Leben wagen bis ins hohe Alter - Maria G. Baier-D’Orazio - E-Book

Leben wagen bis ins hohe Alter E-Book

Maria G. Baier-D’Orazio

4,9

  • Herausgeber: Frick
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Wünschen Sie sich, mit siebzig rundum aktiv zu sein? Möchten Sie mit achtzig in der Gesellschaft etwas zu sagen haben? Können Sie sich vorstellen, mit neunzig noch an Selbstverwirklichung zu denken? Glauben Sie, dass ein Hundertjähriger Zukunftspläne haben kann? Wenn ja, lässt Sie dieses Buch spannende Vorbilder entdecken. Die hier vorgestellten Männer und Frauen sind 80 und noch viel älter. Sie zeigen uns: Alter muss keine „Abwärtskurve“ im Leben sein. Courage, Kreativität, Visionen und Ziele, Neues wagen, seine Wünsche und Träume verwirklichen, Liebe zulassen, man selbst sein – all das ist bis ins hohe Alter möglich. Wir alle haben die Chance, es ihnen nachzutun. Dazu aber sollten wir die Sichtweise ändern, mit der wir auf das Alter blicken.

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Seitenzahl: 648

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Maria G. Baier-D‘Orazio

Leben wagen bis ins hohe Alter

Es ist im Alter viel mehr möglich, als wir glauben …

FRICK VERLAG GmbH – Postfach 447 D-75104 PFORZHEIM

Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Lektorat: Felicitas Jung

© Copyright byFrick Verlag GmbH, Pforzheim

2012 Erste Auflage

Alle Rechte, auch die der auszugsweisen oder fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.

Coverbild: Im Sophienkeller, Dresden Foto: Maria G. Baier-D‘Orazio

Foto der Autorin: Ute Karen Seggelke (2010)

Covergestaltung: Brigitte Jach

ISBN 978-3-939862-93-2

Zu diesem Buch

Wir sind ein sehr sicherheitsorientiertes Land. Wir planen gern und sind der Meinung, dass man für alles im Leben vorsorgen kann. Auch für das Alter. Inwieweit aber garantiert uns materielle Vorsorge, dass wir im Alter glücklich sein werden? Vorsorge geht von einem Bild zukünftigen Mangels und zukünftiger Beschränkung aus. Das polt auf eine Negativsicht vom Alter hin, die in unserer Gesellschaft tief verankert ist. Vorsorge garantiert uns im Alter den Ausgleich eines Mangels, nicht aber Entfaltung. Die Gesellschaft fordert von alten Menschen, dass sie in Würde altern sollen. Inwieweit aber achtet die Gesellschaft die Würde alter Menschen? Negative Stereotype, ein mechanisiertes Pflegesystem und eine für alte Menschen minimalistisch gewordene medizinische Fürsorge sprechen Bände für den, der es zu sehen und zu hören weiß.

Wenn wir als Individuen ein anderes Ergebnis wollen, müssen wir uns selbst mehr vertrauen als Versicherungs- oder Vorsorgesystemen und uns an mutigen, positiv ausgerichteten Menschen hohen Alters orientieren. Gleichzeitig sollten wir uns für Veränderung in der Gesellschaft einsetzen. Wir könnten uns dabei von Sicht- und Lebensweisen in anderen Ländern inspirieren lassen: vom Humor der Briten, dem sozialen Miteinander der Italiener, dem Antidiskriminierungsgeist der Amerikaner. Und ein Blick nach Asien oder Afrika würde uns zeigen, wie Achtung vor dem Alter aussehen kann.

Maria G. Baier-D’Orazio, Jahrgang 1952, befasste sich schon in jungen Jahren mit Recherchen zum Potenzial von Menschen hohen Alters. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften arbeitete die Autorin viele Jahre als Entwicklungshelferin in Südamerika und Afrika. Die Begegnung mit fremden Kulturen führte zu ihrem Engagement gegen Vorurteile und Diskriminierung. Thematiken nicht nur geografisch-kulturell, sondern auch vom Denkansatz her aus einer anderen Perspektive zu betrachten, ist ein Kennzeichen vieler ihrer Publikationen.

Die Autorin ist heute als freie Gutachterin und Beraterin tätig. Sie lebt in Pforzheim und Genua.

Das Alter gräbt uns mehr Falten in den Geist als in das Gesicht.

Michel de Montaigne

Um wirklich jung zu sein, braucht man eine sehr lange Zeit.

Pablo Picasso

Meiner Mutter gewidmet, die mir zeigte, was im Geiste jung bleiben heißt, zu einer Zeit, da noch niemand von jungen Alten sprach.

Vom Stein der Jugend bei der großen Eiche

Die Jugend ist nicht ein Abschnitt des Lebens, sie ist ein Zustand der Seele, der in einer bestimmten Form des Willens besteht, in einer Bereitschaft zur Phantasie, in einer gefühlsmäßigen Kraft; im Überwiegen des Mutes über die Zaghaftigkeit und der Abenteuerlust über die Liebe zur Bequemlichkeit. Man wird nicht alt wegen der einfachen Tatsache, dass man eine bestimmte Zahl von Jahren gelebt hat, sondern nur, wenn man sein eigenes Ideal aufgibt. Wenn die Jahre ihre Spuren auf den Körper zeichnen, so zeichnet der Verzicht auf die Begeisterung sie auf die Seele.

Der Abscheu, der Zweifel, das Fehlen von Sicherheit, die Furcht und das Misstrauen sind lange Jahre, die das Haupt beugen und den Geist zum Tode führen.

