Leben, was ich wirklich will - Friedrich Leiminer - E-Book

Leben, was ich wirklich will E-Book

Friedrich Leiminer

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Beschreibung

War das alles? Hat es sich gelohnt, dafür zu leben? Was ist aus meinen Jugendträumen geworden? Was habe ich denn bloß falsch gemacht? Wie oft stellen wir uns diese Fragen nach der Sinnhaftigkeit unseres Lebens und spüren eine ungute Mischung aus Enttäuschung, Mutlosigkeit und Ungeduld, die sich in uns breitgemacht hat? In meinem Buch, das einerseits gesellschaftspolitische Elemente enthält und andererseits einen spirituellen Input geben will, möchte ich auf Fragen eingehen, die sich im Laufe unseres Lebens stellen und uns tief berühren. Ich möchte versuchen, Antworten zu geben und Orientierung zu vermitteln für Suchende und Interessierte, Skeptiker und Optimisten. Meine Gedanken sollen eine Diskussionsgrundlage sein für die Auseinandersetzung mit Ihrer äußeren und inneren Welt, mit Ihrem wahren Selbst. Mit diesem Buch hoffe ich, Ihre Nachdenklichkeit über die großen Zusammenhänge zu wecken, in die wir alle eingebunden sind, um ein erfülltes bewusstes Leben zu leben, in dem wir uns als angenommen und geborgen erleben. Finden Sie Ihr individuelles Lebensthema, um die Herausforderungen bewusster anzunehmen und Ihr Leben bestmöglich gestalten zu können!

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Seitenzahl: 436

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Anmerkung

Der Mensch im Kontext des großen Ganzen

Die Suche nach unserer wahren Bestimmung

Der Mensch als Produkt seiner Vorfahren

Patriarchat

Mensch und Gesellschaft

Solidarität

Der Mensch und seine Entwicklungsphasen

In den besten Jahren

Im Alter

Das Gesetz der Polarität

Die Kompensation unserer wahren Natur

Trägheit und Bequemlichkeit

Die Macht der Gewohnheit

Scheinharmonie

Der Wunsch nach Anerkennung

Unsere Leistungsgesellschaft

Das Streben nach Erfolg

Die Weisheit des Scheiterns

Erfolg als spiritueller Weg

Perfektionismus

Mensch und Zeit

Die Suche nach dem Glück

Mensch und Beziehung

Das Streben nach Macht

Wissen und Macht

Reichtum und Macht

Macht Geld glücklich?

Die Diktatur des Finanzkapitals

Fortschritt und Verschwendung

Was ist möglich?

Verzicht

Unsere globale Verantwortung

Auswirkungen der Digitalisierung

Was macht krank?

Die Macht der Gedanken

Krankheit und Psyche

Stress

Krankheit als Herausforderung

Krankheit als pervertierte Verwirklichung

Mangelnde Selbstliebe

Festhalten am Bewährten

Angst

Medizin und Ethik

Die Heilkraft der Nahrung

Was tun?

Gesunder Lebensstil

Resilienz

Meditation

Geistige Heilung

Die Energie des Augenblicks

Was bleibt?

Literatur

Hinweisverzeichnis

Vorwort

Wie oft fragt der Mensch nach der Sinnhaftigkeit seines Lebens? Diese Frage taucht mit Sicherheit mindestens einmal im Leben eines jeden Menschen auf: War das alles? Hat es sich gelohnt, dafür zu leben? Was ist aus meinen Jugendträumen geworden? Was habe ich falsch gemacht? Enttäuscht und mutlos fragen wir uns, wie soll es weitergehen? Leicht ist der Mensch dann geneigt, in Ungeduld und ohne Perspektive sein Heil in der Flucht zu suchen und als Ultima Ratio zum sogenannten Aussteiger zu werden, innerlich und/oder räumlich. Doch wir werden mit Sicherheit früher oder später feststellen, dass es unmöglich ist, vor unseren unerledigten Lebensaufgaben wegzulaufen. Und wenn wir räumlich auch noch so weit fliehen, vor uns selbst können wir nicht weglaufen.

Auch in meinem Leben stellten sich diese Fragen unausweichlich. Nach verschiedenen Fluchtversuchen habe auch ich irgendwann begriffen und mich auf die Suche gemacht und ich versichere Ihnen, es blieb bis zum heutigen Tag spannend und es wird spannend bleiben. Was für alles, was wir unternehmen, gilt, gilt für das ganze Leben: Wir schließen es stets unvollendet ab. Denn der Weg ist das Ziel, das Ankommen ist nur eine Fiktion. Das Wichtigste ist, den Sinn für die großen Zusammenhänge zu erkennen, in die wir eingefügt sind, und daraus zu lernen, worum es geht. Wir sind aufgerufen, vom Aussteiger zum Einsteiger zu werden, uns auf den Weg der Erkenntnis zu machen und uns dabei immer wieder in das Bewusstsein zu rufen: Ich bin glücklich, dass ich leben darf, es ist mir eine Ehre zu sein!

Ich versuche darauf eine Antwort zu geben, was jeden von uns unbedingt angeht, Informationen und Orientierung zu geben für Suchende und Interessierte, Skeptiker und Kritiker, Intellektuelle und Spirituelle. Ich möchte auf Fragen eingehen, die sich im Laufe des Lebens stellen und uns berühren. Einige der hier vorgetragenen Erkenntnisse sind im kartesianischen Denken nur schwer nachvollziehbar. Es gibt keine allgemeingültigen Antworten. Es ist der Versuch, Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, Gedanken auf Ihren Lebensweg mitzugeben, um die individuellen Herausforderungen anzunehmen und dieses Leben so gut wie möglich zu gestalten. Mir geht es in diesem Buch nicht darum, alle Hintergründe erschöpfend zu beleuchten, sondern ich will mögliche Ursachen aufzeigen und bewusster machen, wie sie unser Leben beeinflussen und unseren Lebensweg bestimmen können.

Was ich wirklich will darf nicht falsch verstanden werden als Ausleben des Egos unter Missachtung der Freiheit des anderen. Die persönliche Freiheit, sich für oder gegen etwas zu entscheiden, bezieht immer die Freiheit meines Gegenübers mit ein. Deshalb habe ich bei meinen ersten und wichtigsten Erfahrungen in diversen Ausbildungen folgende grundlegende Aussagen zu Eckpfeilern meines Lebens gemacht: Ichbin der Grund, dass mein Gegenüber wieder an die Werte der Menschlichkeit in Beziehungen glaubt. Ich gehe mit gutem Beispiel voran. Ich drücke mich nicht und warte nicht, bis sich der andere ändert. Ein wichtiger Leitsatz in meinem Leben lautet deshalb: Ichübernehme die Verantwortung für mein Leben, so wie es war, so wie es ist und so, wie es sein wird. Egal, wo ich im Leben stehe, ich übernehme die Verantwortung für mein Leben. Dafür bin ich heute sehr dankbar.

Wir könnten allerdings zu dem Schluss kommen, dass wir lieber gar nichts zu tun brauchen und es besser wäre, die Hände in den Schoß zu legen. Somit können wir auch nichts falsch machen und werden dann voraussichtlich spurlos in die Geschichte eingehen. Auch das ist selbstverständlich nicht gemeint. Als Menschen sind wir dafür anfällig, uns vom Schlummer der Oberflächlichkeit übermannen zu lassen, unser Herz durch Hunderte von flüchtigen Eindrücken zerstreuen zu lassen, um uns vor einer in die Tiefe gehenden Suche nach dem wahren Sinn der irdischen Gegebenheiten zu drücken. Eine traurige Angelegenheit, dieser Dämmerschlaf, der die Würde des Menschen erstickt und ihn fernab von Selbstbestimmtheit zum Sklaven werden lässt!

Ich kann für meine Ausführungen keinerlei Originalität beanspruchen, denn verschiedene wissenschaftliche Ansätze und Ideen unterschiedlicher Denker sind klassisch und allgemein bekannt. Dennoch möchte ich betonen, dass ich mich als Botschafter von Menschen sehe, die das Außergewöhnliche ins Bewusstsein rufen wollen. Mir ist klar, dass einer wie ich, der es wagt, die alten Manifeste, Glaubensmuster und deren Strukturen des Getrenntseins auch nur infrage zu stellen, schnell diskreditiert wird. Dieses nehme ich bewusst in Kauf, denn wir sind alle nur aus dem einen Grund hier auf dieser Erde – auf der Suche nach unserer Bestimmung. Auf dieser Suche kreativ voranzuschreiten, dabei unsere tief in uns verwurzelten Anlagen zum Wirken zu bringen und dabei das Maß für ein rechtes Gelingen für ein lebenswertes Dasein aller und zum Wohle von allem in unser aller Welt zu finden, ist unsere Aufgabe. Durch meine mehrjährige Recherchearbeit bin ich auf vieles gestoßen, was mich auf meinem Weg geführt hat – und möglicherweise auch andere führen wird. Das, was in meinen Augen dringlich ist, was in unserem Bewusstsein deutlich gemacht werden soll, ist mein Anliegen.

