Küsse unterm Nordlicht im Schein des Leuchtturmes - Vanessa Nordholm - E-Book

Küsse unterm Nordlicht im Schein des Leuchtturmes E-Book

Vanessa Nordholm

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Beschreibung

Stell dir vor, du stehst am rauen Strand der Nordsee, der Wind zerzaust dein Haar, während über dir das geheimnisvolle Nordlicht den Himmel in magische Farben taucht. Die junge Journalistin Feli reist an die Küste, um das sagenumwobene Leuchten über dem Meer zu dokumentieren. Doch zwischen den stürmischen Wellen und dem Leuchtturm von Westerhever begegnet sie zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Jan, der raubeinige Fischer mit einem Herzen, das tiefer schlägt als die See, und Lars, der charismatische Hotelbesitzer, der zwischen Eleganz und verborgenen Narben balanciert. Als ein gewaltiger Sturm nicht nur die Küste, sondern auch ihre Gefühle erschüttert, gerät Feli in einen Strudel aus Leidenschaft, Sehnsucht und einer Wahrheit, die ihr Leben für immer verändern wird. Während das Meer Opfer fordert und alte Wunden aufreißt, steht Feli vor einer Entscheidung, die über Liebe und Verlust, Hoffnung und Neubeginn entscheidet. Ein Roman voller Romantik, Drama und nordischer Melancholie – über das, was uns verbindet, und das, was wir loslassen müssen, um unser wahres Zuhause zu finden.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Küsse unterm Nordlicht im Schein des Leuchtturmes

Vorwort

Stell dir vor, du stehst am rauen Strand der Nordsee, der Wind zerzaust dein Haar, während über dir das geheimnisvolle Nordlicht den Himmel in magische Farben taucht.

Die junge Journalistin Feli reist an die Küste, um das sagenumwobene Leuchten über dem Meer zu dokumentieren. Doch zwischen den stürmischen Wellen und dem Leuchtturm von Westerhever begegnet sie zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Jan, der raubeinige Fischer mit einem Herzen, das tiefer schlägt als die See, und Lars, der charismatische Hotelbesitzer, der zwischen Eleganz und verborgenen Narben balanciert.

Als ein gewaltiger Sturm nicht nur die Küste, sondern auch ihre Gefühle erschüttert, gerät Feli in einen Strudel aus Leidenschaft, Sehnsucht und einer Wahrheit, die ihr Leben für immer verändern wird. Während das Meer Opfer fordert und alte Wunden aufreißt, steht Feli vor einer Entscheidung, die über Liebe und Verlust, Hoffnung und Neubeginn entscheidet.

Ein Roman voller Romantik, Drama und nordischer Melancholie – über das, was uns verbindet, und das, was wir loslassen müssen, um unser wahres Zuhause zu finden.

Über die Autorin / den Autor:

Vanessa Nordholm ist eine Autorin mit einer tiefen Liebe für Geschichten, die das Herz berühren und die Seele zum Klingen bringen. Aufgewachsen in einer kleinen Küstenstadt, lernte sie früh, dass das Rauschen des Meeres und der Wind, der durch die Dünen streift, die schönsten Geschichten erzählen können – von Liebe, Sehnsucht und der Kraft des Neuanfangs.

Ihre Romane sind geprägt von atmosphärischen Landschaften, intensiven Emotionen und Figuren, die zwischen Leidenschaft und Zweifel, zwischen Vergangenheit und Zukunft ihren eigenen Weg suchen. Mit einem Blick für die feinen Nuancen menschlicher Beziehungen und der Liebe zum Detail erschafft sie Welten, in die man eintauchen möchte – voller Romantik, Dramatik und einem Hauch nordischer Melancholie.

Wenn sie nicht gerade schreibt, streift sie durch die Natur, sammelt Inspiration an stürmischen Stränden oder in charmanten kleinen Cafés, in denen das Leben Geschichten schreibt, die nur darauf warten, erzählt zu werden.

 

 

 

 

Kapitel 1: Der Sturm am Strand

Felicitas, von allen nur Feli genannt, fuhr langsam die schmale Landstraße entlang, während der Wind erbarmungslos an ihrem kleinen Mietwagen rüttelte. Der Himmel war ein düsteres Grau, das sich scheinbar unendlich über die weite Landschaft der Nordseeküste spannte. Immer wieder zuckten Blitze über die Wolken, und tiefer Donner rollte bedrohlich über das flache Land. Obwohl sie sich ein wenig fürchtete, spürte Feli eine aufregende Vorfreude in sich aufsteigen. Seit sie denken konnte, hatte sie eine Faszination für Stürme und das Meer – vielleicht war dies der Grund, warum sie als Journalistin so oft in windumtoste Gebiete geschickt wurde, um über Wetterphänomene zu berichten. Dieses Mal war jedoch etwas Besonderes: Sie war nicht nur hier, um den Sturm zu dokumentieren, sondern auch, um eine Reportage über die sogenannten „tanzenden Lichter“ zu schreiben, die manchmal am Horizont von Westerhever zu sehen sein sollten. Man munkelte, es seien Polarlichter, die sich verirrt hatten, oder vielleicht waren es einfach nur atmosphärische Spiegelungen. Ganz gleich, welche Erklärung stimmen mochte, Feli war fest entschlossen, diese rätselhafte Erscheinung mit eigenen Augen zu sehen.

Als sie schließlich das kleine Küstendorf erreichte, in dem sie sich für die nächsten Wochen einquartieren würde, wirkte es wie ausgestorben. Kein Wunder bei dem tosenden Wetter: Bäume bogen sich im Sturm, Regen klatschte unablässig gegen die Fensterscheiben des Wagens und pfeifender Wind zerrte an jeder Ritze. Feli parkte ihren Wagen vor einer unscheinbaren Pension, die unter dem Namen „Zur Seebrise“ firmierte. Nach einigem Kampf mit der Autotür – der Wind wollte sie kaum öffnen lassen – stieg sie aus und hastete mit zusammengekniffenen Augen zur Eingangstür. Eine alte, hölzerne Glocke schlug an, als sie eintrat, und sie wurde von einer warmen Brise geheizter Luft empfangen.

Drinnen saß eine ältere Dame hinter einem kleinen Empfangstresen. Als Feli näher kam, blickte die Dame mit neugierigen Augen auf und lächelte freundlich. „Moin, du musst Felicitas sein. Ich bin Marie. Schön, dass du angekommen bist. Noch dazu bei diesem Hundewetter!“ Feli lächelte erleichtert zurück, denn sie hatte tatsächlich befürchtet, gar nicht mehr heil anzukommen. Die Straßenverhältnisse waren alles andere als angenehm. „Ja, vielen Dank. Ich bin ziemlich durchgeschüttelt worden von dem Sturm“, erklärte sie atemlos und strich sich die feuchten Haare aus dem Gesicht. Marie reichte ihr einen Zimmerschlüssel und deutete den Gang hinunter. „Zimmer 4, gleich rechts die Treppe hoch. Lass dich erstmal nieder und trockne dich ab. In einer Stunde gibt’s Abendessen, wenn du magst. Hoffentlich lässt der Sturm bis dahin ein bisschen nach.“

Feli bedankte sich und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Es war gemütlich eingerichtet, helles Holz und freundliche Farben gaben dem Raum einen maritimen Charakter. Außerdem hatte sie von hier aus einen Blick auf die tosende See, was ihr Herz sofort höherschlagen ließ. Sie war müde von der Fahrt, doch in ihr brannte die Neugier. Heute würde sie noch nicht anfangen zu recherchieren, denn dazu brauchte sie bessere Bedingungen. Dennoch wusste sie, dass sie so bald wie möglich zum Leuchtturm von Westerhever wollte. Genau dort hieß es, könne man die legendären Lichter am besten sehen. Manche Einheimische behaupteten, der alte Leuchtturm habe eine besondere Energie, die Besucher in seinen Bann zog. Andere waren überzeugt, es sei bloß eine Touristenattraktion. Feli nahm sich vor, beide Seiten kennenzulernen.

