Lea - Boris Bongers - E-Book

Lea E-Book

Boris Bongers

0,0

Beschreibung

Ein schwerer Schicksalsschlag lähmt Lea seit Jahren. Sie verliert ihren Beruf, viele Freunde und vor allem die Hoffnung, jemals glücklich sein zu dürfen. Ihr Bruder Simon bricht sein Studium ab, um für seine Schwester da sein zu können. Bei seiner Recherche, Hilfe für Lea zu finden, stößt er auf das norwegische Camp "Shamballa", in dem Lea nach langer Zeit endlich Heilung erfahren darf. Lea erlebt in sieben Tagen eine besondere Reise zu sich selbst – begleitet von liebevollen Menschen, die an diesem besonderen Ort ebenfalls tiefes Selbstvertrauen lernen durften. Sie weisen Lea in die wunderbaren Lehren der Paragus®-Prinzipien ein, die auf uralten Weisheiten und Naturgesetzen basieren. Leas faszinierende Geschichte, ummantelt von bedingungsloser Liebe, beschreibt Boris Bongers auf berührende und ergreifende Weise. Der Autor macht es dem Leser leicht, die bewegende, mutige Wandlung von Lea liebevoll zu begleiten. "LEA" ist ein einzigartiges Werk, das jedem Einzelnen – auch dank inspirierender Charaktere wie Meister Samuel oder aber des wunderbaren Geheimnisses der Schmetterlinge – die Möglichkeit offenbart, den eigenen Weg zu tiefer Selbstliebe, Vertrauen und Vergebung zu finden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 203

Veröffentlichungsjahr: 2023

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Fragen und Anregungen: [email protected]

Merchandise: [email protected]

2. Auflage 2024

Redaktion: Anemone Zabka

Projektmanagement: Anemone Zabka, Anni Kamps

Umschlagmotiv/Logo: Sabine May

Umschlaggestaltung: Jacqueline May

Erstlektorat: Sandra Nowack

Korrektorat: Anemone Zabka, Anni Kamps

Klappentexte: Anemone Zabka, Anni Kamps, Sandra Nowack

Gestaltung Everglow-Logo: Valentina Kamps/Gina Fischer

ISBN E-Book (EPUB,Mobi)

Text Copyright © 2023 Boris Bongers.

Anfragen / Zuschriften:

Kamps Public Relations, c/o digitalHUB Aachen, Jülicher Str. 72a, 52070 Aachen

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Boris Bongers, 1969 in Eschweiler bei Aachen geboren, ist studierter Betriebswirt sowie Business- und Lebenscoach aus Passion. Während einer mentalen Auszeit in einem kleinen Paradies auf Mallorca, entdeckte er auf Wanderungen durch tiefgreifende, teils spirituelle Ereignisse in der Natur seine Liebe zu sich selbst und dem Leben neu.

Er erlernte mit viel Dankbarkeit und großem Bewusstsein eine neue Lebenseinstellung. In dieser Zeit fasste er die sieben allgemein gültigen Prinzipien für ein glückliches und zufriedenes Leben und Handeln in den Paragus®-Prinzipien perfekt zusammen. „Lea“ war zunächst eine Kurzgeschichte zum Einstieg in seine Paragus®-Vorträge. Leas Erfahrungen und Denkweisen interessierten seine Zuhörer jedoch so sehr, dass sie zur Schlüsselfigur des Erlebens der Paragus®-Prinzipien und zur Hauptfigur dieser Geschichte wurde.

Inhaltsverzeichnis

Lea – Die Tat

Leas Ankunft

Leas Tag 1: Ich habe immer die Wahl

Leas Tag 2: Wie im Inneren, so im Äußeren

Leas Tag 3: Das Pendel des Lebens

Leas Tag 4: Balanceakt

Leas Tag 5: Das innere Universum

Leas Tag 6: Die Höllenmaschine

Erleuchtung

Leas Tag 7: Everglow

Abschied

Epilog …

Lea – Die Tat

Lea war spät dran. Sie wollte unbedingt noch die Mail an den potenziellen neuen Kunden fertig machen, so dass sie mit einem guten Gefühl in den bereits dunklen, kühlen Abend marschieren konnte. Wie sehr hatte sie sich den ganzen Tag auf das Treffen mit ihrem Bruder gefreut! Simon studierte in den USA und seit über einem Jahr hatten sie sich nicht mehr gesehen. Sie waren in dem neuen Restaurant am Stadtrand verabredet. Wenn sie sich etwas beeilen würde, könnte sie es noch pünktlich schaffen.