Im Nachdenken über mein Leben steht mir überdeutlich vor Augen, was ich so vielen Menschen verdanke, die mir etwas von sich mitgeteilt haben: Meine Eltern, meine Schwester, mein Schwager, meine Familie, meine Beziehungen, die Lehrerinnen und Lehrer, die Klassenkameraden, die beruflichen Kolleginnen und Kollegen, meine Mitarbeiterinnen, die beruflichen Ausbilder, die spirituellen Ausbilder, meine Freunde und nicht zuletzt meine Feinde und die Menschen, deren Bedeutung mir erst heute bewusst wird. Was wäre ich geworden ohne sie? Sie haben mich geprägt und meine Entwicklung angestoßen.

Es heißt: Ein Buch ist dann gut, wenn es zur Selbstbestimmung und Freiheit des Lesers beiträgt. Franz Kafka schrieb dazu in seinen Briefen (1902 - 1924): „… ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.” Dieses Buch soll Diskussionsgrundlage für die Auseinandersetzung mit unserer äußeren und inneren Welt, mit unserem wahren Selbst sein. Es soll Hoffnung und Mut machen für die Fülle und das Potenzial, das in jedem steckt. Ich glaube, dass es kein Zufall ist, was Sie hier jetzt lesen werden. Wenn Ihnen dieser Text heute zufällt, dann deshalb, weil Sie die Voraussetzungen erfüllen und verstehen, dass nichts in unserem Leben zufällig geschieht. Albert Schweitzer: „Der Zufall ist das Pseudonym, das Gott sich zulegt, wenn er unerkannt bleiben möchte.“ Ich darf ergänzen: … und uns ein Angebot machen möchte. Menschen und Ereignisse tauchen nicht ohne Grund in unserem Leben auf. Wie unsere Beziehungen entstehen und sich entwickeln, hat nichts mit Glück oder Pech zu tun. Der Sinn liegt im Ereignis der Begegnung und was wir daraus lernen. Es geschieht, weil eine Kraft dies bewirkt. Diese Kraft verbindet uns alle und macht lebendig. Ein Ereignis geht in eine Kettenreaktion von Ereignissen über und endet in Überraschungen auf Lebensgebieten, die oberflächlich betrachtet mit dem Ereignis nichts zu tun zu haben scheinen. Wir alle kennen die kleinen Momente in unserem Leben, die uns innehalten lassen und Nachdenklichkeit auslösen: Der Duft einer Blume, eine unerwartete Begegnung, ein Verstehen über Blickkontakte ohne Worte, ein unverhofftes Wort, eine unbeabsichtigte Berührung … Immer wieder werden sie achtlos hinweggespült vom Alltag und seinen Anforderungen. Es geht mir darum, Ihre Nachdenklichkeit über die kleinen und großen Zusammenhänge zu wecken, in die wir alle eingefügt sind, und Ihr Herz zu öffnen, um ein bewussteres, erfüllendes Leben verwirklichen zu können. Jene kleinen Momente können mehr bewirken als alles Wissen in den Bibliotheken dieser Welt.

Anmerkung

Wenn Gedanken mehr als einmal angesprochen werden, dann hat das seine Gründe: Zum einem ist in einer holistischen Sichtweise eine exakte Trennung von Zusammenhängen nur schwer möglich, weil sie so komplex und subtil sind, weil eben alles mit allem verwoben ist, wie wir im Anschluss sehen werden. Hinweise auf Aspekte können niemals vollständig und ein für alle Mal erschöpfend sein, weil alles im Fluss ist. Auch unsere Bewusstseinsebene entwickelt sich - und damit können wir aus dem gleichen Inhalt, den wir schon einmal lasen, aus einem anderen Blickwinkel Neues herauslesen. Sätze und Wörter prägen sich umso besser ein, je öfter sie wiederholt werden. Wiederholungen bewirken deshalb ein besseres Verstehen und darüber hinaus lernen wir nachhaltiger. Also seien Sie diesbezüglich bitte wohlwollend.

Der Mensch im Kontext des großen Ganzen

„Es ist dem Menschen unmöglich, zu wahrer Individualität und Sinnhaftigkeit zu gelangen, ohne im Ganzen verwurzelt zu sein. Alles andere ist egozentrisch.“

(David Bohmi)

Leben mit all seinen Bestandteilen lässt sich nur im Kontext des ganzen Netzwerks begreifen. Wir sind in der Weite des Kosmos als unseren Lebensraum mit allem verbunden, in kleinen und großen Netzwerken, die sich sehr ähnlich sind. Die Menschen sind keineswegs nur beschränkte Einzelwesen, sondern jeweils ein Aspekt eines sehr viel größeren und umfassenderen Bewusstseins, das sich in vielen Facetten erfährt. Der Mensch ist Teil des Ganzen in der Natur, wir sind eine Untereinheit und müssen uns einfügen. Der Mensch als ökologisches Wesen aus Körper, Geist und Seele entstammt einem großen Ökosystem, in dem alles mit allem verbunden und von allem durchdrungen ist.

Der Mensch kann sein Bild als die Krone der Schöpfung nur mehr aufrechterhalten, wenn er zu lernen beginnt, verantwortlich im Sinne des Ganzen zu handeln, wenn er sich als Subsystem im Kosmos begreift. Unser körperlicher, seelischer und geistiger Organismus stellt ein vernetztes ökologisches System dar. Der Mensch ist im Netz des Lebens eingesponnen in ein viel größeres Muster, dem wir dienen und das wir schützen müssen. Wir haben Objekte und Individuen untersucht, aber nie das Netzwerk der Verknüpfungen, das sie seit jeher verbindet und am Leben erhält. Die Welt ist eine ständig sich erschaffende Welt. Die Netzwerke der Verbundenheit haben eine unglaubliche Kreativität, die sich nach einer inneren Ordnung selbst erschaffen, korrigieren und weiterentwickeln in einem fließenden Gleichgewicht und sind genau darum kreativ, selbstorganisierend, schöpferisch und organisch.

Wir sind keine isolierten Individuen, die einsam unseren Weg gehen. Das Universum ist ein organischer Prozess und wir sind ein Teil davon. Wir bestimmen nicht, doch wir sind Mitschöpfer. Wir haben teil an dynamischen Kräften, die bei aller Widersprüchlichkeit durch eine eherne Ordnung in einem lebendigen Gleichgewicht gehalten werden. Diese Kraft zwischen Licht und Materie, die weit größer ist als wir selbst, bestimmt unser Leben. Jede Religion bezieht sich auf eine Rückbindung an eine (höhere) Instanz. Ich erlaube mir als bekennender Christ, diese wirkende Kraft aus Sicht meiner christlichen Tradition als GOTT zu bezeichnen, beileibe nicht als bärtigen Mann auf dem Himmelsthron, sondern als allgegenwärtige Energie, die alles Leben beseelt und in allem ist.

Eine natürliche menschliche Gemeinschaft kann weit mehr sein als ein simpler Zusammenschluss von unterschiedlichen Individuen. Sie kann als enges Bündnis bestehen, als eine harmonische Koexistenz zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Materie, zwischen Mensch und Gott. Diese unsichtbaren Verknüpfungen zeigen sich als das eigentliche Geheimnis des Lebens. Wir werden erleben, wie das Bedürfnis, getrennt zu sein, abfällt und stattdessen Gemeinschaftssinn und Einheitsbewusstsein in uns Platz finden. Das Individuum erfährt sich als Teil eines viel größeren lebendigen Lebensnetzes in einer neuen Ebene der Wahrnehmung, des Bewusstseins und des Verhaltens. Wir haben es mit einer lebendigen evolutionären Entwicklung zu tun, von der wir ein Teil sind, wo in eng verwobenen Strukturen alles mit allem verbunden ist und in Richtung Göttlichkeit geht.

