Lebenslust - Dr. Manfred Lütz - E-Book

Lebenslust E-Book

Dr. Manfred Lütz

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Unsere Vorfahren bauten Kathedralen, wir bauen Kliniken. Unsere Vorfahren retteten ihre Seele, wir retten unsere Figur. Keine Frage: Wir haben eine neue Religion – die Gesundheit. Wir kasteien uns mit Diät- und Fitnessterror und vergessen darüber fast alles, was das Leben ausmacht. Höchste Zeit also für eine lustvolle Verteidigung der Lust! »Manfred Lütz lehrt mit Witz die Kunst zu leben.« FAZ

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 349

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Manfred Lütz

LebensLust

Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

MottoVorwortEinleitungA. Lust am Leben – Macht und Geheimnis der GesundheitI. Auf der Suche nach dem Heil1. »Das höchste Gut ist doch – die Gesundheit!«2. »Gesund ist, wer nicht ausreichend untersucht wurde«3. »Über die Verborgenheit der Gesundheit«II. Die Macht der neuen Weltreligion1. Kult2. Im Vorhof des Tempels – Schönheit, Sex und Tod im Sonderangebot3. Im Heiligtum – InszenierungenIII. Der Preis der Gesundheit1. Die Kostensteigerung im Gesundheitswesen als religiöses Phänomen2. Die »Ethik des Heilens« als Fundamentalismus3. Wer früher stirbt, lebt länger ewig4. Die Abschaffung des Menschen zugunsten der Gesundheit – der BilderkultIV. Der Arzt als Totengott1. »Ich leide unter chronischer Differenzialdiagnose«2. Über ärztliche Schlafproduktion3. Die Galle von Zimmer 5 ist ein Mensch – ganzheitlich in die Sackgasse4. Überforderte Götter – die Lebenslügen der Gesundheitsgesellschaft und ihre OpferB. Lust zu leben – die Rettung der GesundheitI. Das Christentum, die Gesundheit und die Lust1. Der gute Rat des Sherlock Holmes2. Eine Religion lästert Gott3. Jesus und betrunkene DeutscheII. Die Erfindung gesunder Ganzheitlichkeit1. Abschied vom Absoluten2. Geheime Lösungen3. Ganzheitlichkeit als Ereignis4. Emanzipation von der Tyrannei5. Die Frage aller Fragen und die Antwort des KetzersC. Lust im Leben – wie man länger Spaß am Leben hatI. Erschütternde BilanzII. Lustvoller Perspektivwechsel – die Entdeckung der Wirklichkeit1. Behinderung als Fähigkeit oder wie man Polizisten glücklich macht2. Krankheit als Glücksfall oder wie jemand lernte, die Bombe zu lieben3. Schmerz als Hilfe oder warum das Zahnweh gepriesen wurde4. Leiden als Kraft oder warum der liebe Gott seine Glaubwürdigkeit einbüßte5. Alter als Segen oder was das Leben von einem Lexikonartikel unterscheidet6. Sterben und Tod als Würze des Lebens oder was ein pompejanisches Bordell mit dem heiligen Hieronymus verbindetD. Lust auf Leben – über psychotherapeutische Virtuosen und ZuhälterI. Über Ursachen: Sie haben ein Problem? – Da hätt’ ich noch eins für Sie!1. Eine neue Kirche2. Das Genomprojekt des 19. Jahrhunderts3. Die Zukunft einer IllusionII. Über Wirkungen: Was theoretischen Wein von Wein unterscheidet1. Unfehlbare Utopien über Gott und die Welt2. Kommen Sie mir bloß nicht mit der Wirklichkeit!III. Über Fernwirkungen: Warum wirklicher Striptease besser ist1. Psycho – Fernsehen2. Psycho – Katastrophen3. Psycho – SterbenIV. Psychotherapie und Religion: Die Gurustory – über Visionäre und Klempner1. Hilfreiche Manipulation – eine künstliche Beziehung für Geld2. Neurotisches Elend und normales Leid – Kunsthandwerker vor der Gretchenfrage3. Psychotherapie und Seelsorge – Beethoven und der psychische ApparatE. Lebenslust – ohne Risiken und Nebenwirkungen an den Quellen der LustI. Lebenslust braucht Zeit – aber keine Freizeit1. Vertriebene Zeit2. Sinnvolle Muße3. Zweckloser KultII. Über die Sinnlichkeit der Ewigkeit1. Erlebte Ewigkeit2. Gelebte Liebe3. Lustvolle ErotikIII. Die Sehnsucht des Menschen nach Heil und Heilung1. Schöpferische Spiritualität2. Ganzheitliches Heil3. Ergreifende SchönheitNachwort
[home]

»Die ständige Sorge um die Gesundheit ist auch eine Krankheit.«

Platon

[home]

Vorwort

Dieses Buch ist eine Provokation. Es ist geschrieben für die inzwischen über 5 Millionen Fitnessstudiomitglieder mit Sinn für Humor und für 75 Millionen andere Deutsche als Ermutigung zum Durchhalten. Aber es ist nicht nur eine Erlaubnis zum herzhaften Lachen in den heiligen Hallen der real existierenden Gesundheitsreligion. Es ist vor allem eine Anleitung zur wirklichen Lust am Leben. Anstatt bloß noch vorbeugend zu leben, um dann gesund zu sterben, plädiert dieses Buch dafür, die kostbaren unwiederholbaren Momente des Lebens zu genießen, zu schmecken, zu erleben.

Nebenbei ist es ein politisches Buch, denn es legt den gewaltigen sozialpolitischen Sprengstoff frei, den die Gesundheitsgesellschaft aufgehäuft hat. Die ungebremste glutvolle Verklärung der Gesundheit als »höchstes Gut« hat längst zum Zusammenbruch von so etwas wie Gesundheitspolitik geführt. Das ist auch kein Wunder, denn Politik ist die Kunst des Abwägens. Ein »höchstes Gut« kann man aber nicht abwägen, dafür muss man immer alles tun. So befürwortet man rituell Systemveränderungen, Qualitätsverbesserungen, Einsparungen, und vor allem ruft man unter allgemeinem Beifall: Bloß keine Zwei-Klassen-Medizin! Doch für wirkliche Einschränkungen zu plädieren bei den Bemühungen um das »höchste Gut« klingt nicht nur irgendwie gotteslästerlich, sondern wäre in jedem Fall politischer Selbstmord.

