Lady Lanwoods kühner Plan - Majon Wallis - E-Book

Lady Lanwoods kühner Plan E-Book

Majon Wallis

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Beschreibung

Eine Lady auf ungewöhnlichen Wegen London, 1850: Lord Lanwood plant die Verheiratung seiner Tochter Victoria – die hübsche junge Lady jedoch hat anderes im Sinn. Sie interessiert sich mehr für die Technik der Photographie als für die einfältigen Männer, die ihr Vater ihr präsentiert. Als Lord Lanwood während eines Disputs die Bemerkung fallenlässt, Frauen besäßen doch keinerlei technisches Verständnis, beschließt seine entrüstete Ehefrau Elizabeth, ihm das Gegenteil zu beweisen: Auf der kommenden Weltausstellung im Londoner Hyde Park will sie ihn von den Fähigkeiten der Frauen überzeugen. Gemeinsam mit ihren Freundinnen macht sich Lady Elizabeth auf die Suche nach Exponaten aus der ganzen Welt. Währenddessen verkauft Victoria mithilfe des charmanten Reporters Trevor heimlich ihre Photographien. Und verliebt sich in Trevor. Als jedoch bekannt wird, dass sich englische Frauen an der Weltausstellung beteiligen wollen, kommt es zum gesellschaftlichen Eklat. Um ihren Traum dennoch verwirklichen zu können, greifen die Ladys zu ungewöhnlichen Mitteln …

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Die AutorinMajon Wallis, geboren 1957, wuchs im Ruhrpott auf. Nach mehreren Auslandsaufenthalten während der Studienzeit und zwei Jahrzehnten in Köln hat es sie in die Eifel verschlagen. Sie arbeitete beim Rundfunk und danach über zwölf Jahre als Buchhändlerin. Schreiben gehörte schon immer zu ihrem Leben, zuerst verfasste sie Gedichte, später dann auch kurze Liebesromane für Zeitschriften. Ihr besonderes Interesse gilt historischen Themen, nicht nur dem Schreiben darüber, sondern auch der spannenden Recherche. Ihre zweite Leidenschaft ist das künstlerische Arbeiten mit Pinsel und Leinwand.

Das BuchEine Lady auf ungewöhnlichen Wegen  London, 1850: Lord Lanwood plant die Verheiratung seiner Tochter Victoria – die hübsche junge Lady jedoch hat anderes im Sinn. Sie interessiert sich mehr für die Technik der Photographie als für die einfältigen Männer, die ihr Vater ihr präsentiert. Als Lord Lanwood während eines Disputs die Bemerkung fallenlässt, Frauen besäßen doch keinerlei technisches Verständnis, beschließt seine entrüstete Ehefrau Elizabeth, ihm das Gegenteil zu beweisen: Auf der kommenden Weltausstellung im Londoner Hyde Park will sie ihn von den Fähigkeiten der Frauen überzeugen. Gemeinsam mit ihren Freundinnen macht sich Lady Elizabeth auf die Suche nach Exponaten aus der ganzen Welt. Währenddessen verkauft Victoria mithilfe des charmanten Reporters Trevor heimlich ihre Photographien. Und verliebt sich in Trevor. Als jedoch bekannt wird, dass sich englische Frauen an der Weltausstellung beteiligen wollen, kommt es zum gesellschaftlichen Eklat. Um ihren Traum dennoch verwirklichen zu können, greifen die Ladys zu ungewöhnlichen Mitteln …

Majon Wallis

Lady Lanwoods kühner Plan

Historischer Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.  Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin Juli 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016  Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat  ISBN 978-3-95818-114-4  Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

1

London, Sommer 1850

Prüfend ließ Lady Elizabeth Lanwood ihren Blick über den sonntäglich gedeckten Tisch gleiten. In wenigen Minuten würden Harold Stainton, seine Frau Penelope und ihr Sohn Thomas zum Lunch eintreffen. Elizabeth sah zu ihrer Tochter Victoria, die missgestimmt an einem der großen Flügelfenster des Salons stand. Von dort war der Aufgang zu Lanwood House gut zu überblicken. Als Hufgeklapper eine Kutsche ankündigte, trat Elizabeth zu ihrer Tochter. Sie konnte sich nicht an die Staintons erinnern, obwohl ihr Gatte George darauf beharrte, sie während einer Opernaufführung im Covent Garden miteinander bekannt gemacht zu haben. Beim Anblick der verkniffen ausschauenden Frau, die an der Seite ihres Gatten die Eingangsstufen hinaufstieg, seufzte Elizabeth verhalten. Als Victoria den pausbäckigen jungen Mann sah, der seinen Eltern folgte, rümpfte sie die Nase und drehte sich empört zu ihrer Mutter. Elizabeth konnte es ihr nicht verdenken, der junge Stainton stand auch nicht auf ihrer Wunschliste für angehende Schwiegersöhne. Sie wusste, wie sehr Victoria diese Einladungen verabscheute, die ihr Vater seit einigen Monaten arrangierte. George Lanwood hatte beschlossen, eine passende Partie für seine Tochter zu finden, und seither erschienen in regelmäßigen Abständen Gäste wie die Staintons, die einen Sohn im heiratsfähigen Alter aufweisen konnten. Victoria war gerade 18 Jahre alt geworden und hatte noch nicht die Absicht, sich zu verheiraten. Zudem waren die bisherigen Kandidaten auch für Elizabeth in keiner Weise akzeptabel gewesen. Im Gegensatz zu ihrem Gemahl hielt Elizabeth eine Hochzeit noch nicht für dringend erforderlich. Diese unterschiedlichen Ansichten hatten bereits zu erheblichen Unstimmigkeiten bei den Lanwoods geführt.

Elizabeth hörte, wie George die Gäste überschwänglich willkommen hieß. Sie bemühte sich, den Staintons freundlich gegenüberzutreten. Doch die Unterhaltung gestaltete sich mühsam und das lag nicht nur an der Hitze, die London seit einigen Tagen plagte. Elizabeth war erleichtert, als das Hausmädchen die Speisen auftrug. Der Lammbraten duftete würzig und auch der Yorkshire Pudding sah verlockend aus. Die Gäste sprachen dem Essen zu und Mrs Stainton äußerte sich lobend über den Braten, denn gutes Lammfleisch sei im Moment schwer zu bekommen. George erkundigte sich nach Harold Staintons Bankgeschäften. Da erinnerte Elizabeth sich, dass ihr Gemahl vor längerer Zeit den geschäftlichen Rat seines Gastes gesucht hatte, als er Neuerungen für seine Ländereien plante. Dann wurde ausführlich die im nächsten Jahr geplante erste Weltausstellung erörtert. Die Zeitungen befassten sich seit Tagen mit dem unglaublichen Vorhaben einer weltumspannenden Ausstellung, die in London stattfinden sollte. Alle Nationen sollten ihre neuesten technischen Errungenschaften präsentieren. George sprühte vor Begeisterung, bei diesem Thema war er in seinem Element. Harold Stainton schien den Enthusiasmus nicht zu teilen, er äußerte sich verhalten, denn noch war die Finanzierung der Ausstellung nicht gesichert, wie er zu bedenken gab. Thomas Stainton hörte interessiert zu, beteiligte sich aber nicht an der Unterhaltung. Victoria saß Mrs Stainton gegenüber und schwieg, wie es sich für eine junge Dame geziemte. Elizabeth entging nicht, dass Penelope Stainton ihren Blick wiederholt durch den Salon schweifen ließ. Nicht nur Victoria, auch sie selbst und ihre Haushaltsführung wurden genau geprüft. Dieser Umstand missfiel ihr außerordentlich, zumal sie Gäste wie die Staintons nie selbst eingeladen hätte. Elizabeth fühlte sich erschöpft, und für einen Moment ließ ihre Aufmerksamkeit nach. Wehmütig dachte sie an die kurzweiligen Teegesellschaften und Dinnerparties in ihrem Freundinnenkreis. Das Rücken eines Stuhls holte sie aus ihren Erinnerungen zurück. George erhob sich und bat Harold und Thomas Stainton in seinen Salon.

