Le Dressage de Haute École, Band 2 - Hendrik Blomberg - E-Book

Le Dressage de Haute École, Band 2 E-Book

Hendrik Blomberg

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Beschreibung

Anna und Claire machen sich in einer schnellen Kutsche auf die lange Reise nach Frankreich. Unterwegs werden sie von einem Unwetter überrascht und suchen Schutz in einem Kloster. Äbtissin Charlotte nimmt die beiden und deren Kutscher auf und gewährt ihnen ein trockenes Lager und die Möglichkeit, ihre Kusche zu reparieren. Durch die anhaltenden Regenfälle sind sie gezwungen, eine weitere Nacht im Kloster zu verbringen. Claire und Charlotte freunden sich miteinander an und sie finden in dem Gegenüber einen gleich gesinnten Menschen, der seine Mädchen streng erzieht. Äbtissin Charlotte bildet Luststuten für die Hohen Herren der Geistlichkeit aus und Claire versorgt den Adel mit gehorsamen, wunderschönen Luststuten. Sie haben wundervolle, erotische Diskussionen über die Erziehung, die die Autoren bildha beschreiben. Lassen Sie sich überraschen, erotischer und sinnlicher lässt sich die Flaggelation und die anschließende Penetration nicht beschreiben.

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Amelie und Hendrik Blomberg

Le Dressage

de

Haute École

*

Im Boudoir der Äbtissin

Band 2

Schweitzerhaus Verlag

Schrift * Wort * Ton

Karin Schweitzer

Frangenberg 21 * 51789 Lindlar * Telefon 02266 47 98 211

eMail: [email protected]

Copyright: Schweitzerhaus Verlag, Lindlar

Satzlayout und Umschlaggestaltung: Karin Schweitzer, Lindlar

Foto: ClipDealer

Besuchen Sie uns im Internet: www.schweitzerhaus.de

Auflage 2019

ISBN: 978-3-86332-059-1

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Microverfilmung und die Einspielung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Übersetzung aus dem Pivatdruck der Comtesse

Dececile von 1781 mit dem Titel:

Philosophie au Boudoire de Abbesse

Inhalt

Vorwort

Reise nach Frankreich

Ein Abend im Kloster

Der Tag im Kloster

Zieht euch zurück, ihr eifernden Zensoren;

Schließt, Frömmler, Moralisten, Narren eure Ohren;

Nicht sollt ihr eifernden Megären mit uns rechten;

Hinweg mit euch, ihr Stolzen, Selbstgerechten;

Denn dieser Blätter süße Heimlichkeit;

Ist nie und nimmer euch geweiht.

Honoré Gabriel Riquetti, Marquis de Mirabeau,

in »Le Rideâu levé, Der gelüftete Vorhang«, 1786.

Es gibt kein Argument für die Unterdrückung der obszönen Literatur, das nicht in unvermeidlicher Folge zur Rechtfertigung aller anderen Beschränkungen, die der Freiheit des Geistes auferlegt wurden, dienen würde oder bereits gedient hätte.

David Herbert Lawrence (1885 - 1930), englischer Erzähler

Vorwort

Alle in diesem Roman erwähnten Biographien von Mätressen und Konkubinen der damals herrschenden Könige, Bischöfen und Kardinälen, sowie die Altersangaben, sind historisch belegt. Die Genusskultur des Rokokos, die Libertinage, die mit ihrem Sensualismus zwischen barocker Repräsentation und romantischer Gefühlsseligkeit steht (Hauser 1953/1975, S. 543), ist es, die die aristokratische Rokokogesellschaft als Verfechter eines durch und durch dekadenten Lebensstils erscheinen lässt. »Wer nicht vor 1789 gelebt hat, kennt die Süßigkeit des Lebens nicht«, sagte der französische Staatsmann und Diplomat Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754-1838).

Zu einem wesentlichen Bestandteil der ausgelebten Libertinage im Ancien régime wurde die Flagellation, die Züchtigung, die letztlich ausschließlich sexuelle Bedeutung bekam. Die damals erschienenen Bücher, Histoire de Dom B, 1741 von Jean-Charles Gervaise de Latouche und Thérèse philosophe, 1748 vom Marquis d'Argens, gelten als die bedeutendsten libertinen Werke des 18. Jahrhunderts und dank ihrer expliziten Beschreibungen sexueller Akte mit Züchtigungen waren sie die in den Boudoirs der damaligen Zeit meist diskutierten und nachempfundenen Geschichten.

Amelie Blomberg

Reise nach Frankreich

Anna schaute aus dem Fenster der Kutsche und blickte zurück auf das Schloss.

Sie sah noch die winkende Gräfin Isabelle auf den Stufen der großen Treppe vor dem Eingang stehen, bevor die Wegbiegung begann und das Schloss durch den dichten Birken- und Kiefernwald verdeckt wurde.

Trotzdem schaute sie weiter nach hinten hinaus. Es war ganz sicher ein Abschied für immer, kam es ihr in den Sinn.

Werde ich jemals wieder hierherkommen? Dabei dachte sie weniger an ihr Zuhause im hohen Norden, aus dem sie vor einem Monat von der Gräfin abgeholt worden war. Sie dachte auch nicht mehr an die Zeit, bevor sie in das Schloss gekommen war. Zu schlimm hatte sie es in Erinnerung, überall dieser Schmutz, die niedrigen Lehmhütten, immer zu wenig zu essen und tagein, tagaus die schwere Arbeit.

Im Schloss war sie willkommen geheißen worden. Alle waren freundlich gewesen, auch die Mamsell, die ihr soviel Gutes getan hatte. Sie hatte wunderschöne Kleider von der Gräfin bekommen. Kleider, von denen sie früher noch nicht einmal träumen konnte. Sie hatte vor Freude getanzt in den Kleidern. Morgens, mittags und abends hatte sie zu essen bekommen. Speisen, wie sie sie vorher nicht gekannt hatte, auf edlem Geschirr, mit Besteck, Fleisch vom Wild, vom Rind und von den Schafen. Reitunterricht hatte sie von einer Reitlehrerin bekommen und die Gräfin persönlich gab ihr Französischunterricht.

Anna schaute verträumt auf die vorbeiziehenden Bäume und Wiesen. Was wird auf dieser Reise passieren? Hatte sie nicht gehört, dass es gefährlich war, zu reisen? Und jetzt auch noch eine solche Weltreise. Durch fremde Länder, Grafschaften und Herzogtümer. Aber hatte sie nicht auch davon geträumt, nach Frankreich zu kommen? Dieses Land, das so wunderschön sein soll, so viele herrliche Schlösser besitzt und Gärten mit unzähligen Rosen? Würde sie wirklich mit edlen Herren und Damen der hohen Gesellschaft zusammentreffen? Edle Roben tragen dürfen? Zur Teilnahme an eleganten Banketts eingeladen, vornehm dinieren und vielleicht auch zum Tanz aufgefordert werden? Hunderte Träume schwirrten in ihrem Kopf herum - und sie fühle sich, bei allem Unwissens über die Zukunft, glücklich.