Tatsächlich legte sich der Regen ein wenig, als sie eine Stunde später in den Gastraum der Pension trat. Er wirkte fast familiär: Nur ein paar Tische, an denen die wenigen Gäste zusammenrückten. Als sie sich nach einem freien Platz umschaute, fiel ihr ein groß gewachsener Mann auf, dessen wettergegerbtes Gesicht und grober Wollpullover sofort verrieten, dass er ein waschechter Küstenbewohner sein musste. Er hob kurz den Kopf, warf ihr einen prüfenden Blick zu und widmete sich dann wieder seiner dampfenden Schüssel Suppe. Marie winkte Feli zu sich und machte ihr einladend Platz. „Setz dich doch, mein Kind. Und vergiss nicht, dir eine heiße Suppe zu nehmen. Das wärmt von innen.“ Gerade als Feli sich setzen wollte, sprang der große Mann plötzlich auf. „War nett, aber ich muss los. Der Sturm wird nicht besser, und ich habe versprochen, heute Abend nochmal nach meinem Kutter zu sehen.“ Marie hob mit gespielter Empörung die Augenbrauen. „Jan, du hast ja gerade erst angefangen!“ Er zog sich seine dicke Jacke über und zuckte mit den Schultern. „Wenn ich jetzt nicht gehe, treibt er mir noch ans Ufer. Pass auf dich auf, Marie.“ Dann bedachte er Feli mit einem kurzen, grüßenden Nicken und verschwand in die tobende Nacht.

Irgendwie fühlte sich Feli sogleich von diesem Mann namens Jan angezogen. Er strahlte eine ungezähmte Wildheit aus, die perfekt zu diesem Wetter passte. Ein Fischer, der in Wind und Wellen sein Leben verdiente. Sicherlich trug er viele Geschichten in sich, und Feli hoffte insgeheim, dass sie ihn während ihres Aufenthalts näher kennenlernen würde. Sie wusste, dass gerade Menschen wie er oft spannende Einblicke in die Besonderheiten dieses Ortes geben konnten.

An diesem Abend unterhielt sie sich noch lange mit Marie, die gerne über die alten Sagen und Geschichten der Region sprach. Sie erzählte von dem berühmten Leuchtturm von Westerhever, den man in den Stürmen der Nacht manchmal wie einen flammenden Wächter am Horizont leuchten sah. Obwohl Feli eigentlich schon ins Bett wollte, brachte sie die Begeisterung der alten Dame dazu, noch ein weiteres Glas heißen Tees zu trinken. Endlich jedoch verabschiedete sie sich gähnend und zog sich in ihr Zimmer zurück. Noch lange hörte sie das Heulen des Windes und das Fauchen der Wellen gegen die Steilküste, ehe sie in einen traumlosen Schlaf fiel.

Am nächsten Morgen fuhr ihr der Sturm noch immer in die Glieder, als sie aufstand. Zwar hatte er ein wenig nachgelassen, doch die Gischt spritzte immer noch so hoch, dass die Scheiben der Pension salzig und verschleiert wirkten. Dennoch beschloss Feli, sich auf den Weg in das nahe gelegene Dorfzentrum zu machen, um sich genauer über den Leuchtturm und die angeblichen Lichter zu informieren. Sie wollte mit Einheimischen sprechen, Fotos machen und erste Ideen für ihre Reportage sammeln. Mit einer wetterfesten Jacke, hohen Stiefeln und einer Kamera bewaffnet, wagte sie sich hinaus in den peitschenden Wind.

Das Dorf war tatsächlich recht klein: ein paar Backsteinhäuser, eine Kirche mit einem alten Friedhof, ein kleiner Laden und eine Handvoll Lokale, die bei dem ungemütlichen Wetter allerdings sämtlich geschlossen zu sein schienen. Der einzige Ort, an dem sich ein wenig Leben abspielte, war das Hafenbecken. Dort lagen mehrere Kutter, einige von ihnen vermutlich seit Tagen nicht mehr ausgelaufen, während andere noch an ihren Plätzen schwankten. Feli entdeckte Jan auf einem kleinen, verbeulten Boot. Er war damit beschäftigt, Netze zu ordnen und das Deck von Wasser zu befreien, das der nächtliche Sturm hereingeweht hatte. Sie zögerte einen Moment, ob sie ihn ansprechen sollte, dann fasste sie sich ein Herz. „Moin!“, rief sie und winkte freundlich, um sich in dem tosenden Lärm bemerkbar zu machen. Jan blickte auf, runzelte die Stirn und winkte sie an Bord. „Was machst du denn hier draußen bei dem Wetter?“, fragte er fast vorwurfsvoll, während er seine Arbeit kurz unterbrach. „Ich… Ich möchte mich umhören, wegen des Leuchtturms. Und der Lichter natürlich“, antwortete Feli, bemüht, ihre Stimme gegen den Wind zu erheben. Jan lachte kurz, ein heiseres, raues Lachen. „Na, da haste dir ja was vorgenommen. Bei dem Sturm siehste keinen Leuchtturm, geschweige denn irgendwelche Lichter. Du solltest lieber in der warmen Stube bleiben.“ Seine groben Züge weichten kurz auf, als er Feli in die Augen sah. „Aber wenn du mehr erfahren willst, ich kann dir später was erzählen. Jetzt muss ich mich sputen, bevor das nächste Unwetter über uns hereinbricht.“