»Mrs Stainton, darf ich Ihnen einen Aprikosenlikör anbieten?«, fragte Elizabeth höflich.

Mrs Stainton lehnte ab. »Ich trinke keinen Alkohol, aber einen frischen Tee würde ich gerne nehmen.«

Elizabeth klingelte nach dem Hausmädchen, während Mrs Stainton unverzüglich begann, die Tugenden ihres Sohnes zu preisen. Victoria schaute sie interessiert an. Elizabeth wusste sehr wohl, dass ihre Tochter nicht zuhörte und ihren Gedanken nachhing. Das hätte sie auch gern getan, stattdessen musste sie sich um Mrs Stainton bemühen.

»Victoria, was meinst du zu einem gemeinsamen Theaterbesuch? Es wird noch zwei interessante Aufführungen in dieser Saison geben und Mrs Stainton würde sich bestimmt über unsere Gesellschaft freuen.«

»Das ist eine sehr gute Idee«, entgegnete Victoria. »Aber leider bekommen mir die vielen Menschen und die etwas eigenartige Luft im Theater ganz und gar nicht. Ich muss viel an der frischen Luft verweilen, ein Tribut an meine zarte Gesundheit«, wandte sie sich erklärend an Mrs Stainton. »Bei meinem letzten Versuch, eine Theateraufführung anzuschauen, bin ich beinahe ohnmächtig geworden.«

Victoria vermied es, ihre Mutter anzusehen, die diese kleine Flunkerei sicherlich nicht gutheißen würde. Mrs Stainton jedoch hatte angebissen.

»Ihre Tochter ist demnach von zarter Gesundheit«, stellte sie fest und blickte Elizabeth mit vorwurfsvoller Miene an. Ihr Tonfall verriet, dass sie eine kränkelnde Schwiegertochter nicht in Betracht zog. In diesem Augenblick erschienen die drei Herren, um den Damen wieder Gesellschaft zu leisten. Nach ein paar Minuten belangloser Plauderei mahnte Mrs Stainton zum Aufbruch. Sie verschwendet keine unnötige Zeit in hoffnungslose Unternehmungen, dachte Elizabeth belustigt. George geleitete die Gäste wohlgelaunt zur Kutsche. Dass der Besuch ein wenig abrupt endete, schien seine gute Stimmung nicht zu beeinträchtigen.

»Wenn Mrs Stainton in ihrem Bekanntenkreis von deiner angegriffenen Gesundheit erzählt, wird es sich schnell herumsprechen, und wir werden nicht mehr viele junge Männer in die engere Wahl nehmen können«, bemerkte Elizabeth und sah ihre Tochter missbilligend an.

»Mir ist nichts Besseres eingefallen«, entgegnete Victoria. »Oder würdest du gern mit ihr ins Theater gehen?«

»Victoria, bitte«, antwortete ihre Mutter gereizt. »Wir hätten eine andere Lösung finden können. Wenn dein Vater davon erfährt, wird sich die Atmosphäre im Haus wieder verschlechtern.«

Victoria erhob sich und sah ihre Mutter schuldbewusst an. »Es tut mir leid wegen meiner kleinen Notlüge. Ich habe die Folgen, die daraus entstehen können, nicht bedacht.«

Bis zum Abend hielt die gute Stimmung in Lanwood House an. Als die Dämmerung anbrach, tauchte der Schein der Gaslaternen die Straßen in ein diffuses Licht. Allmählich wich die Hitze, die sich den Tag über zwischen den Häusern gestaut hatte, einer angenehmen Kühle. Ein frischer Luftzug drang durch die weit geöffneten Flügelfenster des Salons und bewegte die Vorhänge. Elizabeth genoss den Lufthauch, der über ihr Gesicht strich. George stand seit einigen Minuten an der Fensterfront und betrachtete den Aufgang zum Haus. Ihre Unterhaltung war ins Stocken geraten und ein unangenehmes Schweigen hatte sich ausgebreitet. Wieder einmal waren sie uneinig über die Zukunftspläne für ihre Tochter Victoria. Elizabeth saß an einem kleinen runden Tisch und schenkte sich Tee nach. Pling, pling, pling, laut schlug sie den Teelöffel an die Innenwand der Tasse. Ein sicheres Zeichen, dass sie gereizt war. Sie musterte ihren Gatten ungehalten. Sein dunkles Haar war von vereinzelten grauen Strähnen durchzogen. Auch einen Bauchansatz hatte er sich in den letzten Jahren zugelegt, doch er sah noch immer attraktiv aus. Elizabeths Blick glitt weiter zu einem Gemälde an der Wand. Doch William Turners blauer Himmel über Venedig vermochte ihren Verdruss dieses Mal nicht zu vertreiben.

»George, hörst du mir zu? Nein, natürlich nicht. Nicht ein Wort hast du mitbekommen.«

George wandte sich um, während er mit einer Hand über seinen stattlichen Backenbart strich. Er vermied es, seine Gattin anzusehen.

»Meine Liebe, ich höre dir immer zu. Du hast Recht, unsere Tochter hat ausgesprochen viele Talente«, versuchte er den Faden ihres Gespräches wieder aufzunehmen. »Aber die Kunst der Fotografie ist nun einmal keine Frauensache. Bedenke nur die schwere Ausrüstung, die Fotografen herumschleppen müssen. Das ziemt sich nicht für ein junges Mädchen.«

Er hielt einen Augenblick inne und räusperte sich.

»Was macht es denn für einen Eindruck, wenn unsere Tochter mit einem Fotoapparat durch London zieht? Victoria ist ein unverheiratetes Mädchen aus gutem Haus. Dieser Unsinn verschlechtert nur ihre Chancen auf eine standesgemäße Hochzeit.«

»George, du weißt, was ich von deinen Heiratsplänen halte. Victoria kann sich durchaus noch Zeit lassen.«

Ich hätte mir auch mehr Zeit lassen sollen, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie klopfte energisch mit dem Löffel an ihre Tasse.

»Du selbst hast ihr doch die Vorliebe für diese technischen Spielereien in den Kopf gesetzt.«

Elizabeth erinnerte sich, wie begeistert Victoria und ihr Vater noch vor einigen Jahren ein kleines mechanisches Karussell in Bewegung gesetzt hatten. Vor ein paar Monaten hatte Victoria das Fotografieren für sich entdeckt. Ihr Vater hatte einen Fotoapparat samt Stativ mitgebracht und seiner Tochter die Handhabung erklärt. Er selbst verlor das Interesse nach kurzer Zeit, doch Victoria probierte eifrig die Möglichkeiten der Kamera aus. Sie machte Fotografien im Garten und in Elizabeths Begleitung bald auch auf den Straßen der näheren Umgebung. Die belichteten Fotoplatten brachte ihr Vater zum Entwickeln in eines der zahlreichen Londoner Fotoateliers.

»Meine Liebe, Victoria hat ein paar hübsche Aufnahmen zu Stande gebracht. Dabei kann sie es belassen. Sie sollte sich lieber auf die wesentlichen Dinge konzentrieren, die junge Mädchen beschäftigen.«

»Und was sind diese wesentlichen Dinge deiner Meinung nach? Die Heirat? Die hohe Kunst der Haushaltsführung und Kindererziehung?«

»Elizabeth, ich will dem weiblichen Geschlecht in keiner Weise zu nahe treten. Aber es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen von der Welt der Technik nichts verstehen. Und die Fotografie ist nun einmal eine technische Angelegenheit.«

Noch während George sprach, veränderte sich Elizabeths Gesichtsausdruck. Ein Streit schien unvermeidbar.