Nur wenn die gesamte politische Klasse sich verschwört und nachts die Gesundheitsministerin und der Gesundheitsoppositionsführer vor die Mikrofone treten und einer von beiden die soeben erzielte Einigung als »schönste Nacht meines Lebens« bezeichnet, verstummt kurz jede Kritik, da man weder bei religiösen Riten noch beim Beischlaf von außen dazwischenruft. Da die finanzielle Situation verzweifelt ist, kommt es so zu Vereinbarungen zwischen Regierung und Opposition, zwischen rechts und links, zwischen oben und unten, die als »große Reformen« etikettiert werden, in Wahrheit aber überhaupt nichts wirklich lösen. Dass schon immer und auch heute reiche Menschen älter werden können als arme, ist in einer Gesundheitsgesellschaft ein unsäglicher Skandal, der nicht benannt werden darf.

Die Gesundheitsreligion ist ein humorloser gefräßiger Tyrann, der die Menschen von morgens bis abends traktiert, bedroht, belehrt und mit rituellem Gesundheitsgeschwätz das eigenständige Denken einschläfert. Die Leute glauben nicht mehr an den lieben Gott, sondern an die Gesundheit, und alles, was man früher für den lieben Gott tat – Wallfahren, Fasten, gute Werke vollbringen –, das tut man heute für die Gesundheit. Gesundheit gilt dabei wie alles in unserer Gesellschaft als herstellbares Produkt: Man muss was tun für die Gesundheit, von nichts kommt nichts, wer stirbt, ist selber schuld. Und so rennen die Leute durch die Wälder, essen Körner und Schrecklicheres – und sterben dann doch.

Man hat gesagt, die Lebenszeit der Menschen sei heute drastisch zusammengeschmolzen. Während der mittelalterliche Mensch seine diesseitige Lebenszeit plus ewiges Leben vor sich hatte, bleibt dem heutigen Menschen nur noch unendlich weniger Lebenszeit übrig: sein begrenztes Leben auf dieser Welt. Doch je mehr man das merkt, desto mehr breitet sich im Wartesaal des Lebens Unruhe aus. Der Tod ist ausgebrochen im Wartesaal, der endgültige Tod ohne Wenn und Aber. Es hat sich herumgesprochen, dass alle sterben werden, an der Vogelgrippe, an BSE, an AIDS, am Leben, ohne Ausnahme, und dass kein Zug mehr fährt, noch nicht einmal nach Nirgendwo. Panik herrscht bei vielen, rette sich, wer kann. Mit dem ewigen Leben rechnet zwar keiner mehr, aber wenigstens sterben möchte man nicht.

So sind die Kinder der glorreichen Befreiungsbewegungen der Neuzeit, der Aufklärung, der Amerikanischen Revolution, der Französischen Revolution, der Emanzipation der Frau und zuletzt des Mannes, unter eine neue drückende Knechtschaft geraten. In absurde Verkleidungen gepresst, mit verbissenem Ernst und ohne jeden Humor, die Todesdrohung im Nacken und schuldgebeugt, hetzen die Menschen bei den Städtemarathons in Bataillonsstärke durch hässliche Straßen, sie laufen von Arzt zu Arzt und essen unschmackhafte Sättigungsbeilagen zu einem Leben voller Verzicht und Kasteiung. Um den Tod zu vermeiden, nehmen sich die Menschen das Leben, nämlich unwiederholbare Lebenszeit. Gellende Kommandos schallen durch die Fitnessstudios im schnarrenden Ton preußischer Exerzierübungen. Diätbewegungen gehen wie wellenförmige Massenbewegungen übers Land, in ihrem Ernst die Büßer- und Geißlerbewegungen des Mittelalters bei weitem übertreffend.

Im Wissenschaftsteil einer seriösen überregionalen Tageszeitung erschien ein Artikel über japanische Studien über Würmer. Dabei war herausgekommen, dass Würmer, die quasi nichts essen – und wenn überhaupt, nur Körner – wahnsinnig alt werden. Und man sei jetzt dabei, das aufs Menschenmodell zu übertragen. Der Artikel atmete Nobelpreisverdächtigkeit. Wenn ich mir aber überlege, ich dürfte quasi nichts mehr essen und wenn überhaupt, nur Körner und könnte dann noch nicht einmal sterben … das wäre für mich die konkrete Beschreibung der Hölle. Aber in der Gesundheitsreligion: paradiesische Zustände!

Die Gesundheitsreligion ist Realsatire pur. Eigentlich wäre es Zeit, die Absurdität dieses ganzen Treibens zu entlarven. Doch da sei Gott vor! Genauer gesagt: Der Blasphemieschutz ist inzwischen von den Altreligionen auf die Gesundheitsreligion übergegangen. Über Jesus Christus können Sie in unserer Gesellschaft jeden albernen Scherz machen, aber bei der Gesundheit hört der Spaß auf – nur in diesem Buch fängt er genau da an. Denn in totalitären Systemen kann man die Wahrheit nur satirisch sagen – und die Gesundheitsreligion herrscht totalitär mit der Macht strenger Political Correctness. Jede Abweichung vom allgemeinen rituellen Gesundheitsgeschwätz wird streng sanktioniert. Daher ist dieses Buch durchaus ein lustvoller Tabubruch und nichts für kuschelige Meinungssofties, die gerne meinen, was alle meinen, oder Bücher nur danach beurteilen, ob es dem Autor gelingt, die eigene bewährte Auffassung glanzvoll zu bestätigen. Mit anderen Worten, dieses Buch setzt ein gewisses Maß an Grundhumor voraus, denn Humor ist die Fähigkeit, sich selbst einmal wenigstens probeweise in Frage zu stellen. Daher ein eindringlicher Warnhinweis: Aus haftungsrechtlichen Gründen ist dieses Buch für humorlose Fitnessstudiobesitzer nicht geeignet.