Nachdem Lea das Büro verlassen hatte, entschied sie, eine Abkürzung durch den großen Park zu nehmen, in dem sie so oft schon mit ihrem Hund spazieren gegangen war. Sie liebte diesen Ort mit seinem alten Baumbestand und dem kleinen See in der Mitte.

Doch heute war irgendwie alles anders. Von der ersten Sekunde an, in der sie den Park betrat, begleitete sie ein ihr eher unbekanntes Gefühl: Angst. Es war, als mahne sie eine innere Stimme umzukehren und einen anderen Weg zu wählen. Diese Angst schlich sich von ihren Füßen über ihre Knie zu ihrem Bauch, wo sie für ein sehr flaues Gefühl sorgte und damit auch andere Organe weckte. Noch unsicher, ob sie diesem Gefühl folgen sollte, hastete Lea weiter. Nur wenig später meldeten ihre Ohren dem Gehirn Geräusche in unmittelbarer Nähe, was dazu führte, dass parallel ein Laufbefehl an die Beine versendet wurde, den Lea selber in ihrem Verständnis für die Situation noch gar nicht nachvollziehen konnte.

Aber sie lief, oder zumindest dachte sie das, und plötzlich spürte sie auch etwas, was sie später als „Dichte“ bezeichnen sollte. Jeder kennt dieses Gefühl, wenn sich hinter dem Rücken jemand anschleicht, ganz leise, und ohne diesen Jemand zu hören oder zu sehen, spürt man irgendwann, dass da etwas ist. Genau so erging es Lea, nur diesmal mit der Ahnung, dass dies kein Hirngespinst war, sondern pure Realität.

Aus dieser lebendigen Vorahnung wurde in dem Moment absolutes Bewusstsein, als sich eine starke, nach Nikotin stinkende Hand auf ihren Mund legte. Etwas Spitzes berührte ihren Rücken und sie vernahm eine Männerstimme direkt neben ihrem Ohr. „Wage es nicht, zu schreien oder dich zu wehren“, flüsterte sie. „Sonst hat dein letztes Sekündlein geschlagen.“ Ja, die Männerstimme sagte tatsächlich „Sekündlein“. Warum ihr ausgerechnet das in diesem Moment fast lustig vorkam, konnte Lea sich selbst nicht erklären.

Ihr ganzer Körper war wehrlos. Wie sehr würde sie sich später für diese Ohnmacht hassen. Nicht genug, dass sie nun Dinge über sich ergehen lassen musste, die sie sich in ihren kühnsten Albträumen niemals hätte vorstellen können. Nein, sie hatte auch noch das Gefühl, als gäbe ihre Ohnmacht dem Täter einen Freifahrtschein für seine Tat.

Diese Ohnmacht übertrug sich nun von ihrem Körper auf ihren Geist. Nur noch schemenhaft nahm sie ihr Umfeld wahr und die Hände des Fremden an ihren intimsten Stellen, die mittlerweile mit blanker, roher Gewalt von den Kleidungsstücken befreit worden waren. Leas Geist entschied, dass es besser sei, sich kurzfristig aus diesem Bewusstsein zu verabschieden, damit das ohnehin schwer zu ertragende Grauen später wenigstens keine Bilder mit sich brachte.

Und so geschah an diesem Abend das Unvermeidliche. Lea wurde zum Opfer einer in ihrer Perversion und Grausamkeit kaum zu beschreibenden Tat eines Mannes, der seine Seele an den Leibhaftigen verkauft zu haben schien. Auch später würde Lea sich noch oft fragen, wie ein Mensch einem anderen Menschen solches Leid zufügen konnte.