Jung sein bedeutet, mit sechzig oder siebzig Jahren die Liebe zum Wunderbaren bewahren, das Erstaunen für die leuchtenden Dinge und die strahlenden Gedanken; den kühnen Glauben, den man den Ereignissen entgegenbringt, den unstillbaren Wunsch des Kindes für alles, was neu ist, den Sinn für die angenehme und fröhliche Seite des Daseins.

Ihr werdet so lange jung sein, wie euer Herz die Botschaft der Schönheit, der Kühnheit und des Mutes aufnehmen wird; die Botschaft der Größe und der Stärke, die euch von der Welt, von einem Menschen oder von der Unendlichkeit geschenkt werden.

Wenn alle Fasern eures Herzens gerissen sein werden, und wenn sich auf ihnen der Schnee des Pessimismus und das Eis des Zynismus gehäuft haben werden, erst dann werdet ihr alt sein, und dann möge Gott sich eurer Seele erbarmen.

Inschrift im Parco Giardino Sigurta bei Verona

Inhaltsverzeichnis

Vorwort – Warum ich dieses Buch geschrieben habe

Einführung

Weder Senioren noch Best Agers – warum ich das Wort „alt“ gebrauche

1. Kapitel

Was im hohen Alter möglich ist – allen Unkenrufen zum Trotz

Körperliche Leistungen von Menschen hohen Alters

Geistige Leistungen von Menschen hohen Alters

Arbeitsleistungen von über Achtzigjährigen

Die Fähigkeit, mit neuer Technologie umzugehen

Neues denken und wagen auch in hohem Alter

Kreativität im Alter

Schönheit im Alter

Liebe und Sexualität im Alter

Visionen jenseits der Achtzig

Wagnis im Alter

2. Kapitel

Vier große Frauen

„Benzin statt Muttermilch“ – ein Portrait der Unternehmerin Heidi Hetzer

„Salz auf unserer Haut“ – Benoîte Groult und ihr provokatives Meisterwerk

„Nur alt zu sein, ist nicht ein Wert in sich: man muss auch etwas zu sagen haben“ – Gedanken der Neurobiologin und Nobelpreisträgerin Rita Levi Montalcini

„Dauernd interviewt man mich zum Tod, wo ich doch Lust habe, über das Leben zu reden“ – Sœur Emmanuelle

3. Kapitel

Stereotype und Vorurteile zum Alter – es gibt sie noch

Haben wir ein neues Bild vom Alter?

Denkmuster der Gesellschaft

Wie Alter zu sein hat – die hemmende Kraft von Normierung

„Alt soll sich nicht mit jung verbinden“

Wie jung darf ein alter Mensch sich fühlen?

4. Kapitel

Fokussierung auf vitales Alter heißt nicht, die anderen Alten abzuwerten

5. Kapitel

Wie Medien, Werbung und Bücher das Bild vom Alter beeinflussen

Wandel zum pro-Alter bei den Printmedien

Stagnierendes Fernsehen, mutige Filmemacher

Schönheit des Alters in der Werbung

Bücher zum Alter – was sie bewirken und was sie anrichten können

6. Kapitel

Die geheime Macht der Naturwissenschaft

7. Kapitel

Blickwinkel und Relationen – Wie Statistiken, Teilinformationen, verkürzte Sichtweisen und fehlende Zusammenhänge uns in die Irre führen können

Realität ist das, was viele glauben – oder?

„Irgendwann einmal gehen alle ins Altersheim“

„Im Alter kriegt man Alzheimer“

Der hunderttausendfache Zelltod

Die relative Langsamkeit

Weshalb das Kurzzeitgedächtnis im Alter (sonst noch) schwinden könnte

„Steffi, du bist so alt!“

„Alter und Krankheit gehören zusammen“

Zähne, Augen, Ohren – „alles geht verloren“?

Was man nicht ausprobiert hat, kann man nicht erlebt haben

Wie Betrachter und Methoden wissenschaftliche Ergebnisse beeinflussen

Wer vergleicht was womit?

Wenn Pauschalierung und 3,6 % uns ins Boxhorn jagen

Jung und weise, geht das?

Die „Schuld“ der Alten

Ein schreckliches Kapitel

8. Kapitel

Deutschland und der Rest der Welt

Wenn Arbeitsgrenzen alt machen

USA – wo mehr möglich ist als anderswo

Akzeptanz und Humor – die Briten und das Alter

Fernost – wo Gene, Fisch und Spirituelles sich verbündet haben

Afrika – Achtung vor dem Alter, auch heute noch

9. Kapitel

Sonderfall Italien oder: Wie man auf wundersame Weise das Alter überlebt (und dies auch noch lebensfroh)

10. Kapitel

Wider die Negativ-Leitplanken auf dem Weg zum Alter

11. Kapitel

Müsli, Sport oder Gene – woran glauben wir?

Mettbrötchen, Wassermelonen oder Whisky – alt werden nach welchem Rezept?

Jenseits von Genen und Ernährung – worum geht es uns, wenn wir nach Rezepten für ein gutes Alter suchen?

Jugendliche Ausstrahlung, die von innen kommt

12. Kapitel

Wachsen und wagen – auch im Alter

„Seinsvorsorge“ – eine krisenunabhängige Lebensversicherung

Arbeit als Lebensaufgabe

Bereitschaft zum Wandel als Lebenselixier

Träume fragen nicht danach, wie alt du bist – sie fragen danach, was du zu wagen bereit bist

Das ganze Leben umkrempeln – an der Schwelle zum Alter

Erfülltes Alter, auch wenn Krankheit zum ständigen Begleiter geworden ist?