Aus diesem Verständnis einer neuen Welt entwickelte sich ein ganzheitliches Denken in Zusammenhängen und Beziehungen, der Blickwechsel vom Detail zum Ganzen, von Quantitäten (Mechanismen und Materie) zu Qualitäten (Beziehungsmustern). Was die Mystiker aller Zeiten schon wussten ist die Erkenntnis eines Zusammenspiels im großen Ganzen. Gott ruft uns Menschen nicht als isolierte Wesen, als isoliertes Individuum, sondern indem er den vielschichtigen Verlauf der zwischenmenschlichen Beziehungen berücksichtigt, den das Leben in einer menschlichen Gemeinschaft mit sich bringt, denn Gott ist in mir und in jedem von uns als Teil seiner gesamten Schöpfung. Wenn wir uns darauf einlassen, finden wir die richtige Antwort auf all unsere Fragen in uns selbst. Jeder ist einzigartig. Eine universell richtige Antwort gibt es nicht. Wir müssen nicht die ganze Welt umarmen. Wir müssen uns auch nicht mit allen Menschen gut verstehen. Wenn wir jedoch ohne Angst vor der Ich-Werdung unser eigenes Individuum stärken, aus der inneren sprudelnden Quelle schöpfen, und dies auch den anderen in unserer Umgebung zugestehen, dann stärken wir das Ganze. Das erfordert die Pflicht, Verantwortung zu übernehmen und ein hohes Wertesystem mit Empathieii für alle Lebewesen. In ethischer Qualität ist der Mensch eingebunden in den Gesamtzusammenhang der Natur. Der deutsche Biologe und alternative Nobelpreisträger Dr. Michael Succow: „Ohne intakte Natur gibt es keine intakte Gesellschaft und ohne intakte Gesellschaft gibt es auch keine gesunden Menschen. Das ist alles eine Einheit. Die Natur ist unsere Lebensgrundlage.“

Leider glaubt der Mensch, der sich selbst als Krone der Schöpfung sieht, befugt zu sein, die Erde mit allem, was darin lebt, ausplündern und zerstören, die minderwertige Tierwelt morden und sie schließlich verzehren zu dürfen. Der Mensch wird zur Tötungsmaschine. Besteht darin der Wertegang des Menschen? Früher oder später werden wir erkennen müssen, dass immer mehr aus der bisherigen Ordnung gerät, was sich der Mensch erdacht und geschaffen hat. Der Technik fehlt das Verständnis für lebendige Systeme, für den Menschen als Organ des Gesamtorganismus Erde. Dabei bestehen aufgrund des Entwicklungsgeschehens zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen keine prinzipiellen, sondern nur graduelle Unterschiede in Wahrnehmung, Bewegungsfähigkeit und Gefühlen. Den moralischen Anspruch auf Unversehrtheit, Freiheit und Würde in der existenziellen Sorge ums Überleben dürfen wir prinzipiell auch den niederen Entwicklungsstufen nicht absprechen. Auch der Natur ist ein Überlebensinstinkt angeboren, der unserem gleicht. Albert Einstein: „Ein menschliches Wesen ist ein Teil des Ganzen, von uns Universum genannt, begrenzt in Zeit und Raum.“

Wir müssen die Spielregeln des Lebens und des Universums verstehen lernen. Gegen die Lebensgesetze können wir nicht anrennen oder faule Kompromisse schließen. Wenn wir ohne Wasser durch die Wüste gehen, werden wir nicht ankommen, egal, ob wir daran glauben oder nicht. Wenn wir ein Auto fahren, ohne die Verkehrsregeln zu kennen oder sie nicht beachten, werden wir einen Unfall erleiden. Der Natur ist es egal, ob wir wissen oder nicht, handeln oder nicht, können oder nicht, an sie glauben oder nicht. Die Gesetze des Lebens sind die Gesetze der Natur - immer aktiv und wirksam. Sie lenken die menschlichen Fähigkeiten, neue Umstände und Umgebungen, Beziehungen, Erfolge oder Misserfolge, Wohlstand oder Armut zu schaffen. Wenn der Mensch als Teil einer kontinuierlichen Höher- und Weiterentwicklung den Gesetzen der Schöpfung nicht mehr gehorcht, hat dies eine Entgleisung in der Natur und in unseren Herzen zur Folge. Wir erleben es in Form von Kriegen, Flüchtlingsströmen, Geiz, Missgunst, Vorteilsnahme, Neid, Gier, ernsten Gesundheitsstörungen, usw. Das Elend nimmt nicht zu, es rückt uns nur näher. Nichts davon ist schicksalsbedingt, sondern in unserem Bewusstsein geschaffen worden. Um die Welt zu ändern oder gerechter zu machen, brauchen wir einen Bewusstseinswandel und folglich einen Paradigmenwechsel, weg vom strikten Dualismus, hin zur lebendigen Praxis der Allverbundenheit! Die neue Sicht der Wirklichkeit beruht auf der Erkenntnis, dass alle Phänomene – physikalische, biologische, gesellschaftliche und kulturelle – grundsätzlich miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Das heißt, einen Teil eines vernetzten Systems zu verändern, bedeutet stets die Möglichkeit, das gesamte System zu verändern. Nur wenn der Mensch die Spielregeln in ihrer Wirkungsweise verstehen lernt und im Einklang mit ihnen wirkt, formt er nicht nur die Dinge und die Gesellschaft, sondern entwickelt seine Fähigkeiten und wächst über sich hinaus. Die Richtschnur für das menschliche Schaffen ist daher nicht äußerer Reichtum, sondern dass es mit dem echten Wohl der Menschheit übereinstimmt. Es erlaubt dem Menschen als Einzelwesen und als Glied der Gemeinschaft die Entfaltung und Erfüllung seiner vollen Berufung, um so zu leben, wie es unserer wahren Natur entspricht. Wir müssen erkennen, dass wir ein planetares Wesen sind und dass jeder Unterschied eine Bereicherung ist und kein Grund zur Ausgrenzung und Ablehnung. Kein Mensch gleicht dem anderen. Gerade der Dissens in der Vielfalt macht lebendig und schenkt uns Freiraum.

INDIVIDUUM bedeutet im Lateinischen das Ungetrennte. Das dynamische, sich selbst organisierende innere Ganze lebt von der Vielfalt und der Lebendigkeit seiner Teile. Das Gemeinsame im Ganzen kann erst lebendig werden, wenn die inneren Unterschiede volle Anerkennung finden. Es geht der Evolution also darum, dass wir werden, was wir sind und wir uns in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens entdecken und somit gemeinsam unseren Beitrag leisten. Jeder Einzelne als Individuum ist Teil eines kollektiven Erlebens. Richard Herzinger, deutscher Literaturwissenschaftler, Journalist und Publizist: „Verantwortungsbewusstsein und zivile Formen im Umgang mit anderen können nur aus der selbstverantwortlichen Ausübung individueller Freiheit entstehen. Erst das Bewusstsein, ein vereinzeltes Individuum mit allen positiven und negativen Anlagen zu sein, macht es überhaupt erst möglich, den anderen in seiner Individualität anzuerkennen und ihn nicht bloß als Repräsentanten eines Kollektivs zu betrachten.“

Der Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung beschrieb diese Lebenskraft als Individuationstendenz, wonach jeder Mensch instinktiv nach optimaler Entwicklung, Selbstverwirklichung, Zufriedenheit, körperlicher und seelischer Gesundheit strebt, zu einem unverwechselbaren eigenen Ganzen, um der Mensch zu werden, der man wirklich ist, mit allen guten und schlechten Anlagen. Vom Kleinkind bis zum Erwachsenen entdecke ich meine Möglichkeiten und Fähigkeiten. Meine ICH-Werdung ist ein lebenslanger Prozess.

Das positive Streben nach Individuation sollte jedoch nicht nur als Weg zu größerer Autonomie, isolierender Selbstverwirklichung und als egozentrische Einmaligkeit verstanden werden, sondern in seiner Wechselwirkung mit der Umgebung als Aufgabe, die einem größeren, überindividuellen Ganzen zugutekommt. Ein gemeinsames Bewusstsein ist die Voraussetzung um bewusst gemeinsam zu leben. Wie in einem Chor ist die Stimme jedes einzelnen wichtig. Sie darf nicht fehlen in einem vielstimmigen Chor. Jede Stimme bestimmt den Klang und die Harmonie des Chores mit.

Die Spannung zwischen dem Individuum und dem Kollektiv ist ein evolutionärer Prozess und essenziell, nicht nur für persönliches Wachstum, sondern auch für die Entwicklung neuer sozialer Systeme. Darin liegt dann auch das Paradox der Individuation, der totalen Ganzwerdung der menschlichen Persönlichkeit: Je mehr ich werde, was ich bin, desto mehr kann ich zum schöpferischen Teil des Ganzen werden. Es kann Vieles in Bewegung kommen, wenn wir im Vertrauen auf unseren Wesenskern unsere Selbstzweifel überwinden und unsere individuelle Persönlichkeit stärken. Wir werden erkennen, dass Persönlichkeitsentwicklung Sinnverwirklichung und am Ende Weltverwirklichung bedeutet.

Die Suche nach unserer wahren Bestimmung

Jeder Mensch ist ein einmaliges, individuelles, großartiges Wesen, wie es kein zweites auf dieser Erde gibt. Sein Fingerabdruck, seine Stimme und seine DNAiii weisen ihn als unverwechselbar aus. Es ist faszinierend, zu erkennen, wie einmalig und unverwechselbar all die Milliarden Menschen dieser Erde sind. Jeder Mensch kommt mit unterschiedlichen geistig-seelischen und körperlichen Fähigkeiten und Qualitäten auf die Welt, die sein individuelles Wesen mit all seinen Eigenarten vom Moment der Zeugung ausmachen – unsere wahre Natur. Jeder einzelne Mensch hat seine ganz besondere Prägung. Obwohl Eltern alle Kinder mehr oder weniger gleich erziehen und die Kinder im gleichen Denk- und Glaubensmuster groß werden, sieht man schon schnell nach der Geburt und erst recht in späteren Jahren, wie verschieden sich die Kinder entwickeln. Aus den individuellen charakterlichen Eigenarten, ängstlich und besorgt oder mutig und selbstbewusst, gehen die persönlichen Lern- und Entwicklungsaufgaben des Menschen hervor.