Feli nickte dankbar und stapfte zurück an Land. Sie hatte zumindest einen ersten Kontakt geknüpft und hoffte, später mit Jan ins Gespräch zu kommen. Bevor sie zurück zum Auto ging, um sich etwas aufzuwärmen, fiel ihr Blick auf eine attraktive, etwas nobel wirkende Gestalt, die gerade mit einem Schirm in der Hand den Kai entlangging. Ein Mann, dessen lange, gepflegte Wolljacke deutlich machte, dass er wohl keine finanzielle Not litt. Sein braunes Haar war ordentlich frisiert, und er wirkte, als käme er geradewegs aus einem Katalog für stilbewusste Nordseereisende. Er blieb an einem edlen, frisch polierten Wagen stehen und blickte auf sein Handy, bevor er Feli zu bemerken schien. „Guten Tag“, grüßte er höflich. „Sind Sie neu hier?“ Sie erwiderte den Gruß, konnte jedoch für einen Moment ihren Blick nicht von dem ungewöhnlichen Kontrast abwenden: Der Mann wirkte einfach zu glatt, zu fein für diese stürmische Hafenszenerie. „Ja, ich bin Journalistin. Ich möchte über den Leuchtturm von Westerhever und die Phänomene am Nachthimmel berichten. Außerdem… na ja, Wettergeschichten eben.“ Der Mann schmunzelte und reichte ihr die Hand. „Lars Petersen. Mir gehört das Hotel in zweiter Reihe, dort drüben.“ Er wies mit dem Kopf in Richtung einer kleinen Ansammlung weiß gestrichener Häuser. „Sie müssen Felicitas sein, richtig? Marie hat erwähnt, dass eine Reporterin hier ist. Unsereins bekommt schnell mit, wenn ein neuer Gast auftaucht. Das Dorf ist nicht allzu groß.“ Feli lachte verlegen. „Stimmt. Mich hat’s zu Maries Pension verschlagen. Für ein nobles Hotel hat das Budget meiner Redaktion nicht gereicht.“ Lars winkte ab. „Das ist doch kein Problem. Ich hoffe, Sie fühlen sich bei Marie wohl? Sie ist ein Goldschatz und kennt die besten Geschichten über die Gegend.“ Feli blickte hinüber zu Jans Kutter, der sich in der Ferne vom Kai löste und hinaus in das stürmische Gewässer steuerte. „Ja, sehr. Ich habe noch viel zu lernen, denke ich.“

Ein kurzer Moment des Schweigens entstand. Dann räusperte sich Lars. „Wenn Sie Unterstützung bei Ihrer Recherche brauchen, stehe ich gern zur Verfügung. Ich kenne hier fast jeden Winkel und könnte Ihnen auch Kontakte vermitteln, falls Sie Interviews führen möchten.“ Feli bedankte sich. Sie spürte, dass dieser Mann, so gepflegt er auch sein mochte, sicherlich über ein breites Netzwerk verfügte. Gleichzeitig wirkte er durchaus sympathisch, wenn auch mit einem gewissen selbstbewussten Habitus, den man in einer so rauen Umgebung eher selten erlebte. Lars verabschiedete sich höflich und fuhr schließlich in Richtung seines Hotels davon, während Feli in ihrem klapprigen Mietwagen Schutz suchte. Sie atmete einmal tief durch, um die frische, salzige Seeluft in ihre Lungen zu lassen. Dann fuhr sie hinüber zur Pension, um sich aufzuwärmen und ihre nächsten Schritte zu planen.

Der restliche Tag verging damit, dass Feli in ihrer kleinen Zimmerecke Notizen sortierte und erste Ideen für ihre Reportage sammelte. Sie telefonierte mit ihrer Redaktionsleiterin, die sie ermutigte, Bilder vom Sturm zu machen und die Dramatik der Naturgewalt festzuhalten. Außerdem erhielt Feli den Auftrag, sich genauer über die möglichen Ursachen der „Lichter von Westerhever“ zu informieren. Am frühen Abend klopfte es an ihrer Tür. „Herein!“, rief sie überrascht, und Marie steckte den Kopf herein. „Jan hat angerufen. Er ist jetzt zurück im Hafen und meinte, er könne dir ein paar Geschichten erzählen, wenn du magst. Er wartet vermutlich in seiner Stammkneipe, den ‚Fischerstuben‘. Das ist ganz in der Nähe, gleich neben der Kirche.“ Feli strahlte über das ganze Gesicht. „Danke, Marie! Ich mache mich sofort auf den Weg.“ Sie zog sich schnell an, schlang noch einen dicken Schal um und eilte hinaus.

Die „Fischerstuben“ entpuppten sich als ein urgemütlicher Treffpunkt für Einheimische: Holztische, ein dunkler Tresen und eine Sammlung alter Schwarz-Weiß-Fotos von Kuttern an den Wänden. Der Geruch von Bratfisch und kräftigem Bier hing in der Luft, und die Gäste unterhielten sich lautstark, um das Pfeifen des Windes zu übertönen. Jan saß an einem Ecktisch und hatte bereits ein großes Glas Tee vor sich stehen. Er nickte ihr zu, als er sie hereinkommen sah. „Moin. Schön, dass du es geschafft hast.“ Feli setzte sich zu ihm, und sofort kam die Bedienung, um ihre Bestellung aufzunehmen. Sie entschied sich für ein heißes Schwarzbier, das man ihr empfahl, um die Kälte zu vertreiben. „Erzähl doch mal, was du erfahren hast“, begann Jan leise, nachdem das Gespräch um sie herum wieder aufloderte. Feli rückte näher an ihn heran, um besser hören zu können. „Ich bin hier, weil ich über den Leuchtturm berichten möchte. Es soll hier ein Phänomen geben, so eine Art Nordlicht, oder Spiegelungen… Die Leute reden viel. Ich möchte Fakten sammeln, Geschichten, aber auch Emotionen einfangen.“ Jan kratzte sich am Kinn. „Fakten kann ich dir nicht so viele liefern. Aber Geschichten reichlich. Wenn du etwas Zeit hast, kannst du mich morgen mal auf den Kutter begleiten. Vorausgesetzt, der Sturm legt sich ein bisschen.“ Feli nickte begeistert. „Sehr gerne! Und… kennst du Lars Petersen?“ Jan lehnte sich ein wenig zurück, seine Mine verfinsterte sich kurz, aber vielleicht bildete sie sich das nur ein. „Ja, klar. Dem gehört das schicke Hotel. Er ist schon seit einiger Zeit hier. Hat den Laden von seinen Eltern übernommen, glaube ich. Wir sind nicht gerade Freunde, aber wir kommen klar.“ Dabei klang seine Stimme ein wenig rauer als sonst. Feli machte eine mentale Notiz: Zwischen Jan und Lars schien es eine gewisse Spannung zu geben.

Der Abend verstrich schnell. Jan erzählte Anekdoten von seinem Leben auf See: von tobenden Stürmen, von gefährlichen Fahrten bei Nacht, von verlorenen Netzen und von den Freuden, wenn man mit einem guten Fang nach Hause kam. Hin und wieder blitzte ein schelmisches Lächeln in seinen Augen auf, dann wieder wurde er ernst. Er erzählte auch von dem Leuchtturm, der ihm schon mehr als einmal den Weg gewiesen hatte, wenn er im Dunkeln heimkehrte. „Ich hab irgendwann aufgehört, zu zählen, wie oft dieses Licht mich gerettet hat“, sagte er. „Wer weiß, was man da oben manchmal wirklich sieht. Aber ich habe schon Dinge am Himmel leuchten sehen, die ich nicht erklären konnte. Vielleicht ist es wirklich dieses Nordlicht, von dem man redet. Ich weiß es nicht, und ehrlich gesagt ist es mir auch egal, solange es hell genug ist, mir heimzuhelfen, wenn ich die Küste suche.“ Feli lauschte gebannt, trank dabei ihr warmes Getränk und spürte, wie eine angenehme Müdigkeit sie überkam, gleichzeitig aber ihr Herz schneller schlug. Jan war eine faszinierende Persönlichkeit. Raubeinig, aber mit einem Kern von Sanftheit, der unter der rauen Schale zu liegen schien. In seinen Erzählungen steckte eine Ehrlichkeit, die sie selten so erlebt hatte.