13. Kapitel

„Ich bin noch derselbe, der aus mir ‚rausguckt‘“ – Warum diese Alten nicht alt sind.

„Warum soll ich langsamer tun, nur weil ich über Hundert bin? Ich weiß, was das Beste ist, und das ist: Arbeiten.“ – Connie Brown (Großbritannien), 102 Jahre

„Ich muss noch fünfzig Jahre leben, wenn ich alles verwirklichen will“ – Christian Gruhl, 80 Jahre

Als Achtzigjähriger noch beruflich zwischen Kaliningrad und Ghana unterwegs? So what! – Friedrich Thimm, 86 Jahre

Die berufstätige Bewohnerin des Seniorenwohnheims – Elisabeth Hintrager, 86 Jahre

„Ich lebe meinen Lebenstraum!“ – Claus Günther, 79 Jahre

„Man ist alt, wenn man aufhört, neugierig zu sein.“ – Dr. Otfried Ulshöfer, 79 Jahre

„So alt, wie ich aussehe, werde ich nie“ – Jürgen Schönfeld, 70 Jahre

„Dieses wunderbare Leben, das kennen die nicht!“ – Gisela Lauenroth, 87 Jahre

„Das Geheimnis ist, immer beschäftigt zu sein, Leute zu treffen und mit Menschen umzugehen.“ – Phyllis Self (Großbritannien), 101 Jahre

„Mit 80 durch die Wüste“ – Wilhelm Simonsohn, 91 Jahre

„Nicht so viel über Krankheiten reden und denken!“ – Dr. Hermann Pünder, 86 Jahre

Steh auf und versuch es wenigstens! – Hilda Kemp (Großbritannien), 98 Jahre

Eine wunderbare Liebe – Walter Robotti (Italien), 87 Jahre

14. Kapitel

Alt sein beginnt im Denken. Jung bleiben auch.

Anmerkungen und Zitathinweise

Bibliographie

Dank

Vorwort – Warum ich dieses Buch geschrieben habe

Alter als eine einzige „Abwärtsbewegung“, hin zu Beschränkung, Unfähigkeit, Verlust? Bereits als junger Mensch fand ich, dass an dieser sogenannten Realität des Alters etwas nicht stimmen konnte. Wie war es möglich, dass auf der einen Seite alte Menschen gemeinhin als unproduktiv und unfähig abgeschrieben wurden, es aber auf der anderen Seite überall in Wissenschaft, Kunst oder Politik brillante Köpfe gab, die alles andere als jung waren und die Geschichte schrieben? Ob diese nun Albert Einstein, Leonardo da Vinci, Giuseppe Verdi, Mahatma Gandhi, Golda Meir, Konrad Adenauer oder Winston Churchill hießen – sie alle waren berühmt, verehrt, gefürchtet, bewundert. Und sie alle waren „alt“.

Allein mit Blick auf die Politiker erschien mir dies als ein wahres Paradox der Realität. Wenn Menschen mit 70 und 80 Jahren eine ganze Nation leiten konnten, musste viel mehr im Alter möglich sein, als man gemeinhin annahm. Der Unterschied musste darin liegen, wie diese Menschen sich selbst wahrnahmen, wie sie ihr Leben ansahen. Politische Funktion bei den einen, Lebensaufgabe bei den anderen, brachte es sie offensichtlich dazu, nicht mit 60 Jahren einen geistigen Schlusspunkt in ihrem Leben zu setzen. Somit musste es für jeden möglich sein, das Alter anders zu leben. Ich stellte mir die Frage, ob es auch Menschen wie du und ich gab, die ihr Alter auf bewundernswerte Weise meisterten und die nicht zu den Großen aus Politik und Wissenschaft zählten?

Ich begann, Ausschau danach zu halten. Hulda Crooks, eine Amerikanerin, die mit 91 Jahren den Fujiyama bestieg, war die erste, die ich entdeckte. Das war 1987, ich war damals 35 Jahre alt. Danach begann ich systematisch, Berichte über ungewöhnliche alte Menschen zu sammeln. Wer hätte jedoch vor zwanzig, dreißig Jahren ein Buch über alte Menschen lesen wollen? Heute ist das Thema in aller Munde. Wer aber meint, nun viele Bücher zu finden, die zu couragiertem und vor allem unkonventionellem Handeln im Alter ermutigen, wird eines Besseren belehrt. Das ist nicht das Thema, auch heute nicht. Dass man in unserer Zeit gern aktive Hundertjährige porträtiert, heißt nicht auch, dass Stereotype und negative Vorstellungen vom Alter verschwunden sind. Zwar erkennen wir, nach und nach, dass Alter nicht unbedingt so verlaufen muss, wie wir es bisher im Kopf hatten. Doch negative Stereotype gibt es noch zuhauf. Sie sind fest verankert, in der Gesellschaft wie auch in uns als Individuen.

So habe ich meinen ursprünglichen Plan, in diesem Buch nur Beispiele bewundernswerter alter Menschen vorzustellen, bald revidiert. Ich erkannte, dass man positives Alter nicht diskutieren kann, ohne die Kehrseite dessen zu beleuchten: die Vorurteile und Stereotype gegenüber dem Alter. Als Autorin haben mich Stereotype schon früh beschäftigt. Die Tatsache, dass ich zwischen zwei Nationen aufgewachsen bin, hat dazu ebenso beigetragen wie später mein Beruf, der einen weltweiten Radius hat. Ich bewege mich seit Jahrzehnten zwischen den Kulturen, lernte andere Denk- und Lebensweisen kennen. Über den Tellerrand hinauszublicken, kann so manche Erkenntnis bringen. Allein ein Blick über den Ärmelkanal würde schon genügen. Großbritannien wie auch die USA sind uns im Hinblick auf Vorurteilsfreiheit gegenüber dem Alter um einiges voraus.