Leider ist Humor generell in Kreisen der Gesundheitsreligion weitgehend unbekannt. Meist war man betroffen, ist betroffen oder wird bald betroffen sein. Und wenn dauernd bei Übertretungen mit der Todesstrafe gedroht wird, ruiniert das ohnehin jede Stimmung. Die Gesundheitsreligion hat dabei übrigens leider entdeckt, dass Lachen mit Humor gar nicht unbedingt etwas zu tun haben muss. Denn wenn der Volksmund schmunzelnd erklärt, Lachen sei gesund, wird so etwas von der Gesundheitsreligion natürlich sofort systematisch aufgegriffen. Es gibt inzwischen in allem Ernst Lachgruppen, wo Leute sich regelmäßig zum gemeinschaftlichen Lachen treffen. Scherze sind dabei verboten, denn es geht um das Lachen an und für sich. Sollten im Rahmen des bevorstehenden Prophylaxegesetzes für alle Bundesbürger verpflichtende Lachzeiten eingeführt werden, habe ich meine Auswanderung angekündigt.

Dass Gesundheitsgurus zumeist humorlose Ölgötzen sind, hindert mich also nicht an lustvoller Gesundheitssatire. Doch habe ich mir schon ein wenig Sorgen gemacht, wie ein solches Buch wohl auf Menschen wirken könnte, die eine schwere Krankheit haben und für die Gesundheit verständlicherweise ein wichtiges Thema ist. Da erreichte mich, kurz nachdem die Thesen dieses Buches zum ersten Mal das Licht der Öffentlichkeit erblickten, die E-Mail einer Frau:

 

»Es ist wunderbar, dass Sie laut sagen, was ich nur zu denken wage. ›Hauptsache gesund‹, wie sehr ich diesen Satz hasse! So ein Quatsch, wenn das die Hauptsache wäre, müsste ich den ganzen Tag Trübsal blasen, und mein Leben hätte keinen Sinn – keine Hauptsache – mehr. Oder noch nie gehabt. Ich habe einen angeborenen Herzfehler und deswegen 6 Herzoperationen hinter mir und dadurch noch einige andere Krankheiten dazubekommen. Da bleibt von Gesundheit als ›Hauptsache‹ nicht viel übrig. Sonst bin ich eigentlich normal: 32 Jahre alt, seit 13 Jahren verheiratet, 2 Kinder … Was die 6. Herzoperation vor 2 Jahren hätte bedeuten können, war uns allen klar. Es gibt schließlich nicht viele (lebende) Menschen nach einer 6. Herzoperation. Aber dass ich sterben könnte und jeder Tag ein besonderes Geschenk an mich ist, wusste ich eigentlich schon sehr früh, seit ich ca. 4 Jahre alt war.

Nach gelungener Operation kam ich zur Anschlussheilbehandlung. Dort waren fast nur ältere Menschen, auch nach Herzoperationen oder Herzinfarkten. Und die jammerten alle!! Jedem tat es irgendwo weh, jeder konnte irgendetwas nicht oder war ständig müde. Was hatten die erwartet? Anstatt glücklich zu sein, diese Operation überstanden zu haben, bedauerten die nur sich selbst. Oder mich: ›Was, so jung und schon herzkrank? Ooch, Sie Arme!‹ In ihrer Vorstellung von Bypass waren sie eher in einen Jungbrunnen gefallen, der sie nach der Narkose 50 Jahre jünger, bildhübsch und supersportlich wieder auferstehen ließ. Beim nächsten Mal gehe ich in eine Kinderkurklinik, da ist es lustiger.

Nun ist es nicht so, dass ich nie jammere, und doch ist da in mir diese glucksende Lebensfreude und dieses wunderbare Genussgefühl, das alles erleben zu dürfen. Die Erwartungshaltung der Menschen an die Ärzte und an die Medizin lässt mich oft den Kopf schütteln. Manchmal glaube ich fast, in Deutschland darf man nicht mehr sterben, ohne nicht mindestens einmal reanimiert zu werden. Behinderte Kinder zu bekommen ist unnormal, denn die sind ja nicht ›Hauptsache gesund‹. Doch eigentlich empfinde ich mich als viel glücklicher und zufriedener als die meisten tatsächlich körperlich Gesunden.

Danke, dass Sie versuchen, die Menschen aufzurütteln, und dass Sie mir heute das Gefühl gegeben haben, dass ich okay bin, so wie ich bin …«

 

Mich hat diese E-Mail in der Auffassung bestärkt, dass die Gesundheitsreligion nicht nur für Gesunde, sondern auch für Kranke ein scheußlicher Aberglaube ist. Diese Frau war dann Gast in einer Gesundheitssendung des deutschen Fernsehens, die mein Buch zum Thema hatte. Da bekannte sie, dass ihr die Ärzte dringend von Kindern abgeraten hätten, das sei unverantwortlich, wenn man so krank sei. Man sah sie dann in einem Einspielfilm mit ihren Kindern herumtollen. Dieser Fall machte deutlich, wie sehr die Gesundheitsreligion bereits das Menschenbild der Gesellschaft verändert hat. Der gesunde Mensch und der Mensch, der noch gesund werden kann, ist der eigentliche Mensch. Wer nicht mehr gesund werden kann, wer unheilbar krank oder behindert ist, ist ein Mensch zweiter oder dritter Klasse, dem man den Eingang zum Leben fürsorglich verwehrt oder den Ausgang mitfühlend erleichtert. Im Übrigen war das bei aller Ernsthaftigkeit insgesamt wohl die lustigste Gesundheitssendung im deutschen Fernsehen mit einer im Vergleich zu sonst doppelt so hohen Einschaltquote, und das Ganze war nur möglich wegen des Redakteurs, der die Verantwortung hatte für die Sendung – denn das war seine letzte Sendung vor der Rente.