Im Schloss des Grafen war es ihr schon gut gegangen. Würde es in Frankreich bei der Schwester der Gräfin, der Marquise, auch so sein? Sie soll in einem großen Chateau leben, mit einem Marquis. Vielleicht ein Chateau mit vielen schönen Zimmern? Im Schloss, bei der Gräfin hatte sie ein eigenes Zimmer, keine kalte Kammer. Mit einem warmen Bett und edlen Leintüchern. Würde sie in Frankreich auch ein eigenes Zimmer bekommen?

Sie dachte auch daran, dass sie im Schloss meistens im Bett des Grafen schlafen musste, dass er sie in der ersten Nacht entjungfert und zur Frau gemacht hatte. Dass er sie danach fast jeden Tag beschlafen hatte, manchmal sogar mehrmals am Tage. Dass die Gräfin ihr nach wenigen Tagen eröffnete, dass sie, aufgrund ihrer Schönheit und ihres gezeigten Gehorsams, dazu auserwählt sei, zu einer Luststute erzogen zu werden. Einer Luststute, die dem hohen Herrn zur Befriedigung seiner Lust dienen muss.

Was war sie geschockt, als sie das erste Mal dieses Wort gehört und nach und nach die wahre Bedeutung erkannt hatte!

Aber sie dachte auch daran, dass sie viele schöne Geschichten von der Mamsell und auch von der Gräfin gehört hatte. Geschichten, dass es in Frankreich eine hohe Kultur gab, dass edle Damen die schönsten jungen Mädchen zu Luststuten erziehen und diese dann Mätressen von adligen Herren oder sogar Königen werden können. Dass diese Luststuten in teuren Roben und wertvollem Schmuck an Soirée's der hohen adligen Gesellschaft teilnehmen.

Anna ertappte sich dabei, dass sie immer wieder an die herrlichen Kleider denken musste und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht.

Die Comtesse schaute zu Anna: »Anna? Vous sentez-vous bien? Fühlst du dich wohl?«

»Oui, Madame.«

»Comment vas-tu?«

»Je vais bien, Madame, sehr gut.«

»Anna, wir beide werden ab sofort nur noch französisch sprechen. Dann lernst du es in den zwei Wochen unserer Reise auch sehr schnell. Ich werde langsam sprechen und dir neue Worte erklären. Wenn du Fragen oder etwas nicht verstanden hast, dann darfst du sagen, Madame, je ne comprends pas.«

»Oui, Madame, ich habe verstanden. Ich freue mich auf diese Reise. Es ist eine sehr schöne Kutsche.«

»Ja, es wird dennoch sehr anstrengend werden. Aber dies ist keine normale Kutsche. Es ist eine ganz besondere Berline. So nennt man sie. Diese Berline ist eine sehr leichte viersitzige und an beiden Achsen gefederte Kutsche mit diesen zwei vis-à-vis und parallel angeordneten Sitzbänken. Das Verdeck ist in der Mitte geteilt und klappbar. Sie eignet sich besonders für längere Trabstrecken, denn dann kommen wir schneller vorwärts. Wir werden auch nur Königsstraßen, Reichsstraßen und Heerstraßen benutzen. Ja, Anna, deshalb habe ich auch so wenig Gepäck mit mir. Nur diese kleine Kiste, hinten auf dem Gepäckhalter, sie ist aus extra dünnen Holz, damit sie leicht ist. Na ja, und du hast ja nur das, was du anhast. Aber das ist gut so. Bei mir wirst du viele schöne Kleider bekommen.«

»Oh, wirklich? Madame? Schöne Kleider mag ich.«

»Ja, die wirst du bekommen. Ich will schön gekleidete Mädchen um mich herum haben. Du willst doch gerne schön und begehrenswert werden, nicht wahr?«

Anna schlug die Augen nieder. Die Comtesse lachte.

»Ach, meine Kleine. Du brauchst dich nicht zu schämen. Du hast es mir gesagt, dass du eine Luststute werden willst, nicht wahr?«

»Ja, Madame«, kam es zaghaft von Anna.

»Siehst du. Du willst es. Das macht deine Erziehung viel einfacher. Es ist nichts Ehrenrühriges, eine Luststute zu sein. Ganz im Gegenteil. Junge schöne Damen sind in Frankreich bei der hohen Gesellschaft als Luststuten anerkannt und sehr begehrt. Du bist eine kostbare Schönheit. Ich werde dich behutsam zu einer Stute der Lust, einer Jument de luxure, zu einer Dame de élégante horniness, einer Dame von eleganter Geilheit, zu einem kleinen geilen Mädchen erziehen. Une petite fille excitée, wie die hohen Herren sagen werden.

Solche Mätressen werden umworben, in die Oper ausgeführt, zu Bällen und Soirées mitgenommen. Dazu bekommen sie die feinsten Kleider, Schminken und Rosen- und Lavendel Düfte.«

»Rosen- und Lavendel Düfte?«

Die Comtesse lachte: »Ich habe eine ganze Collection de Parfüms.«

»Parfüm?«

»Ja. So nennt man diese Duftwasser. Lavendel, Jasmin und Rosen Duftwasser. Auch von Orangenblüten und Mimosen, sie beleben die Sinne durch frische Aromen. Ich habe Parfümflaschen von der Galimard Parfum-Manufaktur aus der Ortschaft Grasse, in der Provence. Das ist im Süden von Frankreich. Jean de Galimard beliefert auch den Hof unseres Königs, Louis XV. Auch seine Mätressen sollen hunderte von Parfümflaschen von ihm haben. Wenn wir zu Hause sind, dann wirst du welche bekommen.«

»Ich werde welche bekommen? Danke, Madame.«

»Natürlich, meine Kleine. Ich werde es dir genau erklären, welche Düfte man nimmt und an welche Stellen des Körpers du sie benutzen sollst. Das musst du richtig lernen. Die Kenntnisse über Düfte und Parfüm sind sehr wichtig.«

Für Anna tat sich eine vollkommen neue Welt auf. Nicht nur schöne Kleider, sondern auch wohlriechende Parfüms würd sie bekommen. Sie konnte es kaum glauben. Frankreich schien für sie wie ein Paradies zu sein - wenn da nicht die Gedanken an die strenge Erziehung wären.