Lea kam erst im Krankenhaus wieder zu sich. Ihre äußerlichen Wunden heilten schnell. Die inneren Verletzungen jedoch bluteten noch Jahre später und brachten Gefühle wie Angst, Wut und Depression im Gleichtakt mit sich. Zwar hatte der Täter irgendwann von ihr ab- und ihr das Leben gelassen, doch wusste Lea seit diesem Tag, dass es Schlimmeres als den Tod gab: eine solche Tat, mit allem, was damit zusammenhing, immer und immer wieder in der gedanklichen Wiederholung ertragen zu müssen.

Jahrelang ging sie nicht mehr aus dem Haus. Sie verlor alles, was ihr lieb und teuer war, ihren Beruf, viele Freunde, ihre Lebensqualität. Einfach alles. Als dann auch noch ihr Hund Oskar an einem Krebsleiden verstarb, sank Leas Lebensmut auf ein Minimum.

Ihre Familie war ständig bei Ihr. Simon, ihr Bruder, unterbrach sogar sein Studium und half der Polizei bei der Suche nach dem Täter. Man fand ihn recht schnell anhand von DNA-Spuren, die sowohl bei ihr als auch bei anderen Opfern gefunden wurden, und weil er wiederholt im Verhör das Wort „Sekündlein“ verwendete.

Leas Vergewaltiger war ein ganz normaler Familienvater mit drei Kindern. Ein Handelsvertreter für Filtersysteme mit einem guten Einkommen. Jetzt hatte das Grauen für Lea plötzlich einen Namen, eine Biografie, ein Leben, und - ob sie es wollte oder nicht - sogar eine Schnittmenge mit ihrem Leben. Sie wollte das nicht. Wieder und wieder überkamen sie Ekelgefühle, wenn sie das Bild des Täters in der Zeitung sehen musste. Aber sie konnte nicht anders. Sie musste es oft minutenlang anstarren, als ließe sich auf diese Weise dem Unbegreiflichen seiner Tat auf die Spur kommen. Als ließen sich seine Gründe nachvollziehen, wenn sie ihm nur lang genug ins Gesicht schaute.

Der Täter wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt und es wurde sogar eine besondere Schwere der Schuld festgestellt, sodass es für ihn keine Möglichkeit gab, vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen zu werden.

Lea verfolgte dies alles wie aus einem anderen Universum.

„Genugtuung?“, fragte ihr Bruder.

Sie konnte darauf nicht antworten. Sie fühlte gar nichts und wäre doch so glücklich gewesen, wenn sie wenigstens hätte hassen können. Aber was sollte eine Gefängnisstrafe für den Täter denn ändern? Zwölf Jahre eingesperrt im Tausch gegen ihr komplettes Leben? War das ein guter Deal? Klopfte sich der Staatsanwalt damit selbst auf die Schulter? Ging er nach Hause und erzählte er seiner Familie, dass er einem Täter seine gerechte Strafe hatte zukommen lassen?

Gerechte Strafe? Was war gerecht? Was war Gerechtigkeit angesichts einer Tat, die nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte?

Nie zuvor war Lea ein Wort so substanzlos vorgekommen wie dieses Wort „Gerechtigkeit“. Nie hatte sie so bewusst wahrgenommen, wie wertvoll ihr normales Leben gewesen war. Man sollte sich und sein Leben in einem Tresor verschließen, weil es einem nicht genommen werden durfte, anstatt frei durch einen Park zu laufen. Und genau das tat sie jetzt. Sie sperrte sich weg. Aber was gab es da noch zu schützen? Was überhaupt war von ihr übrig geblieben? Vieles realisierte sie erst jetzt, was sie früher nicht wahrgenommen hatte. Nein, es konnte keine Genugtuung geben, da es auch keine Gerechtigkeit geben konnte. Nichts, aber auch rein gar nichts konnte ihr dieses Gefühl vermitteln.

Lea zog sich immer weiter zurück und dachte beinahe täglich darüber nach, diesen Rest an Leben auch noch zu beenden.