»Erinnerst du dich an deine Bemerkung während des Dinners mit den Clarks? Du selbst hast die fotografische Kunstfertigkeit deiner Tochter lobend erwähnt«, entgegnete Elizabeth aufgebracht. »Und für die Kunst sind doch anscheinend wir Frauen zuständig? Oder hast du dich jemals dafür interessiert, welche Gemälde an unseren Wänden hängen?«

Elizabeth sah George herausfordernd an, während sie mit einer ausladenden Handbewegung auf die Wände des Salons deutete, die mit von ihr ausgewählten Kunstwerken geschmückt waren.

»Elizabeth, bitte. Halte dich aus Dingen heraus, von denen auch du nichts verstehst.«

Lord Lanwoods Stimme klang unwirsch, er schätze es nicht, wenn Elizabeth seine Argumentation widerlegte. Seine Gemahlin erhob sich abrupt.

»Von welchen Dingen verstehe ich nichts?«

Sie ging auf ihren Gatten zu und blieb dicht vor ihm stehen. George wandte sich ab und blickte aus dem Fenster.

»Du schuldest mir eine Antwort. Oder soll ich dir darlegen, wie viel technischen und sonstigen Verstand wir Frauen haben und was wir Hervorragendes leisten?«

»Liebe Elizabeth, ihr Frauen leistet sehr viel. Ihr führt den Haushalt, zieht die Kinder groß und …«

Unter dem zornigen Blick seiner Gattin verstummte er.

»George! Spar dir dein Loblied auf die Weiblichkeit und die dazugehörigen häuslichen Tugenden. Wir können mehr als Kinder beaufsichtigen und Mahlzeiten zubereiten. Darauf gehe ich jede Wette ein.«

Wie leid sie es war, den Wünschen ihres Gemahls zu entsprechen. Auch wenn von ihr erwartet wurde, den Ansichten ihres Gatten zu folgen, hatte sie doch ihre eigene Meinung, die sie auch durchzusetzen wusste. George schwieg, während Elizabeth entrüstet weitersprach. Als er ihr erneut Aufmerksamkeit schenkte, sah sie ihn erwartungsvoll an.

»George, hast du mir zugehört?«

»Aber natürlich habe ich zugehört, meine Liebe.«

»Und wie stehst du dazu?«

»Ja, sicherlich.« George räusperte sich. »Wie du ja bereits ausgeführt hast …«, fuhr er zögernd fort, um dann zu verstummen.

Elizabeth lächelte hintergründig, dieses Mal würde George ihr nicht davonkommen. Wahrscheinlich war er in Gedanken bereits im Club und natürlich hatte er ihr nicht zugehört. Eine Idee blitzte in Elizabeth auf und ihr Lächeln verstärkte sich. Sie würde ihrem Gatten eine kleine Lektion erteilen.

»Das freut mich, George. Dann können wir meinen Vorschlag ja mit deiner Hilfe in die Tat umsetzen.«

George blickte seine Gattin verwundert an.

»Welchen Vorschlag?«

Elizabeth machte eine genüssliche Pause, bevor sie antwortete. »Nun, George, eigentlich ist es kein Vorschlag, sondern eher eine Wette. Ich werde, wie ich gerade ausgeführt habe, beweisen, dass Frauen mehr zu Stande bringen, als nur einen Haushalt zu führen.«

»Aber meine Liebe, das habe ich doch niemals abgestritten«, versuchte George sie zu beschwichtigten.

»Doch, genau das hast du vor einigen Minuten getan. Aber du könntest mich unterstützen«, sagte Elizabeth in versöhnlichem Tonfall.

»Natürlich, meine Liebe, sehr gern.«

»Ich weiß deine Hilfsbereitschaft zu schätzen. Was glaubst du, wie lange wird es dauern, bis du herausfindest, ob ich einen Platz erhalte?«

»Einen Platz?«, fragte George und schaute seine Gattin verständnislos an. »Was für einen Platz?«

»Nun, George, eine Koje, oder wie das genannt wird.«

»Eine Koje? Wollen wir eine Schiffsreise machen?«

George blickte unbehaglich drein, er konnte Schiffsreisen nichts abgewinnen. Zudem schien es ihn zu beunruhigen, dass er Elizabeth seine Unterstützung zugesagt hatte, ohne zu wissen, worum es ging. Seine Gemahlin bedachte ihn mit einem Lächeln.

»George, mir scheint, du hast mir doch nicht zugehört.«

»Wie kannst du so etwas von mir denken, meine Liebe. Ich habe dir zugehört«, beteuerte George. »Aber vielleicht habe ich den Sinn deiner Ausführung nicht ganz erfasst. Was hat es mit diesem Platz auf sich?«

Elizabeths Lächeln wurde heiterer. Er hatte nichts von dem mitbekommen, was sie gesagt hatte. Sie kostete den Moment aus, bevor sie fortfuhr.

»George, du hast deine Unterstützung zugesagt, mir einen Platz auf der Weltausstellung zu beschaffen.«

Lord Lanwood sah seine Gemahlin entgeistert an.

»Weltausstellung? Einen Platz …?«

»Ja, eine Ausstellungsmöglichkeit auf der ersten Weltausstellung, die im nächsten Jahr hier bei uns in London eröffnet wird.«

»Aber … aber, was willst du denn ausstellen?«

»Wie ich dir vorhin erklärt habe, hervorragende Leistungen des weiblichen Geschlechtes«, antwortete Elizabeth.

Sie konnte nur mit Mühe ernst bleiben.

»Elizabeth, wie soll ich das bewerkstelligen? Ich habe mit dieser Weltausstellung nicht das Geringste zu tun.«

»Ich bin mir sicher, dass einige deiner Freunde im Club mit der Planung und Durchführung befasst sein werden. Hast du nicht letzte Woche etwas in dieser Richtung erwähnt?«

George schluckte und fuhr sich nervös durch seinen Backenbart. Elizabeth wusste, dass er überlegte, wie er sich aus der Situation retten konnte. Sie wandte ihren Kopf zur Seite. Die Gedanken ihres Gatten waren so deutlich von seinem Gesicht abzulesen, dass sie ihr aufsteigendes Lachen kaum mehr unterdrücken konnte. Das geschah ihm recht. Sie schätzte es nicht, wenn er vorgab, zuzuhören, und in Wirklichkeit mit seinen Gedanken bei ganz anderen Dingen war. Sie hatte ihn noch nie dazu bringen können, zuzugeben, dass er ihr nicht seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Diese einmalige Gelegenheit, die sich ihr bot, würde sie nicht ungenutzt vorüberziehen lassen. George glaubte ihr tatsächlich die Geschichte mit der Weltausstellung. Da machte sich ein unglaublicher Gedanke in ihr bemerkbar. Elizabeths Herz begann aufgeregt zu klopfen. Warum sollte sie nicht wirklich an der Ausstellung teilnehmen? Entschlossen sah sie ihren Gatten an.

»George, du hast mir deine Unterstützung zugesagt. Versuche bitte, alles in deiner Macht Stehende zu tun, um dein Versprechen einzulösen.«

Mit diesen Worten wandte Elizabeth sich ab. George rührte sich nicht. Er sah konsterniert auf die Tür, die sich hinter seiner Gemahlin schloss.

Als Elizabeth ihre Räumlichkeiten betrat, las Victoria beim Schein einer Öllampe in einer Zeitung. Es hatte Elizabeth einige Mühe gekostet, George davon zu überzeugen, Victoria das Lesen von Zeitungen zu gestatten. Zu Elizabeths Freude las ihre Tochter viel und gern. Mit einem Lächeln ließ Elizabeth sich in ihren Sessel sinken. Victoria sah von ihrer Lektüre auf.