Auch bei Vorträgen, die ich inzwischen zum Thema des Buches vor Wirtschaftsvertretern, Gesundheitspolitikern, bei Ärztekongressen und anderen Gelegenheiten gehalten habe, wurden die provozierenden Thesen durchaus mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen. Manche Journalisten, die für die Gesundheitsseiten ihrer Journale zuständig sind, bedankten sich herzlich, dass da mal auf andere Weise über diese Dinge geredet würde als in den üblichen salbungsvollen Gesundheitsergüssen. Das Thema scheint einfach reif zu sein für eine neue Sicht, die aus den bisherigen Sackgassen herausführen könnte.

Vor allem aber führt die Gesundheitsreligion die riesigen Massen ihrer Gläubigen in eine persönliche Sackgasse. Wer wie die Gesundheitsreligion in Behinderung, Krankheit, Schmerzen, Leiden, Alter und Sterben nur Defizite eines Lebens sehen kann, dem blieben, so habe ich ausgerechnet, im Durchschnitt nur noch 9,82 Prozent der Lebenszeit als lebenslustfähige Zone – und in der Zeit muss man ja auch noch die Steuererklärung machen. Lebenskunst kann also nur darin bestehen, auch in diesen unvermeidlichen Grenzsituationen menschlicher Existenz, wie der Philosoph Karl Jaspers sie genannt hat, Quellen des Glücks eines Lebens zu finden. So will dieses Buch nicht bloß eine emanzipatorische Streitschrift gegen die totalitären Zumutungen der Gesundheitsreligion, sondern vor allem eine Anleitung zum glücklichen Leben sein.

Das Buch gibt so eine Antwort auf die Frage: »Was muss man tun, um Spaß oder sogar Lust am Leben zu haben?« Gewiss, man kann es mit dem Spaß übertreiben. Doch selbst bei so mancher spaßkritischen Sonntagsrede ist die herzliche Freude im Gesicht des Festredners unübersehbar, wenn das anwesende Publikum die lustvolle Beschimpfung des abwesenden Zeitgeistes mit rauschendem Beifall bedenkt. Der lustvolle Angriff auf die Lust ist höchste Form des Lustgewinns.

Dennoch ist die Verwendung des Wortes »Lust« eher selten. Außer bei Fernsehsendungen über Sex, wo pflichtgemäß und nicht sehr lustig über Lust gesprochen wird. Was einen so ganz ergreift wie die Lust, darüber redet man nicht. Und wenn einige doch darüber reden, dann sprechen sie allenfalls moralinsauer von der »bösen« Lust. Das hat die Lust nicht verdient. Und so geht es diesem Buch auch um eine Rehabilitation der Lust in ihrem umfassendsten Sinn, also um Lebenslust.

Dabei spielt die Gesundheit eine wichtige Rolle. Was hat die Gesundheit mit der Lebenslust zu tun? Kann man die Lebenslust durch Gesundheit verpassen? Kann man die Gesundheit durch Lebenslust zerstören? Jede falsche Antwort auf diese Fragen hat buchstäblich tödliche Folgen.

Das Thema ist gefährlich. Denn das Gesundheitssystem der westlichen Welt ist inzwischen auch ein gigantischer machtvoller Wirtschaftskoloss, der rasant wächst und kaum mehr steuerbar ist. Konjunkturforscher befürchten, dass das anbrechende »Zeitalter der Gesundheit« ungebremst in den finanziellen Ruin steuert. Wegen der religiösen Verklärung von »Gesundheit« sind ihre Risiken und Nebenwirkungen nämlich tabu. Die Gesundheitsreligion ist in der Tat die neue Erlösungsreligion schlechthin.

Es gibt auf diesem Gebiet zahlreiche heilige Kühe und eben auch strenge Regeln der Political Correctness. Dennoch ist der Autor entschlossen, sich über all dies hinwegzusetzen. Die Sache erfordert Klartext und den Mut, der Realsatire, die sich da abspielt, äußerstenfalls sogar mit Humor zu begegnen. Wen so etwas erschreckt, der sollte das Buch besser nicht lesen. Es geht um existenzielle Fragen: Ist die Gesundheitsgesellschaft noch zu retten? Hat der Mensch noch Zukunft? Ist Lebenslust eine unerreichbare Utopie oder gibt es sie wirklich, die Wege zur Erfüllung?

Die hier vorgelegten Gedanken zu einem so grundsätzlichen Thema zwischen Medizin und Spiritualität gehen naturgemäß auf viele schriftliche und mündliche Anregungen anderer zurück. Ausdrücklich erwähnen möchte ich Prof. Rudolf Gross, Köln, Prof. Klaus Bergdolt, Köln, Prof. Kurt Heinrich, Düsseldorf, und den jüngst verstorbenen Steve de Shazer, Milwaukee, denen ich für wertvolle Hinweise herzlich danke. Um der Lesbarkeit willen habe ich auf Anmerkungen verzichtet. Da Originalität oft darin besteht, dass man vergessen hat, wo man etwas gelesen hat, geht der Autor sicherheitshalber davon aus, nichts Originelles vorzulegen. Er erinnert sich aber zumindest an nichts Vergleichbares.

Es freut mich sehr, dass die Thesen dieses Buches inzwischen eine muntere Diskussion ausgelöst haben. Sie sind herzlich eingeladen, lieber Leser, sich daran lustvoll zu beteiligen.

 

Juni 2006      Manfred Lütz

[home]

Einleitung

Es wird Zeit, dass irgendjemand aufsteht und die Lust verteidigt. Zwar hat der antike Philosoph Epikur (341–271 v.Chr.) schon gewisse Vorarbeiten geleistet, indem er meinte: »Ich weiß nicht, was ich mir als das Gute vorstellen soll, wenn ich die Lust des Geschmacks, die Lust der Liebe, die Lust des Hörens und die lustvollen Bewegungen beim Anblick einer schönen Gestalt beiseite lasse.« Aber haben wir so etwas nicht heute: den Hedonismus als Lebensphilosophie, Fresstempel, die Pornoindustrie, quadrophone Dauerberieselung und Wellness-Einrichtungen mit lauter schönen knackig Braunen?