Wir sind komplexe Gesamtkunstwerke. Wir tragen viel in uns, das wir noch gar nicht kennen, unsere Schattenanteile, Ängste, negative Denkmuster, aber auch unser gesamtes Potenzial, welches in uns steckt. Wir alle haben unsere eigene innere Welt und unsere besondere Geschichte, die uns einzigartig macht. Der Erfolg eines funktionierenden Lebenskonzeptes ruht auf einer starken Wertschätzung für die eigene Einzigartigkeit und das Gespür für die eigenen Bedürfnisse. Wegweisend in unserem Leben ist die Befriedigung oder eben Nichtbefriedigung unserer Bedürfnisse. Leben wir unsere Einzigartigkeit ohne Angst und treten wir ohne Scham für die Erfüllung unserer wirklichen Bedürfnisse ein, dann werden sich Glück, Erfolg, Reichtum, Heilung, Gesundheit und Lebensfreude automatisch einstellen.

Jeder Mensch ist mit seinen Anlagen und Talenten dazu geboren, ein erfülltes und bedeutungsvolles Leben in Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit zu führen. Um sie im Leben des Einzelnen erfüllen zu können, wurden uns alle nötigen Kräfte und in verschiedenen Lebensaltern das Verständnis gegeben. Die Energie der individuellen Fähigkeiten drängt auf Verwirklichung und Realisierung. Wir wollen lebendig sein und diese Lebendigkeit zum Ausdruck bringen. Damit sich unser Persönlichkeitsanteil ausdrücken und sich optimal entfalten kann, müssen wir in Beruf, Wohnung, Partnerschaft und Familie die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Wir müssen uns sicher fühlen. Wärme, Natürlichkeit, Vertrautheit, Schutz und Unterstützung müssen erlebt werden, um uns die Welt erschließen zu können. Es ist wichtig, in jeder Lebensphase das zu leben, was ihr entspricht. Werden die Fähigkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens verwirklicht, stellt sich ein Gefühl ein, dass ich an dem Platz angekommen bin, wohin ich wirklich gehöre, es entsteht Kraft und Begeisterung. Vieles entspannt sich, wird mühelos und führt zu Ausgeglichenheit. Je tiefer wir die Wechselwirkung zwischen mitgebrachten Anlagen und der Umwelt in einem Zustand des inneren Gleichgewichtsiv leben können, desto glücklicher sind wir.

Der Mensch als Produkt seiner Vorfahren

Der Mensch lebt aus Voraussetzungen, die von entscheidender Bedeutung für sein Leben sind. Unsere Persönlichkeit ist weitgehend ein Produkt unserer Umwelt. Sie kann sich durch günstige Umstände reich entfalten, durch ungünstige Konstellationen aber auch verarmen. Es kommt wesentlich darauf an, wo und unter welchen Bedingungen wir leben. Unsere Entscheidungenv, wer oder was wir werden wollen, sind bestimmt durch unsere eigene Vergangenheit und von den Möglichkeiten in der Welt, in der wir leben. Alte und längst überholte Überzeugungen, unser kulturelles Gedächtnis als Rückgriff auf die Vergangenheit, unsere Geschichte und Religion dominieren die Menschheit. Unsere Vorfahren aus rund 250.000 Generationen lassen uns teilhaben an dem, was ihnen selber einmal zuteilgeworden ist. Kollektive Werte und Verhaltensmuster werden an die nachfolgenden Generationen weitergegeben und werden zum Fundament unserer Persönlichkeit. Unverrückbare Überzeugungen von Eltern, Großeltern und längst Verstorbenen prägen unsere Natur und geben Auskunft über unsere Herkunft. Es ist eben nicht gleichgültig, in welcher Zeit, in welchem Land der Erde, in welcher Familie und in welchen sozialen Verhältnissen der Mensch sein Leben beginnt, ob er in Armut oder in reicher Umgebung ins Leben tritt.

Jeder Mensch wächst unter dem Einfluss von Eltern, Großeltern, Geschwistern, Erziehern und Lehrern auf. Um vollständig verstehen zu können, wer wir sind und was uns bewegt, müssen wir unser evolutionäres Erbe begreifen und was wir von unseren Ahnen im weitesten Sinne geerbt haben. Es besteht ein Zusammenhang zwischen unserem Sein in der Welt und den Bedingungen, denen wir ausgesetzt sind und aufgrund derer immer wieder die Ausbildung der dem Individuum eigenen Einzigartigkeit und Einmaligkeit gebremst wird. Die meisten Themen gründen in übernommenen Verhaltensweisen, schmerzlichen Erfahrungen in der Kindheit, in unseren Beziehungen und in fehlendem Eigenwert. Das eigene Verhalten und der Wert, den wir uns selbst beimessen, leiten wir aus der Art ab, wie Eltern und andere nahe stehende Menschen in jungen Lebensjahren mit uns umgegangen sind. Unsere Eltern transportieren bewusst und unbewusst Glaubenssätze. Die Vorstellungen von Gut und Böse, Richtig und Falsch übertragen sich auf das Kind mit all ihren Auswirkungen. Die Einstellung der Eltern zu Kultur, Gesellschaft, Leistung, Autorität, Religion und Sexualität, elterliche Gebote und Verbote prägen wesentliche Aspekte unseres sozialen Verhaltens und beeinflussen unsere Wahrnehmung und unser Urteilsvermögen. Ihre Ziele sind ehrenwert, denn gesellschaftliches Überleben will gelernt sein. In der Unbewusstheit ihres Verhaltens leben Eltern ihren Kindern etwas vor, was sie später oft zutiefst bedauern. Rückblickend hinterlässt diese sogenannte Erziehung bei mir ein ungläubiges Kopfschütteln, dass ich mich schon als Kind habe manipulieren lassen, dass ich mir meine Fantasie habe rauben lassen, wodurch im Kindesalter Muster und Verhaltensweisen entstanden sind, die bis ins hohe Alter Auswirkungen haben: Ich bin, woher ich komme.

Bedauerlicherweise blockieren Eltern durch ihre Erziehung die Unbefangenheit, Unbekümmertheit und Offenheit ihrer Kinder. Mutter und Vater als Repräsentanten unserer Gesellschaft sagen uns schon in der Kindheit, wie wir uns zu benehmen haben und was wir zu unterlassen haben. Wir wissen schon im Voraus, was uns erwartet und fühlen uns bei Regelverstößen schuldig: Das tut man nicht. Das ist Pfui. Das darfst du nicht machen oder das musst du machen, wenn du von mir geliebt werden willst. Wie können wir uns treu bleiben, wenn vieles, was uns ausmacht, entwertet wird? Wesentliche Aspekte unseres Selbst werden unterdrückt. Wenn wir aber als Kinder unsere wahre Natur nicht zum Ausdruck bringen dürfen und von unseren Eltern Zurückweisungen erfahren, müssen wir fürchten, die Liebe der Eltern zu verlieren. Deshalb bemühen wir uns, diesen Vorstellungen von Idealen, Geboten, Moral und Ethik zu entsprechen, um möglichst wenig anzuecken. Wir folgen widerwillig dem, was die Eltern gutheißen. Von Kindesbeinen an lernen wir, uns zu schämen und zu blenden, und befolgen als abhängige Weisungsempfänger kritiklos, was uns vorgelebt wird. Aufgrund unserer Abhängigkeit leben wir in Angst, um nicht die zu provozieren, von denen wir abhängig sind. Wir haben keine Mittel, uns zu wehren, noch unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Wir verleugnen uns selbst! Durch systemkonforme Erziehung werden wir geformt und verformt, wir werden eingeschränkt, gewarnt, ermahnt, zurückgewiesen und oft bestraft dafür, dass wir wir selbst sein wollen. Wir werden zurechtgestutzt, um in die Gesellschaft zu passen, in die wir hineingeboren wurden. Nach Alexander Mitscherlich, ein deutscher Arzt und Psychoanalytiker, sind wir von Anfang an ein sozial vergewaltigtes Wesen.