Anna räusperte sich: »Madame? Darf ich etwas fragen?«

»Selbstverständlich, Anna. Wenn wir beide allein sind, darfst du mich immer sofort ansprechen und Fragen stellen. Was liegt dir denn auf dem Herzen?«

»Werde ich streng erzogen werden?«

Die Comtesse ergriff Anna's Hand und streichelte sie einen Moment.

»Ja, Anna!“

Sie schaute Anna in die Augen, streckte ihre Hand aus und fuhr zärtlich über Anna's Wange. Anna's Augen wurden wässrig und ein Tränchen löste sich.

Die Comtesse nahm ein Taschentuch aus ihrer Jackentasche und trocknete Anna's Wange.

»Meine Kleine, sei unbesorgt. Es muss, wie soll ich sagen, in dir die Erkenntnis reifen, dass dies für die Entwicklung deiner wahren Bestimmung notwendig ist und du dich diesem Bewusstsein zu unterwerfen hast. Du wirst aber auch erkennen, dass die Reitgerte dir Lustgefühle erzeugt, wie du sie bisher noch nicht erahnen kannst. Du wirst von mir zu einer Luststute erzogen werden, die sich gehorsam den Freuden der Lust hingeben wird und selbst dabei den höchsten Grad der Wollust empfinden darf. Dazu wirst du mit der Reitgerte erzogen, denn ohne sie, sind diese hohen Freuden des Liebesspiels nicht zu erreichen. Sie erst macht dich zu einer reizvollen und verführerischen Luststute. Du bist eine wirkliche Schönheit. Nun ja, du wirst sehen. Du hast die Veranlagung eine sehr devote Stute zu werden.«

Erstaunt sah Anna, wie die Comtesse mit ihrer Hand Annas Rock anhob, ihre Hand auf die Innenseite ihres nackten Schenkels legte und langsam empor fuhr zu ihrem Kätzchen. Zärtlich suchte der Finger den Kitzler und begann ihn zu streicheln.

Ein plötzliches Gefühl der Lust durchfuhr Anna's Körper und sie bemerkte, dass sie feucht wurde.

»Brav, Anna!«, flüsterte die Comtesse, »Du wirst mal eine sehr sinnliche Frau werden. Ich fühle dein Verlangen, dein Kätzchen ist schon ganz nass. Durch meine führende Hand wirst du in die Geheimnisse deines Körpers eingeweiht werden, die jetzt noch im Dunklen vor dir liegen. Du wirst von mir von allen Schuldgefühlen befreit, die dich hindern, das Verlangen auszuleben, das in dir ist und welches ich in deinen Augen gelesen habe. Du wirst dich mir gehorsam und bedingungslos hingeben, mit dem Bewusstsein, dass du mir gehörst. Du wirst mir gehorchen und ich werde dich mit strenger Hand dahin führen, wo du die wundersame Welt der Lust erleben kannst.«

Abrupt zog sie ihre Hand zurück und zog Anna's Rock wieder herunter.

»Aber dieses Spiel verwahren wir uns für die Abende«, sagte sie und küsste Anna.

Nach einiger Zeit sprach die Comtesse: »Anna, äußerst wichtig ist es, dass du das richtige sittsame Benehmen einer Luststute erlernst. Wie man sich in Gesellschaft bewegt und wie man einem hohen Herrn gegenübertritt. Plumpheit, ungebührliches Benehmen und die falschen Worte zur falschen Zeit zerstören die Aussicht auf eine erfüllte Zukunft. Eine Mätresse der Lust muss sowohl den außergewöhnlichen Ansprüchen der hohen Herrn genügen, als auch von der adligen Gesellschaft als exquisite Persönlichkeit der Galanterie und der Libertinage angesehen werden. Dies geht nur einher mit Stil, Eleganz, Sittlichkeit und Tugend - und dies wird deine Erziehung sein.

Wir können damit mal anfangen.

Wenn du gegenüber anderen sagen musst, wie ich heiße, dann sagst du, Das ist Madame Claire, Comtesse de Vermandois. Je nach Art der Gesellschaft kannst du auch hinzufügen la Maitresse de Marquis d'Aurilac. Wenn du mich ansprichst, sagst du immer Madame Claire, oder, wenn wir allein sind Madame.

Unser Haus ist das Chateau d'Aurilac und unser hoher Herr heißt Monseigneur Charles Louis, Marquis d'Aurilac. Merk dir das. In Gesellschaft darfst du ihn schlicht mit Monsieur Charles, ansprechen. Im Hause bei uns wirst du immer, wenn er etwas zu dir sagt oder dir aufträgt zu tun, antworten: Oui, mon Maître. Hast du gehört, Anna? Immer. Immer ein Oui. Niemals ein Non. Das Non wird nicht aus deinem Mund kommen. Er ist dein Maître. Ihm gehörst du genauso wie mir.

Wenn wir Gäste empfangen ist das Begrüßungszeremoniell sehr wichtig. Die formvollendete Begrüßung ist der erste Beweis für die Fähigkeit, sich mit Leichtigkeit auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bewegen. Respekt ist dabei die Grundlage sittlichen Benehmens. Nur wenn eine Dame dir die Hand reicht, darfst du sie entgegennehmen und kurz und nur angedeutet schütteln. Dazu verbeugst du dich ein wenig mit aufrechten Oberkörper und machst einen Knicks. Das werden wir noch üben. Sind hohe Herrn unsere Gäste und du wirst ihnen vorgestellt, dann nimmst auch du eine entgegen gestreckte Hand an, machst artig einen Knicks und verbeugst dich tief. Da du zu solchen Empfängen immer ein Kleid mit tiefen Dekolleté tragen wirst, ermöglichst du so den hohen Herrn einen Blick auf deinen Busen zu werfen.

