten Spiel gegen die Flachpfeifen.

»Als ob du dich trauen würdest, mit Ariane zu reden«, sagt gerade ein Blonder mit einem Reicher-Bubi-Haarschnitt und karierten Socken an den Füßen. »Wenn die nur in deine Richtung schaut, wirst du doch rot.«

Ein anderer, der exakt den gleichen Haarschnitt hat, nur in Braun, wirft einen Cracker nach dem ersten. »Klappe. Ich hab gestern erst mit ihr gequatscht.«

»Ach ja?« Eins der zwei anwesenden Mädchen schmiegt sich an den Blonden. »Und was hast du ihr gesagt?«

Der Braunhaarige zuckt mit den Achseln.

»Wahrscheinlich hat er sie gefragt, ob sie sein Händchen halten kann, wenn er …« Der Blonde sieht mich und verstummt. Seine Augenbrauen verschwinden in seinen perfekt frisierten Stirnlocken. »Was macht der denn hier?«

Nun starren alle. Ich grinse in die Runde und stecke die Hände in die Hosentaschen. »Joakim hat mich eingeladen. Was dagegen?«

Nun starren alle Joakim an. Ich zähle sieben Augenpaare unter sieben Fönfrisuren.

»Das ist Dave.« Joakim deutet auf mich. »Ihr kennt ihn vom Endspiel, richtig?«

Der Blonde nickt langsam. Die anderen sehen zwischen ihm und Joakim hin und her. Wirkt, als wäre der Blonde der Alpha-Affe. Vielleicht, weil er als Einziger ein Mädel dabei hat. Das andere weibliche Wesen sitzt allein in einem Sessel, mit überschlagenen Beinen, und schaut gelangweilt.

»Hallo.« Der Blonde nickt mir zu. Dann wendet er sich wieder Joakim zu. »Und was macht er hier?«

»Wie er bereits sagte«, Joakims Stimme wird noch ein wenig tiefer, »habe ich ihn eingeladen. Im Gegensatz zu euch.«

Wow. Ich mustere ihn überrascht. Hätte nicht gedacht, dass er sich für mich einsetzt. Also, so richtig. Die anderen wirken genau so verblüfft.

»Das kommt wahrscheinlich unerwartet«, sage ausgerechnet ich und lächle charmant. So charmant, dass das Mädchen im Sessel mich interessiert ansieht. »Aber wir haben uns gestern am See kennengelernt und haben gemerkt, dass wir mehr gemeinsam haben als wir dachten.«

»Kann man so sagen.« Joakim lässt sich auf einen freien Platz auf dem Sofa fallen und sieht mich fragend an. Ich setze mich neben ihn. Er riecht gut. Sieht aus, als hätte er auch geduscht und sich mit irgendwas eingerieben, das garantiert zehnmal so teuer ist wie Epic Fresh Mojito and Chill-Deo. »Dave hat mich gestern gerettet. Ich hab ihm dafür ein Glas Yamazaki versprochen. Er hat noch nie einen getrunken.«

Der Blonde schnaubt. »Du willst ihm Yamazaki geben? Ist das nicht Verschwendung?«

»Bist du neidisch?« Ich grinse überheblich. »Ich wette, er hat dir nie einen Yamazaki angeboten.« Was zur Hölle ist Yamazaki? Irgendwas klingelt in meinem Gehirn, aber ich komme nicht darauf.

Der Braunhaarige lacht. Das Mädchen im Sessel auch. Der Blonde sieht Joakim böse an.

»Hast du echt nicht. Ich wusste nicht mal, dass du eine Flasche hast.«

»Hat mein Dad mir zu Weihnachten geschenkt.« Joakim lehnt sich zurück. Irgendwie passt er zu den anderen reichen Säcken und irgendwie gar nicht. Vielleicht, weil ich hinter seine Maske geschaut habe. Vielleicht, weil er als Einziger keine Fönfrisur trägt.

»Was? Wo ist das gute Zeug?« Der Blonde sieht sich um.

»Sag ich dir nicht.« Joakim verzieht den Mund. »Ich weiß doch, wie das endet. Hinterher ist die Flasche leer und du kotzt in unseren Pool.«

Der Braunhaarige lacht erneut.

»Mann, das war ein Mal. Du bist echt nachtragend.« Der Blonde fährt sich durch die Haare.