Dieses Buch, mit seiner Vielzahl von Beispielen, will zeigen, dass wir uns selbst im hohen Alter nicht vom Leben zu verabschieden brauchen. Aus meiner Perspektive geht es dabei weniger darum, das äußere Leben zu verlängern, als darum, dem „inneren Leben“ kein Ende zu setzen. Ändern wir die Sichtweise: denken wir uns das Alter nicht als eine Abwärtslinie, sondern als Aufwärtslinie in unserer Entwicklung als Mensch, was immer wir darunter auch verstehen mögen. Das verschafft uns Kraft, Mut und Lebensfreude. Und es wird eine humanere Welt für jene schaffen, die schon alt sind. Dann nämlich werden wir auch in ihnen das Lebendige sehen, ganz gleich, wie alt oder krank sie im Außen auch wirken mögen. In diesem Sinn wünsche ich allen Lesern und Leserinnen eine spannende Entdeckungsreise.

Maria G. Baier-D’Orazio – im Mai 2012

Einführung

Staunend hören wir von ihnen, den dynamischen Alten, die alle Bilder außer Kraft setzen, die wir vom Alter haben. Mit 91 Jahren einen Viertausender-Gipfel besteigen? Mit 96 Jahren ein Forschungsinstitut gründen? Mit 102 Jahren noch im eigenen Geschäft stehen und Kunden bedienen? Wir können es kaum glauben.

Wir sind es gewohnt, Alter als Beschränkung zu sehen, als Weg, der nach unten führt und nicht nach oben. Fitness, beruflicher Erfolg, Leistungsfähigkeit und Kreativität verbinden sich in unserem Denken nicht mit dem Wort Alter. Auch wenn die heute Sechzig- und Siebzigjährigen dabei sind, dieses Bild zurechtzurücken: dynamische, aktive alte Menschen betrachten wir immer noch als Ausnahme. Somit fällt es den meisten von uns schwer, dieses Wunder an Lebenserfüllung als machbar anzusehen, spukt doch in uns die Negativ-Vision von Pflegefall und Altersheim umher wie ein nicht tot zu kriegendes Gespenst.

Blicken wir um uns, scheint die Realität es zu bestätigen, sehen wir doch um uns herum mehr kranke, gebrechliche und pflegebedürftige alte Menschen als fidele und aktive Alte. Da wir trotzdem tief in unserem Inneren hoffen, eine dieser Ausnahmen sein zu können, oder zumindest hoffen, im Alter noch so fit zu sein, dass das Leben nicht zur Bürde wird, stürzen wir uns auf das, was uns hierfür als Mittel am vertrautesten ist: Bewegung, Sport, gesunde Ernährung, Gehirnjogging. Wir folgen dem Rat des Arztes, nicht mehr so viel und so fett zu essen, schlucken Vitaminpillen, schwitzen bei Walking, Trekking, Body Shaping. Wir trainieren bei jeder Zugfahrt mit Sudoku, bauen uns auf mit Yoga oder Tai Chi. Und in der Tat, wir fühlen uns damit vitaler und hoffen, das Alter meistern zu können.

Doch haben wir damit auch die unterschwellig schleichende Angst vor dem Alter besiegt – die Angst, die uns gerade dazu bringt, all dies zu tun? Gehen wir trotzdem nicht als blendend aussehende Dreißigjährige bereits auf die Suche nach den ersten Falten? Haben wir nicht als topfitte Vierzigjährige das Gefühl, uns rechtfertigen zu müssen, wenn wir uns noch zu den Jungen zählen? Sehen wir uns als erfolgreiche Fünfzigjährige beruflich nicht schon unwiderruflich auf dem absteigenden Ast?

Das Fatale ist, dass die Angst vor dem Alter uns mehr bestimmt, als wir es wahrhaben wollen. Damit ist sie unser mächtigster Gegner. Denn die Wunder der fitten, dynamischen und beruflich aktiven Achtzig- und Neunzigjährigen werden für uns so lange unerreichbare Visionen bleiben, wie wir bereits als junge Menschen ängstlich auf jedes Anzeichen von Alter starren, wie wir uns von einer scheinbar so überzeugenden Realität leiten lassen. So lange auch, wie wir uns von Gesellschaft und Umwelt in eine Denkweise drängen lassen, die Anderen mehr dient als uns selbst. Der junge Schweizer Philosoph Alexandre Jollien hat dazu etwas Bemerkenswertes gesagt: „Auf ein Handicap schließt man vor allem durch die Sichtweise der Anderen – und durch sich selbst, wenn man sich diese Sichtweise der Anderen zu eigen macht.“1 Das sollte man sich immer vor Augen halten.