Gleichzeitig sind die Leute so wenig »lustig«. Verdrossene, unzufriedene, saturierte Gesichter, wohin man blickt. Kein Lachen, keine Freude. Wo bleibt die übersprudelnde Lebenslust, die allgemeine »Aufhebung des Unbehagens«, die der englische Philosoph John Locke (1632–1704) verheißt? Müssten wir nicht längst im »Goldenen Zeitalter« leben, von dem Hesiod (um 700 v.Chr.) spricht? Man hat das Fressen verfeinert und den Sex optimiert. Warum sind wir nicht glücklich?

Das 21. Jahrhundert n.Chr. ist sich darin einig, dass man zur Erlangung der Lebenslust in erster Linie etwas am Körper machen muss: Weg mit den Speckwülsten an der Hüfte! Fort mit der Betrübnis aus den Hirnen! Silicon in die Brüste! Liposome in die Falten! Collagen in die Oberlippe! Ein moderner Philosoph der Lebenslust ist beispielsweise der Jogging-Papst Ulrich Strunz (1943–möglicherweise unendlich). Er empfiehlt Laufen bis zum Umfallen. Und so laufen sich alle die Seele aus dem Leib, quälen sich mit Diäten, Bodyshaping und Bodyworkout, zwängen sich ins hautenge Bikerdress und investieren einen Großteil ihres sauer verdienten Geldes in ein aus allen Nähten platzendes Gesundheitssystem.

Das alles ist nicht lustig, sondern echte Arbeit. Ein verzweifeltes Abstrampeln, koste es, was es wolle, auch so schön, fit und gesund zu werden wie »The Body« und andere Models, die freilich – schaut man näher hin – doch nicht solche Inkarnationen der Lebenslust sein können, sonst bräuchten manche nicht pfundweise Kokain, um nicht von der nächsten Brücke springen zu müssen. Am Horizont lockt die Genetik, die jetzt das Gen identifiziert haben will, das uns altern lässt. Wenn die dazu passende Pille erst auf dem Markt ist, beginnt sie richtig, Aldous Huxleys »Schöne neue Welt« der vor Gesundheit strotzenden Strunze.

Bringen wir den Trend auf den Nenner, dann besagt er: »Die Lebenslust besteht darin, gesund, fit und schön zu sein. Alles andere wird euch dreingegeben.« Wenn heute überhaupt etwas auf dem Altar steht, angebetet und mit allerhand schweißtreibenden Sühneopfern bedacht, so ist es die Gesundheit. Unsere Vorfahren bauten Kathedralen, wir bauen Kliniken. Unsere Vorfahren machten Kniebeugen, wir machen Rumpfbeugen. Unsere Vorfahren retteten ihre Seele, wir unsere Figur. Im Jahr 2000 nach Christi Geburt hat in Deutschland erstmals die Zahl der Fitnessstudiomitglieder (4,59 Millionen) die Zahl der Besucher des katholischen Sonntagsgottesdienstes (4,42 Millionen) übertroffen.

Keine Frage, wir haben eine neue Religion: die Gesundheitsreligion.

Es fehlt nicht an Protagonisten: selbst ernannten Päpsten, ergebenen Gläubigen, Hohenpriester des Wohlergehens, Zuchtmeistern, Asketen, Heiligen, Inquisitoren. Es fehlt nicht an Binnendifferenzierung. Die neue Kirche hat schon ihre Orden, Sekten und Häresien. Und es fehlt auch nicht an kultischen Akten: Man wallfahrtet, fastet, geißelt sich und unterzieht sich heilbringenden Salbungen. Sogar die neue Doppelmoral gibt es schon: das Sahnetörtchen nach dem Fitnessstudio.

Ich bekenne: In der Gesundheitsreligion bin ich Atheist. Ich halte die Gesundheitsreligion erstens für albern, zweitens für anstrengend, drittens für teuer, viertens für lebensgefährlich und überhaupt für eine abscheuliche Sekte. Sie erzeugt – indem sie ein falsches Paradies vorgaukelt – eine neue Form von religiöser Blindheit. Sie vermehrt die Dummheit in der Welt und macht die Menschen unglücklich. Und vor allem glaube ich, dass sie eine Großattacke auf die Lebenslust ist. Alle Bodypropheten und Gesundheitsapostel haben den Spaß im Mund, die Verheißung unendlichen Vergnügens, den endgültigen Fun. Die Berge kreißen und heraus kommen Waschbrettbäuche, braun gebrannte Zombies, muskelbepackte Nichtse und geliftete Tanten.

Ich protestiere: im Namen der Lust am vollen Leben.

Doch wäre es kaum lustig, im Protest stecken zu bleiben. Das Buch will mehr. Weitab von den Sackgassen und Verrenkungen der Gesundheitsreligion will es Wege zu den eigentlichen Kostbarkeiten des Lebens freilegen. Und es plädiert für eine alternative, wirklich ganzheitliche Spiritualität.

[home]

A.Lust am Leben – Macht und Geheimnis der Gesundheit

Gestatten Sie eine Frage: Sind Sie gerade im Moment gesund? – Gewiss, die Augen scheinen es so einigermaßen zu tun, sonst könnten Sie die Frage nicht lesen. Auch das Gehirn scheint zumindest seine Grundfunktionen zur Verfügung zu stellen, sonst hätten Sie nicht die gute Entscheidung treffen können, dieses Buch zu kaufen. Sollten Sie es geschenkt bekommen haben, das Buch, steht Ihnen offensichtlich wenigstens ein Freundeskreis zu Gebote, der Voraussetzung für »soziales Wohlbefinden« ist. Das ist nach der alten Definition der Weltgesundheitsorganisation ein wesentlicher Aspekt von Gesundheit. Aber dennoch können Sie keineswegs sicher sein, ob Sie im Moment gesund sind.

Wie wichtig diese Frage für Sie persönlich ist, lieber Leser, was Sie von der Gesundheit haben und was ihre Gefahren sind, darum soll es nun gehen – und um das schwierige, aber alles entscheidende Verhältnis von Gesundheit zu Lebensglück und Lebenslust.