Joakim streckt seine langen Beine aus und legt die Füße auf den Couchtisch. Auf dem stehen Häppchen, langstielige Gläser und eine dunkle Flasche, die ziemlich sicher Champagner enthält. Von den Häppchen erkenne ich nur irgendwelche Käse und Cracker und … Ist das Kaviar?

»Wie hat er dich denn gerettet?« Das Mädchen im Sessel sieht Joakim aus Katzenaugen an. »Und vor was? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du gerettet werden musst.«

Joakim schaut düster. »Ertrinken.«

Sie verdreht die Augen. »Mehr Infos, bitte. Du kannst ruhig mehr als Einwortsätze verwenden.«

Er beugt sich vor und gießt ein Glas voll. Fragend sieht er mich an. Ich zucke mit den Achseln und nicke dann. Klar trinke ich Champagner. Wann habe ich sonst die Gelegenheit?

»Er hat mich auch gerettet«, stelle ich klar und nehme das Glas entgegen. »Er hat mich durch den halben See geschleppt.«

Seine Freunde wirken angemessen beeindruckt, bis auf den Blonden. »Was habt ihr Trottel denn im See gemacht?«

»Also.« Ich räuspere mich. Und überlege. »Eigentlich müssen wir das nicht erzählen.«

»Nein«, pflichtet Joakim mir bei. »Diese Flachpfeifen machen sich eh nur lustig über uns.«

Die Augen der Flachpfeifen leuchten.

»Komm schon«, sagt der Blonde. »Erzähl es uns, Joakim. Dann verzeihe ich dir auch, dass du mir nicht von dem Yamazaki erzählt hast.«

»Das ist mir scheißegal.« Joakim schnaubt. Er ist so männlich. So eindeutig männlich. Er wirkt erwachsener als die anderen, von denen mindestens zwei noch mit Akne kämpfen. Und mit diesem Mann habe ich … Fast verschlucke ich mich am Champagner. Die prickelnden Blasen zerplatzen auf meiner Zunge.

»Komm schon.« Das Mädchen auf dem Sessel legt den Kopf schief. »Was ist passiert?«

»Er hat mich genervt«, sagt Joakim und deutet auf mich. »Also haben wir ein Wettschwimmen veranstaltet.«

»Was?« Einer der anderen runzelt die Stirn. Sein Hemd ist absolut faltenfrei und der Pullover darüber sieht aus wie aus der Weichspülerwerbung. »Moment. Joakim, das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, bist du mit diesem Mädel runter zum Wasser gegangen. Ihr wisst schon, die Hübsche. Hätte nicht geglaubt, dass ausgerechnet du die abschleppst.«

Joakim hat sichtlich keine Lust auf dieses Gespräch. Hätte ich auch nicht, wenn das hier meine Freunde wären. Seine Freunde sind allerdings nicht so übel, wie ich dachte. Immerhin haben sie sich größtenteils mit blöden Bemerkungen zurückgehalten und reden mit mir.

Aber ich wäre so viel lieber mit ihm allein.

»Sie heißt Lily«, sage ich und betrachte mein Glas. »Und eigentlich wollte ich sie abschleppen. Joakim ist mir in die Quere gekommen.« Ich räuspere mich. »Er hat sich besser angestellt, als ich dachte. Ich hab eigentlich erwartet, dass ich zwei Minuten brauche, um sie ihm auszuspannen.«

»Danke«, sagt Joakim trocken. »Warum hänge ich eigentlich mit Leuten rum, die so eine schlechte Meinung von mir haben?«

»He«, ich grinse, »es ist ein Wunder, dass irgendjemand mir Konkurrenz machen konnte. Ist dir aufgefallen, wie atemberaubend schön ich bin?«

»Nein«, sagt er, was ganz klar eine Lüge ist.

»Bin ich aber. Ich bin letztes Jahr zum hübschesten Körper gewählt worden.«

»Nicht zum besten Charakter?« Er hebt eine Augenbraue. »Erstaunlich.«

Ich lache.

»Und wer hat dich gewählt?«, fragt er. »Deine Mutter?«

»Nein, deine Mutter.«

Halbherzig schlägt er nach meinem Hinterkopf und ich weiche aus.