Das Handicap des jungen Jollien ist die körperliche Behinderung. Alter als Handicap, darum geht es hier. Auf dem Weg zu einem selbstbestimmt glücklichen Alter werden wir es oft genug mit diesem Hindernis der Fremdbestimmung zu tun haben, dessen sollten wir uns bewusst sein. „Leute mit Mut und Charakter sind den anderen Leuten immer sehr unheimlich“, schrieb schon Hermann Hesse. Das gilt auch für mutige alte Menschen, wenn sie es wagen, unkonventionell zu werden. Eine 80-Jährige, die Ballettunterricht gibt, ein 90-Jähriger, der den Doktortitel macht, eine 100-Jährige, die noch arbeitet? Toll. Jeder mag das bewundern. Was aber, wenn es derselben alten Dame, die wir soeben noch bewunderten, plötzlich einfällt, sich mit 80 Jahren rote Strähnchen ins Haar färben zu lassen, ein eng anliegendes Kleid zu tragen oder gar allein in eine Tanzbar zu gehen? Was, wenn uns die 85-Jährige gesteht, sie habe sich verliebt, der 90-Jährige uns auf den Kopf zusagt, er vermisse den Sex? Wird die Bewunderung auch dann noch halten?

Gesellschaften sind mit ordnenden Rollenzuweisungen schnell bei der Hand, zumal dann, wenn sie als solche schon normierungsfreudig sind. Diese Rollenzuweisungen verfestigen sich zu Mustern, werden zur Überzeugung und kehren sich letztlich um in Stereotype. Es engt ein, doch es kommt uns auch zugute, oberflächlich betrachtet. Denn wo Ordnung herrscht, braucht man keine Angst zu haben, kann man sich in einem scheinbar sicheren Lebensrahmen bewegen. Insofern sind wir als Deutsche vielleicht stärker als andere Nationen geneigt, uns solchen Mustern zu unterwerfen, denn Sicherheit hat bei uns einen hohen Stellenwert.

In anderen Ländern und anderen Kulturen wird Alter in vielerlei Hinsicht anders gesehen. Auf dem afrikanischen Kontinent ist Alter eng mit Respekt verknüpft. Im Kampfsport Asiens steht Alter für Meisterschaft. In Argentinien sind es nicht die Jungen, die den leidenschaftlichen Tango am besten tanzen. Und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, den USA, ist Wollen und Können wichtiger als die Tatsache, dass man alt ist.

Bei uns scheint es so, als seien die Menschen ständig hin- und hergerissen zwischen der Angst vor Alzheimer (nirgendwo in Europa, so könnte man meinen, sieht man so viele Menschen im Zug über Sudoku gebeugt wie in Deutschland) und der vagen Hoffnung, später vielleicht doch zu den fitten Best Agers gehören zu können, von denen zunehmend die Rede ist. Das Problem ist nur, dass die unterschwellige Angst vor dem Alter dieser Hoffnung wenig Chancen gibt. Vor allem dann nicht, wenn der Sinn des Daseins über die Erwerbsarbeit definiert wird und man einer Nation angehört, in der Vorsorge gleichzeitig Bevormundung bedeutet: mit 65 Jahren hat man Anspruch auf Rente, denn dann ist man alt und nicht mehr leistungsfähig. Verschiebt sich diese Grenze, wie gerade jetzt, hat das weniger mit einer anderen Einstellung zu tun als mit dem Zustand der Rentenkassen. Lediglich die Selbstständigen, die Künstler und Personen des öffentlichen Lebens erlauben sich den Luxus der Selbstbestimmung, der – von jung an – viel mit Risiko zu tun hat. Interessanterweise sind gerade unter ihnen, später im Alter, am häufigsten dynamische Männer und Frauen anzutreffen.

Der „Ruhestand“ als Endstation, viele empfinden es so. Von da ab kann die Lebenskurve nur noch nach unten gehen. Bestenfalls bringt man den letzten Lebensabschnitt mit sinnvoller Beschäftigung, mit Kreuzfahrten, Kaffeekränzchen, Skatabenden und Enkelkindern hinter sich; schlimmstenfalls mit Apathie, Passivität, Krankheit, Gebrechlichkeit oder Demenz.

Nun mehren sich in den letzten Jahren Gegenstimmen zu diesem Bild. Das Alter wird mehr und mehr als Potenzial entdeckt. Inwieweit aber können wir diesem Sinneswandel trauen? Manche führen ihn auf die 68er-Generation zurück, die sich, schon immer rebellisch, Alterszuweisungen nicht gefallen lassen will. Genau besehen, scheinen jedoch andere Gründe ausschlaggebender zu sein. Gewinnmaximierung zum Beispiel. Die Alten von heute stellen ein Kaufpotenzial dar, das durch eine auf Jugend getrimmte Werbung lange vernachlässigt wurde. Ein Markt droht verloren zu gehen, die Wirtschaft sputet sich. Ältere Gesichter tauchen auf Plakaten auf, gut erhaltene Senior-Models dürfen Foto-Shootings machen. Die Werbung beginnt, sich auf die neuen alten Kunden einzustellen. Alter wird salonfähig, darf sogar als relative Schönheit sichtbar werden.

Ein anderer Grund für das positiver werdende Bild ist die simple Notwendigkeit: wir sind eine alte Gesellschaft, rein statistisch gesehen. Lebensmuster früherer Zeiten greifen nicht mehr. Versorgung wird ein Problem, wenn die bisherige Einstellung zum Alter beibehalten wird. Soziale Lasten drohen uns zu begraben, wenn ältere und alte Menschen aus dem Lebens- und Wirtschaftsgefüge unserer Gesellschaft herausgekippt werden. Somit rücken die Alten zwangsweise ins Visier. Es muss etwas geschehen mit ihnen. Die Zeichner von Horrorszenarien, die sie am liebsten entsorgen würden, sind zum Glück in der Minderheit. Das Augenmerk richtet sich stärker darauf, die Alten möglichst lange autonom sein zu lassen, sie gesund und fit zu erhalten – damit sie so wenig wie möglich zur Last fallen. Oder sie, andersherum gesehen, wieder zu integrieren, damit sie einen Teil der Last bewusst mittragen.