I.Auf der Suche nach dem Heil

Spontan kommt man vielleicht nicht auf die Beziehung von Lebenslust und Gesundheit. Menschen, die viel über Gesundheit reden, sind oft ziemlich krank. Und Menschen, die auf dem Besitz von Gesundheit beharren und vorsichtshalber rücksichtslos gegen den Verlust derselben ankämpfen, wirken in der Regel nicht sehr lustig. Zwar versichern sie zumeist ungefragt und außer Atem, ihre Bemühungen würden ihnen »wahnsinnig Spaß machen«, doch die pralle Lebenslust strahlen sie dabei nicht aus. So könnte sich der irritierende Gedanke einschleichen, die Gesundheit sei ein Feind der Lebenslust. Doch gegen solche simplen Formeln gibt es ein unschlagbares Argument: Für Tote ist Lebenslust kein Thema mehr. Die Lage ist also erfreulicherweise so kompliziert, dass es geradezu unvermeidlich ist, ein Buch darüber zu schreiben, zumal die Begriffe, um die es hier geht, schwergewichtig sind.

1.»Das höchste Gut ist doch – die Gesundheit!«

Es gibt in unseren pluralistischen und religionsmüden Gesellschaften noch einen heiligen Ritus, der alle Menschen verbindet, religionsübergreifend vom Atheisten bis zum Fundamentalisten, schichtenübergreifend vom Arbeiter bis zum Bankdirektor und parteiübergreifend von links bis rechts: die Geburtstagsfeier. Und im Rahmen dieser Feierstunden der individualisierten Zivilgesellschaft wird bei Leuten über 65 Jahren unerbittlich wie das Amen in der Kirche in mindestens einer Festansprache der Satz zelebriert: »… und das höchste Gut, meine Damen und Herren, ist doch die Gesundheit.« – Beifall. Sowohl der Satz wie der allgemeine Beifall sind unvermeidlich. Niemand wird sich hier ausschließen. Allenfalls bei offensichtlicher Erkrankung des Jubilars darf dieser Satz fehlen. Er wird dann aber umso intensiver von allen Anwesenden gedacht – mit mitleidigem Blick auf den armen Siechen. Je höher das Alter des Jubilars, desto mutiger werden übrigens alle kleinen Sünden wider die Gesundheit öffentlich aufgezählt. Das ist der einzige Moment, wo ein wenig Humor anklingt. Denn niemand wird es wagen, solch lustige Bemerkungen misszuverstehen und sich selbst in doch erheblich jüngeren Jahren derart genussvollen Verfehlungen hinzugeben. Neunzigjährige sind eben Ausnahmen und selbstverständlich nicht wegen, sondern trotz ihrer kleinen Maßlosigkeiten so alt geworden. Zurück zum Ernst der Feierstunde. Bei allem zur Schau getragenen Individualismus und Pluralismus in unseren Gesellschaften – hier ist die Übereinstimmung überwältigend. Über allem alltäglichen Streit und Hader thront majestätisch der Satz: Das höchste Gut ist die Gesundheit.

Doch leider ist eine solche Behauptung kompletter Unsinn. Niemals ist in der gesamten philosophischen Tradition des Abendlandes und des Morgenlandes irgendjemand auf die absurde Idee verfallen, in einem so zerbrechlichen Zustand wie der Gesundheit der Güter höchstes zu sehen. Bei Immanuel Kant ist das höchste Gut die Einheit von Heiligkeit und Glückseligkeit oder Gott. Und entgegen dem Anschein vieler importierter östlicher Heilslehren: Die religiösen Genies jedweder Religion zeichneten sich durch mancherlei, gewiss aber nicht durch Gesundheit aus. Das alles hindert aber weder einen bestallten Philosophen, der im Seminar das höchste Gut ganz woanders verortet, noch einen amtlichen Religionsvertreter, der ansonsten pflichtgemäß den lieben Gott im Munde führt, heftig Beifall zu klatschen, wenn der Herr Bürgermeister oder sonst ein wichtiger Mensch bei der Geburtstagsfeier salbungsvoll den Satz der Sätze spricht: Das höchste Gut ist die Gesundheit. Eine solch offensichtliche Doppelmoral wird nur deshalb nicht offensichtlich, weil sie flächendeckend herrscht.

Politisch würde der Satz, wenn man ihn nur einen Moment ganz ernst nähme, zum sofortigen Zusammenbruch der finanziellen Grundlagen unserer Gesellschaften führen. Denn wenn die Gesundheit wirklich das höchste Gut wäre, dann müsste maximale Diagnostik und maximale Therapie für jeden einzelnen Menschen absolutes und nicht diskutierbares Recht sein. Das aber wäre schon jetzt nicht einmal annähernd finanzierbar, wie alle Kenner der Lage sehr gut wissen. So ist – offenbar infolge eines gesunden Instinkts – bisher auch noch niemand auf die finanziell katastrophale Idee verfallen, der Gesundheit als höchstem Gut Verfassungsrang zu geben. Logisch ist das eigentlich nicht, denn Verfassungen sind die klassischen Aufenthaltsorte für höchste Güter.

Nicht Lebenslust, sondern Doppelmoral und Unlogik herrschen also, wo es um die Gesundheit geht, und das legt die Vermutung nahe, dass es mit dem Gerede von der Gesundheit als dem höchsten Gut nicht so weit her sein kann. Jedoch, weit gefehlt: Was der Philosoph im Seminar, der Pastor auf der Kanzel und der Politiker im Angesicht der Verfassung verlauten lassen, wird eher nur so dahergeredet im Vergleich zu dem, was sie sagen, wenn sie über die Gesundheit sprechen. Da wird es immer existenziell ernst, das betrifft jeden selbst, mit Leib und Seele. Da geht es nicht um bloßes Wissen, sondern um Leben und Tod.