»Es waren die Mädels aus meiner Klasse. Die machen jedes Jahr eine Umfrage. Wer die schönsten Augen hat, wer am erfolgreichsten wird, wer den knackigsten Hintern hat und so.«

»Was?« Er wirkt erstaunt. »Sowas machen die an eurer Schule?«

»Ja, klar. Bei euch nicht?«

»Nein«, sagt er.

Die Freundin des Blonden und das Mädchen im Sessel werfen sich einen Blick zu. Ich lache. Sie schauen mich ertappt an. Das Mädchen im Sessel grinst.

»Ja, erwischt.« Ihr Grinsen wird breiter.

»Was?« Die Jungs starren sie an.

»Was? Wir wissen genau, dass ihr auch eine Liste über uns macht.« Sie verschränkt die Arme. »Tut doch nicht so. Ernest hat sie mir gezeigt.«

Böse Blicke richten sich auf den Braunhaarigen. Der räuspert sich und sinkt tiefer in den Sessel. Der Blonde wirft ein Sofakissen nach ihm.

»Verräter«, knurrt er. »Die ist geheim, du Halbdackel.«

»Ich hab sie nur einen Blick darauf werfen lassen«, murrt Ernest. »Einen winzigen. Ich hab sie ihr nicht gegeben oder so.«

»Das ist der Unterschied zwischen uns.« Die Freundin des Blonden lächelt süß. »Kein Junge hat unsere Liste je zu Gesicht bekommen. Und das werdet ihr auch nie.«

»Komm schon«, sagt der Blonde. »Jetzt, wo wir davon wissen, müsst ihr sie uns zeigen. Das ist nur fair.«

»Wir müssen gar nichts.« Das Mädchen im Sessel streicht eine hellblonde Strähne aus ihrem Gesicht. »Vor allem nicht, wenn ihr Christies Beine so überbewertet. Die hat Haxen wie eine gebratene Ente.«

Der Blonde stöhnt. »Deshalb haben wir euch die Liste nicht gezeigt. Wir wussten, dass ihr dann eifersüchtig werdet und …«

Seine Freundin zieht an seinem Ohr. »Wer ist hier eifersüchtig? Und ihr würdet nur rumzicken, wenn ihr unsere Liste sehen würdet.«

Er lacht. »Jungs sind nicht so. Außerdem weiß ich eh, dass ich den besten Körper habe.«

Seine Freundin und das Mädchen im Sessel werfen sich einen Blick zu.

Seine Miene verfinstert sich. »Bitte?« Ungläubig sieht er die Frau an seiner Seite an. »Du hast für mich gestimmt, oder?«

Sie gibt ihm einen Kuss. »Natürlich habe ich das.«

»Es hat halt nicht gereicht.« Das Mädchen im Sessel lächelt wie eine vollgefressene Katze.

Der Blonde streicht sich durch die Haare. »Wer hat denn bitte einen schöneren Körper als ich?«

Die Blicke der beiden Mädels wandern durch den Raum und verharren genau neben mir. Ich mustere Joakim. Dem ist die Aufmerksamkeit wohl unangenehm. Sein Gesicht versteinert. Genau so sah er aus, als wir gegeneinander gespielt haben. Und, als wir um Lily gekämpft haben. Ich weiß erst, dass er auch andere Gesichtsausdrücke als »mürrisch« hat, seit wir fast abgesoffen sind. Danach war er anders. Ganz anders.

Ich unterdrücke ein hingerissenes Lächeln und grinse stattdessen. »Nicht euer Ernst.«

»Das unterschreibe ich ausdrücklich.« Der Blonde verschränkt die Arme. »Joakim? Der ist doch gebaut wie ein Panzer. Ich dachte, Mädchen hätten mehr Geschmack.«

»Was meinst du denn damit?«, fragt das Mädchen im Sessel.

»Na, dass ihr auf eine ausgewogene Mischung achtet«, sagt er und schnalzt mit der Zunge. »Nicht nur auf die dicksten Muskeln.«

»Wenn ihr Christies Beine wählen könnt, weil die am längsten sind, können wir auch Joakims …« Sie macht eine kreisende Bewegung, die seinen ganzen Körper umfasst, »positiven Gesamteindruck wählen.« Sie räuspert sich dezent.