Simon war verzweifelt, aber er wollte nicht aufgeben. Selbst seine anfängliche Wut auf den Täter flachte ab, da es so aussichtslos schien, Lea zu helfen. Dennoch war Simon der Einzige, der Lea in ihren etwas besseren Phasen überhaupt noch erreichen konnte. Auch Familie und Freunde gaben nicht auf und suchten weiter nach Möglichkeiten, ihr zu helfen. Irgendwo in dieser Welt musste es doch jemanden geben, der die richtige Methode, die richtige Medizin für Lea in seinem Köcher hatte.

Schließlich, als sie ihre Suche fast schon aufgegeben hatten, stießen sie im Internet auf einen Schamanen in Norwegen, der bei ähnlichen Traumata offenbar erfolgreich gewesen war. In diversen Foren berichteten Menschen beinahe euphorisch, sie seien durch den Schamanen an etwas erinnert worden, das sie wieder zurück auf ihren Weg gebracht habe. Was das war, schrieben sie nicht, und überhaupt blieben die Inhalte sehr allgemein. Simon empfand das als sehr ungewöhnlich und zweifelte zunächst, da er seiner Schwester eine weitere Enttäuschung tunlichst ersparen wollte. Als es Lea jedoch immer schlechter ging und seine Sorge um ihren Lebenswillen täglich weiterwuchs, entschied er sich, sie nach Norwegen zu bringen und dem Schamanen, der sich Meister Samuel nannte, vorzustellen.

Dieser lebte und lehrte in einem Zeltcamp namens Shamballa am Rande der Hauptstadt Oslo. Simon buchte zwei einfache Flugtickets in die norwegische Hauptstadt, weil er instinktiv wusste, dass der Rückflugtermin noch in den Sternen stand. Vom Flughafen aus lieh er sich einen kleinen Wagen. Mit Hilfe seines mobilen GPS-Systems erreichte er dann nach fast zwei Stunden Autofahrt die wilde Landschaft um den Zielort Shamballa. Dort am Eingang parkte er das kleine Auto direkt vor einem großen Schild, auf dem diese doch etwas seltsam anmutende Örtlichkeit etwas genauer beschrieben wurde:

Was wohl diese Paragus-Prinzipien waren? Simon studierte den kurzen Inhalt sehr eindringlich und nickte nach jeder Zeile. Er hatte ein gutes Gefühl und ging zurück zum Auto, um Lea beim Aussteigen zu helfen.

Zusammen gingen sie zu einem Eingangstor, wo schon ein kleines Empfangskomitee bereitstand, um Lea und Simon zu Meister Samuel zu bringen. Dieser lebte in einem sehr großen Zelt, welches am Ende des Lagers stand, das sie erst nach ca. zehn Minuten Fußmarsch erreichten.

Lange musterte der Schamane Lea, bevor er in einer nicht verständlichen Sprache das Wort an sie richtete. Eine junge Frau mit einer sehr liebevollen, hellen Stimme übersetzte und Simon wurde gewahr, dass er auf eigenartige Weise zuvor schon gespürt hatte, was der Schamane ihnen nun erklärte: Leas Seele sei eingesperrt und werde von ihrem Ego festgehalten. Ihr Herz wisse genau, was zu tun sei, und er, der Schamane, wolle ihr in den nächsten Tagen helfen, sich wieder daran zu erinnern.

Simon durfte bei dieser Erinnerungszeremonie nicht dabei sein. Erst in sieben Tagen sollte er zurückkommen, um seine Schwester abzuholen. Sieben Tage waren eine lange Zeit, doch eine innere Stimme sagte ihm, dass gut sei, was hier gerade passierte. Unruhig, aber zuversichtlich verabschiedete er sich von Lea und verließ Shamballa, um sich nun der Suche nach einer Pension zu widmen, die ihn die nächsten sieben Tage beherbergen würde.