Wir fürchten uns vor den strafenden Stimmen unserer Eltern und der Gesellschaft und entwickeln aufgrund von Vorkommnissen eine Familienstrategie, um Liebe, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu bekommen. Die aus diesen Erfahrungen gebildete Charakterstruktur ermöglicht es uns einerseits mit Konflikten und Herausforderungen zu Recht zu kommen, andererseits können sie uns daran hindern, glücklich und zufrieden zu sein. Das Alte Gehirn wird die emotionale Distanz, die Unerreichbarkeit der Mutter und die Wut und die Schläge eines frustrierten Vaters nicht vergessen. Fühlen wir uns als Kind aufgrund mangelnder Fürsorge in der Bindungsphase unverstanden, allein und hilflos, passen wir uns aus Angst nach außen hin an, geben auf, distanzieren uns innerlich und lösen uns emotional. Wir gehen mit den nicht angenommenen Anteilen unseres Ich`s in den Untergrund. Wir lernen, mit unseren Verlusten zu leben. Das Kind als Opfer dieses emotionalen Inzests, das mit dem Versuch, versorgt zu werden, scheitert, zieht sich in ein Schneckenhaus zurück und kommt selbst als Erwachsener nie wieder hervor. Ob Gewalt, Missbrauch von Suchtmitteln, Provokation oder depressiver Rückzug, dies alles sind frustrierte, wütende, unangemessene Reaktionen auf unsere Machtlosigkeit. Es sind die Erinnerungsspeicher, die wir in uns aktivieren. Wie wir aus unserer Kindheit hervorgehen, verdanken wir unserer Resistenz auf die Umwelt.

Individualität wird als Störfaktor erachtet. Anstatt frei heraus unsere Lust am Leben mitsamt unseren Anlagen und Fähigkeiten auszuleben, übernehmen wir Informationen und Programme von anderen und leben in Wirklichkeit nicht unser Leben. Unsere Charakterstruktur ist keineswegs unser wahres Ich, sondern unsere Anpassung an das Leben. Aus Angst, die Liebe unserer Eltern zu verlieren, identifizieren wir uns mit diesem ICH. Emotionen und Glaubenssätze schränken uns erheblich in unserer Lebendigkeit und in der Entfaltung unserer Potenziale und der eigenen Persönlichkeit ein. Sie zielen darauf ab, uns zu steuern. Wir betreiben mithilfe unserer Maske ein Versteckspiel, um in den jeweiligen Rollen und Funktionen, die die Gesellschaft vorgegeben hat, erfolgreich funktionieren zu können. Aus Loyalität zu unserem Familiensystem oder zu früheren negativen Erfahrungen wird somit vieles zurückgehalten und verdrängt. Wir entwickeln ein gespaltenes ICH und verbergen unsere von den Eltern abgelehnten Anteile vor uns selbst. Wir identifizieren uns mit den Wertmaßstäben, die die Eltern und die Gesellschaft für gut befinden und werden zum Sklaven von gesellschaftlichen Normen. Was wir von den Eltern gesagt bekommen, wird zur Richtlinie – die Richtlinie zum Grundsatz – und der Grundsatz zur Überzeugung. Es entspricht unserer antrainierten Haltung zum Leben und nur scheinbar uns selbst. Das verweigert uns einen wesentlichen Schritt im Leben und bedeutet eine Absage an unsere wahre individuelle Natur als Mensch. Die Konsequenz ist ein Gefühl von Entfremdung und Einsamkeit. Wir haben gelernt, zu glauben, wir könnten auf die Befriedigung all unserer Bedürfnisse verzichten.

Unser Leben ist die Summe unserer gelebten Erfahrungen. Unsere Erlebnisse haben eine große Kontrolle über uns im Jetzt und in der Zukunft. Aufgrund unserer gemachten Erlebnisse und Erfahrungen legen wir verschiedene emotionale Muster an. Sind diese emotionalen Muster positiv, dann bereichern sie unser Leben. Sind sie jedoch negativ, dann beginnen sie unser Bewusstsein, sowie unseren Körper, unsere Seele und unsere erlebte Realität zu belasten. Wir errichten raffinierte Widerstände und entwickeln Abwehrstrategien gegen die Unzulänglichkeiten oder für uns bedrohlichen Situationen, um sie zu bewältigen und uns zu schützen. Aus diesen Abwehrmechanismen entstehen Unzufriedenheit, Verletzlichkeiten, Kränkungen der Persönlichkeit und Überlebensstress, weil wir in einem Mangelbewusstsein leben, das uns von unserer wahren Natur fernhält. Solange wir unsere rigiden Abwehrstrategien nicht durchbrechen, werden wir uns nie vollständig lebendig fühlen. Erst wenn wir uns der Ursachen aus der Kindheit bewusst werden und ihre Auswirkungen in der Gegenwart erkennen, können wir eine Veränderung bewirken und uns neu entdecken. Es ist sicher, dass wir im Versuch, unsere Lebenslust wiederzufinden, die Bedingungen wiederfinden, die wir in unserer Kindheit vorgefunden haben.

Wir alle bedürfen der Erfahrung, von anderen Menschen angenommen, ermutigt und geliebt zu werden. Wir sind nicht schuld an der Programmierung, welche wir als Kinder erfahren haben. Als Erwachsener liegt es jedoch in unserer vollen Verantwortung, um wieder zu unserer wahren Natur zu finden. Als Kinder lernen wir, uns über und mit den in unserem Umfeld ausgelebten Rollen zu definieren und identifizieren. Das zarte Pflänzchen unserer wahren Natur verlieren wir aus den Augen. Wir reagieren auf das, was wir als richtig und falsch erfahren haben, übermäßig nachgiebig oder dogmatisch, und nicht auf das, was ist. Spätestens in der Pubertät werden diese Erwartungen von der Umwelt bestätigt – oder infrage gestellt.

Die Spannungen, die aus dieser Art zu leben und unserer wahren nicht gelebten Natur entstehen, sind die Ursachen für Krankheiten. Was je nach Intensität als äußerst zermürbend, als starker psychischer Stress und als Überfremdung erlebt wird, resultiert aus der Unterdrückung unserer natürlichen Anlagen, die uns die Lebenskraft raubt, um den Weg zu einem selbstbewussten, individuellen, wahrnehmenden spirituellen Lebewesen zu gehen. Durch diese Aufladung von Spannungen und Konflikten werden enorme Sehnsüchte und Bedürfnisse erzeugt, die den Menschen aufwachen lassen. Wenn uns bewusst wird, in welchem Ausmaß wir abhängig von dieser Welt sind, werden wir erschrecken, wozu wir uns haben formen lassen, wie weit wir uns von uns selbst haben entfernen lassen. In unserer Unsicherheit und Schwäche vermeiden, verschönern, verdrängen und unterdrücken wir mit all unserer Kreativität den aufgestauten Schmerz, der uns oft als Kind zugefügt wurde, um uns zu schützen. Uns wird bewusst, dass daraus alle körperlichen und seelischen Probleme entstehen.

Werden die Spannungen durch die Überfremdung unserer wahren Natur zu groß, so leidet der Mensch im Laufe seines Lebens an seiner Zerrissenheit, seinem gestörten Selbstwertgefühl, an den eigenen Zweifeln, Unsicherheiten und an negativen Emotionen wie Angst, Scham, Enttäuschung, Eifersucht, Missgunst, Wut und Zorn. Da der Mensch in diesem Durcheinander der Gefühle nun selber nicht mehr recht weiß, was er will, wird er mitgerissen von den Meinungen anderer und will letzten Endes nur das, was die anderen tun. Es gilt zu erkennen, dass Entwicklung zu echtem Selbstvertrauen, welches Überleben sichert, so nicht stattfindet. Er muss die Hoffnungslosigkeit seiner Situation abspalten, um weiter leben zu können. Er kann sich immer nur in Abhängigkeit von anderen definieren und flüchtet sich in die Kompensation oder in Zerrformen seiner wahren Natur wie Konformität, Perfektionismus, Anpassung, Scheinharmonie und Mittelmäßigkeit.

Die Erziehungsbemühungen der Eltern, Schule, Normen, Ideale, Gebote, Moral und Ethik der jeweiligen Kultur bewirken einen Konflikt zwischen unserer wahren Natur und unserer entfremdeten Natur. Statt seine wahre Natur zu leben, machen sich Befindlichkeitsstörungen und mangelndes Selbstwertgefühl in Form von mangelnder Lebensfreude, Selbstbestrafung (Arbeitssucht, extreme körperliche Betätigung), Abkapselung, schlechten Gewohnheiten, Perfektionismus, Sucht und Misstrauen bemerkbar. Psychosomatische Symptome wie depressive Verstimmungen, Zwangsdenken, Schlafstörungen, Spannungszustände, neurotische Ängstevi und, wenn anhaltend, chronische Krankheiten (Somatisierung) lassen nicht lange auf sich warten. Paradoxerweise verbrauchen wir den Großteil unserer Energie zur Unterdrückung des Lebendigen in uns und zur Blockierung unserer Anlagen, statt diese natürliche Kraft zur Entfaltung zu bringen.