Die Anhebung des Rentenalters, die gerade stattgefunden hat, gibt genau das wieder. Tendenzen, die gewiss am Bild des Alters etwas ändern werden. Ändern sie auch am Bild des Menschen etwas? Wird es Stereotype auflösen? Wird es alte wie junge Menschen dazu ermutigen, das Alter anders zu sehen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Nicht immer vermögen von außen gesteuerte Veränderungen auch Denkmuster aufzulösen.

Prompt erheben sich die ersten Gegenstimmen, beklagen sich über den Zwang, heute als älterer Mensch fit und dynamisch sein zu müssen. Geradeso als sei es eine Qual, zu Gesundheit und Lebensintensität aufgerufen zu werden. Alte solle man doch alt sein lassen. Sie sollen ein Recht auf Bequemlichkeit und Passivität haben, sollen jammern und krank sein dürfen. Diese Stimmen kommen vermehrt aus den Reihen von Psychotherapeuten, Ärzten, Pflegepersonal, werden diese doch täglich mit dem geballten Jammer des Alters konfrontiert.

So gut diese Einstellung als Schutzschild für die wirklich Gebrechlichen auch sein mag, Alter mit seinen Beschränkungen wird damit zur Gesetzmäßigkeit stilisiert, der man sich ab einem bestimmten Zeitpunkt unterordnen sollte. Diese Einstellung tritt „für“ die Alten ein, aber tut man ihnen damit einen Gefallen? Hilft es einem alten Menschen, „krank sein zu dürfen“? Oder reflektiert diese Hilfe nicht doch etwas von der Denkweise, dass Krankheit, Schwäche und Gebrechlichkeit untrennbar zum Alter gehören?

Spätestens hier merkt man: der Wandel im Denken ist noch nicht eingetreten. Es gibt sie noch, die Schubladen der Stereotypen und Vorurteile, und das zuhauf. Auf ihnen kleben Etiketten, die in etwa so beginnen: „in deinem Alter –?“, „sie kann ihr Alter nicht annehmen…“, „man soll in Würde altern“, „nicht um jeden Preis jung sein wollen“. Was aber heißt: in Würde altern? Könnte es heißen: Tue ja nur das, was andere als schicklich ansehen? Und was heißt es, das Alter anzunehmen? Bedeutet es, die Pantoffeln hinter dem Ofen hervorholen? Keinen Lippenstift mehr zu benutzen? Nur noch lange Unterhosen zu tragen? Und wenn ja: ab wann soll dies gültig sein? Vielleicht dann, wenn die ersten Falten erscheinen? Dann müssten manche Damen schon mit Dreißig auf den Lippenstift verzichten. Oder sind die grauen Haare das Kennzeichen? Pech nur, dass dann so manch ein Zwanzigjähriger zu Pantoffeln und langen Unterhosen verdammt wäre. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Denkmuster und Normierungen am Wirken sind. Dinge haben so zu sein, weil irgendjemand es so bestimmt hat.

Wir haben so zu sein, wie andere es bestimmen.

Nicht von ungefähr also, dass jene Alten, die uns als Vorbilder erscheinen, sich genau diesen Denkmustern nicht unterordnen. Sie haben den Mut, anders zu sein – sie selbst zu sein.

Sie lassen sich nicht von der Umwelt definieren, sie definieren sich selbst. Sie tun das, worin sie sich als Mensch wiederfinden, was ihrem Leben Sinn gibt, und zwar nicht nur als Beschäftigungstherapie. Wenn auch die Lebenskonstellation eines jeden von ihnen völlig anders geartet ist, eines ist ihnen gemeinsam: Alter ist das Thema, das sie am wenigsten beschäftigt. Sie sind wer, können was, haben Ziele und Visionen. Das ist es, was für sie zählt, oft sogar dann noch, wenn Schicksalsschläge sie niederdrückten, wenn Behinderungen körperlicher Art sie einschränken. „Alt sein an sich ist kein Verdienst: was zählt, ist, ob man was zu sagen hat“, ein Ausspruch der Naturwissenschaftlerin Rita Levi Montalcini, die mit über 100 Jahren noch das ehrgeizige Projekt hat, ein Mittel gegen Alzheimer zu finden.

Die Alten, um die es in diesem Buch geht, zeigen, wie viel tatsächlich möglich ist. Jeder kann selbst entscheiden, ob er sie nachahmen will oder nicht. Die Nachahmung könnte sich lohnen. Vergessen wir dabei für einen Augenblick die defizitäre Rentenkasse und die Sorgen der Wirtschaft: denken wir an uns selbst, als Menschen, die die Wahl haben, ihr Leben aufwärts oder abwärts zu leben. Denn eines kommt in der Literatur zum Alter selten vor: die Frage danach, wie wir unser Leben als Ganzes sehen. Nicht die Frage „Wer will ich später im Ruhestand sein?“ sollte die Schlüsselfrage sein, sondern die Frage danach, wie ich mich selbst definiere, was für mich als Mensch und Individuum Leben bedeutet.

Vielleicht geht es mehr um die Kontinuität der persönlichen Entwicklung als um eine ab einem bestimmten Zeitpunkt auftretende „Weisheit des Alters“. Damit verlöre sich auch der krasse Gegensatz alt-jung, würde ersetzt durch die Frage: wer bin ich und was ist die bestmögliche Vervollkommnung, die ich erreichen kann.