Leas Ankunft

Lea blickte Simon noch lange nach. Sie wollte ihm noch so viel mehr sagen, sich bei ihm dafür bedanken, dass er immer für sie da war, aber auch in diesem Moment fand sie kein einziges passendes Wort. Simon war drei Jahre jünger als Lea. Mit seiner stattlichen Größe von fast einem Meter neunzig überragte er viele gleichaltrige junge Männer deutlich. Er war wohl das, was Menschen aufgrund seiner sehr sportlichen Figur einen „Sonnyboy“ nennen würden, ohne Allüren oder nur den Hauch einer gelebten Arroganz. Simon war für sein Alter enorm weise und fokussiert. Er wusste genau, was er wollte, und Lea spürte deutlich, dass er in diesen Zeiten vor allem eines wollte: Lea helfen.

Er war so ziemlich der einzige Mensch in ihrem Leben, der sie spüren ließ, dass es außer der tief empfundenen Trauer, dieser immerwährenden Tristesse in ihrem Inneren, auch noch ein anderes Gefühl gab – eines, das sich unterschied. Fast wunderte Lea sich über sich selbst, als ihr diese Unterscheidung bewusstwurde, und sie versuchte, einen Namen dafür zu finden.

Sie erinnerte sich an einen Kitschroman, den sie vor langer Zeit gelesen hatte. Er spielte in Lesotho, einer Enklave, die rundherum von Südafrika umgeben war. Lea hatte sich Südafrika damals wie ein Spiegelei vorgestellt: Das Weiße war in diesem Bild Südafrika selbst und der Dotter war Lesotho, wenngleich das dem Größenverhältnis wohl etwas widersprach. Doch es war genau dieses Bild, das sie nun mit dem wohltuenden Simon-Gefühl verband, das tatsächlich wie eine Enklave in ihrem Herzen wirkte. Plötzlich musste sie laut lachen. Vor ihrer inneren Leinwand war ein Spiegelei als pumpendes Herz erschienen, mit einem Mikrodotter in der Mitte. Und als sei es noch nicht genug, dass sie sich zum ersten Mal seit Jahren überhaupt selbst laut lachen hörte, spürte sie zugleich eine wohlige Gänsehaut, die sie nun warm ummantelte – ganz so, als begrüße sie mit dieser ungewohnten Wahrnehmung auch einen alten Bekannten.

Ob das an diesem Ort lag? Nein, diesen Gedanken wollte sie nicht zulassen. Sofort übernahm wieder eine strenge Gefühlseinlasskontrolle mit schwer bewaffneten Türstehern ihr inneres Hoheitsgebiet.

Als sie sich umwandte, um zum Lager zurückzugehen, wäre sie fast gegen die junge Übersetzerin geprallt, die scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war. Kurz musterte Lea die junge Frau. Sie hatte eine faszinierende, sehr natürliche Schönheit. Sie trug ihr kastanienbraunes Haar offen und immer wieder fiel eine Locke in ihr olivfarbenes Gesicht und verfing sich in ihrer Augenbraue. Die Übersetzerin trug ein schlichtes, weißes Shirt mit einem Schmetterlingslogo und legere Blue-Jeans. Um ihren Kopf kreisten einige Schmetterlinge, deren Flügel von einem so intensiven Blau waren, wie Lea es niemals zuvor gesehen hatte.

„Mein Name ist übrigens Sophie“, stellte die Übersetzerin sich ihr nun vor und fuhr dann fort: „Ich komme wie du aus Deutschland, lebe aber schon viele Jahre hier in Norwegen. Ich bin eine von Samuels Schülerinnen.

„Ich darf dich nochmals sehr herzlich bei uns willkommen heißen. Du bist hier in einer sehr besonderen Welt angekommen liebe Lea, die für dich nur ein Angebot sein soll. Du hast dich dazu entschieden, in einem Sieben-Tage-Programm in die Geheimnisse unserer Philosophie eingewiesen zu werden. Diese sieben Tage werden bei allem Optimismus natürlich nicht ausreichen, um alle deine Probleme zu heilen, das wäre vermessen.

Leas Augen füllten sich mit Tränen. Sie fragte sich, ob sie tatsächlich etwas anderes gehofft hatte.