»Ich komme mir vor wie ein Stück Fleisch«, sagt Joakim. Wirkt sarkastisch, aber ich glaube echt, die Aufmerksamkeit stört ihn. Klar stört die ihn. Glaub nicht, dass seine Freunde wissen, dass er … ja. Dass er nichts mit Mädchen anfangen kann. Genau wie ich.

Die Erkenntnis trifft mich mehrere Stunden verspätet. Dafür umso härter.

Genau wie ich.

Wie oft hatte ich die Gelegenheit, mit einem Mädchen zu schlafen? Oft. Also, na ja, mindestens drei Mal. Und habe ich es getan? Nein. Weil es sich … Weil es sich irgendwie komisch angefühlt hat.

Ich schlucke. Der Raum verschwimmt. Wollte ich das wissen? Diese Erkenntnis bringt nur Ärger, was vermutlich der Grund ist, aus dem ich sie bisher erfolgreich vermieden habe. Ich wollte nie mit Mädchen schlafen. Aber bei der ersten Gelegenheit, als Joakim mir seinen Körper angeboten hat … Ich schlucke erneut.

Nichts anmerken lassen. Ich kann doch jetzt keine Krise haben. Nicht hier, wo alle zusehen. Nicht jetzt, wo eh schon alle auf den Mann neben mir schauen und nur knapp davon entfernt sind, mir alles anzusehen, was in mir tobt …

Nur bemerkt niemand irgendwas. Sie sind alle noch mit Joakims preiswürdigem Körper beschäftigt, was ich, ehrlich gesagt, verstehen kann.

»Echt jetzt?« Der Blonde ist immer noch nicht darüber hinweg. »Er?«

Ernest, der Braunhaarige, lacht. »Ach deshalb bist du heute mitgekommen, Chloe.« Er deutet auf das Mädchen im Sessel wie ein Kommissar, der die Mörderin überführt hat. »Sonst zierst du dich doch immer. Aber kaum haben wir gesagt, dass wir zu Joakim gehen …« Sein Grinsen enthüllt blendend weiße Zähne. »Alles klar.«

Sie schweigt vornehm und spielt mit einer dezent gewellten Haarsträhne.

Der Blonde schnaubt. »Warum hast du dich nicht gleich neben ihn gesetzt, wenn du hinter ihm her bist?«

»Von hier aus kann er meine Beine besser sehen«, sagt sie und schlägt ihre Knie übereinander. Es sind wirklich sehr nette Beine, die aus ihrem glänzenden Rock hervorschauen. Ihr Lächeln strahlt heller als tausend Glühbirnen.

Ernest und der Blonde pfeifen. Alle sehen zu Joakim. Dessen Gesicht versteinert immer mehr. Ich kann mir kaum vorstellen, wie unangenehm das für ihn ist, und gleichzeitig bewundere ich Chloe für ihre Ehrlichkeit.

Ich muss ihn retten.

Ich meine, was, wenn er sich jetzt genötigt fühlt, was mit Chloe anzufangen? Nur, weil sie heiß ist und alle gehört haben, dass sie auf ihn steht? Wenn er Nein sagt, macht er sich nur verdächtig und … Ich schlucke. Ich meine, was, wenn sie gleich rumknutschen und ich zusehen muss?

Ich haue ihm auf die Schulter. Fest.

»Au«, knurrt er.

»Du Sack«, knurre ich zurück. »Warum bekommt ein gefühlloser Brocken wie du die schönsten Frauen ab? Das ist unfair.«

»Kein Grund, mich zu schlagen«, sagt er und rammt mich mit dem Ellenbogen. Nicht allzu fest. Ich hoffe, er versteht, dass ich ihn retten will.

»Schlag ihn nochmal«, sagt Ernest. »Du hast recht«, er zögert kurz, »Dave. Das ist wirklich eine Zumutung.«

»Ja.« Der Blonde nickt. »Ausgerechnet Joakim. Interessiert der sich überhaupt für Frauen?«

Nein! Themenwechsel! Aber wie? Zum Glück kriegt Joakim allein die Kurve.

»Ja«, brummt er. »Für deine Mutter. Könnt ihr euch jetzt verziehen? Sie wollte nachher rüberkommen und …« Ein Cracker fliegt auf seine Stirn zu, geworfen von dem Blonden. Ich danke Gott, Buddha und dem Universum für »Deine Mutter«- Witze. Billig, aber wirkungsvoll.