An einen gedeckten Tisch setzt du dich erst, wenn man dir einen Platz angewiesen hat. Gute Tischmanieren sollen den gemeinsamen Verzehr von Speisen für alle Gäste des Mahls zu einem Vergnügen machen, das nicht durch störende Geräusche oder unschöne Anblicke beeinträchtigt werden darf. Das Schmatzen, Rülpsen und Schlürfen ist verpönt. Dass mit vollem Mund nicht gesprochen wird, ist selbstverständlich. Es empfiehlt sich daher, dass du keine allzu großen Portionen in den Mund stopfst, um auf eine Frage ohne Verzögerung antworten zu können. Deine Körperhaltung sollte aufrecht und gerade sein, und die Speisen werden zum Mund und nicht der Mund zum Teller geführt. Das Besteck wird nicht umkrallt wie eine schwere Schaufel, sondern am unteren Ende des Griffes umfasst. Geräusche, die bei der Berührung von Messer und Gabel mit Porzellan entstehen könnten, solltest du vermeiden. Beim Essen benutzen wir Servietten. Das ist ein Mundtuch, kein Taschentuch, es wird also nur benutzt, um die Lippen abzutupfen, bevor man zum Weinglas greift, um an dessen Rand keine Fett- oder Essensreste zu hinterlassen. Die Weingläser werden am Stiel angefasst, weil man auf die Sitte des Anstoßens nicht verzichten will und sich so ein angenehmer Klang ergibt. Mit dem Essen darf erst begonnen werden, wenn der hohe Herr selbst damit begonnen hat, und dies erst, wenn alle Gäste versorgt sind. Das Essen ist beendet, wenn der hohe Herr seine Serviette links neben den Teller legt und sich erhebt. Nach einem Dinée wartest du ab, welche Aufgabe du bekommst und hältst dich solange schweigend zurück. Überhaupt antwortest du nur, wenn du gefragt wirst. Du wirst niemals selbst das Wort ergreifen. Das ist eine der wichtigen Tugenden einer Luststute. Erst recht, wenn du bei einer galanten Soirée dabei sein darfst und teilweise entblößt oder gar nackt vor die Gäste trittst. Dann wirst du die Tugendhaftigkeit deines Gehorsams ausdrücken, indem du allen Anweisungen mit der notwendigen Zurückhaltung fügsam Folge leistest. Das werde ich dir sehr detailliert und umfassend beibringen. Nur in demutsvoller und ehrfürchtiger Hingabe zeigt sich die hohe Eleganz einer Luststute.«

Die Kutsche hielt an und Anna und die Comtesse schauten aus dem Fenster.

»Ein See«, rief Anna aufgeregt, als sie und die Comtesse ausstiegen.

Einer der beiden Kutscher kam und sagte: »Madame. Wir machen eine Pause. Die Pferde brauchen etwas Wasser. Hier ist es gerade sehr günstig.«

»Das ist sehr gut, Alfonse. Machen wir eine Pause. Anna, komm mit mir, wir gehen ein paar Schritte in den Wald.«

Anna folgte der Comtesse in den Wald. Als die Kutsche nicht mehr zu sehen war, sagte die Comtesse, »Hier können wir uns auch erleichtern. Geh hinter einem Baum. Ich werde es auch tun.«

Als sie beide wieder zusammenkamen, sprach die Comtesse: »Anna, lass uns zurückgehen. Die Pferde werden genügend getränkt worden sein. Wir wollen unser heutiges Ziel erreichen.«

Auf dem Weg zurück nahm die Comtesse Anna in die Arme und küsste sie: »Ich freue mich, dass ich dich mitnehmen konnte, Anna. Du gehörst jetzt mir.«

Anna war sich der Bedeutung dieses letzten Satzes der Comtesse bewusst. Sie gehört ihr, aber sie wollte es ja auch. Erst vor zwei Tagen war sie von der Gräfin Isabelle deren Schwester Claire vorgestellt worden. Anna fand die Comtesse nicht unsympathisch, ganz im Gegenteil, sie besaß eine erfrischende offene Art und konnte herzhaft lachen. Auch wenn die Comtesse gestern mit ihr genauso streng umgegangen war, wie die Gräfin, so hatte sie doch deren zarte Hand und die noch zärtlicheren Finger fühlen und genießen dürfen. Anna bekam bei diesem Gedanken heiße Wangen.

Die Comtesse nahm Anna an die Hand: »Ist das nicht ein herrlicher Tag? Blauer Himmel und so warm. Isabelle hat mir gesagt, dass nach den Bauernregeln ein lang anhaltender trockener Spätsommer zu erwarten ist. Hoffentlich ist uns Petrus hold.«

Die Kutscher kamen gerade zurück mit einem Eimer frischen Wassers aus einem naheliegenden Bach, der in den See mündete. In Bechern schenkten sie für die Comtesse und Anna ein und reichten es ihnen.

»Madame, wenn es recht ist, fahren wir weiter. So einen schönen Tag sollten wir nutzen und vielleicht eine weitere Herberge ansteuern. Sie soll nach unserer Karte eine Stunde hinter der geplanten liegen und soll sehr gut sein.«

»Ja, Alfonse. Machen Sie nur. Mir ist alles recht, was uns schnell nach Hause bringt.«

Während sie ihr Wasser trank, musterte Anna die beiden Kutscher. Sie hatte sich schon bei der Vorfahrt der Kutsche zum Schloss gewundert, dass es nicht zwei alte gebrechliche Kutscher waren, wie sie es sonst so oft gesehen hatte. Dies waren zwei baumlange, kräftige junge gesunde Männer, die eine vertrauenswürdige Ausstrahlung besaßen.

Schnell war die Pause vorbei und es ging weiter durch die endlose Wald- und Seenlandschaft Ostpreußens.

Kurz nach Sonnenuntergang erreichten sie die Herberge bei Sensburg. Ein großes Gehöft, das einen guten Eindruck machte. Die Comtesse hatte sich schnell mit dem Wirt über zwei Zimmer, Futter und Unterstellung für die Pferde und Kutsche einigen können. Während Alfonse und Jean-Claude die Pferde versorgten, betraten die Comtesse und Anna den Gastraum der Herberge.

Anna musste sich an das dunkle Licht gewöhnen, das nur von wenigen Kerzen stammte. Die Gaststätte war nur spärlich besucht. Die Comtesse und Anna nahmen an einen freien Tisch Platz und die Comtesse bestellte Wasser und Wein.

»Was kann man bei euch essen?«, fragte sie den Wirt.

»Heute haben wir Lammragout mit Lauch und Möhren.«

»Gut«, sagte die Comtesse, Viermal bitte. Auch für die beiden Kutscher, die gleich kommen werden.«

Von den hinteren Tischen stand ein schmächtiger bärtiger Mann auf und kam schwankend zum Tisch. »Ei, wen haben wir denn hier als hohen Gast? Zwei edle junge Damen. Ach, wie schön.«

Von hinten schrie der Wirt: »Böttcher, sei ruhig, setz wieder hin oder geh nach Hause. Du bist betrunken.«

Aber der Mann kam näher zu Anna und strich ihr mit der Hand über das Haar.

Die Comtesse schrie jetzt laut: »Verschwinden Sie! Lassen Sie das!«

Anna versuchte sich zu ducken und im Augenwinkel erkannte sie, dass Alfonse und Jean-Claude eintraten. Im Bruchteil eines Augenblickes war Alfonse bei dem Mann, ergriff seinen Arm, bog ihn auf den Rücken und zwang ihn unter schmerzhaften Aufschreien zu knien. Dann ließ er ihn los. Der Wirt kam, half dem Mann hoch und wollte ihn zur Türe drängen, aber der schnaufte wutentbrannt und zog ein kleines Messer. Ehe er es richtig in der Hand hochhalten konnte, war Jean-Claude von hinten bei ihm, entriss ihm das Messer und streckte ihn mit einem kurzen Schlag ins Genick zu Boden.