„Dennoch“ fuhr Sophie fort, als ob sie Leas Gedanken gelesen hätte, „kann es möglich sein, dass deine Lebensqualität sich um ein Vielfaches verbessern wird. Das hängt in ganz entscheidendem Maße davon ab, wie entschlossen du mitarbeiten wirst und die Botschaften annimmst, die wir dir vermitteln werden. Viele von uns sind auf eine ähnliche Weise mit dieser Welt hier in Shamballa konfrontiert worden wie du und sind später wiedergekommen, um als Student oder Schüler noch tiefer in die Materie einzusteigen. Hier in Shamballa gibt es einen Campus, in dem dieses Wissen gelehrt wird und wir sind zurzeit mehr als dreißig Studenten aus mehr als zwanzig Ländern. Irgendwie habe ich spontan das Gefühl, dass auch du eines Tages wiederkommen wirst.“

Sophie strahlte Lea an.

Sie nahm Lea an die Hand und ging langsam mit ihr ins Lager zurück, während die Schmetterlinge weiterhin um ihren Kopf tänzelten.

„Komm, lass uns ins Petit Filou gehen“, schlug sie vor. „Es ist Shamballas Café gleich hier am Ende des Weges.“

„Ihr habt sogar ein eigenes Café hier?“ Leas verwunderte Antwort platzte lauter aus ihr heraus, als sie es beabsichtigt hatte.

„Ja“, antwortete Sophie lächelnd. „Es wird von der lieben Fabienne und ihrem Freund John geführt. Fabienne ist Belgierin und John ist Amerikaner. Beide haben sich vor Jahren tatsächlich hier in Shamballa kennengelernt und sind geblieben. Johns Traum war es wohl immer schon gewesen, ein kleines Bistro zu eröffnen. Mit Fabienne hat er die geeignete Partnerin gefunden.“

Lea schmunzelte.

„Dann war sie bestimmt auch für die Namensgebung des Cafés verantwortlich, wenn sie gebürtig aus Belgien kommt?“

„Gut kombiniert, Sherlock Lea“, lachte Sophie, und fast erschrocken ertappte Lea sich dabei, dass sie laut mitlachte. Sie spürte, wie Sophie sie eindringlich beobachtete und sie kurz am Arm berührte, als wolle sie eine Verbindung zu ihr herstellen. Sophies geflügelte Freunde tänzelten weiterhin um ihren Kopf herum.

„Wir sind da!“, sagte Sophie nun und wies auf eine kleine Hütte. „Lass uns hineingehen.“

Als sie die Türe öffneten, quietschte es aus allen Scharnieren. Wie der Name es vermuten ließ, war das Café nur sehr klein. Lea schaute sich um. Alles war von einer solch sauberen Schlichtheit, dass sie nicht umhinkam zu denken, dass hier alles einer Ordnung folgte. Wäre Lea nach ihren wenigen ersten Eindrücken von Shamballa gefragt worden, wie ein dort passendes Café auszusehen habe, dann hätte sie es genau so aufgemalt, wie es sich ihr nun präsentierte.

Tische und Stühle waren aus schlichtem, dunklem Holz. Auf jedem Tisch standen zwei Porzellan-Streuer, wohl gefüllt mit Pfeffer und Salz. An den Wänden hingen Schwarz-Weiß-Bilder mit lachenden Gesichtern. Diese Bilder waren ohne erkennbare Symmetrie einfach an die Wand genagelt worden, und noch dazu in unterschiedlichen Bilderrahmen. Ein ähnliches Bild offenbarte sich zu Leas Füßen. Ein Dielenboden aus alten und neuen Hölzern schien in seinem Dasein keiner Regel zu folgen. Alle Dielen waren unterschiedlich breit und aus verschiedenen Hölzern gezimmert, schienen jedoch frisch gebohnert worden zu sein. Alles war in seiner Unperfektion einfach perfekt.

Sophie begrüßte eine Dame im mittleren Alter, die aus Leas Sicht etwas sehr Mütterliches hatte. Das musste Fabienne sein. Ihre teils grauen Haare waren zu einem festen Dutt zusammengesteckt und um den sehr runden Körper war eine makellos weiße Schürze gebunden.

