Lebenslust - Andrea Schatz - E-Book

Lebenslust E-Book

Andrea Schatz

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Beschreibung

Lilli lebt auf dem Dorf und ist ziemlich neugierig. Ihre Helden sind die Beatles, Little Joe, Geschwister und Freunde. Ihre Abenteuer machen glücklich und sind manchmal auch ein Reinfall. Die humorvoll erzählten Episoden aus den 1970er-Jahren vom Kindergarten bis zur weiterführenden Schule sind eine kleine, aber feine Hommage an das Glück.

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Seitenzahl: 53

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Andrea Schatz

Lebenslust

Lebenslust

Geschichten über Lilli

Impressum

© 2015 Andrea Schatz

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-xxxxx

Printed in Germany

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Lilli Wunderfitz

Die andere Lilli

Lilli Wunderfitz

Atemlos

Ich ersticke … ich ersticke nicht … ich ersticke!!! Lilli versuchte Luft zu holen, gleichzeitig das Beben zu unterdrücken, das sich in einer Welle aus ihrem Körper  brechen wollte. Mühsam atmete sie, Zisch-laute erzeugend, doch die Luft reichte nicht aus. Nicht bewegen, keine Angst, beschwor sie sich selbst. Sie fuhren durch die dunkle Nacht. Lilli saß stocksteif, aber hochkonzentriert auf der Rückbank und versuchte jede Erschütterung durch vorsichtiges Mitbewegen ihres Körpers zu vermeiden. Bloß nicht an die vielen Schlaglöcher denken! Die Mutter hatte sich vom Beifahrersitz zu ihr umgedreht, beobachtete sie und ermutigte sie ohne Worte: Es wird gut, bleib ruhig, gleich sind wir da. Der Vater fuhr sehr behutsam. Doch die Fahrt wollte kein Ende nehmen.

Das Krankenhaus der Kreisstadt lag etwa 12 Kilometer entfernt. Sie waren bereits telefonisch angekündigt. Während der letzten Meter schöpfte Lilli Hoffnung auf ein Überleben und krächzte – jetzt, wo das Ziel so nah war, konnte sie es ja riskieren – fragend in Richtung der Mutter, wie man ihr denn zu helfen gedenke. Während der Vater sie an der Pforte anmeldete und Lilli das bestätigende Nicken des Pförtners als gutes Zeichen wertete, vernahm sie aus der Antwort der Mutter nur verschwommen das Wort „Zange“. Ihr wurde übel. Beim Aussteigen und nach den ersten Schritten verstärkte sich ihre Übelkeit so sehr, dass sie sich unbewusst zu der Hecke neben der Krankenhauseinfahrt wandte und sich übergab. Mit dieser Aktion entledigte sie sich schwungvoll des Übeltäters in ihrer Luftröhre: ein Zehnpfennigstück, mit dem sie, im Bett auf dem Rücken liegend, „Kaugummi“ gespielt hatte.

Luft, welch eine gute Luft! Nie zuvor hatte Lilli drei Erwachsene sich bei ihrem Anblick so freuen sehen wie jetzt. Die Erleichterung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Der Pförtner machte einen Witz in der Art, so schnell genesende Patienten würde er sich öfter wünschen. Glücklich über den glimpflichen Ausgang der Geschichte machten sie sich auf den Heimweg. Nein, mit einer Zange hätte sich Lilli niemals im Hals herumfuhrwerken lassen!

Wer den Pfennig nicht ehrt …

Bevor sie einschlief, ließ Lilli die Ereignisse des Tages nochmals Revue passieren. Der ganz gewöhnliche Tag war durch den kurzen Besuch der Patentante belebt worden: Sie hatte ihr zum Abschied 10 Pfennig geschenkt, damit sie sich eine kleine Nascherei im Tante-Emma-Laden oder aus dem Kaugummikasten holen konnte. Lilli hatte die Münze auf das Bord eines Schrankes gelegt und sie vorerst vergessen.