Das Patriarchat

Für viele Menschen gilt immer noch als Ziel, die Normen und Ideale der patriarchalen Kultur zu erfüllen. Die männlich geprägte Gesellschaft und ihre Regeln dominieren nach wie vor die Geschicke unserer Welt – im Großen wie im Kleinen. Sie stellen eine ernste Gefahr dar: Eltern, die ihre Kinder mit Liebesentzug erpressen, ein Chef, der seine Mitarbeiter gegeneinander ausspielt, ein übermächtiger Partner, der den anderen für seine wirtschaftlichen Interessen manipuliert. Der Prozess der Verstümmelung verzerrt unsere Wahrnehmung, beeinträchtigt unser Urteilsvermögen und führt zu negativen Selbsteinschätzungen. So sind sowohl der dominierende Mann als Brötchenverdiener, als auch die unterwürfige Frau als Hausmütterchen durch eigene Fehlbestände voneinander abhängig. Diese Opferhaltung, dass man auf Gedeih und Verderb in seiner Ehe aushalten müsste, rührt aus einem althergebrachten Rollenverhalten und einem autoritären Geist. Vor allem von Frauen wird immer noch das Verhaltensmuster der Aufopferung unter Missachtung der eigenen Bedürfnisse gelebt. Ihr Selbstwertgefühl vieler beginnt und endet damit, was sie für andere tun. Sie wollen dem alten Idealbild von der perfekten Mutter und der guten Ehefrau gerecht werden. In ihrem Anspruch, Alleskönnerin zu sein, fühlen sie sich jedoch ausgebrannt und überfordert.

Das zu Ende gehende Patriarchatvii mit seinen typischen Zügen von absoluter Macht und seinem Festhalten an Traditionen und Normen der Gesellschaft war Ausdruck der Vorherrschaft des Zwanghaften, was die Individualität nicht zur Entfaltung kommen ließ und die Persönlichkeitsentwicklung behinderte. Ein Menschenleben in falsch verstandener Tradition fordert Gehorsam von Autoritäten ein. Als hierarchisches Ordnungsprinzip in Familiensystemen ist das patriarchale Fühlen und Denken hervorragend geeignet, die eigene Beteiligung an den Geschehnissen zu verdecken und Eigenverantwortung abzuweisen. Die männliche Psychologie bildet die Norm für menschliches Verhalten und wird kulturell überbewertet. Die männliche Energie ist dominant und wird belohnt. Das Weibliche wird gleichzeitig entwertet. Die zerstörerischen Machterfahrungen, die Frauen mit Männern machten und machen, erleben sie als die tödliche Männermacht der Kriege, die bedrängende Männermacht der sexuellen Gewalt, die versklavende Männermacht der Zwangsprostitution, die Armut bringende Männermacht der Wirtschaft, bis hin zur ausschließenden Männermacht in der Kirche. Auch heute noch ist unsere patriarchalische Gesellschaft eine gesellschaftliche Realität. Auch heute noch versucht der Wohlfahrtsstaat die alten Geschlechterrollen zu zementieren und immer wieder herzustellen. Ich habe prinzipiell ein Problem, Autoritäten ihrer Autorität wegen zu respektieren. Diese Autorität hat keine Legitimation, sie ist innerlich leer und eine leere Machtdemonstration als Selbstzweck. Das ist frustrierend für beide Geschlechter.

Wir dürfen nicht in der Nostalgie von Strukturen und Gewohnheiten verhaftet bleiben, die in der heutigen Welt keine Überbringer von Leben mehr sind. Warum lassen wir zu, dass Menschen ohne echte Autorität einen derartigen Einfluss auf uns ausüben? Sie darf nicht missbraucht werden. Echte Autorität muss gewonnen werden und beinhaltet eine freiwillige Unterordnung im Vertrauen, aufgrund eines hohen persönlichen Ansehens, dem wir gerne folgen. Wir achten jemanden, dem wir Fähigkeiten zuschreiben, die wir selber nicht haben. Sie hat das Potenzial zu mehr Harmonie im fairen Zusammenleben zwischen den Menschen und wird zur sozialen Beziehung. Wir können stark und sanft sein. Autorität steht für die Werte ein, die wir selbst vertreten. Entscheidend ist, ob man Autorität hat oder eine Autorität ist. Das Bedürfnis nach Geltung ist elementar. Mutig gilt es, mir meiner eigenen natürlichen Führungskraft bewusst zu werden und dafür kraftvoll einzutreten. Welche Dominanz herrscht in meinem eigenen Beziehungsumfeld, die Macht der Gewalt oder sanftes Führen?

Wir müssen eine alternative Gesellschaftsordnung zum hierarchischen System anstreben, in dem echte Autorität so oft mit bloßem autoritären Machtgehabe einer kriegerischen Männlichkeit verwechselt wird, das eher lächerlich wirkt und häufig nur dann erfolgt, wenn jemand glaubt, nicht genügend anerkannt zu werden und sich durch bloße Machtausübung behaupten zu müssen. In unserer Gesellschaft begegnen uns viele Frauen und Männer, die unzufrieden sind mit sich selbst, weil sie falschen normativen Glaubenssätzen unterliegen. Aus Angst vor Demütigungen, schämen sie sich für ihre Gefühle und lernen sie zu beherrschen. Gerade Männer fühlen sich in ihrer Identität verunsichert, wenn sie sich in ihrer Weiblichkeit erleben. Sie haben Angst, ausgelacht zu werden, und meinen, keine Schwächen zeigen zu dürfen: Ein Indianer kennt keinen Schmerz! Gelobt sei, was hart macht. Sie glauben, sich unter Beweis stellen zu müssen und decken ihre sanften Stellen mit einem harten, kämpferischen Äußeren zu. Unsere Kindheit und unserer Beziehungen haben oft tiefe Wunden hinterlassen. Unbearbeitete Beziehungskonflikte werden weitergegeben, kränkende Worte und Machtkämpfe lassen die notwendige Sicherheit versiegen und führen zu einer immer stärkeren Entfremdung von unserem wahren Selbst.

Zugleich wird in der heutigen westlichen Globalgesellschaft die Auflösung und zugleich Pervertierung von Jahrtausende alten Werten und Tugenden betrieben, sowie die Verachtung und Abschaffung von geschlechtsspezifischer Rollen- und Aufgabenverteilung bis hin zum Versuch der gänzlichen Abschaffung der Geschlechter.

Gender Mainstreaming ist in seiner Dynamik das größte Umerziehungsprogramm, dem die Menschheit derzeit unterworfen ist. Es besagt, dass der Mensch nicht mit männlichen oder weiblichen Eigenschaften auf die Welt kommt, sondern dass ihm erst durch die Erziehung und Sozialisierung sein Geschlecht bewusst wird. Nach dieser Auffassung gibt es das typisch Männliche und typisch Weibliche nicht mehr. Daher wird die Beseitigung und Verhinderung von Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts angestrebt. Es wird allerdings immer klarer, dass Männer und Frauen von ihrem Wesen her tatsächlich körperlich, entwicklungsgeschichtlich und hormonell unterschiedlich sind, nicht nur in ihren Fortpflanzungsorganen. Wer hätte das gedacht?

Gender Mainstreaming ist Frauenpolitik in neuem Gewand. Anstatt die ursprünglich physiologische Einheit im Embryo mit Sympathie anzunehmen und die männlichen und weiblichen Energien als gleichwertig anzuerkennen, werden die Eigenschaften und Belange von Männern systematisch verunglimpft und vernachlässigt, was zur Entfremdung führt. Kein Wunder, dass die Männer ihre Machtbasis bedroht sehen und sich zur Wehr setzen, wenn Frauen weibliche Prinzipien überhöhen, um ihre Überlegenheit kundzutun. Männer werden so eher zu Brandbeschleunigern im Kampf der Geschlechter. Feministinnen wollen in Wirklichkeit in ihren Defiziten in Bezug auf ihr weibliches Wesen angenommen werden und haben ein irreales Männerbild. Statt dass Frauen das Männliche in sich feiern und Männer stolz ihren weiblichen Pol entdecken, tauschen die Geschlechter nur die Plätze, halten aber die Gegensätzlichkeiten aufrecht. Eine falsch verstandene Emanzipation versucht, die Mütter zu besseren Managern zu machen, um Frauenquoten zu erfüllen. Es geht nicht nur um die Rechte der Frauen. Die Frauen haben heute mehr denn je Anrecht auf Achtung und Respekt. Ich sehe darin eher einen emotionalen Missbrauch des weiblichen Egos und mitnichten ihre Wertschätzung! Statt ihre eigenen Stärken wie Intuition und Kooperation zu leben, begraben sie ihre natürliche Weiblichkeit, indem sie Männerkleider tragen und ihre Verletzlichkeit verbergen. Frauen in Führungspositionen (von Männern) sind letztendlich nur das weibliche Antlitz, um einem System der Unterwerfung und der Verdummung ein sanfteres Aussehen zu verleihen, statt die Bedingungen im familiären und beruflichen Umfeld ernsthaft zu ändern. Der Krieg der Geschlechter ist somit auch ein Konflikt mit unserer eigenen verleugneten maskulinen oder femininen Seite.