»Was erheitert dich, Mutter?«

»Dein Vater hat wieder einmal vorgetäuscht, mir aufmerksam zuzuhören. In Gedanken war er natürlich bereits im Club. Und so habe ich einfach behauptet, er habe mir etwas versprochen. Und jetzt muss er dieses fiktive Versprechen einlösen.«

»Was glaubt er denn, dir versprochen zu haben?«

»Nun, wir waren uns einmal mehr nicht einig über gewisse Dinge, die Frauen betreffen. Du weißt ja, nur Männer vollbringen Wunderbares. Um zu beweisen, dass auch Frauen Hervorragendes leisten, habe ich deinen Vater dazu gebracht, mir einen Ausstellungsplatz auf der Weltausstellung zu beschaffen. Das dürfte bei seinen Beziehungen keine Schwierigkeit bedeuten.«

»Weltausstellung? Du meinst diese Ausstellung im nächsten Jahr, über die alle Zeitungen berichten?«

»Genau die meine ich, Victoria. Stell dir vor, eine weltweite Ausstellung hier in London, auf der alle Länder ihre Errungenschaften zeigen können. Der Gemahl der Königin, Prinz Albert, setzt sich sehr für die Verwirklichung dieser außerordentlichen Idee ein. Und die Königin hat erlaubt, die Ausstellung im Hyde Park stattfinden zu lassen. Im Club deines Vaters wird mit Sicherheit von nichts anderem mehr gesprochen. Die Herren überschlagen sich bestimmt vor Begeisterung. Jetzt können sie der ganzen Welt zeigen, wie erstklassig sie sind. Und ich werde der Welt zeigen, dass wir Frauen mithalten können. Eigentlich wollte ich mir nur einen Scherz mit deinem Vater erlauben, als Strafe, dass er mir wieder einmal nicht zugehört hatte. So habe ich schnell etwas erfunden. Aber als ich bemerkt habe, dass er meine Idee ernst nimmt – da habe ich sie auch ernst genommen.«

Victoria sah ihre Mutter mit großen Augen an. »Was willst du denn ausstellen?«

»Nun, wir werden sehen. Es ist ja noch ausreichend Zeit. Ich werde das Ganze beim nächsten Zusammentreffen mit meinen Freundinnen besprechen.«

Elizabeth blickte ihre Tochter prüfend an.

»Victoria, ich weiß, es versteht sich von selbst. Aber bitte erwähne deinem Vater gegenüber unser Gespräch mit keinem Wort. Ich beginne Gefallen an meiner Idee zu finden. Wenn dein Vater mir tatsächlich einen Ausstellungsplatz ermöglichen kann, dann werde ich auch etwas zum Ausstellen finden.«

Elizabeth lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Mit Erstaunen bemerkte sie, wie glücklich sie sich fühlte. Die Idee, an der Ausstellung teilzunehmen, wirkte äußerst belebend. Auch die Kopfschmerzen, die sich oft nach einem Streit mit ihrem Gatten einzustellen pflegten, blieben aus.

Als am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster schienen, nahm Elizabeth bereits ihr Frühstück ein. Sie besprach mit der Köchin den Speiseplan für die nächsten Tage und trug der Zugehfrau auf, die Stores und Volants in den Salons zu reinigen. Elizabeth hatte ihr Frühstück beendet, als George sich zu ihr an den Tisch setzte. Er sah mitgenommen aus. Wahrscheinlich war er sehr spät aus dem Club heimgekehrt. An die Ausstellungsidee hatte er sicherlich keinen Gedanken verschwendet.

»Wie war es im Club?«, fragte Elisabeth.

Ihr Gatte sah erstaunt auf. Es war höchst ungewöhnlich, dass Elizabeth sich für den Club interessierte.

»Wie immer«, antwortete er einsilbig und konzentrierte sich darauf, eine Scheibe Toastbrot mit Marmelade zu bestreichen.

Elizabeth beschloss, direkt zum Angriff überzugehen.

»Hast du schon etwas über die Ausstellung in Erfahrung bringen können?«

George senkte seine bereits zum Mund geführte Scheibe Toast und räusperte sich.

»Noch nicht, meine Liebe. Peter war gestern Abend nicht da, und die anderen wissen nicht so genau Bescheid.«

»Peter ist mit der Planung der Ausstellung beauftragt?«

»Äh … ja. Nein. Eigentlich nicht direkt. Sein Onkel …«, George verlor den Faden.

»Sein Onkel?«, wiederholte Elizabeth.

»Ja, Sir Michael. Er ist im Planungskomitee und arbeitet direkt mit seiner Hoheit, dem Prinzgemahl, zusammen.«

»Sir Michael? Das ist ja ausgezeichnet. Wir sind doch gut mit Sir Michael und seiner Gemahlin bekannt. Könnte es nicht hilfreich sein, wenn ich einmal mit Sir Michaels Gattin spreche?«

George erbleichte und sah Elizabeth verblüfft an. Ihrer Miene war nicht zu entnehmen, ob sie diesen Vorschlag ernst meinte.

»Elizabeth, das ist unmöglich. Du kannst die Gemahlin von Sir Michael nicht zu Angelegenheiten ihres Gatten befragen. Wenn sich das herumspricht. Ich werde zum Gespött im Club werden.«

Er klang aufrichtig entsetzt.

»Zum Gespött? George, heißt das, dass du dein Versprechen brichst und mich nicht unterstützt?«

Statt zu antworten, stand George auf und verließ den Salon. Elizabeth sah ihm ungerührt nach. Er würde sich wieder beruhigen. Sie goss sich noch eine Tasse Tee ein. Was aus einer Laune heraus entstanden war, wollte von nun an gut überlegt sein. Elizabeth dachte an ihre Freundinnen. Ob alle ihre Idee unterstützen würden?

2

Endlich nahte der Nachmittag, und Elizabeth schlüpfte ungeduldig in das bereitgelegte Ausgehkleid. Während sie ihren Haarknoten überprüfte und den Hut aufsetzte, betrachtete sie sich im Spiegel. Ihre 49 Jahre sah man ihr nicht an. Sie neigte nicht zur Fülle, ihre schlanke Figur hatte sich in dieser Hinsicht nicht, wie bei vielen Frauen ihres Alters, verändert. Mit ihrem Aussehen war sie durchaus zufrieden. Sie gestand sich jedoch ein, dass sich Unzufriedenheit und Langeweile, vor allem aber eine diffuse Mattigkeit in ihrem Leben ausgebreitet und, wie es schien, in ihrem Gesicht bereits Spuren hinterlassen hatten. Auf Drängen ihres Gatten nahm sie gesellschaftliche Verpflichtungen wahr, die ihr keine sonderliche Freude bereiteten. Dazu zählten vor allem Theaterbesuche und die Zusammenkünfte zum Lunch oder Dinner mit Familien, deren Söhne im heiratsfähigen Alter waren. Die von ihr sehr geschätzten Unternehmungen mit ihren Freundinnen beschränkten sich inzwischen auf ein allwöchentliches Beisammensein zum Tee. Zudem war Victoria und ihr nicht vorhandenes Interesse an einer Heirat seit geraumer Zeit ein Streitpunkt zwischen ihr und George. In Gedanken vertieft, schlang Elizabeth einen Schal um die Schultern, ergriff Handschuhe und Tasche und ging hinunter zur Kutsche, die bereits vor dem Haus wartete. Sie wies Baker, den Kutscher der Lanwoods, an, den längeren Weg um den Hyde Park herum zu nehmen. Das bedeutete einen Umweg, aber Elizabeth hoffte, während der Fahrt ihre Gedanken zu ordnen. Der Fahrtwind, der durch die offenen Fenster in die Kutsche drang, machte die drückende Schwüle erträglich. Elizabeths Blick glitt über die Rasenflächen und Bäume am Rande des Hyde Parks. Hier würde das große Ereignis, die erste Weltausstellung, stattfinden. Sie fühlte ein unruhiges Kribbeln, das sich in Aufregung zu verwandeln begann. Ihre Gedanken begannen hin und her zu wandern, und sie stellte erstaunt fest, dass sie bereits über Frauen nachdachte, die etwas zur Ausstellung beisteuern könnten. Frauen, die weit gereist waren und darüber geschrieben hatten. Gab es nicht auch Komponistinnen oder Malerinnen? Und eine Verwandte ihrer Freundin Josephine, war sie nicht gar Erfinderin? Elizabeth wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie die Stimme des Kutschers vernahm. Er hatte die Tür geöffnet, um ihr herauszuhelfen.