Als es für sie und ihren jüngeren Bruder Kalle Zeit zum Schlafengehen war, hatten sie die üblichen Geschichten unter der Bettdecke ausgetauscht und durch ihr Gekicher die Mutter auf sich aufmerksam gemacht. Als sie das Zimmer betrat, stellten sie sich schlafend, indem sie eine Art liegende Hab-Acht-Stellung einnahmen, die natürlich höchst  unglaub-würdig war. Nach erfolgter Ermahnung konnten sie sich kaum beherrschen, bis die Tür wieder geschlossen war. Sie prusteten los –  und weiter ging die Geschichte, nur etwas leiser diesmal. Die Vorstellung vom Essiggürkle, das allein Hinter Berg hinunter spazierte und dabei fröhlich vor sich hin-pfiff, war einfach zu komisch …

Irgendwann kam von Kalle keine Antwort mehr. Doch Lilli war noch aufgekratzt und wollte nicht schlafen. Da fielen ihr die 10 Pfennig wieder ein und sie freute sich schon auf die Überraschung aus dem Kaugummikasten. Aber die Vorfreude reichte ihr nicht. Sie griff sich die Münze und machte den Kaugummi zur vorgezogenen Realität, indem sie auf der Münze herumkaute und sie im Mund hin- und herrollte. Plötzlich war die Münze weg. Hatte sie sie etwa verschluckt? Bevor Lilli wusste, dass ihr diese im Hals steckengeblieben war, hatte sie sich schon aus einem unguten Gefühl heraus auf den Weg ins Elternschlafzimmer gemacht, und plötzlich befand sich alles um sie herum in hellster Aufregung.

Helden der Nacht

Lilli war gespannt, ob es ein Nachspiel für ihre Dummheit geben würde … aber das würde sie noch früh genug erfahren. Endlich wurde sie müde und überließ sich ihren Helden der Nacht. Als erstes tauchten ihre bunten Freunde auf, die in Sternchenform oder als pastellfarbene Blubberkugeln (welch Ähnlichkeit mit einem Kaugummi!) verkleidet an ihr vorüberzogen. Sie begrüßten einander, die Formen zogen sich zusammen oder dehnten sich aus, ganz nach Herzenslust, bis sie als lange dünne Striche langsam in den Hintergrund traten. Die Sterne verwandelten sich in Steigeisen, und schon befand sich Lilli am oberen Rand des geöffneten runden Schachtes, der sich im Rasenstück zwischen den beiden angepflanzten Rabatten befand und ihr geheimer Ort war. Der Schachtdeckel lag im Gras und Lilli schaute verzückt die Öffnung hinunter. Kühler und etwas muffiger Schatten war zu spüren.

Aus Neugierde darauf, was sich ganz unten wohl befinden könnte, begann sie ihren Abstieg. Die Steigeisen waren in geschickten Abständen ringsherum in der Seitenwand befestigt, und sie genoss ihre sicheren Tritte bei der Suche nach dem nächsten Halt. Sie stieg weiter und weiter hinab, doch es war kein Boden in Sicht. Obwohl dies seltsam war, verspürte Lilli keine Furcht. Es war einfach interessant, immer weiter hinab zu klettern und alles um sich herum kreisen zu lassen. Wenn sie Glück hatte, stieß sie vielleicht auf den Schacht-Joel, einen dunklen Gesellen, der bestimmt viel freundlicher war als allgemein angenommen.

Bei der Gelegenheit konnte sie ihm dann gleich sagen, dass sie regelmäßig an seiner Zweitwohnung vor dem Pfarrhaus vorbeikam.

Ohne Übergang begann sie zu schweben anstatt zu klettern, und die Schwerelosigkeit fühlte sich unbeschreiblich schön an. Dies war ihr Lieblingstraum, schöner noch als der vom nächtlichen Flug über das Dorf mit seinen Stromleitungen. Denn in jenem wurde sie manchmal von Bösewichten verfolgt und kam im Augenblick höchster Gefahr nicht gleich vom Fleck. Bisher hatte sie es zwar immer geschafft, noch rechtzeitig abzuheben, aber ein gewisses Misstrauen in die Zuverlässigkeit ihrer Flügel blieb haften – als ob ein Schatten diese manchmal absichtlich nach unten zöge.

Ab in den Kindergarten!