Der Wirt entschuldigte sich tausendmal bei der Comtesse, nachdem er den Mann vor die Türe nach draußen gebracht hatte und erst nach einiger Zeit wieder hereingekommen war. Anna hatte sich von ihrem Schock erholt und bedankte sich bei den Kutschern.

*

Später, im Gemach, zog Claire Anna zu sich heran und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich verrate dir ein Geheimnis. Alfonse und Jean-Claude sind keine Kutscher, sie sind Husaren. Alfonse ist sogar Capitaine. Sie gehören zum Régiment de Hussards, Hussards Royaux vom Baron Kronenburg. Der Baron ist ein Freund von Charles und hat sie uns für die Reise zur Verfügung gestellt. Sie sind beide erfahrene Soldaten und Kämpfer und kennen keine Angst. Du kannst dich also in ihrer Nähe immer sicher fühlen.«

Der Schreck saß Anna noch in den Knochen und sie fragte sich, wie die Reise weitergehen und was noch alles passieren könnte.

*

Sie kamen gut voran, das Wetter war ihnen hold und so ging es über Bromberg nach Posen, über die Brücke der Lausitzer Neiße nach Görlitz und nach einer Woche überquerten sie in Dresden die Augustusbrücke über die Elbe. Die darauf folgende Woche führte sie über Chemnitz, Nürnberg, Heilbronn nach Baden-Baden, wo sie einen Tag Station machten.

Die Nächte hatten sie teilweise in dunklen Herbergen verbracht, aber auch bei Freunden der Marquise oder in Klöstern.

Am nächsten Tag wollten sie weiter über Breisach bis zum elsässischen Belfort, wo die Marquise vom dortigen Bischof de Beaupré erwartet wurde.

Ein Abend im Kloster

Es war eine lange, ermüdende und anstrengende Tagesreise mit der Kutsche gewesen und Anna war froh, als Claire plötzlich ausrief, dass sie die Stadtmauern von Belfort sehen kann.

Als sie das imposante Stadttor erreichten, rief Claire begeistert: »Schau, Anna. Das ist das Breisacher Tor. Es wurde 1687 von Seigneur de Vauban erbaut, dem französischer General und Festungsbaumeister Ludwigs XIV. Sieh, auf dem Frontgiebel ist das steinerne Emblem unseres Königs Ludwig XIV. Ach Gott, bin ich froh, wieder in Frankreich zu sein.«

Zu den Kutschern vorne rief Claire: »Wir müssen in die Stadtmitte, zur Kirche Saint-Christophe de Belfort.«

An der Kirche angekommen stieg Claire aus, ging zu einem kleinen Pfarrhaus nebenan und klopfte an der Türe. Nach einer Weile öffnete ein Bediensteter.

»Bonjour monsieur,« sagte Claire, »Ich bin die Marquise d'Aurilac mit einem Empfehlungsschreiben des Bischofs Antoine Clairiard de Beaupré.«

Der Bedienstete murmelte ein, «einen Moment, bitte» und verschwand. Nach einer kurzen Weile erschien ein Pfarrer im Türrahmen.

»Madame. Ich bin Generalvikar Pierre Berdolet. Seien Sie willkommen. Der Bischof hat uns über Ihr Kommen unterrichtet.«

»Danke, Monsieur. Können wir für diese Nacht eine Herberge erhalten?«

»Ja. Madame. Aber nicht hier in diesem Haus. Sie möchten hinaus vor die Stadt, zur L'abbaye Nouvelle, weiterfahren. Dort erwartet Sie die Äbtissin.«

»Ist es weit? Es sieht so aus, als ob es bald ein Unwetter geben wird.«

Der Vikar schaute in den Himmel und sah im Südwesten die schweren, schwarzen Wolkentürme, hinter denen die untergehende Sonne verschwunden war. »Ich werde Ihnen einen Reiter mitgeben, der Ihnen den Weg zeigt. Beeilen Sie sich, Madame. Es sieht wirklich so aus, als käme ein Gewitter.«

Dank des Reiters, der ihnen den Weg zeigte, fanden sie schnell aus der Stadt. Aber plötzlich kamen heftige Windböen auf und das Gewitter entlud sich. Der Regen prasselte auf das Dach der Kutsche und wurde immer heftiger. Es goss schließlich in Strömen und die Böen zerrten an dem Kutschdach.

Urplötzlich zerbrach eine Holzleiste des Kutschdaches, das Dach schlug halb zurück und die vom tobenden Himmel herabstürzenden Wassermassen ergossen sich auf Claire und Anna. Anna versuchte aufzustehen und das Dach festzuhalten, aber durch das Schaukeln der Kutsche gelang es ihr nur wenig. Im Nu waren Claire und Anna durchnässt und ihre Haare klebten am Kopf. Die Kutscher hatten ihre ledernen Kutten angelegt und feuerten die Pferde an.

Nach unendlich scheinenden Minuten erreichten sie das Kloster und unter dem schützenden Torbogen blieb die Kutsche stehen. Claire und Anna stiegen aus und versuchten mit den Händen die Nässe auf ihren Kleidern abzustreifen.

Aus einer Seitentüre erschienen zwei Nonnen, begrüßten sie freundlich und führten sie schnell in das Innere.

Eine große schlanke Frau, bekleidet mit dem schwarz-weißen Habit, der Tunika mit Skapulier und Kukulle und dem großen schwarz-weißen hutähnlichen Schleier auf dem Kopf, kam ihnen entgegen. Sie schaute sehr streng aus, sprach aber dann mit einer warmen Stimme.

»Seid willkommen im Stift Notre-Dame de Belchamp. Ich bin die Abbesse Charlotte de Franchet, die Äbtissin dieses Klosters.«

Claire und Anna konnten kaum stehen - zu sehr waren sie erschöpft.

«Meine Lieben, ich sehe, ihr seid geschwächt und sehr durchnässt. Kommt mit uns ins Refectorium, dort bekommt ihr warme Kleidung und etwas zu essen. Wir haben eine kräftige Suppe mit Hühnerfleisch. Das Feuer im Kachelofen ist gerade angezündet und wird euch wohltuende Wärme spenden.«

»Ehrwürdige Äbtissin,« antwortete Claire etwas atemlos, »Vielen Dank. Mein Name ist Claire, Comtesse de Vermandois, Marquise d'Aurilac. Der Generalvikar Berdolet in Belfort hat uns zu ihnen geschickt. Ich habe ein Empfehlungsschreiben des Bischofs Clairiard de Beaupré, von Besançon, auf dass ihr uns Herberge für eine Nacht gewähren möchtet.«

»Oh. Ihr seid die Claire d'Aurilac. Ja, seid willkommen. Der Bischof hatte euer Kommen angekündigt.«

Als die Äbtissin die beiden eintretenden Kutscher sah, sprach sie zu einer der Nonnen: »Schwester Sophie, zeigen Sie den beiden, wo sie die Kutsche unter dem hinteren großen Scheunendach unterstellen können und dann das kleine Gästezimmer für Kutscher nebenan. Und bringen Sie ihnen später auch zu essen und trinken.«

Das Refektorium entpuppte sich als ein großer Speiseraum mit einem langen schwarzen Tisch in der Mitte und etlichen Stühlen. Nur wenige Kerzen auf dem Tisch und an den Wänden spendeten Licht. In der Ecke stand einer dunkelgrüner hoher Kachelofen, dessen Kacheln schwache Wärme abstrahlten.