Erst als sie bemerkten, dass die Bedienung schon mehrere Male um sie herum gewischt und Stühle hochgestellt hatte, wurde ihnen klar, dass sie die letzten Gäste waren. „Wir schließen jetzt. Ab nach Hause mit euch“, murmelte die Bedienung mit einem müden Lächeln. Jan legte einen Geldschein auf den Tisch und erhob sich. „Ich bring dich noch zur Pension, sicher ist sicher. Der Wind hat wieder aufgefrischt, und mit dunklen Ecken ist hier nicht zu spaßen.“ Draußen schlug ihnen die kalte Nachtluft ins Gesicht, und es hatte wieder begonnen zu regnen. Sie gingen schweigend nebeneinander her, eng in ihre Jacken gehüllt, und Feli ließ den Tag in Gedanken Revue passieren: Der wilde Sturm, das kleine Dorf, die Begegnung mit Jan und Lars, zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Jan wirkte wie ein ungeschliffener Diamant, fast eins mit den Elementen, während Lars eher wie ein souveräner Geschäftsmann aussah, der die Naturgewalten aus sicherer Distanz beobachtete.

„Muss das nicht hart sein für dich, hier im Winter zu arbeiten?“, fragte Feli nach einer Weile. Jan zuckte die breiten Schultern. „Meine Familie hat das immer gemacht. Ich bin damit aufgewachsen. Ich liebe das Meer, und gleichzeitig hasse ich es manchmal, wenn es mir meine Netze zerreißt oder einen guten Freund verschlingt. Aber das ist eben die Natur.“ Feli schluckte bei diesen Worten. Sie wusste, dass das Meer seine Opfer forderte, doch die Offenheit, mit der Jan darüber sprach, ließ sie erschaudern. „Es tut mir leid. Hast du jemanden verloren?“, fragte sie vorsichtig. Jan blickte in die Dunkelheit hinaus. „Ja, vor ein paar Jahren. Ein guter Kumpel, fast wie ein Bruder für mich. Seitdem ist nichts mehr wie zuvor.“ Er seufzte, dann lächelte er gequält. „Aber so ist das Leben an der Küste. Man weiß nie, ob man zurückkehrt, wenn man in See sticht.“ Für einen Moment spürte Feli eine tiefe Ehrfurcht vor diesem Mann und seiner Welt, in der jeder Tag ein Risiko mit sich brachte.

Sie waren an der Pension angekommen. Mit leisem Bedauern stieg Feli die Stufen hinauf. Sie drehte sich noch einmal zu Jan um und bedankte sich für den spannenden Abend. „Ich freue mich auf morgen. Schreib mir einfach, wann und wo wir uns treffen.“ Jan grinste verschmitzt. „Ich hole dich um fünf Uhr morgens ab. Wenn der Wind nicht zu stark ist, legen wir noch vor Sonnenaufgang ab.“ Feli verschluckte sich fast. „Fünf Uhr? Das ist ja mitten in der Nacht!“ Jan lachte sein raues Lachen. „Willst du eine Geschichte oder nicht? Dann muss man Opfer bringen.“ Damit verschwand er in der Dunkelheit, den Kragen hochgeschlagen, und Feli betrat die warme Pension.

Sie lag lange wach in ihrem Bett, den Sturm im Hintergrund lauschend. Ihre Gedanken flogen. Die Begegnung mit Jan hatte sie fasziniert, aber auch Lars ging ihr nicht aus dem Kopf. Irgendwie konnte sie sich vorstellen, dass er ihr bei ihrer Recherche ebenfalls helfen würde. Der eine hatte die Nähe zum Meer, die enge Bindung an die raue Natur. Der andere hingegen hatte vielleicht die Kontakte und die Erfahrung, etwas ganz anderes über den Leuchtturm zu berichten. Schon jetzt fühlte Feli eine gewisse Spannung, als würden zwei Magnetpole in ihr arbeiten. Sie schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf ihre Aufgaben. Immerhin war sie als Journalistin hier, nicht als Abenteurerin auf der Suche nach Herzklopfen. Sie schloss die Augen und versuchte, ein wenig Schlaf zu finden, bevor der neue Tag sie zu ungewohnter Stunde fordern würde.

Doch die Nacht blieb unruhig. Vor ihrem Fenster flackerte das matte Licht einer Straßenlaterne. Der Wind rüttelte an den alten Fensterrahmen. Hin und wieder glaubte sie, eine Sirene zu hören oder die dumpfe Hupe eines Schiffes, das im Nebel seinen Weg suchte. Ihre Gedanken kreisten um den Leuchtturm, dessen rotes Leuchtfeuer in regelmäßigen Abständen die Dunkelheit durchschnitt. Oben in der Laterne des Turms schien sich ein Geheimnis zu verbergen, ein Licht, das nicht von dieser Welt war – oder vielleicht doch. Im Halbschlaf dachte sie an Jan, an seine rauen Hände und sein verschlossenes Lächeln, und plötzlich tauchte Lars vor ihrem inneren Auge auf, der ihr seine Visitenkarte reichte und versprach, sie zu unterstützen. Mit jeder Minute, die sie in die Leere der Nacht hinabsank, fühlte sie sich stärker in einen wirbelnden Strudel gezogen: Sturm, Wellen, zwei Männer, ein geheimnisvoller Leuchtturm.

Der Wecker riss sie schließlich kurz nach vier Uhr aus einem leichten, unruhigen Schlaf. Gähnend und fröstelnd stand sie auf und machte sich fertig. Sie zog sich mehrere Schichten übereinander an, schnappte sich Kamera, Notizblock und eine Thermoskanne mit heißem Tee, die sie sich von Marie hatte füllen lassen. Punkt fünf Uhr klopfte es draußen an der Haustür, und sie schlich sich, um die anderen Gäste nicht zu wecken, durch den Flur. Jan stand in einem alten Regenmantel da, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. „Bereit?“, fragte er, ohne Umschweife. Feli nickte nur. Gemeinsam gingen sie zum Hafen, wo Jans Kutter leicht schwankte. Das Licht einer Laterne wies ihnen den Weg, und der Geruch von Fisch und Salz stieg Feli in die Nase. Sie stieg vorsichtig an Bord, und Jan half ihr mit dem Gepäck.

Den Motor startete er mit einem Grollen, das den Stillemantel der frühen Stunden zerriss. Langsam steuerte er das Boot aus dem Hafenbecken hinaus auf die offene See. Über ihnen spannte sich ein dunkler, wolkenverhangener Himmel, der erste Schimmer der Dämmerung färbte den Horizont in ein blasses Grau. Der Wind hatte etwas nachgelassen, doch die Wellen waren noch immer hoch und warfen den Kutter hin und her. Feli klammerte sich an die Reling und versuchte, die Seekrankheit zu unterdrücken, die sich in ihrem Magen bemerkbar machte. Doch ein Teil von ihr war geradezu hingerissen vom Anblick der aufgewühlten See und dem Gefühl, frei zu sein, weit entfernt von jedem Lärm der Stadt. Jan konzentrierte sich auf sein Steuer, drehte manchmal den Kopf zu ihr und nickte. „Halt dich gut fest. Wenn dir schlecht wird, bitte an die Seite, ja?“ Feli murmelte eine bejahende Antwort, während sie krampfhaft versuchte, sich auf den Horizont zu fokussieren.