Ich habe Philosophen erlebt, die höchst überzeugend über Kants kategorischen Imperativ disputierten, aber so ganz bei sich waren sie, als sie auf erheblich niedrigerem Niveau anschließend sehr persönlich ihren Cholesterinspiegel zum Thema machten. Auch manchem Pfarrer ist die Angst vor dem göttlichen Strafgericht weit weniger anzumerken als die Furcht vor der Darmspiegelung nächste Woche. Staatstragende Persönlichkeiten sind imstande, nach einer höchst subtilen und würdigen Festrede in die Niederungen banalster Körperbeschwerden abzusinken. Aber in diesen Niederungen sind sie wahrhaft mit dem Herzen dabei. Nicht was man sich irgendwann einmal ausgedacht hat, sondern was sie hier und jetzt unmittelbar betrifft, das bewegt die Menschen. Und nichts ist unmittelbarer als die persönliche Befindlichkeit.

Was die Philosophie früher jenseits der sichtbaren Welt in Transzendenz und Metaphysik verortete, was die Religion als das Umgreifende und Ergreifende verehrte, was die Verfassungsstifter als das Unverfügbare beschworen, das suchen die Menschen heute wie selbstverständlich mitten in dieser Welt. Damit ist bewiesen, dass die Säkularisation, die Verweltlichung der Welt und ihre Entzauberung, inzwischen zu einem totalen Sieg gelangt ist. Und der war erst dann erreicht, als jenseits der Grenze des irdischen Lebens nichts wirklich Bedeutendes mehr ernsthaft gesucht wurde. Der restlos aufgeklärte Mensch vermutet das Heil, den Sinn, die Erlösung nicht mehr in irgendwelchen jenseitigen Hinterwelten, sondern im Diesseits. Der Philosoph Odo Marquard stellt fest, es herrsche heute »die ideologische Naherwartung der heilen Diesseitswelt, der mentale Teddybär des modern verkindlichten Erwachsenen«.

Wandte man sich früher in existenzieller Not zuständigkeitshalber an einen der vierzehn Nothelfer oder irgendeinen anderen Fachheiligen, ist heute ein Facharzt zuständig. Und das Heil in solch existenzieller Notlage erwartet man nicht vom Anzünden einer Kerze nebst Gebet, sondern man nimmt Zuflucht zu einer hochmodernen Untersuchung, zum Beispiel einer Magnetresonanztomographie, die den Körper wie im Anatomielehrbuch abbildet, und dann zu einer Therapie, die möglichst »in Amerika« erfunden wurde. Wie selbstverständlich sind ernst zu nehmende existenzielle Notlagen medizinische Notlagen, so, wie körperliche Erkrankungen die einzig »richtigen Erkrankungen« sind. Damit richten sich aber auch alle Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschheit, die sich früher in den Religionen kraftvollen Ausdruck verschafften, auf die Medizin. Nicht bloß Heilung von irgendwelchen Beschwerden, sondern das Heil schlechthin suchen die Menschen im Gesundheitswesen, das Heil hier und jetzt auf ewig.

Und so ist auch die Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen, restlos säkularisiert: Apokalypse now. Die letzten Dinge spielen sich, wenn überhaupt, mitten im Leben ab: Für das ewige Leben quantitativ ist die Medizin zuständig, für die ewige Glückseligkeit qualitativ die Psychotherapie. Das Paradies auf Krankenschein. Bei Nichterfüllung: Klage – versteht sich.

Wer sich in der katholischen Kirche immer noch damit beruhigt, dass der priesterfressende Zölibat die Schuld am Priestermangel trage, der übersieht, dass Therapeutenschwemme und Priestermangel in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Immer war es von hoher Attraktivität, einen Beruf zu bekleiden, dem es um das Heil der Menschen ging. Doch sogar mancher Pfarrer traut heute den Methoden seines Hausarztes mehr Wirkung zu als den eigenen Lossprechungsworten bei der Beichte. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass junge Menschen jenen atavistisch-geheimnisvollen Glanz des wirksamen Heilbringers, der früher die Attraktivität des Priesterberufs ausmachte, heute im Arzt- und Therapeutenberuf erblicken. Die ehelose Lebensform scheint sich übrigens bei beiden Berufen aufzudrängen. »Eine Arztfrau ist eine Witwe, deren Mann noch nicht gestorben ist«, hörte ich bei der Verabschiedung eines seinem Beruf ganz ergebenen Chefarztkollegen.

Es kann also kein Zweifel bestehen, die Gesundheit hat eine atemberaubende Karriere hinter sich. Weit und breit zeigt sich allgemeingesellschaftlich nichts, das sich mit ihr messen könnte, und so kann man trotz aller theoretischen Bedenken nicht umhin zuzugeben: In der Lebenswirklichkeit unserer Tage ist das höchste Gut wirklich die Gesundheit. Damit ist allerdings nicht die wichtige Frage beantwortet, ob Gesundheit eigentlich Spaß macht, ob sie die Lebenslust fördert, ob sie gar die Lebenslust ist oder ob sie die Lebenslust womöglich behindert.

2.»Gesund ist, wer nicht ausreichend untersucht wurde«

An dieser Stelle ist etwas Überraschendes zu vermelden. Zwar wird kaum ein Wort häufiger verwendet, heftiger beschworen und höher bewertet als die Gesundheit, doch weiß kein Mensch, was das eigentlich ist. Es scheint ein Geheimnis zu geben um die Gesundheit. Krankheiten, die hat man immer wieder abgegrenzt und bis in die letzten Einzelheiten klassifiziert, aber Gesundheit? Wie will man diesen scheinbar so selbstverständlichen Begriff definieren?

Ist Gesundheit vielleicht einfach normal? Ist gesund der statistische Durchschnitt? Aber was ist bezüglich der Gesundheit der Durchschnitt? Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ein berühmter Psychiater an der Frage gescheitert, was denn normale Intelligenz sei. Er rettete sich in die Statistik und erklärte angesichts weniger Genies und vieler Minderbegabter: »Normal ist leichter Schwachsinn.« Wenn man die Abendnachrichten kritisch registriert, scheint der ganz normale Wahnsinn des Weltgeschehens diesen Befund zwar nur zu oft zu bestätigen, dennoch konnte sich diese statistische Definition der Intelligenz verständlicherweise nicht durchsetzen. Statistisch werden wir auch der Gesundheit nicht beikommen.