»Seid so frei und zieht eure Kleidung geschwind aus. Ich lasse euch neue trockene Kleider und ein paar wollene Tücher bringen,« erklärte die Äbtissin und begann helfend Anna's Kleid aufzuknöpfen.

Als sei es das natürlichste der Welt streifte sie Anna's Kleid ab, zog ihr das Unterleinen über den Kopf und reichte ihr ein trockenes Tuch. Sie selbst nahm auch eines in die Hand und rieb Anna's Haare trocken. Als die Äbtissin die nassen Tücher wieder entgegennahm, blieb ihr Blick einen Moment lang auf Anna's Körper haften. Sodann reichte sie Anna ein einfaches neues Kleid und zog es ihr über den Kopf.

Claire hatte sich mittlerweile auch ausgezogen, abgetrocknet und ein neues Kleid übergestreift. Zusätzlich eingewickelt in ein großes wollenes Tuch, setzte sie sich auf einen der Stühle.

»Vielen Dank, ehrwürdige Äbtissin. Ein schreckliches Unwetter, furchtbar. Es hat das Kutschdach aufgerissen. Dabei war es den ganzen Tag so schön gewesen. Herrlicher Sonnenschein.«

»Von wo kommt ihr?«

„Heute? Von Breisach.«

»Ganz von Breisach? Das ist so weit, über 40 Landmeilen.«

»Aber es waren gute Wege und die Strecke war frei von Hindernissen. Wir sind durch Muelhouse und konnten immer wieder lange traben. Zuerst konnten wir nicht so schnell vorwärtskommen, da wir uns heute früh von einem Fährmann bei Breisach über den Rhein bringen lassen mussten. In Breisach hatten wir nur in einer kleinen Herberge übernachtet.«

»Von wo kommt ihr denn her?«

Claire stöhnte: »Ganz vom Osten des Preußenlandes. Es ist heute der siebzehnte Tag unserer Reise.«

»Meine Güte. Großer Allmächtiger. Eine so weite Reise.«

»Ja, ich bin dem Allmächtigen sehr dankbar. Wir haben sehr viel Glück gehabt. Nur einen Tag kurz schlechtes Wetter unterwegs, sonst immer Sonnenschein.«

»Das ist schier unglaublich. Eine Weltreise. Da könnt ihr dem Herrn dankbar sein. Wie habt ihr denn Station gemacht?«

»Meistens haben wir in Herbergen übernachtet, auch in christlichen Stiften und sind frühmorgens weitergefahren. Wir sind über Posen nach Dresden in Sachsen, dann über Bayreuth nach Nürnberg und Baden-Baden, dann von Breisach nach hier.«

»Mein Gott. Welch weiter Weg, welch eine Strapaze!«

»Ja. Jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Auch war es nicht möglich, immer die Pferde zu wechseln. Wir mussten viermal neue Pferde kaufen.«

»Wie schrecklich! Und nur so kurze Nächte der Erholung!«

»Ja, Äbtissin. Die Herbergen waren gut, aber auch manchmal schlecht. Aber in Baden-Baden haben wir in einer heißen Quelle baden können.«

»Oh ja, dies hat bestimmt dem Körper gutgetan. Wer ist denn eure junge Begleiterin? Hat sie euch auch die ganze Reise begleitet?«

»Entschuldigen Sie, ehrwürdige Äbtissin. Ich habe ganz vergessen sie vorzustellen. Das ist Anna von Ransdow. Sie ist ein tapferes Mädchen und war den ganzen langen Weg immer gut gelaunt. Sie begleitet mich zu unserem Chateau bei Besançon.«

Zwei Schwestern traten ein und brachten die Teller mit dampfender, heißer Bouillon und einen Teller mit frischem Brot.

»Lasst es euch schmecken«, wünschte die Äbtissin und faltete die Hände. »Dem Herrn sei gedankt, dass er euch des Weges so gut beschützt hat, Amen.«

Während Anna und Claire zu essen begannen, erzählte die Äbtissin: »Bischof de Beaupré hatte mir euer Kommen für Mitte des Monats angekündigt, aber einen genauen Tag wusste er nicht. Ist ja auch verständlich, bei eurer langen Reise.«

Claire setzt ihren Löffel ab. »Er hat uns vor etwa drei Monaten in unserem Chateau bei Besançon, also ein paar Tage vor meiner Abreise, besucht. Er hatte mir aber nichts von diesem Kloster gesagt. Erst der Generalvikar in Belfort hat uns hierherführen lassen.«

»Der Bischof wird ihm Bescheid gegeben haben. Vor vier Wochen war er hier und hatte mir nur gesagt, dass eine Marquise d'Aurilac kommen würde und Herberge benötigt. Allerdings hatte er hinzugefügt, dass ihr eine sehr interessante Person seid und ich es euch an nichts fehlen lassen solle.«

Claire lachte, löffelte weiter und sprach zwischendurch: »Ach, der Bischof! Aber danke für das Kompliment. Ich muss Ihnen jedoch gestehen, dass ich nicht die Marquise d'Aurilac bin, ich zwar meistens so genannt werde, aber in Wirklichkeit bin ich die Mätresse des Marquis. Mein Name ist Claire, Comtesse de Vermandois.«

»Ja, ich weiß. Er hat mir so eine Andeutung gemacht. Aber, wenn es euch nichts ausmacht, werde ich euch weithin so nennen, liebe Marquise.«

»Liebste Äbtissin, nennen Sie mich einfach Claire. Der Bischof nennt mich auch so.«

»Wussten Sie, dass er seit ein paar Jahren auch der Erzbischof von Besançon ist?«

»Oh! Nein. Dies hat er mir gegenüber nie erwähnt. Ich habe ihn immer nur werter Herr Bischof genannt.«

»Ja, das mag er,« lachte die Äbtissin, »Privat ist er sehr umgänglich und nicht für zeremonielle Anreden zu haben. Er sagt immer, die habe er genügend in Paris. Er ist ja auch seit zwei Jahren im Ständerat des Königs, als Berater des Hofes. Das Höfische ist nicht so seine Passion. Er ist zurzeit auch wieder in Paris und wird erst in zwei oder drei Wochen zurückerwartet. Möchtet ihr noch Bouillon oder eure Begleiterin?«

Claire sah Anna an, aber auch Anna war satt und müde und schüttelte den Kopf.