Mensch und Gesellschaft

Der zunehmende Materialismus der heutigen Gesellschaft entfremdet den Menschen immer mehr vom Bewusstsein der kollektiven Verbundenheit des gemeinsamen Menschseins und richtet seinen Gemeinschaftssinn zunehmend auf einen konkurrenten Umgang mit dem Nächsten und ein nur verstandesgemäßes Erleben der Welt ohne Rückbindung an Gott. Das Ego gaukelt den Menschen vor, dass sie sich mit Rücksichtslosigkeit, Eigenwilligkeit, Überheblichkeit und Verstand einen Vorteil verschaffen könnten. Es nimmt eine fundamentale weltanschauliche Spaltung unserer seelenlosen Gesellschaft bis in die Familien und Partnerschaften seinen Lauf. Die Strukturen haben sich verändert und schaffen keine guten Beziehungsqualitäten. Wir haben viel von unseren familiären Bindungen verloren. Das Klima wird kälter. Das zugrunde liegende Wertesystem hat eine physische und psychische Umwelt geschaffen, in der das Leben äußerst ungesund geworden ist. Die Anpassung an die Forderungen der Gesellschaft und in der Folge die Blockade, nicht unsere eigenen Anlagen entwickeln zu können, lässt uns ein Verhaltenskonzept der Imitation, Identifikation, Rationalisierung und Verdrängung entwickeln. Gewisse Teile unserer Vitalität werden abgetötet. Angst, Scham, Schein und Täuschung sind tief mit unseren Kulturen verwoben und sorgen häufig für ein oft viel zu langdauerndes Hängenbleiben in Ohnmacht. Auf der psychischen Ebene entsteht ein Gefühl des Defizits, bei Frauen tendenziell: Ich bin nicht genug, bei Männern tendenziell: Ich gebe nie genug. Bestehen diese Gefühle anhaltend, kann es zu ernsthaften gesundheitlichen Störungen kommen. Wir erleben uns häufig unbewusst als schuldig und verantwortlich. Das Gleichgewicht zwischen Eigenverantwortlichkeit und Überverantwortlichkeit ist massiv gestört und wir reagieren mit psychosomatischen Ängsten. Wir lernen, uns anzupassen und entwickeln dadurch ein mangelhaftes Selbstwertgefühl, das sich hemmend auf unsere lebenswichtigen Eigenschaften und Anlagen auswirken kann und damit auf die Entwicklung unserer Persönlichkeit. Aus erlebter Ohnmacht versuchen wir selbst irgendwie zur Autorität zu werden und kämpfen uns ehrgeizig vorwärts, bis wir aufgrund von Leistung, Überverantwortung und Pflichtbewusstsein zusammenbrechen. Wird die Entwicklung der Grundbedürfnisse und die Einheit von Körper und Seele durch Verletzungen im Mutterleib, in der Kindheit, in der Jugend beeinträchtigt, so hat dies eine Störung des inneren und äußeren Gleichgewichtes bis zu psychosomatischen Krankheiten und Zusammenbruch zur Folge.

In den ersten Lebensjahren ist ein Kind sehr darauf angewiesen, dass es gesichert und versorgt ist und getröstet wird. Das Kind braucht den Kontakt zur Mutter bis zu 7 Jahren. Lebt es ohne seine Bezugsperson isoliert, gerät es in viele Konflikte, die es oft ein Leben lang begleiten. Kinder gehören auch nicht frühzeitig in die Schule. Frühkindliche Bindung braucht Mitgefühl statt frühkindliche Bildung und Leistungsprinzip. Stattdessen wird versucht, den Kindern die Mütter abgewöhnen zu wollen. Kinder mit wenigen Wochen werden ihren Müttern entrissen, damit sie schlechtbezahlten Berufen nachgehen können, statt die sinnvollste Arbeit zu machen, die Mütter tun können, nämlich die Kinder auf ihr Leben vorzubereiten. Sie wollen spüren, dass sie geliebt sind und sich nicht in eine Kinderkrippe als Aufbewahrungsstelle abgeschoben erleben. Warum zeugen wir überhaupt noch Kinder, wenn die Erziehung und somit die Übermittlung von Werten hauptsächlich von Fremden oder von Medien übernommen wird und wir keine Zeit für sie haben? KITAs sind Zeugnis unserer westlichen Wertegesellschaft!

Wir sind Familie und als solche sollten wir unsere Zeit gemeinsam verbringen. Sind uns Kinder nicht kostbar genug? Wer vorgibt fürsorglicher zu sein als die leibliche Mutter, ist ein Heuchler, sagt ein arabisches Sprichwort. Durch KITAs sind Trennungskonflikte vorprogrammiert: Trennung von der Mutter – kommt sie wieder – wann? Sicher gebundene Kinder kommen mit unvermeidlichen Trennungssituationen besser zurecht, da sie wissen: Die Bezugsperson kehrt zurück, sie ist verlässlich. Unsicher gebundene Kinder verlieren das Urvertrauen. Alle wesentlichen Probleme in unserem Leben hängen mit der Erfahrung einer frühen Trennung, mit einer unterbrochenen Hinbewegung zu jemandem zusammen, der uns wichtig war. Die erste Hinbewegung ist immer die zur Mutter und zum Vater. Wenn diese gelungen ist, sind wir glücklich und für das Leben gerüstet. Eine Politik, welche die Kinder von ihren Müttern trennt, handelt wider die menschliche Natur. Ist das Kind ohne mütterlichen Schutz, sind die Folgen vorhersehbar: Krankheiten, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsstörungen Sprachschwierigkeiten, im offensichtlichsten Fall auch Wachstumsstörungen. Menschen, die unsicher sind, sind leichter lenkbar. Stabile Menschen machen möglicherweise eher Ärger. Ist es etwa so gewollt?

Kinder sind die Grundlage unserer Gesellschaft und ihre Erziehung braucht Zeit. Zeit, die wir nicht nachholen können und die uns die beste KITA nicht komplett abnehmen kann und soll. Jede Mutter oder jeder Vater soll alleine entscheiden können, wie viel er oder sie arbeitet (Vollzeit, Teilzeit, Minijob usw.). Mütter und Väter arbeiten, indem sie ihre Kinder betreuen, den Haushalt machen, in die Elternsprechstunde und zum Kinderarzt gehen, kranke und behinderte Kinder pflegen, sich Hilfe in einer Beratungsstelle suchen und vieles mehr tun, um gut für ihre Kinder zu sorgen. Wir haben einen Erziehungsauftrag, den wir ernst nehmen müssen und den wir nicht erfüllen können, wenn wir uns auf Biegen und Brechen dem Arbeitsmarkt und dem Unterhaltsrecht anpassen müssen. Wir müssen Kinder so aufziehen, dass sie in sich ruhende, selbstbewusste Erwachsene und zum Segen für die Gesellschaft werden. Dafür braucht es ein Fürsorgegehalt mit allen Sozialleistungen, damit Care-Arbeit endlich als Arbeit anerkannt und entlohnt wird. Mütter entscheiden, wie unsere Kinder aufgezogen werden. Darum sollte für einen Elternteil wenigstens ein Betrag in angemessener Höhe, für mindestens 12 Jahre pro Kind gezahlt werden und flexibel mit Teilzeitarbeit kombinierbar sein. Auch die Arbeit von pflegenden Angehörigen darf nicht dazu führen, dass diese Menschen dann in der Altersarmut landen. Deshalb sollte das Fürsorgegehalt auch an pflegende Angehörige gezahlt werden, wenn sie Vater, Mutter oder auch kranke, behinderte Kinder Jahre oder Jahrzehnte gepflegt haben. Der ökonomische Wert von Müttern ist nicht hoch genug einzuschätzen, würden sie für ihre Dienstleistungen zuhause bezahlt, wären sie die größte Arbeitnehmergruppe im Land. Ein Mann hat hochgerechnet, wie viel seine Frau tatsächlich kosten würde und kam zu dem Schluss, dass er sich seine Frau gar nicht leisten kann: Ein jährliches Gehalt von circa 60.000 Euro ohne Krankmeldung und bezahlten Urlaub! Der Umgang von staatlichen Instanzen mit kinderreichen Familien ist aufgrund einer verfehlten Gesellschaftspolitik skandalös. Sie werden zugunsten von kinderlosen Familien und Singles benachteiligt, die jedoch im Alter genau von deren Erziehungsleistung profitieren. Mehr noch, diese Gesellschaft ist dabei, die Familien aufzulösen: Von immer mehr Karriere-Singles und Doppelverdiener-Paaren werden Kinder eher als Armutsrisiko abgestempelt. Da sich junge kinderreiche Familien schwertun, aus eigener Kraft Vermögen zu bilden, hat das fatale Folgen: Über 20 Prozent aller Kinder in Deutschland leben in Armut. Eine solche Situation ist nicht nur eine tiefe Beleidigung für die Menschenwürde, sondern unzweifelhaft eine Bedrohung für den Frieden. Welche Chancen und Möglichkeiten habe ich in einer Gesellschaft, wenn ich arm und ohne Ausbildung bin? Wer wenig Geld hat, einen niedrigen sozialen Status und kein stützendes Umfeld hat, wird schnell stigmatisiert. Wer einen erschwerten Zugang zu medizinischer Versorgung hat, der hat auch ein erhöhtes Risiko, ein Gesundheitsproblem zu entwickeln. Es geht um die Bewältigung konkreter Aufgaben und Lebenssituationen in unserer von herzloser Intelligenz geprägten Gesellschaft, die seit Jahrzehnten nicht zuletzt durch Sozialängste, Überforderung, auseinanderbrechende Familienstrukturen gekennzeichnet ist, und in denen Kinder in wachsendem Maß mit nur einem Elternteil aufwachsen. Konnten sich Frauen früher primär um die Erziehung der Kinder kümmern, müssen sie jetzt aus finanziellen Gründen mitverdienen. Besonders die Anforderungen, denen sich alleinerziehende Mütter oder Väter gegenübersehen, sind oft nicht mehr leistbar und gehen über jede Kraft. Sie führen oft zu Überforderung, chronischer Erschöpfung, Ausgebrannt-Sein, innerer Leere und mangelnden Selbstwert. Wenn Alleinerziehende beispielhaft nicht um sich selbst gut sorgen können, kann dies auch ernste Folgen für die Kinder haben. Alleinerziehende und Familien mit Kindern müssen besser gestellt werden!