Aus der Küche erschien ein eher kleiner, sehr schlanker Mann, ebenfalls im mittleren Alter – John. Seine auf der rechten Seite spärlich vorhandenen dunklen Haare ließ er offenbar länger wachsen, damit er sie nach links zu einem Scheitel kämmen konnte, um seine Glatze zu verbergen. Dieses Paar wirkte so ungleich, wie Lea noch keinem anderen je begegnet war. Gleichzeitig aber strahlten beide eine solche Liebe füreinander aus, dass ihr ganz warm ums Herz wurde.

Fabienne und John begrüßten Lea freundlich, wobei John sich direkt schon wieder verabschiedete, weil er zurück an seinen Herd musste.

Sophie schaute Lea an. „Na?“, fragte sie. „Wie findest du unser kleines „Filou“?“

Lea musste nicht lange nachdenken. „Ich finde es für diesen Ort irgendwie sehr passend und auf besondere Weise auch sehr anziehend“, sagte sie spontan. „Es ist wie ein Wohnzimmer, in dem man sich mit Freunden treffen möchte.“

Fabienne lächelte. „Genau das sollte es auch sein, Schätzchen“, erwiderte sie mit einem kleinen Akzent. „Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit.“

Lea runzelte die Stirn. Aufmerksamkeit? „Ich habe nur gesagt, was mir auffällt“, erwiderte sie. „Genau genommen erinnert mich euer Café an ein Buch, das ich vor längerer Zeit mal lesen musste, mit dem ich am Ende aber überhaupt nichts anfangen konnte.“

„Wie hieß dieses Buch denn und warum konntest du damit nichts anfangen?“, fragte Fabienne interessiert zurück.

Lea dachte nach und ertappte sich dabei, dass sie eigentlich überhaupt keine Lust hatte, sich dieser Frage zu stellen. Sie entschied sich jedoch, diesem Ort und den Menschen hier zumindest jetzt noch mit Wohlwollen zu begegnen. „Irgendetwas von einem Café am Ende der Welt“, antwortete sie. „Ich weiß auch nicht, warum es mir nicht gefallen hat. Meine Familie hat mich gezwungen es zu lesen, weil es doch so schön sei. Sie dachten wohl, man könne mich durch diese Leseempfehlung wieder heilen, was zumindest bei mir gründlich danebengegangen ist.“

„Warum?“, fragte nun Sophie. Lea seufzte bei der Antwort.

„Ach, na ja. Dieser Autor John Soundso ist wohl eher etwas weltfremd und glaubt, das Leben der Menschen sei selbst bestimmbar. Er hat dabei vollkommen außer Acht gelassen, dass es auch Schicksale gibt oder eben gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die ein Menschenleben prägen können. Ich habe dieses Buch dann irgendwann an die Wand geschmissen. Obwohl ich zugeben muss, dass mich die Beschreibung des Cafés anfänglich sehr fasziniert hat.“ Etwas scheu blickte sie ihre Gesprächspartnerinnen an.

Fabiennes Blick ruhte erst auf ihr, dann sah sie zu Sophie hinüber. Während sie zur Theke ging, sprach sie laut in den Raum hinein.

„Volltreffer, Schätzchen, und selbst mir bleiben fast ein bisschen die Worte weg. Das Buch, das du gerade erwähnt hast, ist tatsächlich fast so etwas wie die heilige Bibel für meinen John, den du eben kurz kennengelernt hast. Der Autor des Buches ist John Strelecky und mein John hat diese Namensgleichheit immer als Zeichen für sich gedeutet. In einer schlimmen Phase in seinem Leben war das Buch ihm ein wichtiger Halt. Als es ihm irgendwann hier in Shamballa wieder besser ging, beschloss er, mit meiner Hilfe ein ähnliches Konzept zu schaffen. Ein bisschen etwas vom Ende der Welt hat das Ganze hier ja, und was du als Wohnzimmercharakter beschrieben hast, ist so auch absolut gewollt. Und ein Raum kann immer nur so gut sein wie die Energie der Person, die ihn betritt. Ein Raum kann immer nur ein Angebot sein, das darf ich dir schon jetzt mit auf den Weg geben, Schätzchen. Und auch wenn es mir nicht zusteht, dir das zu sagen: Sei dankbar, dass du es geschafft hast, diesen Ort hier zu entdecken. Es ist höchste Zeit.“ Ernst, aber freundlich sah sie Lea an. „Und jetzt mache ich euch beiden erst einmal einen Tee.“