»Wie immer, Mylady?«, fragte Baker.

»Nein, heute wird es länger dauern. Holen Sie mich bitte eine Stunde später ab.«

»Sehr wohl, Lady Lanwood.«

Elizabeth stieg die breiten Stufen zum Haus ihrer Freundin Amanda Ricecroft hinauf. Seitdem Amandas zwei Töchter geheiratet und das Haus verlassen hatten, fanden die Teegesellschaften der Freundinnen zumeist in ihrem Salon statt.

»Ihr Lieben, bitte entschuldigt die Verspätung.«

»Elizabeth, wir haben dich schon vermisst«, sagte Amanda, während sie sich erhob und nach der Teekanne griff. Es war ein festes Ritual, dass bei den Zusammenkünften die Hausherrin und nicht das Hausmädchen den Tee einschenkte. „Wenn wir ungestört sind, ist auch unsere Stimmung ungezwungener“, hatte Amanda entschieden. Elizabeth fragte sich, wie Amanda wohl auf ihre Wette mit George reagieren würde. Denn so zwanglos sie beim Teeservieren auch sein mochte, bei anderen Dingen achtete Amanda auf die Etikette.

Elizabeth setzte sich und blickte in die Runde. Die Schwestern Claire und Annie Jane Deacon, beide etwas älter als ihre Tochter Victoria, schätzte Elizabeth sehr. Als vor zwei Jahren die Eltern der Schwestern kurz hintereinander verstarben, hatte Amanda sich liebevoll um Claire und Annie Jane gekümmert. Unlängst hatte auch Annie Jane, wie ihre ältere besonnenere Schwester, die Ausbildung zur Lehrerin erfolgreich abgeschlossen. Claire unterrichtete seit einem Jahr als Hauslehrerin und Annie Jane musste nun ebenfalls nach einer Anstellung Ausschau halten.

Neben den Schwestern hatte Lucielle Broswell Platz genommen. Warum Amanda die junge Frau vor einiger Zeit zu den Treffen eingeladen hatte, verstand keine der Freundinnen. Lucy passte nicht zu ihnen und hatte mit ihren Ansichten schon mehrmals für Unstimmigkeiten gesorgt. Lange würde sie ohnehin nicht mehr zu den Zusammenkünften kommen, denn ihre erste Schwangerschaft war bereits weit fortgeschritten.

Elizabeth lächelte, als sie Mathilda Denbridge anblickte. Mathilda thronte auf ihrem Stuhl und verspeiste genussvoll ein Sandwich. Sie war die älteste in der Runde, wie gewohnt in dunkelblau, der Farbe des Meeres, gekleidet, ihre weißen Haare waren in kunstvolle Locken gelegt. Elizabeth bemerkte, dass Eleanor und Josephine zu ihr hinüberblickten, als erwarteten sie eine Erklärung für ihr verspätetes Erscheinen. Die drei kannten sich seit ihrer Kindheit. Josephine Knightley war im gleichen Alter wie Elizabeth, Eleanor Wakefield ein Jahr älter. Beiden war nicht entgangen, dass Elizabeth ungewöhnlich erregt war. Elizabeth war sicher, dass Josephine und Eleanor ihr Vorhaben unterstützen würden. Eleanor vor allem aus Lust an der Provokation, und auf Josephine, mit der sie die intensivste Freundschaft verband, konnte sie sich bedingungslos verlassen.

»Meine lieben Freundinnen, ich muss euch etwas Außergewöhnliches berichten.«

Alle wandten sich ihr zu und sahen sie erwartungsvoll an. Elizabeth sammelte sich einen Augenblick.

»Ich habe mit George gewettet. Und um die Wette zu gewinnen, benötige ich eure Unterstützung.«

Elizabeth erzählte ausführlich, wie ihre Wette zu Stande gekommen war. Ihr Bericht wurde von Lachen und Ausrufen des Erstaunens begleitet. Als sie geendet hatte, setzte umgehend eine lebhafte Diskussion ein.

»Elizabeth, das ist eine phantastische Idee!«, rief Eleanor. »Wir werden wunderbare Dinge in unserem Pavillon der Frauen ausstellen.«

Elizabeth atmete erleichtert auf. Diese Reaktion von Eleanor hatte sie sich erhofft.

«Wen wollen wir fragen? Was wollen wir ausstellen?«

Eleanors Augen leuchteten vor Begeisterung und sie gestikulierte mit den Händen, ein untrügliches Zeichen ihrer Aufregung.

»Elizabeth«, sagte Amanda und stellte ihre Teetasse bedächtig auf den Tisch. »Willst du diese«, sie suchte nach einem passenden Ausdruck, »ungewöhnliche Idee wirklich in die Tat umsetzen?«

»Ja, Amanda, das will ich.«

»Aber Elizabeth, was sagt denn dein Gemahl dazu?«, fiel Lucielle ein.

»Er war nicht angetan, wie ich euch gerade berichtet habe.«

»Dann musst du Rücksicht auf deinen Gatten nehmen«, forderte Lucielle bestimmt.

»Lucielle, verdirb uns nicht den Spaß, bevor er begonnen hat«, fuhr Eleanor dazwischen.

Lucielles Wangen röteten sich, und sie sah Eleanor beleidigt an.

»Bitte, kein Streit«, wies Amanda Eleanor zurecht. »Lucielle hat durchaus Recht mit ihren Bedenken. Wenn wir dieses Vorhaben, das Elizabeth sich ausgedacht hat, durchführen, wird niemand dafür Verständnis aufbringen. In unserer Gesellschaft steht es Frauen nicht zu, sich öffentlich zu präsentieren. Diese Ausstellung wird riesiges Interesse auf sich ziehen. Es ist vermessen zu denken, dass wir daran teilhaben können.«

Bevor Eleanor etwas entgegnen konnte, wandte sich Elizabeth an Mathilda.

»Mathilda, wie ist deine Meinung?«

Mathilda hatte interessiert zugehört. »Edward hätte die Wette gefallen«, antwortete sie.

Wenn Mathildas verstorbener Gatte damit einverstanden gewesen wäre, dann würde Mathilda die Ausstellungsplanung unterstützen.

»Josephine?«

Elizabeth sah ihre engste Freundin an.

»Elizabeth, du weißt, du kannst immer auf mich zählen. Auch wenn du verrückte Dinge wie diese Ausstellungsteilnahme planst. Aber wir sollten in der Tat die Folgen, die unsere Teilnahme mit Bestimmtheit nach sich ziehen wird, nicht leichtfertig abtun.«

Jetzt stand noch die Meinung von Claire und Annie Jane aus. Die beiden Schwestern schienen sich bereits einig zu sein.

»Wir unterstützen dich«, antwortete Claire für beide.

»Wunderbar!« Eleanor hatte die Idee von Elizabeth bereits zu ihrer eigenen gemacht. »Dann lasst uns überlegen, was wir ausstellen. Wie viel Zeit bleibt für die Vorbereitungen?«

»Ich weiß nicht so recht«, meldete Lucielle sich erneut zu Wort.

»Lucielle, bitte verschone uns mit deinen Ansichten«, unterbrach Eleanor sie gereizt.

»Eleanor, lass Lucielle ausreden«, bat Elizabeth und sah die Freundin beschwörend an. Eleanor seufzte, nickte dann aber widerwillig. Alle blickten Lucielle an. Die junge Frau errötete erneut.

»Wir mischen uns in Dinge ein, von denen wir nichts verstehen. Es schickt sich nicht für Frauen, das öffentliche Interesse auf sich zu ziehen. Und was sollte es zum Ausstellen geben? Mir fällt gar nichts ein.«

Eleanor verdrehte die Augen, während Josephines Mundwinkel spöttisch zuckten. Doch Lucy ließ sich nicht aus der Fassung bringen.