Als sie schließlich an einer Stelle ankamen, an der Jan offenbar seine Netze ausbringen wollte, begann das Licht des jungen Tages sich stärker zu entfalten. Es war ein kühles, bleiches Licht, doch es ließ die dunklen Wassermassen glänzen, als wäre Silber darin gelöst. Jan warf routiniert seine Netze aus, prüfte Knoten und Verankerungen, während Feli Fotos machte. Sie war erstaunt, wie geschickt er bei diesem Wetter agierte. „Wie lange machst du das schon?“, fragte sie, als er kurz Zeit hatte, ihr zuzuhören. „Solange ich denken kann. Als Kind bin ich schon mit meinem Vater rausgefahren. Danach habe ich das Handwerk übernommen, als er krank wurde. Ist mein Leben, mein Zuhause“, sagte Jan mit ruhiger Stimme. Dabei wirkte er jedoch ein wenig abgelenkt, als würde ihn etwas anderes beschäftigen. Einen Augenblick später wandte er sich wieder seiner Arbeit zu, und sie sprachen erstmal nicht weiter.

Feli nutzte die Pause, um ein paar Aufnahmen vom Horizont zu machen. Sie hatte gehofft, vielleicht an diesem Morgen schon die rätselhaften Lichter zu erblicken, doch alles, was sie sah, war eine neblig verhüllte Sonne, die durch die Wolken schimmerte. Vermutlich würde sie noch einige Nächte aufbleiben müssen, um das Spektakel zu erleben. Während sie so in Gedanken versunken war, spürte sie plötzlich eine starke Erschütterung, als eine unerwartete Welle den Kutter erfasste. Feli verlor kurz das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Jan war sofort zur Stelle, um ihr aufzuhelfen, und hielt sie dann für einen Moment an sich gedrückt. „Alles in Ordnung?“, fragte er, und Feli nickte benommen. Sie war überrascht, wie warm er sich anfühlte, trotz der klammen Morgenkälte. Für einen kurzen Augenblick begegneten sich ihre Blicke, und etwas Flackerndes lag in Jans Augen, das in Feli ein unerklärliches Kribbeln auslöste.

Dann hustete er verlegen und wandte den Blick ab. „Ich wusste, es war eine schlechte Idee, dich bei dem Wetter rauszubringen. Tut mir leid. Vielleicht sollten wir es für heute gut sein lassen. Nicht, dass du noch über Bord gehst.“ Feli wollte gerade protestieren, als sie merkte, dass ihr Magen ihr in dem Moment zustimmte. „Vielleicht hast du recht“, sagte sie kleinlaut. „Wir haben ja noch ein paar Tage Zeit.“ Jan nickte und begann, seine Netze wieder einzuholen. Obwohl der Fang spärlich ausfiel, schien er keine schlechte Laune zu bekommen. Und als sie langsam den Rückweg antraten, konnte Feli nicht umhin, ein Gefühl der Dankbarkeit zu empfinden. Sie war ihm dankbar für die Gelegenheit, ein wenig das Fischerleben zu schnuppern, auch wenn die See ihr alles andere als freundlich gesinnt gewesen war.

Zurück im Hafen empfing sie eine steife Brise, die Jan jedoch kaum zu berühren schien. Er half ihr, vorsichtig an Land zu steigen, während sie immer noch versuchte, ihre Beine unter Kontrolle zu bekommen. Der Boden fühlte sich seltsam an, als würde er schaukeln. „Ich hol mir jetzt einen heißen Kaffee in den ‚Fischerstuben‘. Kommst du mit?“, fragte er in gewohnt kurzem Tonfall. Feli stimmte dankbar zu, und so saßen sie wenig später zusammen am noch leeren Tresen, wärmen ihre Hände an dampfenden Tassen. „Du hast echt Mut, dich hierher zu wagen. Andere Journalisten kamen oft nur für einen Tag, haben ein paar Fotos gemacht und waren wieder weg“, bemerkte Jan. „Danke. Für mich ist das mehr als nur ein Artikel. Ich möchte wirklich verstehen, was das Leben hier ausmacht. Und… ich will diese Lichter sehen. Ganz gleich, was es ist.“ Jan musterte sie über den Rand seiner Tasse hinweg. „Na, dann wirst du wohl hierbleiben müssen, bis sie sich zeigen. Das kann manchmal dauern. Und manchmal tauchen sie dann ganz plötzlich auf, wenn man gar nicht mit ihnen rechnet.“

Feli lächelte still. Sie verspürte den seltsamen Drang, ihn weiter kennenlernen zu wollen, seine Schichten zu durchdringen und herauszufinden, warum er eine so rauhe Fassade hatte, die doch immer wieder kleine Risse zeigte. Gleichzeitig erinnerte sie sich daran, dass sie auch die Möglichkeit hatte, mit Lars in Kontakt zu treten. Er hatte ihr seine Hilfe angeboten, und sie sollte sie vielleicht bald in Anspruch nehmen. Doch gerade in diesem Moment zählte nur der heiße Kaffee, die Wärme, die von Jans Anwesenheit ausging, und der Blick auf das vom Sturm zerzauste Hafengebiet, das sich durch die schmutzigen Scheiben der Kneipe abzeichnete.

Schon jetzt deutete alles darauf hin, dass ihre Zeit hier an der Küste nicht nur beruflich, sondern auch privat ein Abenteuer werden würde. Sie ahnte, dass dies erst der Anfang einer Geschichte war, die weitaus mehr Schattierungen haben würde, als ihr lieb sein konnte. Sie war noch nicht lange hier, und dennoch spürte sie die Magie dieses Ortes in jeder Faser ihres Körpers. Sie verstand, warum Menschen wie Jan trotz aller Gefahren immer wieder in See stachen – und warum jemand wie Lars hier sein nobel wirkendes Hotel betrieb, das auf den ersten Blick so wenig in die raue Landschaft zu passen schien. Die See hatte ihre ganz eigene Anziehungskraft, eine Melodie aus Wind, Wellen und flüchtigen Lichtern, die selbst erfahrene Seebären nicht losließ.

Und so schloss sich für Feli dieser erste Tag im stürmischen Küstendorf, während über der Nordsee immer noch die dunklen Wolken jagten. Der Sturm würde erst der Anfang sein. Sie spürte, dass noch viele Böen und Wellen auf sie warteten – in der Natur wie im Herzen. Ob sie bereit war für alles, was kommen würde, konnte sie nicht sagen. Doch tief in ihrem Inneren flackerte eine Vorfreude, die untrennbar mit dem Dröhnen der Brandung verbunden war. Sie war hier, um ihre Geschichte zu finden. Und wer weiß, vielleicht fand sie noch viel mehr.