Lea fühlte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss. Da war sie ja mit Anlauf direkt in einem Fettnäpfchen gelandet. Sie fühlte sich bloßgestellt und wollte sich erklären, doch Sophie berührte sie kurz am Arm und unterband ihren Versuch, noch bevor sie Luft holen konnte.

„Lass das einfach einmal zu, Lea“, sagte sie sanft. „Es arbeitet schon.“ Sie wies auf einen kleinen Tisch mit zwei Stühlen. „Komm, wir setzen uns dorthin.“ Als beide Platz genommen hatten, ergriff Sophie wieder das Wort. „Ich würde dich jetzt gerne ein bisschen auf das vorbereiten, was in den nächsten Tagen passieren kann, wenn du damit einverstanden bist. Das ist der wichtigste Punkt, den du begreifen darfst. Nichts passiert hier ohne deine ausdrückliche Erlaubnis, und es passiert auch nichts Ungewöhnliches, was nicht schon Tausende Male zuvor in deinem Leben passiert ist. Das Einzige, was sich unterscheiden wird, ist, dass sich dein Bewusstsein verändern wird – wenn du es erlaubst.“

Spontan erschien Lea wieder ein Spiegelei vor ihrem geistigen Auge und sie musste schon wieder lachen, was Sophie mit einem liebevollen Augenaufschlag quittierte.

„Samuel“, setze Sophie fort, „wird jeden Tag einige Minuten mit dir arbeiten, und dafür musst du eigentlich nur anwesend sein und aufmerksam. Die restlichen Stunden des Tages kannst du den Studien widmen, die Samuel dir anbietet. Ich werde dich bei diesem Studium stets unterstützen und versuchen, deine Fragen zu beantworten. Samuel wird dir jeden Tag eine neue Lehre vorstellen. Wir nennen diese Lehren die Paragus-Prinzipien. Sie gehen auf uraltes Wissen zurück und doch sind sie so modern, wie du es dir jetzt vielleicht noch nicht vorstellen kannst.“

Vor lauter Informationen schwirrte Lea der Kopf. „Paragus?“, fragte sie verwirrt. „Was soll das sein?“

„Paragus ist ein Akronym“, erklärte Sophie. „Jeder Buchstabe stellt den ersten Buchstaben eines Prinzips dar. Beginnen werden wir mit dem P, welches für Polarität steht und einen sehr wichtigen Grundgedanken für eine andere Wahrnehmung in dir einpflanzen soll.“

Prinzipien? Einpflanzen? Lea zuckte und wollte schon lospoltern, doch etwas an Sophie ließ sie innehalten.

„Ich weiß, Lea, was du mir sagen willst, und das hast du ja auch eben schon klar formuliert. Du glaubst generell nicht an Prinzipien dieser Art, geschweige denn, dass Inhalte eine heilende Wirkung haben können. Und lass dir eines von vornherein genauso deutlich gesagt sein: Diesen Prinzipien ist es wirklich vollkommen egal, ob jemand an sie glaubt oder nicht, da es sich um Naturgesetze handelt, die immer wirken. Was wir dir versuchen werden beizubringen, ist, diese Wirkungen bewusst zu steuern. Unbewusst arbeiten diese Kräfte auch jetzt schon in dir, auch wenn du es nicht glaubst.“

Lea fühlte zwar immer noch einen inneren Widerstand gegen Sophies Worte, doch aufmerksam folgte sie ihren Ausführungen. Zu ihrem eigenen Verwundern verspürte sie ein Gefühl von Vertrauen der jungen Frau gegenüber, die sie doch gerade erst kennengelernt hatte.