»Nein danke, ehrenwerte Äbtissin. Vielen Dank. Das war eine sehr gute Bouillon, ausgezeichnet.«

»Das freut mich, dass es euch geschmeckt hat - aber nennen Sie mich einfach Äbtissin, wie alle hier. Das ehrenwerte ist nicht vonnöten.«

»Ich wusste gar nicht, dass hier ein kleines Kloster ist. So einsam gelegen - hinter den Hügeln im Wald.«

»Ja! Einsam, das stimmt«, lachte die Äbtissin. »Eigentlich ist es kein Kloster, sondern nur ein Stift. In Andenken an das frühere große Kloster Belchamp, das seit Jahrzehnten nicht mehr existiert. Daher heißt dieses Stift jetzt hier auch La nouvelle Notre-Dames de Belchamp. Es besteht nur aus diesem Stiftgebäude und aus einem kleinen Hospiz nebenan, in dem wir Kranke mit einfachen Wunden behandeln.«

»Ein kleines Krankenhaus?«

»Ja, sehr klein nur. Ich war Äbtissin eines Klosters in der Lorraine und hatte dort meine Berufung zur Medizin gespürt. Ich habe in Paris an der Universität Docteur medicinae studiert, aber als Frau durfte ich natürlich keine Diploma erwerben. Der Bischof hatte mich in Paris kennengelernt und mir dann vor einigen Jahren die Leitung dieses Stiftes angeboten. Natürlich arbeite und unterrichte ich hier bei meinen Schwestern als Medicus. Nur um den offiziellen Schein zu wahren, kommt alle zwei Wochen der Docteur aus Belfort hierher. Ich habe zwei erfahrene Nonnen, die sind drüben im Hospiz und hier fünf Novizinnen, die ihre Ausbildung zu Krankenschwestern erhalten - die beiden anderen haben sie nicht gesehen, sie sind in ihren Kammern und studieren. Ich hoffe es«, lächelte die Äbtissin, »denn wir haben in unserer Bibliothek viele medizinische Werke von großem Wert. Das zentrale Anliegen unseres Stifts ist die cura animae, die Sorge um die Seele, aber auch die cura corporis, die Sorge um den Körper.«

»Oh, ein richtiges Klosterhospiz.«

»Nein. Wie gesagt, nur sehr klein. Ihr müsst wissen, unser Orden gehört den Benediktinerinnen an. Der heilige Benedikt hat festgelegt, dass die wichtigste Pflicht aller Mönche und Nonnen diejenige sei, den Kranken zu helfen. Nicht nur den Angehörigen unseres Ordens, sondern allen Kranken, die im Kloster um Hilfe bitten. Wir können nur wenige Kranke aufnehmen und zum Beispiel leichte Verletzungen heilen, aber wir befolgen hier strickt Benedikts Anweisung, Schwestern zum Heilen auszubilden. Deshalb haben wir auch einen großartigen Kräutergarten. Wir haben in der Bibliothek eine Abschrift des Macer foridus, ein universales Werk der Kräuterheilkunde, das vom Mönch Odo de Meung verfasst wurde. Wir haben auch Abschriften der medizinischen Werke Physica und Causae et curae der Hildegard von Bingen. Das wichtigste Buch, das wir hier haben, ist das Hortus Deliciarum. Dies hat die Äbtissin Herrad von Landsberg geschrieben. Dazu die Bücher von Paracelsus, Paramirum und Paragranum, sowie eine Reihe weiterer kleinerer Schriften medizinischen Inhalts von 1529, und das im Jahre 1537 vollendete Schriftwerk Astronomia Magna. Auch die große Wundarzney aus Ulm von 1536 und Werk De Humani Corporis Fabrica des belgischen Anatoms Andreas Vesalius über den Aufbau des menschlichen Körpers, das zu einem Meilenstein der Medizin wurde. All das besitzen wir. Wie ihr seht, kümmern wir uns hier mehr um das Weltliche.«

Die Äbtissin lachte und fügte hinzu: »Natürlich in Einklang mit den Zielen unseres Ordens.«

Claire war tief beeindruckt von dieser Frau. Sie war so gar nicht die typische Äbtissin oder Oberin, wie Claire es in der Vergangenheit kennengelernt hatte. Diese Frau, mit dem sympathischen Gesicht und der offenen freudigen Art der Rede wurde ihr immer sympathischer. Jetzt, hier vor ihr sitzend, nahm Claire wahr, dass sie wohl langes blondes Haar haben musste, das gekonnt und sehr elegant unter dem engen Nonnenschleier hochgesteckt war. Eine interessante Frau und Claire bemerkte in ihrem Innern, dass sie wohl mehr über sie erfahren mochte.

Daher nahm sie wohlwollend die Einladung an, als die Äbtissin fragte, ob sie und ihre Begleitung nicht noch mit in ihren Äbtissinentrakt kommen möchten.

»Liebste Marquise. Ich habe einen schönen Salon, auch sehr warm und mit gemütlichen gepolsterten Sesseln bestückt. Lassen Sie uns noch ein Glas Wein zu uns nehmen. Unser Wasser hier im Stift ist zwar gut, es kommt direkt aus einer Quelle hinter dem Stift, aber nach einem Glas Wein schläft es sich auch besser. Hernach führe ich euch ins Boudoir des Bischofs, dort können sie beide nächtigen.«

Dankbar folgte Claire mit Anna an der Hand der Äbtissin in deren Salon.

Claire war überrascht. Dieser Raum war üppig eingerichtet mit wertvollem Mobiliar, Sesseln und Chaiselonges, niedrigen Tischen, einem Sekretär und einigen gläsernen Vitrinen. Historische Gobelins und religiöse Ölgemälde zierten die Wände und in der Ecke stand ein kleiner, mit dunkelblau gebrannten Keramikplatten verzierter Kachelofen.

»Das ist ja fast wie bei mir zu Hause«, entfuhr es Claire.

»Warum soll man das Nützliche nicht mit dem Guten verbinden. Ja, ich gebe zu, es ist nicht das karge Kloster-Kämmerlein, aber das muss es auch nicht sein. Nehmen Sie Platz, ich setzte mich zu Ihnen - lasse aber erst noch eine Karaffe Wein kommen.«

Die Äbtissin rief nach einer der Schwestern und als diese erschien, sagte sie zu ihr: »Schwester Sophia, bitte bringen Sie uns eine Karaffe des Weines vom Cotes du Rhone.«

Claire musterte die Schwester. Sie hatte ein ausgesprochen hübsches Gesicht und war wohl höchstens zwanzig Jahre alt. Claire fiel dabei ein, dass auch die anderen Schwestern, die sie bisher gesehen hatte, sehr jugendlich, schlank und hochgewachsen waren und alle sehr schöne Gesichter hatten.