 

Kapitel 2: Blick auf das Nordlicht

Feli wachte an diesem Morgen vom unablässigen Rattern des Regens auf, der gegen ihr Fenster in der kleinen Pension klatschte. Es war kurz nach sechs, doch sie fühlte sich, als hätte sie kaum geschlafen. Der gestrige Ausflug mit Jan war ihr noch in den Knochen, und ihr Magen erinnerte sie schwach an das Schaukeln auf See. Ihr Kopf war angefüllt mit Gedanken: Die Begegnung mit Lars, Jans ruhige Stärke und das faszinierende, aber auch unberechenbare Meer. Sie schlang die Decke fester um sich und wollte sich gerade noch einmal umdrehen, als sie ihr Handy summen hörte. Eine Nachricht war eingegangen. Gähnend tastete sie nach dem Gerät.

„Moin, Feli. Ich fahre heute Nachmittag nach St. Peter-Ording. Man sagt, von dort soll man heute Nacht vielleicht das Nordlicht sehen können. Interesse? Gruß, Lars.“

Ein unerwarteter Vorschlag. Feli blinzelte verwirrt. Hatte sie ihm überhaupt ihre Nummer gegeben? Dann fiel ihr ein, dass er sie gestern beim Kaffee in Maries Pension nach einer Kontaktmöglichkeit gefragt hatte, unter dem Vorwand, er könne ihr bei den Recherchen helfen. Sie war eigentlich ganz froh darum gewesen, hatte aber nicht damit gerechnet, so schnell von ihm zu hören. Die Aussicht, das vermeintliche Nordlicht zu sehen, ließ ihr Herz jedoch schneller schlagen. Das war ja schließlich einer der Hauptgründe, weshalb sie hier war. Und dass sich das Wetter noch am gleichen Tag derart bessern würde, dass ein Himmelsphänomen sichtbar sein konnte, überraschte sie. Doch an der Küste war alles möglich. Ohne lange zu zögern tippte sie eine Antwort:

„Gerne! Wann geht’s los? Bin gespannt. LG, Feli.“

Kaum fünf Minuten später brummte es erneut. „Treffen uns um 15 Uhr an Maries Pension. Bring warme Klamotten mit. Vielleicht bleiben wir bis in die Nacht. Freu mich. Lars.“

Feli legte das Handy beiseite und atmete tief durch. Freude, Neugier, aber auch ein seltsames Kribbeln erfüllten sie. Einerseits freute sie sich über die Möglichkeit, mehr über diese sagenumwobenen Lichter zu erfahren und gute Fotos für ihre Reportage zu schießen. Andererseits fragte sie sich, wie Jan wohl reagieren würde, wenn er erfuhr, dass sie mit Lars unterwegs war. Nicht, dass sie ihm eine Rechenschaft schuldig war, aber bei den beiden Männern hatte sie schon eine subtile Rivalität gespürt. Immerhin, Jan hatte ihr versprochen, sie bei Gelegenheit wieder mitzunehmen aufs Meer, diesmal vielleicht bei ruhigerem Wetter. Der gestrige Tag war hart gewesen, aber sie wollte es unbedingt noch einmal versuchen. Dennoch: Jetzt lockte Lars sie mit dem Versprechen eines möglichen Nordlichts. Und Nordlichter – oder was immer es genau war – standen ganz oben auf ihrer Prioritätenliste.

Sie wälzte sich aus dem Bett, schlüpfte in ihre warme Jogginghose und tappte barfuß ins Bad. Ihr Blick fiel beim Zähneputzen auf das Fenster, vor dem dunkle Wolken vorbeizogen. Der Regen hatte inzwischen nachgelassen, allerdings zerrte immer noch ein böiger Wind an der maroden Dachrinne. Die Vorstellung, heute Nacht vielleicht tatsächlich ein nordisches Lichtspiel am Himmel zu sehen, jagte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken. Sie konnte kaum abwarten.

Nach einem heißen Tee mit Marie und einem kurzen Plausch über die jüngsten Wettervorhersagen beschloss Feli, den Vormittag zu nutzen, um ein wenig im Dorf herumzufahren und Informationen für ihre Reportage zu sammeln. Zwar hatte sie schon einige Eindrücke vom Hafen und der rauen See bekommen, doch sie wusste, dass das Hinterland ebenfalls einiges zu bieten hatte. Sie wollte mit Einheimischen reden, Hintergründe erfahren und eventuell ein paar historische Daten zum Leuchtturm oder zur allgemeinen Wetterlage zusammentragen. Mit Schal, Mütze und wetterfester Jacke trat sie hinaus in den kühlen Morgen. Obwohl die Luft immer noch feucht war, hatte sie den Eindruck, dass die Wolken im Lauf des Tages vielleicht aufreißen könnten.

Zunächst klapperte sie den kleinen Lebensmittelladen am Ortseingang ab, in dem eine ältere Dame Namens Annemarie hinter der Kasse stand und sich bereitwillig auf ein Gespräch einließ. Während Feli sich mit heißem Kaffee versorgte, berichtete Annemarie von ihrer Jugend, in der sie tatsächlich einmal ein gewaltiges grünes Leuchten am Nachthimmel gesehen hatte. „Es war, als würden Schleier aus Licht über den Himmel tanzen, grün und violett, manchmal rötlich. Ich hätte nie gedacht, dass man sowas hier sehen könnte, so weit südlich. Aber es war da. Unvergesslich“, sagte sie mit glänzenden Augen, als würde sie das Schauspiel in diesem Moment noch einmal durchleben. Feli merkte sich jede Einzelheit, fragte nach dem Datum, den damaligen Wetterbedingungen und ob Annemarie erklären konnte, warum sie es von der Küste so klar sehen konnte. „Ich weiß nicht, Kindchen. Vielleicht ist hier die Luft sauberer. Oder die Lichter der Stadt sind nicht so hell wie woanders. Wir haben einfach Glück gehabt, damals.“

Später fuhr Feli weiter und machte an einer Landstraße halt, an der ein alter Hof lag. Dort sah sie, wie ein Landwirt mit seinem Traktor rangierte und Heuballen von einem Anhänger lud. Sie packte ihre Kamera aus und schoss ein paar Fotos, um die Atmosphäre einzufangen. Ein Fotoreport über das Leben an der Küste sollte ihre Geschichte abrunden. Der Landwirt musterte sie zunächst misstrauisch, doch als Feli ihre journalistische Tätigkeit erklärte, nickte er und ließ sie gewähren. Er erzählte in knappen Sätzen von den salzigen Böden, den Sturmfluten, die regelmäßig für Überschwemmungen sorgten, und von seiner Sehnsucht nach dem fernen Horizont. Feli mochte diese raue Offenheit der Küstenbewohner: Sie redeten nie um den heißen Brei herum. Ihre Worte waren auf das Wesentliche beschränkt, aber dahinter schimmerten Tiefe und Gefühl hervor, die Feli ungemein berührten.

Zur Mittagszeit kehrte sie in eine kleine Teestube ein und ließ die Erlebnisse des Vormittags Revue passieren. Zwar hatte sie noch nicht viel über den Leuchtturm erfahren, doch sie wollte sich das für einen weiteren Tag aufheben. Vielleicht würde sie mit Jan erneut einen Abstecher machen oder Lars um eine Fahrt dorthin bitten. Sie hatte gehört, dass man den Westerhever Leuchtturm bei klarer Sicht schon von Weitem sehen konnte, doch bisher hatte das Wetter nicht wirklich mitgespielt. Beim Gedanken an Jan huschte unwillkürlich ein Lächeln über ihr Gesicht. Da war diese unverkennbare Herzlichkeit in seiner rauen Art, die sie mehr berührte, als sie zugeben wollte. Aber auch Lars hatte etwas Faszinierendes: seine kultivierte, gewandte Art, sein offenes Angebot, ihr zu helfen, und die Aura eines Mannes, der sein Leben im Griff hatte. Feli war gespannt, wie sich das alles entwickeln würde.

