langer transit - Maja Haderlap - E-Book

langer transit E-Book

Maja Haderlap

4,8

Beschreibung

Maja Haderlaps Gedichte haben etwas zu erzählen. Sie sprechen mit faszinierender Eindringlichkeit von Fremdsein und Nachhausekommen, von weiten Landschaften und engen Behausungen, von Menschen, die unterwegs sind: auf der Suche nach dem, was ihr Leben ausmachen könnte. Das kann der Andere sein, der Nächste, die Gemeinschaft, das kann die Einsamkeit oder das Gedicht selbst sein, für das eine Sprache gefunden werden muss. Tiefe Emotionalität stellt sich her, gerade weil sie nicht beschworen wird.

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Maja Haderlaplanger transit

Maja Haderlaplanger transit

Gedichte

beinah nach hause

piran

im nachbarhaus ist ein kommen und gehen,

mich aber hält der spindelbaum von den blicken fern.

durch den verwachsenen garten führen nur

pfade für katzen, kröten und schnecken.

laut schüttelt das meer den gestanksmantel ab.

auf meinem schreibtisch üben

erdachte personen den fehlenden dialog.

ich sitze da wie am grund einer alten verstörung,

presse luft in die gedächtniszellen,

um sie lebendig zu halten, gehe abends

über die piazza tartini und komme

morgens mit frischen melonen vom markt.

zweimal die woche schaut frida vorbei.

warum heiraten sie nicht, ruft sie aus den sträuchern,

immer noch besser, als einsam zu sein.

heute wird eine kröte die warzen verlieren,

weil ich sie küsse, sage ich.

da möcht’ ich trauzeugin sein, liebe dichterin.

wieder fällt eine tür ins schloss.

trieste trst triest

haben die möwen deinen fluchtpunkt erkannt,

stadt aus papier, von worten gebannte stadt,

der man aus allen himmelsrichtungen zurief,

wann sie sich um welchen namen zu scharen

habe. stadt, die hinter den vorgeschobenen

palazzi nach rückwärts zieht. immer sahen

deine herrschaftshäuser aus wie kasernen,

führten soldatenfriedhöfe und kriegerdenkmäler

über die dörfer zu dir. schnürte die grenze

deinen stählernen kragen. kamen deine befreier

im sturm, lud man im hafen versunkenes ab

wie gelöschtes. derb schlägt das meer gegen

die mole, fällt dir die bora ins steife gebälk.

in den gassen tummeln sich dichter in bronze

gegossen, schweigend, da sie dich sahen,

als du noch dachtest, mehr zu sein als die

stirnfront deiner nationen. in deiner bucht

traf meine sprache aufs gleißende meer,

fiel aus dem kinderbett an die küste, war

noch zu hause, blieb nicht mehr allein.

hier probte ich das küssen mit blick auf

die adria, meine hände frierend in einen

männermantel vergraben. zwischen den zähnen

die zunge und sonstwo. die möwen im aufwind.

komen

unser tag begann mit verspätung.

er hat den morgen verschlafen,

trottete hinter uns her. wir blieben

auf einer steinbank sitzen, wo alle

paare erstarren. ein campanile

rief jene vögel zurück, die getürmt

waren. eine eibenwand schob sich

ins bild, und der zierteich stieg uns

zum hals. du erklärtest mir alle fische,

die uns umkreisten. der da macht

eine fliege, sagtest du, lebt nicht

mehr lange. über den wölkchen

hielt sich endlos ein flugzeug.

die hecke trug wieder früchte.

ein weißer pudel lief uns noch zu.

er nimmt sich zu wichtig, sagtest du.

jahrelang sitzt eine nachtigall auf

diesem vers und wir beide davor,

an unserem tag.

karstweide bei col

als die pfiffe der hirten durch die luft

schnitten, einem gellen gleich, dass es

klang, als kämen sie aus dem vorletzten

jahrhundert, als eilten sie noch den schnalzenden

peitschen davon, hat das wuchernde gras

die weide bezwungen. die trockenmauern

hielten ihre ins rutschen geratenen schichtungen

fest, breiteten ihre schützenden steine über

den hummeln, wespen und eidechsen aus,

zerrten die knorrigen eichen, die sperrigen

berberitzensträucher am steinband.

(der wilde salbei rückte gleich näher

an den wacholderbuschwärter heran.)

ein wiesenwirbel entstand, in dessen

tosendem auge alles versank, die rufe

der hirten, die namen der bauern,

die schafhügel und ziegenställe,

die eingefriedeten wärmeinseln,

in denen die bora sich legte, zahm

züngelte. mit knall und fall hob

der augenblick an, stieß mich in den

graskatarakt, warf sich mir in den weg.

lagune bei grado

weiß nicht, ob ich es gewesen bin,

mit der du in die lagune gingst. war

ich meine mutter, meine schwester,

eine andere verwandte, die du in

den arm genommen hast, obgleich

du dein vater, dein sohn, deine frau

gewesen bist, als ich dich umfing.

hinter meinem rücken wirkten

die berge aus schaum aufgetürmt.

sie sickerten träge ins meer. hier

setzten die inseln im schlick auf,

legte die strömung alte wege frei,

die sie alsbald verwischte. das brackige

licht roch nach tümpeln und meergras.

wir gingen dammeinwärts und holten

die wellen ein, die uns vorausgeeilt

waren zu den mosaiken von aquileia.

ich sah dich mit ungleichen augen an,

das bin ich und bin ich nicht.

zwischenland, ungetrennt.

heuhütten in laze

bin jäh in den hinterhof der zeit getreten,

in den zeitspalt, der teilnahmslos starrte.

vor mir, unter dem eschengestrüpp standen

die scheunen, heimgesucht von der altersflechte,

verfall. als ob jahr für jahr sekundenbeben

die schober erschütterten, gaben sie nach,

hielten nichts mehr auf sich. als aussätzige

wurden sie dereinst hinter die hügelkuppe

verbannt, wo es nichts zu bestellen gab,

keinen garten, kein feld, wo der menschen-

und tierverschlag niemandem im weg stand

und seine bewohner einschloss in die enge,