Und warum sollte ausgerechnet diese bei irgendeinem Alter stehenbleiben?

Weder Senioren noch Best Agers – warum ich das Wort „alt“ gebrauche

Dieses Buch hat zum Ziel zu zeigen, wie wenig sich „das Alter“ vom übrigen Leben unterscheiden muss, wenn es um Fähigkeiten geht, um Wissen und Können, um Liebe und Schönheit, um Neugier und Schaffenskraft. Somit verzichte ich ganz bewusst darauf, beschönigende Ersatzworte für „alt“ zu verwenden. Ich bin der Meinung, dass man nur etwas beschönigen muss, das weniger wert oder weniger gut ist. Menschen wollen bei uns deswegen nicht „alt“ sein, weil sich damit negative Verknüpfungen ergeben und weil man alt als das Gegenstück zu jung ansieht, wobei dieses „jung“ gleichgesetzt wird mit dynamisch, gesund, aktiv, schön, leistungsfähig. Da das Buch dazu beitragen möchte, diese falsche Polarisierung aufzuheben, möchte ich konsequenterweise auch keine beschönigenden Ausdrücke verwenden. Sie werden in diesem Buch weder die Senioren finden noch die Best Agers und auch nicht die Silver Workers. Für mich, und für dieses Buch, bedeutet „alt“ in erster Linie eine kalendarische Größe, mit der man Menschen bezeichnet, die länger auf Erden sind als andere. Es soll weder eine Wertung hervorrufen noch eine Abgrenzung (wenn ich das Wort „älter“ verwende, dann um die kalendarisch definierte Altersetappe der ca. 60-80-Jährigen zu bezeichnen).

Ich möchte ganz bewusst nicht „Verständnispaare“ schaffen wie: Seniorin und attraktiv, Best Ager und fit, Silver Worker und leistungsfähig. Ich möchte ein Bewusstsein schaffen für: alt und schön, alt und fit, alt und leistungsfähig. Gleichzeitig soll jung nicht als Gegenstück zu alt erscheinen, denn das wahrhaft „Junge“ findet im Kopf statt: es ist ein Bewusstseinszustand und nicht der Widerschein einer Jahreszahl.

Das Buch ist so aufgebaut, dass es im ERSTEN KAPITEL eine Vielzahl von Beispielen aufführt, die illustrieren, dass es auch im sehr hohen Alter möglich ist, fit, leistungsfähig, kreativ und innovativ zu sein und man sich selbst verwirklichen kann, wenn man es will.

Dem folgen im ZWEITEN KAPITEL die Kurzporträts von vier großen Frauen, die auf ganz unterschiedliche Weise – in Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Spiritualität – gezeigt haben, wie man hohes Alter sinnerfüllt leben kann.

Das DRITTE KAPITEL ist ein Exkurs zu den Meinungen und Ansichten, die in vielerlei Hinsicht das Gegenteil behaupten. Es ist ein Exkurs in die Welt der sogenannten Realität und der Stereotype. Realität deswegen, weil es tatsächlich viele alte Menschen gibt, die diese Leistungen im Alter nicht erbringen. Stereotype deshalb, weil die Gesellschaft, die öffentliche Meinung und schließlich auch wir selbst immer noch an Bildern festhalten, die ganz offensichtlich widerlegt wurden – wenn auch nicht von der großen Masse.

Das VIERTE KAPITEL will klarstellen, dass die positive Sicht vom Potenzial des Alters nicht gleichbedeutend damit ist, andere alte Menschen zu kritisieren oder gar zu verurteilen, die ein dynamisches Alter entweder nicht anstreben oder es zu verwirklichen nicht in der Lage sind.

Das FÜNFTE KAPITEL ist ein kurzer Blick auf die Bilder vom Alter, die wir in den Medien, der Werbung und in Büchern finden.

Das SECHSTE KAPITEL ist der Wissenschaft gewidmet, spezifisch: der Naturwissenschaft, an die die meisten von uns glauben und deren Konzepten und Vorgaben wir oft blind folgen. Doch so manche Wahrheit von heute stellt sich morgen als Irrtum heraus. Auf dem Weg zum Alter schadet es nicht, dies in Erinnerung zu behalten.

Das SIEBTE KAPITEL will die Möglichkeit geben zu einem kreativen Sprung über unsere gewohnten Denkmuster hinaus. So Vieles in Bezug auf das Alter erscheint uns richtig und absolut wahr, und ist doch oft nur die Sicht aus einer ganz bestimmten Perspektive heraus.

Im ACHTEN KAPITEL wagen wir einen Blick über den nationalen Tellerrand hinaus, um zu sehen, was wir in Bezug auf Alter von anderen Ländern lernen können. Es sind nicht mehr als spotlights. Man kann nicht eine ganze Nation auf eine Buchseite quetschen. Dennoch kann auch ein kurzer Blick uns Einsichten und Anregungen verschaffen.

Das NEUNTE KAPITEL stellt uns das – zum Thema Alter – in sich widersprüchliche Italien gegenüber, das weit hinter uns einherhinkt, wenn es um die Auseinandersetzung mit dem Alter geht – und wo man vielleicht trotzdem im Alter lieber leben würde.

Das ZEHNTE KAPITEL ist ein Plädoyer für mehr Aufmerksamkeit – und mehr Rebellentum. Aufmerksam sollten wir sein gegenüber all den kleinen Dingen, die uns mit zunehmendem Alter ganz automatisch ins negative Aus drängen wollen. Rebellisch sollten wir gelegentlich werden, weil nur so eine Breitenwirkung, in Hinsicht auf positive Veränderung des Bildes vom Alter, über unseren individuellen Fall hinaus möglich ist.