Gegen drei Uhr war sie zurück in der Pension, pünktlich zum Treffpunkt mit Lars, der schon vor dem Eingang wartete. Er trug einen eleganten Mantel, dessen Kragen er hochgestellt hatte, und wirkte, als könne ihm das stürmische Klima nichts anhaben. Kaum sah er Feli, begrüßte er sie mit einem freundlichen, aber leicht zurückhaltenden Lächeln. „Bereit für einen Ausflug nach St. Peter-Ording? Es könnte heute Abend tatsächlich aufklaren. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht.“ Feli nickte begeistert, während sie ihre Tasche mit Kameraequipment und Notizblock im Kofferraum von Lars’ Wagen verstaute. „Und wenn es keine Nordlichter gibt, haben wir immer noch die Chance auf einen spektakulären Sonnenuntergang am Strand“, fügte Lars hinzu. Feli setzte sich auf den Beifahrersitz und schmunzelte. „Sonnenuntergang im Regen – auch ein Erlebnis“, witzelte sie. „Na, du bist ja voller Optimismus“, lachte er und fuhr los.

Der Weg nach St. Peter-Ording führte vorbei an weiten Marschflächen, auf denen Schafe grasten. Ab und zu huschten Möwen über das Auto hinweg, und das ständige Grau des Himmels begann sich allmählich aufzuhellen. Feli freute sich über die ersten blauen Streifen am Himmel. Es brauchte zwar noch Zeit, bis sich ein Sonnenuntergangsklima einstellen würde, doch es war immerhin ein Zeichen, dass der Tag nicht völlig verregnet enden würde. Unterwegs sprachen sie über alles Mögliche: Felis Arbeit als Journalistin, ihre vorherigen Reisen, Lars’ Hotelbetrieb und seine Pläne, das Geschäft auszubauen. Feli erfuhr, dass er seit seiner Jugend in dieser Gegend lebte, allerdings zwischenzeitlich in Hamburg Betriebswirtschaft studiert hatte. Erst nach dem Tod seiner Eltern war er zurückgekehrt und hatte das Familienhotel übernommen. „Viele haben gesagt, ich soll es verkaufen und woanders neu anfangen“, erzählte Lars mit einem Anflug von Wehmut in der Stimme. „Aber ich hänge an der Küste, obwohl ich kein Fischer oder Deichbauer bin. Ich will, dass die Leute diese Landschaft erleben, ohne dabei auf Komfort verzichten zu müssen.“

Sie war beeindruckt, wie sehr er sich für die Region engagierte, obwohl er so gar nicht wie ein typischer Küstenbursche wirkte. Als das Thema auf Jan kam, spürte Feli eine leichte Spannung in der Luft. Sie erwähnte nur beiläufig, dass sie mit Jan hinausgefahren war und seine Erzählungen über die See sehr interessant fand. Lars nickte höflich, sagte aber kaum etwas dazu, außer: „Ja, Jan ist… nun, er kennt das Meer wie seine Westentasche. Hat aber eine eigenwillige Art, findest du nicht?“ Feli wusste nicht, ob sie das bejahen oder abstreiten sollte, denn es war zweifellos wahr, dass Jan oft ruppig rüberkam. Doch sie fand diese Ruppigkeit in vielerlei Hinsicht charmant. Stattdessen murmelte sie nur: „Er ist direkt, das stimmt“, und beließ es dabei.

Als sie St. Peter-Ording erreichten, fuhren sie zunächst an den berühmten Pfahlbauten vorbei, jenen hölzernen Konstruktionen, die auf hohen Stelzen im Sand standen und unter denen die Flut hindurchrauschte. Lars hielt am Straßenrand, und beide stiegen aus, um den Ausblick zu genießen. Ein frischer Nordseewind empfing sie, ließ Felis Haare wehen und zerrte an ihrem Schal. Dennoch war es um einiges angenehmer als am Vortag, weil der Regen tatsächlich eine Pause eingelegt hatte. Der Himmel zeigte sich teils wolkig, teils klar, und die Sonne kämpfte sich in mildem, goldenen Licht durch die letzten Wolkenschleier. „Weißt du, es heißt, wenn die Bedingungen gut sind, kann man hier manchmal dieses grüne Leuchten sehen, kurz nach Sonnenuntergang“, sagte Lars, während er den Blick auf den Weitblick des Strandes gerichtet hielt. „Ich habe es selbst noch nie gesehen, aber viele Gäste schwören darauf, irgendwann einmal Polarlichter hier gesehen zu haben. Die meisten verwechseln das wohl mit anderen Lichtphänomenen. Aber wer weiß – vielleicht haben wir Glück.“

Gemeinsam spazierten sie in Richtung Strand. Der Sand war weich, und in der Ferne sah man Kitesurfer, die das letzte Tageslicht nutzten, um ihre bunten Schirme in den Wind zu halten. Ab und zu spritzte eine Welle ans Ufer, doch es herrschte eine fast versöhnliche Ruhe, verglichen mit den tobenden Stürmen der vergangenen Tage. Feli knipste ein paar Fotos und ließ sich von Lars einige Geschichten über St. Peter-Ording erzählen. Dass hier die größte Sandkiste Europas sei, wie die Einheimischen gerne sagen, und dass man die Pfahlbauten ursprünglich errichtete, um Touristen in den Sommermonaten einen sicheren Platz am Strand zu bieten. „Manche dieser Bauten sind mittlerweile richtige Kultlokale“, fügte Lars hinzu. „Vielleicht sollten wir heute Abend dort ein Abendessen einnehmen, falls uns der Wind nicht die Tür vor der Nase zuschlägt.“

Eine Weile später ließen sie sich in einem der Pfahlbau-Restaurants nieder und wärmten sich mit Tee und einer Schüssel Krabbensuppe. Das Lokal war urig eingerichtet: Dünengras in Töpfen, maritime Bilder an den Wänden, und eine Theke aus Treibholz. Feli musste unwillkürlich an Jan denken, der wahrscheinlich gerade irgendwo Netze flickte oder seinen Kutter vorbereitete, während sie hier in einem vergleichsweise schnieken Restaurant saß und das malerische Panorama genoss. Sie bemerkte, dass Lars im Laufe des Nachmittags immer gesprächiger geworden war, als wolle er ihre Aufmerksamkeit ganz bewusst auf sich ziehen. Er erzählte von Hotelprojekten, von interessanten Touristen, die er schon beherbergt hatte, und machte sogar ein paar humorvolle Bemerkungen über die Eigenheiten der Küstenbewohner. Feli lachte an den richtigen Stellen, merkte aber, dass sie sich nicht vollständig entspannen konnte. Irgendetwas war in der Luft, vielleicht eine Ahnung, dass dieser Tag noch eine Wendung nehmen würde.