Joakim fängt den Cracker aus der Luft und steckt ihn sich in den Mund. »Danke«, sagt er kauend. »Ich brauche gleich Energie, damit ich sie so richtig rannehmen kann.«

»Ich nehm deine Mutter gleich ran, du Brocken.«

»Mit was denn, deinem Zeigefinger?« Joakim verschränkt die Arme.

Gerettet. In der nächsten halben Stunde macht Chloe keine weiteren Annäherungsversuche. Und dann brechen sie endlich auf. Chloe gibt Joakim zum Abschied mindestens ein Küsschen zu viel. Ich sehe genau, dass sie auf seinen Mund zielt und er den Kopf dreht, damit der Schmatzer auf der Wange landet. Ich bezähme meine Eifersucht und verabschiede alle lächelnd.

Der Blonde schlägt vor, dass wir mitkommen. Sie wollen zu irgendeinem Club, der mindestens eine Stunde entfernt ist. Na ja, mit ihren Angeberkarren sind sie vermutlich schneller. Aber wir winken ab. Joakim behauptet, dass er morgen früh trainieren muss, und alle verdrehen die Augen. Scheint eine bekannte Ausrede von ihm zu sein.

Als die Tür hinter ihnen zuschlägt, atmen wir aus. Die Stimmen draußen werden leiser und dann ist es still. Er sieht mich an und es wird schwer, zu atmen. Er ist so groß und dunkel und so eindeutig ein Kerl, dass diese blöde Erkenntnis sich wieder in mein Gehirn zurückkämpft. Ganz langsam sinke ich zu Boden und lehne meinen Hinterkopf gegen die Holztür. Ich sehe zu ihm hoch. Ja, immer noch ein Kerl. Und nie habe ich jemanden mehr gewollt.

Er sieht fragend auf mich herab, dann setzt er sich neben mich.

»Was ist los?« Seine Stimme ist sanft. Sein Gesicht, das eben noch versteinert schien, wird weicher. Er sieht so viel jünger aus, fast so jung, wie er tatsächlich ist.

»Ich«, beginne ich und weiß nicht weiter. »Also.« Ich schlucke. Ich kann ihm nicht mehr in die Augen sehen, also blicke ich den Flur hinunter. Auch nicht so gut. Der ganze Schöner Wohnen-Prunk hinterlässt ein schales Gefühl in meinem Mund und erinnert mich daran, was uns alles trennt.

»Hey.« Er klingt unsicher. »Du musst nichts tun, was du nicht willst. Nur weil wir gestern … Egal. Danke für die Rettung eben.«

Ich lächle matt. »Dasselbe hättest du doch für mich getan.« Meine Lider schließen sich und ich versinke in Schwarz. »Ich kenn das. Bei mir werden sie schon misstrauisch, weil ich so viele Chancen habe und alle verstreichen lasse. Nächste Woche ist die nächste Party und ich hab jetzt schon Angst, da hinzugehen.«

»Ja.« Er klingt müde.

»Scheiße«, sage ich. »Was machen wir bloß?«

»Gar nichts.« Er klingt wütend. »Das geht sie nichts an, oder? Ist nicht so, als müssten wir uns dafür rechtfertigen.«

»Nein.« Ich hasse, wie unsicher ich klinge. »Nein, wohl nicht. Willst du was Lustiges hören?«

»Ist es wirklich lustig?«

»Ich weiß nicht.« Ich schlucke. »Ich habe es eben erst kapiert. Ich … Dass ich …« Ich reibe mir die Stirn. »Ich hätte mit Lily vögeln können. Schon früher. Und nicht nur mit ihr. Aber ich konnte nicht. Ich hab es nicht getan, weil es sich nicht richtig angefühlt hat. Aber mit dir … hat es sich richtig angefühlt, also …« Den Rest kann ich nicht aussprechen. »Ich komme mir so blöd vor. Ich hatte keine Ahnung, verstehst du? Gestern war ich noch total überzeugt, dass ich auf Mädchen stehe. Also, wenigstens wollte ich das glauben. Ich … Mann, sowas weiß man doch, oder?«

Er schweigt. Sein Arm legt sich um meine Schulter und ich sinke dankbar gegen seinen massiven Körper. Seinen massiven, warmen Körper. Ich schnuppere.