»Wenn es bekannt wird, dann wird in allen Salons über uns geredet. Die närrischen Freundinnen von Lady Lanwood, die sich in Männerangelegenheiten einmischen. Wir werden belächelt oder gar verspottet werden.«

Bevor ein Tumult losbrechen konnte, sagte Elizabeth hastig: »Lucielle, ich habe nicht erwartet, dass du uns unterstützt. Ich bitte dich nur, uns nicht zu behindern und vor allem, Stillschweigen zu bewahren. Kannst du das versprechen?«

»Du meinst, ich soll nicht darüber reden?«

»Genau. Natürlich wird es sich wie ein Lauffeuer verbreiten, wenn unser Vorhaben bekannt wird. Daher sollte alles so lange wie möglich geheim bleiben. Es wird sicherlich genug engstirnige Menschen geben, die unseren Plan verhindern wollen.«

Elizabeth blickte Lucielle eindringlich an. Sie hoffte auf die Loyalität der jungen Frau. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Eleanor sich angespannt nach vorn beugte.

»Natürlich werde ich meine Freundinnen nicht verraten«, entgegnete Lucielle mit vor Empörung bebender Stimme.

»Ich danke dir, Lucille«, sagte Elizabeth erleichtert.

»Und jetzt werden wir schauen, was das Schicksal zu unserem Vorhaben meint«, meinte Eleanor und griff in ihre Handtasche.

»Eleanor, muss das sein?«

Amanda konnte die Missbilligung in ihrer Stimme nicht verbergen.

»Ja, das muss sein«, erklärte Eleanor ungerührt und zog ein kleines in ein Spitzentaschentuch eingeschlagenes Päckchen aus ihrer Tasche.

Die Schwestern kicherten, als sie sahen, dass Eleanor ein Kartenspiel auspackte. Elizabeth sah unauffällig zu Josephine, die mit unbeteiligtem Gesicht einen Schluck Tee trank. Elizabeth seufzte leise. Seitdem Eleanor sich die Wahrsagekarten zugelegt hatte, pflegte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre neu erworbenen Künste vorzuführen.

»Gleich werden wir erfahren, was Madame Lenormands Karten zu unserem Plan meinen«, sagte Eleanor begeistert und reichte Elizabeth das Spiel. »Du musst sie mischen und dann eine Karte ziehen.«

Um keine neue Diskussion aufkommen zu lassen, griff Elizabeth nach den Karten, mischte sie ein wenig und zog eine Karte aus dem Stapel, die sie Eleanor reichte. Obwohl außer Annie Jane keine der Freundinnen Eleanors Interesse teilte, sahen alle gespannt auf die Karte. Sie zeigte einen Berg, der sich aus einer grünen Ebene erhob. Eleanor wiegte nachdenklich den Kopf.

»Nun sag schon, was bedeutet die Karte?«, drängte Annie Jane.

»Der Berg steht für ein Hindernis«, antwortete Eleanor zögernd.

»Dann sollten wir auf die Karte hören und das Vorhaben auf sich beruhen lassen«, meinte Amanda umgehend.

»Seit wann gibst du denn etwas darauf, was meine Karten sagen?«, fragte Eleanor und sah Amanda verärgert an. »Berge sind keine unüberwindbaren Hindernisse, man kann hinüberklettern oder herumgehen«, fuhr sie herausfordernd fort.

Josephine begann zu lachen. »Wie gut, dass dir immer eine passende Antwort einfällt.«

»Elizabeth, zieh noch eine Karte«, forderte Eleanor unnachgiebig.

Elizabeth zog eine zweite Karte.

»Der Reiter«, rief Eleanor euphorisch und hielt die Karte triumphierend hoch. »Er bringt gute Nachrichten und bedeutet Neuanfang. Auf seinem Pferd lassen wir den Berg schnell hinter uns«, fügte sie mit einem Seitenblick auf Amanda hinzu, während sie die Karten wieder sorgfältig in das Tuch einschlug.

Um weitere Unstimmigkeiten zu verhindern, brachte Elizabeth eine neue Idee ein.

»Vielleicht sollten wir unsere Runde um eine Person erweitern.«

Sie sah zu Josephine.

»Du bist doch mit dieser Erfinderin verwandt. Was hältst du davon, sie in unseren Plan mit einzubeziehen?«

Josephine überlegte einen Augenblick und nickte.

»Eine gute Idee. Agatha ist genau die Richtige für unseren Kreis. Sie ist wahrscheinlich noch exzentrischer als du.«

»Wer ist diese Agatha?«, wollte Annie Jane wissen.

»Agatha Roquebone, eine entfernte Cousine von mir. Sie bezeichnet sich selbst als Erfinderin. Genaueres weiß ich nicht, ihr Name wird in unserer Familie nicht oft erwähnt. Zu Familienfeierlichkeiten erscheint sie seit langem nicht mehr. Ich habe sie zum letzten Mal bei der Beerdigung ihrer Mutter gesehen und das ist viele Jahre her. Sie lebt zurückgezogen auf dem Land bei Hampstead. Das Vermögen ihrer Familie erlaubt ihr, sich ganz ihrer Leidenschaft hinzugeben. Wie es aussieht, ist es höchste Zeit, die gute Agatha näher kennen zu lernen.«

»Vielleicht hat diese Agatha ja etwas erfunden, das wir ausstellen können?«, überlegte Eleanor. »Hast du noch andere Ideen, Elizabeth?«

»Ich habe an Seidenstoffe gedacht. Viel weiß ich nicht darüber, aber die chinesischen Stoffe scheinen immer noch die besten zu sein. Und Stoffherstellung hat bestimmt etwas mit weiblichem Können zu tun.«

»Da hast du Recht«, meldete Mathilda sich zu Wort, »Edward hat während seiner Zeit als Kapitän die ganze Welt umsegelt. Er hat mir von seinen Reisen nach China erzählt. Die Seidenstoffe dort gefielen ihm sehr, solche Stoffe hatte er noch nirgendwo anders gesehen. Und ihr wisst, Edward hat viele Länder dieser Erde gesehen. Ich kann mich nicht genau erinnern, aber ich meine, er hat auch von einer Frau gesprochen, die das größte Geschäft mit Seidenstoffen in Shanghai betreibt.«

Mathilda nahm einen Schluck Tee. »Sehr zum Missvergnügen anderer Händler, denn sie führte ihr Geschäft äußerst erfolgreich.«

»Wunderbar. Welche von uns reist nach China und bringt diese erlesenen Tuche her?«

Eleanor sah fragend von einer Freundin zur anderen.

Lucielle wurde blass bei der Vorstellung, so weit zu reisen. Mathilda äußerte sich bedauernd über ihr Alter und dass ihr eine solche Schiffsreise inzwischen zu lang und beschwerlich wäre. Wenn Edward noch leben würde, dann hätten sie umgehend die Segel gesetzt.

»Vielleicht müssen wir nicht selbst nach China reisen«, meinte Elizabeth. »Wie ihr wisst, gibt es auch Frauen, die gern in die Ferne reisen. Ich habe vor einiger Zeit über eine dieser unerschrockenen Frauen gelesen. Vielleicht können wir herausfinden, welche dieser Abenteurerinnen demnächst eine Reise unternimmt, und sie für unseren Plan gewinnen.«

»Elizabeth, das ist brillant«, stimmte Eleanor begeistert zu. »Natürlich können wir nicht selbst um die Welt reisen und alles einsammeln, was sich für die Ausstellung eignet.«

»Gegen eine Reise in ferne Länder hätte ich nichts einzuwenden.«

Überrascht wandten sich alle Annie Jane zu. Auch Claire sah ihre Schwester erstaunt an. Dass Annie Jane sich äußerte, ohne sich vorher mit ihrer älteren Schwester abgestimmt zu haben, war sehr ungewöhnlich.

»Ich würde gerne mehr von der Welt sehen«, fuhr Annie Jane fort. »Fort aus London, Schiffsplanken unter meinen Füßen spüren, das würde mit gefallen.«

Annie Janes Augen leuchteten und eine feine Röte überzog ihre Wangen.