Das ELFTE KAPITEL beschäftigt sich mit den „heißen Tipps“ von Hundertjährigen – für den, der sich danach richten möchte, sowie der Frage danach, ob das Geheimnis für ein gutes hohes Alter nicht doch woanders liegt als in der Ernährung und den Genen.

Das ZWÖLFTE KAPITEL lenkt den Blick auf Schlüsselfaktoren, auf unsere Gedankenwelt und unseren Selbstwert, auf den roten Faden im Leben: unser Sein. Es geht um Lebensaufgaben, Träume und die Bereitschaft zum Wandel wie auch um Menschen, die uns zeigen, dass Krankheit und Schicksalsschläge kein Todesurteil für ein erfülltes Alter sein müssen.

Im DREIZEHNTEN KAPITEL schließt sich der Kreis der dynamischen Menschen hohen Alters mit dreizehn Porträts von Männern und Frauen, die ich persönlich besucht und interviewt habe.

Das VIERZEHNTE KAPITEL fasst ein paar der spannendsten Grundideen zum Alter zusammen.

Einen Hinweis möchte ich noch geben. Ein Buch wie dieses hat das Problem, dass die Angaben zum Alter und den damit verbundenen Ereignissen einen Schlüsselfaktor darstellen, gerade weil es nachweisen will, wozu alte Menschen fähig sind. Auf der anderen Seite ändern Sachverhalte sich auch. Ich möchte insofern darauf hinweisen, dass alle Angaben, inklusive Altersangaben, auf den jeweiligen Zeitpunkt der damit verbundenen Meldung, Erfahrung oder Lebensgeschichte bezogen sind. Auch kann es sein, dass Personen, über die berichtet wird, inzwischen verstorben sind. Soweit es mir möglich war, habe ich vor Drucklegung noch recherchiert, um das eventuell zu berücksichtigen. Ich bitte um Nachsicht für alle Fälle, die eine noch lebende Person suggerieren, obwohl diese inzwischen verstorben sein mag.

1. Kapitel

Was im hohen Alter möglich ist – allen Unkenrufen zum Trotz

„Alte Menschen sollten sich ihrer Beschränkungen bewusst sein? Das ist nicht die Art, wie man das Leben betrachten sollte.” – Phyllis Self (101 Jahre)

„At 92, I wanna do certain things. I like to dance!“

(Im Alter von 92 Jahren will ich nun gewisse Dinge tun. Ich liebe es zu tanzen.) –

Teilnehmerin an einem Senior Rocking Workshop

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in unserem Land sieht das Alter als mit Mühen und Beschwerden verbunden. Das hat eine von der Robert Bosch-Stiftung initiierte Studie herausgefunden.2 „Die spontanen Assoziationen der Bevölkerung zum Alter“, so die Bosch-Stiftung, deren Schwerpunkt-Themen Alter und Demografie sind, „beziehen sich überwiegend auf die späte Altersphase, die von geistigem Nachlassen und körperlichen Gebrechen geprägt sein kann, weit weniger auf die frühe Altersphase der oft noch sehr fitten und ihr Leben genießenden aktiven „jungen Alten“ zwischen 60 und 69 Jahren.“3

In der Tat zeigen uns diese jungen Alten, die ehemaligen 68er, ein positives Bild vom Alter. Ob diese dynamische Altersgruppe es geschafft haben wird, negative Vorstellungen über das Alter generell aufzulösen, das werden wir in zwanzig bis dreißig Jahren wissen. Bis dahin wird das Bild vom Alter gespalten bleiben, sind wir mit einer überwiegend negativen Vorstellung vom hohen Alter konfrontiert. Dieses Bild haben wir, bewusst oder unbewusst, in unseren Köpfen. Unsere Umwelt bestätigt uns darin.

Positive Gegenbeispiele kennen wir kaum. So schreibt Frank Schirrmacher in seinem Buch Das Methusalem-Komplott, dass der alternde Mensch von einem gewissen Zeitpunkt an buchstäblich ohne Vor-Bild sei: „Es ist eine eigentümliche Leere um ihn, die er selten aufzufüllen wagt.“4 Dabei meint Schirrmacher mit dem „alternden Menschen“ nicht einmal jene über 65, er setzt viel früher an. Das Gleiche findet man auch im Buch der Italienerin Iaia Caputo, in dem die Schauspielerin Ottavia Piccolo zitiert wird. Die 50 Jahre hätten sie überrascht, angenehm überrascht, sagt sie darin: „Die Wahrheit ist, dass meine Generation keine Modelle hat: wir müssen wählen, wie wir sie interpretieren wollen, müssen sie nahezu erfinden. Meine Mutter, meine Großmutter, sie betrachteten sich in diesem Alter schon als alt. Und in der Tat waren sie das auch.“5

Wir werden also noch am Bild vom höheren Alter polieren müssen, solange dieses mit Begriffen wie fixiert, leistungsschwach, langweilig, phantasielos, zurückgezogen, krank, hilfsbedürftig oder gar dement in Verbindung gebracht wird. Denkmuster ändern sich nicht von heute auf morgen, manchmal ändern sie sich nicht einmal nach Jahrzehnten. Das hat man zur Genüge bei anderen Stereotypen festgestellt, wie bei Vorurteilen gegenüber Frauen, Ausländern, Behinderten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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