»Du riechst echt gut«, sage ich und spüre, wie meine Wangen heiß werden.

»Du auch.« Seine Stimme ist rau. »Also.« Ich höre, wie er Luft holt. »Man muss doch nicht alles wissen.«

»Aber sowas? Dir war es klar, oder?« Ich erinnere mich daran, dass er Lily angeflirtet hat. »Oder?«

»Ich dachte, ich bin vielleicht bi?« Er lacht trocken. »Ich hab … Es gab da Sachen, die ich einfach nicht ignorieren konnte. Aber ich habe mir fest eingeredet, dass ich vielleicht auch auf Mädchen stehe. Wenn ich mir echt Mühe gebe. Und mich nicht so anstelle. Und den Arsch zusammenkneife und die Sache durchziehe.«

»Hat nicht geklappt, was?« Ich seufze.

»Nicht wirklich.« Er drückt die Lippen auf meinen Scheitel. So selbstverständlich, dass mein Herz einen Salto schlägt. »Sorry. War das okay?«

»Ja. Klar. Mann, wir haben gestern …« Meine Kehle wird eng.

»Ja.« Joakim küsst mich erneut.

Ich will den Kopf heben, aber ich bin zu fertig.

»Wirst du Ärger bekommen, wenn jemand das herauskriegt?«, raunt er.

Das habe ich mich auch schon gefragt. Immerhin. Leider weiß ich die Antwort nicht. »Glaub nicht, dass ich dann gemobbt werde. Ich meine … Nee. Nicht mal hier. Nicht mal in diesem Kuhkaff. Aber sie werden mich anders behandeln und … Aber das ist mir egal. Total egal.« Ich huste männlich.

»Mir nicht.«

»Ja, okay, mir auch nicht.« Ich denke nach. »Es ist alles so plötzlich. Vielleicht muss ich mich erst an den Gedanken gewöhnen.«

»Ja.« Er hält mich fester. »Hey. Ich bin auch überfordert. Aber … Ich meine, es gibt ja nicht nur Probleme. Es gibt auch schöne Seiten.«

»Ach ja? Welche denn?«

»Dich.«

Ich lache. Gerührt sehe ich ihn an. Hoffentlich meint er das ernst.

»Stimmt«, sage ich. »Ich bin wirklich sehr schön.«

Ein Lächeln. »Bist du.«

Meine Wangen werden heiß. »Meinst du? Also … ja, klar. Wunderschön.« Ich richte mich auf und räuspere mich. »Sorry. Ich bin wieder okay.«

»Du musst dich nicht verstellen.«

»Ich verstell mich nicht. Ich bin okay. Und wunderschön.« Ich stehe auf, laufe ein paar Schritte und drehe um. Direkt vor Joakim gehe ich in die Hocke. Ich nehme seine Hände und schaffe es nicht, ihm in die Augen zu schauen. »Danke.«

Er packt meine Finger und küsst die Knöchel. Er ist so anders, so ganz anders als sonst. Ich glaube, ich schmelze.

»Weißt du.« Ich schwenke seine Hände nach links, dann nach rechts. Sammle meinen Mut und hoffe, dass ich nicht alles versaue. »Ich hab mich ein bisschen in dich verguckt, glaube ich.« Argh! Wie klingt das denn?

Seine Finger krallen sich um meine. »Was?!« Sein Kopf ruckt hoch.

Panisch sehe ich ihn an. »Nur ein bisschen! Echt! Es ist nicht … He, es ist kein Problem, wenn du nicht … wenn ich dir egal bin. Echt kein Problem.« Ich lache wenig überzeugend.

Er starrt mich an. Und wird rot. Ehrlich. Joakim, der zwei Meter-Brocken wird rot bis zum Haaransatz. Sein Mund öffnet sich, aber nichts kommt heraus.

»Alles okay«, krächze ich. »He, lass uns doch einfach diesen Whisky trinken. Wo ist der?«

Ich reiße mich los und stehe auf. Wende mich zum Gehen und verfluche mein loses Mundwerk. Aber ich komme nicht weit. Seine Arme umschlingen mich und reißen mich zurück. Ich rieche ihn und er ist köstlich und warm und ich lege den Kopf in den Nacken, um seine Wange an meiner zu spüren. Seine Stirn, die sich in meine Schulter drückt.

---ENDE DER LESEPROBE---