»Ich habe viele Reiseberichte gelesen, auch von mutigen Frauen. Einige von ihnen reisen sogar allein. Aber ich wäre ja nicht allein.«

Bei diesen Worten sah Annie Jane ihre Schwester an. Claire stand das Erstaunen ins Gesicht geschrieben. Vom Fernweh ihrer Schwester hatte sie anscheinend nichts geahnt. Die Schwestern waren bislang einige Male an die englische Küste gereist, ihre weiteste Reise hatten sie mit Amanda nach Italien unternommen. Aber ferne Länder zu erforschen, wie es Annie Jane vorzuschweben schien, das hätte niemand von ihr gedacht.

»Wir könnten natürlich auch mit einer Gesellschaft reisen. Aber das würde bestimmt lange dauern. Wir müssen herausfinden, wer in der nächsten Zeit nach Afrika aufbricht. Und dann schließen wir uns an.«

»Nach Afrika?«, rief Claire fassungslos aus. »Was sollen wir denn in Afrika?«

Lucielle hielt sich vor Entsetzen eine Hand vor den Mund. Elizabeth fing einen amüsierten Blick von Josephine auf. Da hast du ja etwas Schönes angerichtet, teilte ihr die Freundin wortlos mit.

»Aber Claire, ich dachte, du wüsstest, was ich meine«, entgegnete Annie Jane, nun ihrerseits verblüfft darüber, dass Claire ihre Gedanken nicht erahnt hatte. »Erinnerst du dich nicht daran, was unser Cousin Walter während seines letzten Besuches erzählt hat? Er hat in der Geographischen Gesellschaft einen Vortrag über Afrika angehört und uns von einer besonderen Bauweise in Mali berichtet. Das Volk der Dogon baut dort riesige Gebäude nur aus Lehm. In einer Region des Landes sind die Frauen für den Hausbau verantwortlich. Sie stellen die Lehmziegel her, die sie mit besonderen Mustern verzieren. Die Lehmhäuser dieses Volkes scheinen mir eine Reise wert zu sein. Das passt doch hervorragend in unsere Ausstellung.«

Annie Jane blickte die Freundinnen aufgeregt an. Eleanor schien ihre Begeisterung zu teilen, sie nickte mehrmals zustimmend. Lucielle schüttelte den Kopf, sie konnte nicht fassen, was sie gerade gehört hatte.

Claire schaute ihre Schwester immer noch ungläubig an. »Wie sollen wir ein Haus aus Lehm nach England bringen?«

»Aber Claire, wir können Fotografien anfertigen. Das Fotografieren kann uns Victoria beibringen. Und ein paar Ziegel als Anschauungsstücke werden für die Ausstellung genügen.«

»Bravo, wie Edward zu sagen pflegte. Bravo und noch einmal Bravo, meine liebe Annie Jane!«

Mathildas Augen funkelten, wie immer, wenn es um eine Seereise ging.

»Ich werde herausfinden, welches Schiff in der nächsten Zeit in eure Richtung ausläuft. Wie bedauerlich, dass Edward nicht mehr unter uns weilt. Er hätte gewusst, an wen wir uns wenden müssen. Aber auch ich habe noch Kontakte, die ich nutzen kann.«

»Nun, Elizabeth, hast du das erwartet?«, meinte Josephine. »Wir werden noch alle zu Weltreisenden.«

»Ja, warum nicht«, sagte Amanda unerwartet. »Es scheint an der Zeit, dass auch ich wieder einmal London hinter mir lasse.«

»Wie wäre es mit China und einer Ladung Seidenraupen?«, entfuhr es Eleanor.

»An eine so weite Reise hatte ich nicht gedacht«, entgegnete Amanda spitz. »Aber bis zu den Glasbläsern nach Venedig werde ich wohl gelangen.«

»Ich denke, es geht um besondere Erfindungen von Frauen?«, fragte Eleanor. »Was willst du dann bei italienischen Glasbläsern, Amanda?«

»Erst einmal möchte ich wieder eine Reise unternehmen. Inwieweit ich mit den Plänen zu dieser Ausstellung übereinstimme, kann ich jetzt nicht entscheiden. Wenn ich in Venedig bin, werde ich mich nach einem besonderen Glas umschauen. Es gibt eine spezielle Rezeptur, nach der auf einer der Inseln in der Lagune Venedigs blaues Glas hergestellt wird. Ich erinnere mich, dass meine Mutter es erwähnt hat, als sie von ihrer Italienreise zurückkam. Diese besondere Rezeptur soll von einer Frau stammen, und das blaue Glas wird nur in ihrer Familie hergestellt.«

Amanda stand auf und ging zu der großen Vitrine, in der sie besondere Erinnerungsstücke aufbewahrte. Sie öffnete die Vitrine und ergriff einen Gegenstand.

»Schaut her«, forderte sie die Freundinnen auf und hielt eine Vase von einer tiefblauen Farbe in die Höhe. »Von diesem Glas habe ich gesprochen. Seht ihr, wie die Vase leuchtet?«

Die Vase ging von Hand zu Hand und wurde von allen Seiten begutachtet.

»Wirklich ein wunderschönes Stück«, meinte Josephine.

»Du willst wegen einer blauen Vase nach Italien reisen?«, fragte Lucielle und blickte Amanda entgeistert an.

»Nicht wegen der Vase, meine liebe Lucielle. Wie ich gerade gesagt habe, wird eine Luftveränderung meiner Gesundheit guttun.«

Elizabeth wechselte einen besorgten Blick mit Josephine. Warum wollte Amanda unbedingt London verlassen?

»Ich glaube, wir sollten einen Plan machen, bevor wir uns in alle Welt zerstreuen.«

Josephines praktische Äußerung brachte die Freundinnen auf den Grund des plötzlich ausgebrochenen Reisefiebers zurück.

»Was müssen wir bedenken? Reisen in ferne Länder kann gefährlich sein und viel Zeit benötigen, das sollten wir nicht unterschätzen. Wann soll diese Weltausstellung stattfinden?«, fuhr Josephine fort.

»Sie soll am 1. Mai des nächsten Jahres beginnen, also in etwa neun Monaten«, antwortete Elizabeth. »Spätestens zum April des kommenden Jahres sollten wir alle Exponate beisammenhaben. Ich kann also davon ausgehen, dass ihr mich unterstützt und wir meine Idee zusammen planen und verwirklichen?«, vergewisserte sie sich.

»Aber natürlich, Elizabeth. Du siehst doch, wie begeistert wir sind«, antwortete Eleanor.

»Wie wollt ihr dieses Unternehmen finanzieren?« fragte

Lucielle.

Nun war auch Elizabeths Geduld am Ende.

»Meine finanziellen Möglichkeiten sind ausreichend«, entgegnete sie in scharfem Tonfall.

»Und wir können uns eine größere Reise auch leisten«, meinte Claire, die sich, wie es schien, mit Afrika anzufreunden begann.

»Nicht alle sollten verreisen, hier in London gibt es sicherlich eine Menge zu arrangieren«, gab Josephine zu bedenken. »Ein Jahr geht schnell vorüber. Wir sollten nicht nur ferne Reiseziele, sondern auch naheliegende Möglichkeiten in Betracht ziehen. Sicherlich gibt es noch andere Engländerinnen außer meiner Verwandten Agatha, die wir fragen können.«

Elizabeth nickte gedankenverloren. Hoffentlich würde George sein Versprechen halten und ihr einen Platz auf der Ausstellung verschaffen. Eleanor schien ihre Gedanken zu erraten.

»Was machen wir, wenn George sein Versprechen nicht hält? Oder es nicht halten kann, weil er keine Möglichkeit hat, einen Ausstellungsplatz zu bekommen?«

»Dann bitten wir die Königin um Hilfe«, sagte Annie Jane.