Der Äbtissin, war nicht entgangen, wie intensiv Claire die Schwester mit ihren Augen gemustert hatte.

»Sophia ist aus dem Kloster Saint Odilie, bei Straßburg. Sie ist seit zwei Jahren bei uns. Der Bischof hatte sie kommen lassen, damit sie hier die Ausbildung zur Krankenschwester erhält.«

Nachdem sie alle einen Schluck des Rotweins zu sich genommen hatten, sprach die Äbtissin lächelnd zu Claire: »Ach, sagt mir, liebe Claire. Der Bischof hatte mir gegenüber erwähnt, dass auch ihr euch mit der Pädagogik beschäftigt.«

Claire war im Moment irritiert. »Pädagogik?«

»Der Begriff Pädagogik stammt von dem griechischen Wort paidos und lautet soviel wie Erziehungskunst. Jedenfalls hatte der Bischof mir gegenüber so etwas angedeutet.«

»Nun ja«, stottert Claire und wusste nicht genau, was sie antworten sollte.

Was mag der Bischof der Äbtissin wohl gesagt haben, schoss es ihr durch den Kopf. Bestimmt nichts über das, worüber sie sich mit dem Bischof bei seinem Besuch und am Tag nach der Soirée im kleinen Kreis unterhalten hatten. Was meint sie mit Erziehungskunst? Der Bischof kann ihr doch sicherlich nicht erzählt haben, dass ich junge Mädchen zu Luststuten erziehe.

»Tja. Ich habe Anna hier mitgebracht, weil sie die französische Sprache lernen und Frankreich und seine Kultur kennenlernen möchte.«

»Dann werdet ihr sie hier unterrichten?«

»Nun ja. Sie hat schon sehr gut begonnen französisch zu lernen. Auf der Fahrt hierher haben wir in den langen Stunden in der Kutsche sehr intensiv geübt. Natürlich werde ich den Unterricht fortsetzen.«

»Ah. Das ist wundervoll.« Die Äbtissin wandte sich an Anna: »Gefällt es dir hier in Frankreich zu sein?«

»Oh ja, Madame. Äh, ehrenwerte Äbtissin. Ja, ich bin sehr froh hier zu sein und freue mich auf dieses Land. Madame Claire hat mir schon viel von der hochstehenden Kultur hier in Frankreich erzählt.«

»Eine sehr schöne Antwort. Wie alt bist du?«

Anna schaute Claire an: »Ich bin 18 Jahre alt.«

Claire lächelte: »Sie wird bald 19.«

»Sie ist sehr hübsch und gut gewachsen«, meinte die Äbtissin anerkennend zu Claire.

Claire bemerkte, dass die Äbtissin Anna sehr lange musterte. »Sie stammt aus einer Bauernfamilie im hohen Livland und ist von meiner Schwester und ihrem Gatten, dem Grafen von Ransdow adoptiert worden.«

»Oh, wie interessant. Ihr habt eine Schwester dort?«

»Ja, Äbtissin. Ich habe meine Schwester, kurz nachdem ich meinen eigentlichen Reisegrund erfolgreich beendet hatte, besuchen können. Meine Schwester ist, wie ich, gebürtige Französin und seit etlichen Jahren mit dem Grafen von Ransdow verheiratet. Sie bewohnen dort im östlichen Preußen ein sehr schönes Schloss und betreiben ein großes über die Grenzen hinaus bekanntes Gestüt zur Pferdezucht. Anna hatte sich dort zur Zufriedenheit meiner Schwester sehr gut eingelebt. Aber da sie sehr aufgeweckt, sehr wissbegierig und lernbereit ist, hatte ich meiner Schwester vorgeschlagen, Anna mit nach Frankreich zu nehmen. Sie verstehen, hier ist die Zukunft für ein solch begabtes Mädchen wesentlich besser, als dort im finstersten Osten. Anna ist wirklich sehr begabt.«

»Das ist erfreulich zu hören. Aber wie ich sehe, fallen der Kleinen vor lauter Müdigkeit die Augen zu. Sie darf sich gerne schlafen legen, dann können wir beide noch in Ruhe unseren Wein austrinken.«

Dies war Claire mehr als recht. Es kam ihr vor, als wenn die Äbtissin Gedanken lesen könnte. Sie will sich wohl unbedingt noch mit mir unterhalten.

Was mochte der Bischof ihr erzählt haben, fragte sie sich, als die Äbtissin Claire und Anna zu einer Seitentüre führte.

»Dies ist die direkte Verbindung zum Boudoir des Bischofs. Er hat mich ausdrücklich gebeten, es Ihnen zur Verfügung zu stellen.«

Sie traten in ein ebenso weiträumiges Zimmer ein, das neben vielen Sesseln und kleinen Tischen von einem übergroßen Bett mit Baldachin in der Mitte dominiert wurde. Die Äbtissin schlug das Bett auf und sagte zu Anna: »Zieh dich aus und leg dich schlafen. Das wird dir guttun. Es sind drei dicke Decken da. Dies wird dich wärmen. Die Marquise kann sich nachher zu dir legen, das Bett ist ja breit genug. Wir werden wieder hinübergehen und die Türe schließen. Gute Nacht.«

Auch Claire wünschte Anna eine gute Nacht und verabschiedete sich mit einem Kuss von ihr.

»Ein sehr liebes und sehr hübsches Mädchen«, bemerkte die Äbtissin, als sie wieder in deren Zimmer Platz genommen hatten.

»Ja, sie ist sehr lieb. Ich bin ganz begeistert von ihr. Meine Schwester hatte mit dem Französisch-Unterricht schon begonnen und ich habe während der Reise mit ihr konsequent französisch gesprochen. Sie hat sich sehr kooperativ verhalten und fleißig ihre Lektionen gelernt. Außerdem habe ich begonnen ihr eingehend die kulturellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten hier in Frankreich zu lehren. Auch die Geschichte unseres Landes und unsere Errungenschaften.«

»Dann unterrichtet ihr nicht nur die Sprache, sondern auch Kultur. Damit seid ihr eine richtige Pädagogin.«

»Ich muss gestehen, ich habe mich nie mit den theoretischen Aspekten einer Erziehung befasst,« antwortete Claire sehr vorsichtig, »Ich hab mich vielmehr auf meine eigene Lebenserfahrung gestützt.«