Es wird Zeit für eine neue Politik! Die Politik muss den Menschen die Abstiegsängste nehmen, soziale Ausgrenzung verhindern und für Verteilungsgerechtigkeit sorgen. Stattdessen hat der rein an marktwirtschaftlichen Prinzipien orientierte Staat fast alle Bereiche unseres Lebens vereinnahmt, nicht nur gesellschaftlich, sondern auch moralisch. Wer noch an die Verantwortung gegenüber Produkt, Belegschaft und Nation glaubt, wird im Räderwerk der Spekulanten zerrieben. Unsere Politik entledigt sich als Marionette der Lobbyisten ihrer moralischen Verpflichtung, indem sie Veränderung nur zögernd zulässt. Die fortschreitende soziale Spaltung treibt Millionen Menschen an den Rand der Gesellschaft. Hunderttausende Menschen sind gezwungen, Kurzvertrag nach Kurzvertrag zu unterschreiben, trotz düsteren Aussichten auf eine Rente, die zum Leben kaum reicht. In den Metropolen werden die Mieten unbezahlbar und abseits der Ballungsräume sieht man den Bus nur zweimal täglich. Zum nächsten Arzt sind es 30 Kilometer. Im Internet ruckelt das Video und Gespräche über Mobiltelefone werden abrupt unterbrochen, weil die Verbindung nicht flächendeckend ist.

Im Wettstreit der Systeme dominiert ein Kapitalismus, der, vermeintlich alternativlos, seine sozialen Komponenten immer mehr zurückfährt und gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus den Augen verloren hat. Die Politik hat das eigentliche Ziel, die Menschen mit allen Dingen zu versorgen, die sie für ein gutes Leben brauchen, längst hinter sich gelassen. Die Menschen fühlen sich persönlich benachteiligt und entmündigt, während auf der anderen Seite Milliarden verbrannt werden, die wir als Steuerzahler auf Kosten von Bildung, von Versorgungssystemen und Infrastruktur wieder beschaffen müssen. Während der private Reichtum immer weiter zunimmt, fehlt es an öffentlichen Geldern, um beispielsweise Straßen, Schulen und Universitäten zu sanieren, das Justizwesen und öffentliche Institutionen auszustatten, um ein soziales Gleichgewicht herzustellen. Der zunehmende Wettbewerb aller gegen alle produziert vermehrt Verlierer. Wohlstand für alle ist etwas anderes als die Verwaltung eines weltweiten Finanzkapitals, der privaten Reichtum und öffentliche Armut produziert. John Rawls, Moraltheoretiker und Vordenker einer gerechten Gesellschaft: „Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten, etwa verschiedener Reichtum oder verschiedene Macht, sind nur dann gerecht, wenn sich aus ihnen Vorteile für jedermann ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft.“

Bezüglich Schulbildung, Gesundheitswesen und Altersarmut können wir eine zunehmende Zweiklassengesellschaft feststellen. Die Geringschätzung gegenüber all jenen, die keine entsprechenden beruflichen Positionen mit gutem Auskommen, sozialer Anerkennung und höherer Bildung vorzuweisen haben, ist ein Faktor für Ungleichheit, die mit individueller Freiheit unvereinbar ist. Ein gesundes Altern des Menschen hängt davon ab, welche Bildung er genießt und wie viel er verdient, damit er im Alter ein soziales menschenwürdiges Einkommen hat. Ist es gerecht, dass es Kinder aus Arbeitermilieus trotz Begabung nur selten an eine Universität schaffen? Die ständig wachsende Ungleichheit ist in ganz hohem Maße das Ergebnis fehlender Chancengleichheit. Chancengleichheit heißt nicht Gleichmacherei, sondern dass jeder gleichermaßen freien Zugang zu den klassischen Bildungsangeboten bekommt, vor allem jene, die in eine bildungsferne, sozialschwache Familie geboren werden und unterhalb der Armutsgrenze leben. Ist das nicht der Fall, zahlen wir alle den Preis dafür. Je nach Bildungsverlauf kann man schon vorhersagen, wer mit dem Problem der Altersarmut konfrontiert wird. Die Bedrohung durch Armut und eine zunehmende soziale Spaltung gehören zu den größten Problemen des 21. Jahrhunderts. In den vergangen Jahren hat sich diese Entwicklung zunehmend beschleunigt.

Jeder muss eine faire Chance für gute Bildung und Qualifizierung bekommen, unabhängig von Herkunft oder Einkommen der Eltern. Wenn ein Teil der Gesellschaft gar nicht die Möglichkeit hat, die eigenen Fähigkeiten und Talente zu entwickeln, sich einzubringen in Wirtschaft und Gesellschaft, dann wird es an produktiven Kräften und an wirtschaftlicher Dynamik fehlen, die unsere Welt möglicherweise entscheidend hätte voranbringen können. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty: „Langfristig betrachtet ist die entscheidende Triebkraft für eine Egalisierung der Lebensbedingungen die Ausbreitung von Wissen und Qualifikation.“

Solidarität

Der britische Naturforscher Charles Darwin postulierte in seiner Evolutionstheorie, dass Egoismus das absolut vorherrschende Prinzip in der Biologie sei, weil es unser Überleben sichert. Die Annahme, der Stärkere setzt sich durch, der Schwächere bleibt auf der Strecke, ist eine vereinfachte Sichtweise – mit Folgen für das Gemeinwesen. Konkurrenzkampf kostet viel Energie, die wir besser im Miteinander investieren könnten. Weil der Solidaritätsgedanke leider an Wertschätzung in unserer Gesellschaft verliert, müssen wir daran arbeiten, das konkurrente Denken zu überwinden. Wir brauchen Verhaltensregeln und Richtlinien, weil es uns am politischen Willen für ein respektvolles Miteinander mangelt. Der Kerngedanke der Solidarität ist die Bereitschaft zu wechselseitiger Hilfe in Not, auf der Basis gemeinsamer Schicksale und Interessen. Solidarität kann Bindung stiften mit Menschen, die man nicht kennt und mit denen man etwas teilen will. Wir müssen unser Ego überwinden. Wir brauchen kein entweder – oder, sondern ein konstruktives sowohl – als auch in Ökonomie, Ökologie und im sozialen Bereich. Die sogenannte Agenda 2010 hat das deutsche Sozialsystem ausgehöhlt. Der innergesellschaftliche Frieden im Sozialstaat und das Solidarprinzip, besonders im Gesundheitswesen, in der Pflege und auch im sozialen Bereich, wurden dadurch zunehmend infrage gestellt. Die Gesellschaft darf nicht zulassen, am Ende des Lebens in der Armutsfalle zu enden. Hartz IV ist eine Demütigung und völlige Verkehrung der Solidarität. Arbeitslosigkeit und Altersarmut wird heute in der Hauptsache als vom Individuum selbst verschuldet gesehen.

Wir stehen vor großen Herausforderungen wie Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung, Konflikte und Armut. Solidarität beinhaltet das gemeinsame Bemühen, etwas zu bewegen, sich gegenseitig zu unterstützen, um gut miteinander leben zu können. Jeder Mensch trägt den Impuls zu solidarischem Handeln in sich. Solidargemeinschaften gehen vom Herzen aus! Sie versprechen mitmenschliche Wärme und tragen die Bereitschaft in sich, für jemand anderen zu empfinden, der Hilfe braucht. Sie fördern das Zutrauen zum Fremden und unser Zusammenleben. Sie sind in unserer Zeit als Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen frei gewählt und hängen davon ab, inwieweit wir uns mit dem Fremden identifizieren können. Sind wir in der Lage, uns in andere hineinzuversetzen, wird die Angst in uns kleiner. Wir helfen einander.