Claire konnte nicht fassen, was mit ihrer schüchternen Schwester geschehen war. »Annie Jane, du erstaunst mich heute zum zweiten Mal!«

»Einmal in der Woche gemeinsam Tee zu trinken ist uns anscheinend zu langweilig geworden«, meinte Mathilda fröhlich. »Edward pflegte zu sagen, dass der Mensch Abwechslung braucht. Über diese Ausstellung habe ich bereits in der Zeitung gelesen. Und nun mache ich sogar mit.« Mathilda kicherte. »Das würde Edward gefallen.«

Lucy hüstelte und zog wiederum alle Aufmerksamkeit auf sich. »Ich selbst möchte nicht weiter in eure Pläne miteinbezogen werden. Aber mir ist gerade etwas eingefallen. Wir kennen Bilder einer Malerin, Lilly Spencer heißt sie. Sie ist in England geboren und mein Gatte Charles ist mit ihrer Familie bekannt. Jetzt lebt sie in Amerika.«

»Eine Künstlerin!«, rief Eleanor begeistert »Ein Gemälde würde viel Aufmerksamkeit erregen, besonders, wenn es groß ist. Eine ausgezeichnete Idee.«

Sie lächelte Lucielle zu. Die junge Frau erwiderte das Lächeln, und der Friede zwischen den beiden war wiederhergestellt. Amanda ließ neuen Tee bringen und die Freundinnen berieten noch eine Weile über die Ausstellung, verwarfen gar zu kühne Ideen und begannen, eine Liste mit den anstehenden Aufgaben anzufertigen. Lucielle verabschiedete sich als erste, kurz darauf brach Mathilda auf. Als auch die Schwestern gegangen waren,

kehrten Amanda, Josephine, Eleanor und Elizabeth zum Thema Weltausstellung zurück.

»Dir ist klar, Elizabeth, dass wir großes Aufsehen erregen werden. Sehr wahrscheinlich wird es sogar einen Skandal geben«, gab Eleanor zu bedenken. »Nicht, dass mein Ruf noch zu ruinieren wäre.«

»Ich befürchte eher, dass man versuchen wird, uns Steine in den Weg zu legen«, entgegnete Elizabeth.

»Wahrscheinlich werden es Felsbrocken sein«, fügte Josephine hinzu.

»Können wir Lucielle wirklich vertrauen?« Eleanor klang skeptisch. »Sie ist so«, sie suchte nach einem passenden Ausdruck, »konventionell.«

»Vergiss nicht, dass sie eine von den Frauen ist, die kein Korsett mehr tragen. Das ist wohl kaum konventionell zu nennen«, hielt Josephine dagegen.

»Aber Josy, wenn ihr Gatte Charles nicht Arzt wäre und ihr das Tragen eines Korsetts während der Schwangerschaft untersagt hätte, wäre Lucielle so zusammengeschnürt, dass sie von einer Ohnmacht in die nächste fallen würde. Wir müssten ihr das Riechsalz direkt neben die Teetasse stellen«, konterte Eleanor.

»Lasst endlich Lucielle in Frieden«, warf Amanda gereizt ein. »Bald wird ihre fortgeschrittene Schwangerschaft sie ans Haus fesseln und sie wird nicht mehr an unserer Runde teilnehmen.«

»Amanda, was ist los mit dir?«, fragte Josephine besorgt. »Deine Reisepläne hören sich eher nach Fluchtplänen an. Ist Reginald wieder auf Abwegen?«

Amanda wandte sich ab und die Freundinnen schwiegen mitfühlend. Amandas Gatte schien erneut eine Geliebte zu haben. Als Amanda sich gefasst hatte, bestätigte sie mit leiser Stimme, dass Reginald eine Affäre hatte und kaum mehr zu Hause war.

»Dann unternimm diese Reise. Der Abstand wird dir guttun«, bestärkte Josephine die Freundin.

»Wenn du nur nicht so an Reginald hängen würdest«, meinte Eleanor.

Bevor sie Amanda mit weiteren Ratschlägen versorgen konnte, meldete das Hausmädchen, dass Elizabeths Kutsche vorgefahren war. Wie gewohnt brachen Josephine und Eleanor mit Elizabeth auf. Zuerst wurde Josephine zu ihrem Haus im Stadtteil Belgravia gebracht.

»Wann wirst du mit Agatha Kontakt aufnehmen?«, fragte Elizabeth, als Josephine ausstieg.

»Ich glaube, wir sollten sie umgehend aufsuchen. Wann passt es dir?«

»Wie wäre es gleich mit morgen? Ich hole dich am späten Vormittag ab.«

Ein paar Straßen weiter hielt die Kutsche erneut, und Eleanor stieg aus.

»Elizabeth, Elizabeth. Du machst mir Konkurrenz um den schlechtesten Ruf in der Londoner Gesellschaft«, scherzte sie zum Abschied. »Aber wir werden eine Menge Spaß mit dieser Ausstellung haben.«

3

George Lanwood strich sich über seinen Backenbart. Der Abend im Club wollte ihm keine rechte Freude bereiten. Wenn bekannt würde, dass seine Gemahlin sich an der Weltausstellung beteiligen wollte, wäre er der Lächerlichkeit preisgegeben. Doch Elizabeth schien es ernst zu sein mit dem, was sie gesagt hatte. Und das bedeutete, dass sie diese Idee nicht vergessen würde. George seufzte. Natürlich war die Ausstellung Hauptgesprächsthema im Club, an jedem Tisch, an der Bar, sogar in der Bibliothek wurde nur über die Weltausstellung gesprochen.

»George, was sagst du?«, fragte Simon Herridge und stellte sich neben ihn. »Diese Ausstellung entspricht doch genau deinen Interessen?«

George antwortete nicht, sondern starrte in sein Glas. Simon war nicht die Gesellschaft, die er sich wünschte.

»Verstell dich nicht, alter Junge. Diese Weltausstellung, das ist eine ungeheuerliche Sache. Was meinst du, wie viel technische Spielereien du dort bestaunen kannst. Es wird von neuen Erfindungen wimmeln. Wir müssen aufpassen, dass uns die Franzosen nicht aus dem Feld schlagen.«

George lächelte gequält. Die Weltausstellung. Wie hatte er sich darauf gefreut. Und jetzt? Elizabeth hatte ihm mit ihrer absurden Idee gründlich den Spaß verdorben.

»George, schön, dich zu sehen.«

Sir Michael Goddard kam auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. George erwiderte Michaels herzlichen Händedruck.

»Ich habe eine Überraschung für dich, George«, sagte Michael und schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Ich werde dich in eines der Komitees für die Weltausstellung holen. Nun, was sagst du?«

George entgegnete nichts. Er sah Michael an und versuchte ein begeistertes Gesicht zu machen.

»Das verschlägt ihm die Sprache.« Simon sog an seiner Pfeife und blies amüsiert den Rauch in die Luft.

»Michael, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist wunderbar«, presste George hervor. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Würde es ihm gelingen, Elizabeth diese Neuigkeit zu verheimlichen? Als Mitglied eines Komitees wäre es ihm unmöglich, den Plan seiner Gemahlin zu unterstützen. George verwünschte Elizabeth, die ihn in diese Zwickmühle gebracht hatte.

»Darauf müssen wir trinken.« George winkte dem Barkeeper. Er musste Elizabeth von ihrer Idee abbringen. Nach dem dritten Whiskey dachte George nicht mehr an seine Gattin. Lautstark erörterte er mit den anderen einen Entwurf für das Gebäude, das die Weltausstellung beherbergen sollte.

»Und welche Rolle hast du mir zugedacht?«, wollte George beim Abschied von Michael wissen.

»Das fragst du noch, George? Bei deinem technischen Verstand kommst du natürlich mit in die nationale Auswahlkommission. Wir wollen doch viele Medaillen gewinnen, nicht wahr?«

4

Ein paar Tage später war Elizabeth in einen Zeitungsartikel zur Weltausstellung vertieft als Victoria in den Salon stürmte.

»Mutter, weißt du warum Vater meine Fotoplatten noch nicht zum Entwickeln gegeben hat? Ich habe mich schon so gefreut, die fertigen Bilder anzuschauen. Und neue Platten hat er mir auch nicht mitgebracht.«