Gegen Sonnenuntergang schlenderten sie zurück an den Strand. Der Himmel verfärbte sich in zarten Tönen von Orange und Rosa, und die Sonne sank langsam in den westlichen Horizont. Es sah fast aus, als würde sie im Meer versinken. Feli machte unzählige Fotos: von den Wattflächen, die glitzernd im letzten Licht erstrahlten, von vorbeifliegenden Möwen, deren Silhouetten im Abendhimmel tanzten, und von den Pfahlbauten, die nun im warmen Schein des Abends leuchteten. Lars blieb geduldig an ihrer Seite, doch sie spürte, dass er sie oft beobachtete, wenn sie durch den Sucher ihrer Kamera blickte. Als sie sich einmal umdrehte, fing sie seinen Blick auf und spürte ein leichtes Flattern in der Magengegend. Etwas in seinen Augen sagte ihr, dass er sie nicht nur wegen der Recherche mochte.

„Wollen wir noch etwas bleiben und schauen, ob sich der Himmel weiter aufklärt?“, fragte er schließlich. Feli nickte dankbar, zog aber vorsorglich ihre Jacke enger. Es wurde spürbar kühler, je tiefer die Sonne sank. Sie setzten sich auf eine Holzbank in den Dünen, die etwas Schutz vor dem Wind bot, und ließen die Szenerie auf sich wirken. Die Zeit schien stillzustehen. Nur das Rauschen des Meeres und das leise Pfeifen des Windes begleiteten sie. Das Licht wurde schwächer und schwächer, bis es fast vollkommen dämmerig war. Ob sich wirklich Nordlichter zeigen würden? Feli war skeptisch, denn das Naturschauspiel trat meist nur bei sehr klarer Sicht und bestimmten Sonnenaktivitäten auf. Doch die Hoffnung war da, selbst ein vager Schimmer würde für sie ein Meilenstein sein.

Plötzlich durchbrach ein lautes Rufen die Stille. Ein paar hundert Meter entfernt schienen zwei Menschen am Strand zu stehen, einer kniete im Sand, der andere schwenkte hektisch die Arme. Feli sprang sofort auf und versuchte, in der Dunkelheit zu erkennen, was los war. „Hörst du das?“, fragte sie Lars. „Ja, da ruft jemand um Hilfe“, antwortete er angespannt. Ohne zu zögern liefen sie in Richtung der Stimmen. Auf halbem Weg sahen sie, dass ein Mann reglos im Sand lag, während eine Frau über ihn gebeugt war und verzweifelt versuchte, ihn wachzurütteln. „Hilfe! Er atmet nicht richtig!“, schrie sie hysterisch, als Feli und Lars bei ihnen ankamen. „Wir haben uns verirrt, und er ist einfach zusammengebrochen. Bitte, helft mir!“

Feli merkte, wie ihr Herz in die Kehle schoss. Sie kniete sich neben dem Mann und fühlte seinen Puls. Er war flach, aber vorhanden. Er schien ohnmächtig oder in einer Art Schockzustand zu sein. Schnell erinnerte sie sich an einen Erste-Hilfe-Kurs, den sie vor Jahren absolviert hatte. Lars griff nach seinem Handy, wollte einen Notruf absetzen, doch er verzog das Gesicht. „Kein Empfang hier draußen! Verdammte Funklöcher! Wir müssen ihn irgendwie ins nächste Gebäude bringen. Oder wir laufen ein Stück, bis wir Empfang haben.“ Feli dachte nach, stand auf und rief: „Können wir ihn gemeinsam tragen? Vielleicht finden wir weiter vorn eine Stelle mit Empfang oder jemanden, der helfen kann. Wir müssen schnell sein!“ Die Frau, offensichtlich total verängstigt, nickte nur heftig. „Bitte, bitte, tut irgendwas!“

Gerade, als sie den Bewusstlosen so vorsichtig wie möglich anheben wollten, hörten sie ein Motorengeräusch in der Ferne. Ein Fahrzeug näherte sich, doch Feli konnte in der Dunkelheit nicht erkennen, was es war. Sie sah nur Scheinwerfer. Dann drang eine vertraute Stimme durch den Wind: „Feli! Ist alles in Ordnung?“ Es war Jan, der in einem alten Geländewagen in ihre Richtung fuhr. Feli atmete erleichtert auf. Offenbar war er ebenfalls in St. Peter-Ording unterwegs oder hatte vom Strand aus etwas mitbekommen. Jan stieg aus und lief rasch zu ihnen. „Was ist passiert?“, fragte er atemlos und beugte sich über den Liegenden. „Er ist bewusstlos. Wir kriegen keinen Notruf abgesetzt, weil das Netz hier zu schwach ist“, erklärte Feli schnell. Jan nickte, befühlte den Hals des Mannes, dann machte er sich an dessen Jackenkragen zu schaffen. „Wir müssen ihn warmhalten. Ladet ihn vorsichtig in meinen Wagen. Ich fahr ihn ins nächste Krankenhaus oder rufe von dort Hilfe.“ Gemeinsam hoben Lars und Jan den Mann hoch, während Feli und die Frau die Türen des Geländewagens öffneten. Behutsam legten sie den Bewusstlosen auf die Rückbank, wo Jan rasch eine Decke über ihn warf.

Die Frau stieg ebenfalls ein, zitternd und den Tränen nahe. Feli spürte ihre eigene Anspannung ebenso wie die eisige Kälte des Abends. Sie sah Lars an, der ebenso verwirrt wirkte, als er nun Jan in Aktion sah. Ohne ein weiteres Wort setzte Jan sich hinters Steuer und fuhr los, während Feli und Lars zurückblieben und den aufgewirbelten Sand in den Scheinwerfern sahen. Dann war das Auto verschwunden. Es vergingen ein paar Sekunden, in denen sie beide schwer atmeten, das Adrenalin noch in ihren Adern pulsierte. Schließlich trat Stille ein.

„Gut, dass Jan zufällig vorbeikam“, sagte Feli leise. Lars nickte und schwieg einen Moment, ehe er sich räusperte. „Ja, gut… Zufälle gibt es.“ Seine Stimme klang leicht angespannt. „Wie dem auch sei, ich hoffe, dem Mann geht’s bald besser. Hast du gesehen, wie blass er war?“ Feli nickte, löste langsam den Blick von dem dunklen Punkt am Horizont, an dem Jans Wagen verschwunden war. „Ja. Hoffentlich können die Ärzte ihm helfen. Wenn Jan erst mal im nächsten Ort ist, kann er auch einen Krankenwagen rufen.“

Eine seltsame Stimmung lag in der Luft, als sie daraufhin schweigend zum Geländer der hölzernen Strandpromenade zurückgingen. Der Wind blies ihnen ins Gesicht, und die Nacht hatte sich endgültig über den Strand gelegt. Von Nordlichtern war im Moment keine Spur. Die Wellen schimmerten in fahlen Reflexen, und der Horizont war in tiefes Schwarz getaucht. Feli sah hinauf, suchte vergebens nach einem Leuchten. Ihr Herz klopfte noch immer heftig von der Aufregung der Rettungsaktion, und in ihrem Kopf kreisten Gedanken um Jan. Wie war er so plötzlich zur Stelle gewesen? Wieso war er in St. Peter-Ording? Ob er geahnt hatte, dass sie hier war?