Eine andere Überlegung wurde von einem der großen Internisten in unserem Lande, Professor Rudolf Gross, in die Diskussion eingeführt. Die Praxis zeige, dass die Zahl der krankhaften Werte mit der Zahl der Untersuchungen zusammenhänge. Macht man bei jedem Menschen 5 Untersuchungen, sind vielleicht noch mehr als 95% gesund. Bei 20 Untersuchungen sind es nur noch 36% und bei 100 Untersuchungen ist mutmaßlich jeder Mensch krank. Da jeder krankhafte Wert weitere Kontrolluntersuchungen nach sich zieht, gibt es ab einem bestimmten Punkt kein Halten mehr. Daraus folgt: Gesund ist, wer nicht ausreichend untersucht wurde.

Wenden wir uns also auf der Suche nach Rat an das zuständige Amt, so gibt es zweifellos kein Amt, das für Gesundheit zuständiger ist als – die Weltgesundheitsorganisation WHO. Man sollte meinen, wenigstens diese mit höchster, letzter und universaler Autorität ausgestattete Behörde wisse genau, worum sie sich zu kümmern hat. Nun gibt es da aber eine Schwierigkeit. Irgendwie ist auch eine Behörde nur ein Mensch, und Menschen sind verletzbar. Die Weltgesundheitsorganisation leidet unter dem Geburtstrauma, dass alle anderen wichtigen Weltorganisationen für die gesamte Weltbevölkerung, sie selbst aber nur für einen Teil derselben zuständig ist, nämlich für die Kranken.

Das hat diese Behörde nicht rasten und nicht ruhen lassen in dem Bemühen, diese Kränkung zu überwinden. Und sie hatte Erfolg. In einem glänzenden semantischen Coup ist es ihr gelungen, Gesundheit als »Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens« zu definieren. Das war die Lösung! Da man allgemein davon ausgeht, dass soziales Wohlbefinden nur gegeben ist, wenn man etwa eine Million Dollar auf dem Konto hat, Millionäre aber bekanntlich voller Ungeduld stecken und sich somit seelisch nicht wohl befinden können, ist – von den körperlichen Beschwerden abgesehen, die bei allen Menschen letztlich sogar tödlich verlaufen – niemand mit Sicherheit als gesund zu bezeichnen. Mit diesem brillanten Schachzug ist es der Weltgesundheitsorganisation dann doch noch gelungen, für die gesamte Weltbevölkerung zuständig zu sein. Den Schaden davon behalten wir zurück, denn wir verfügen nun immer noch nicht über eine brauchbare Gesundheitsdefinition.

Versuchen wir es also schließlich und endlich bei der Basis. Mit anderen Worten: Was sagt der gute alte Hausarzt auf die Frage, was denn eigentlich »gesund« sei? Wer, wenn nicht er, muss es wissen? Gesund, so antwortete mir ein älterer, erfahrener Kollege, sei ein Mensch, der mit seinen Krankheiten einigermaßen glücklich leben könne. Das ist es!

Diese Definition wirkt zwar etwas glanzlos, aber sie ist seriös und die einzige Möglichkeit, unrealistische oder utopische Gesundheitsdefinitionen zu vermeiden und wenigstens eine Ahnung von wirklicher Gesundheit zu vermitteln. Damit taucht auch das Lebensglück und die Lust am Leben geradezu als Kriterium der Gesundheit auf. Auf diesem aussichtsreichen Weg werden wir am ehesten der Lebenslust auf die Spur kommen. Zweifellos wäre das auch der Weg des Hippokrates gewesen, des griechischen Urvaters der Medizin. Nicht die Krankheit, sondern der kranke Mensch stand für ihn im Vordergrund. Der Hausarzt hätte sich bei seiner Definition übrigens getrost auch auf einen Geistestitanen der Neuzeit berufen können. Friedrich Nietzsche definierte: »Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen.«

3.»Über die Verborgenheit der Gesundheit«

Zugegeben, das ist zunächst ein ziemlich mageres Ergebnis unserer Bemühung um begriffliche Klarheit bezüglich der Gesundheit. Es ist eigentlich mehr ein Rezept, wie man mit dem Zustand bleibender theoretischer Unklarheit praktisch klarkommen kann. Doch die Weisheit des Hausarztes hat gegen den allgemein überkochenden Gesundheitstrubel keine Chance. Während man seinen wesentlichen Beschäftigungen nachgeht, werden einem ungefragt öffentlich und privat so viele Diagnosen über Krankheiten angeboten, die man vielleicht haben könnte, wenn man sich nur richtig untersuchen lassen würde, dass jeder Widerstand zwecklos ist. Nur so sicherheitshalber lässt man mal eine Untersuchung machen, das kann ja nicht schaden. Weit gefehlt! Wenn man sich allzu intensiv mit bestimmten Diagnosen befasst, kann man die Krankheit bekommen, für die die Diagnose da ist. Man nennt das den Effekt einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Sinn der Diagnose ist schon nach Aristoteles ausschließlich die Therapie von leidenden Menschen. Nichts gegen vernünftige Prophylaxe und Früherkennung. Aber wer Menschen, die an nichts leiden, leichtfertig Diagnosen aufschwätzt, treibt Missbrauch und schafft Unglück. Es handelt sich dabei um eine Modifikation der »Methode Laurel und Hardy«: Laurel geht die Straße entlang und wirft Scheiben ein, während Hardy unmittelbar anschließend dienstbereit als Glaser vorbeischaut. Diagnostikangebote für Gesunde erfreuen sich inzwischen höchster Beliebtheit. Der Markt boomt. Schon ist davon die Rede, die häufigste Krankheit sei die Diagnose. Und Aldous Huxley schrieb vor Jahrzehnten den prophetischen Satz: »Die Medizin ist so weit fortgeschritten, dass niemand mehr gesund ist.«

Das lenkt uns zur Eingangsfrage zurück: Sind Sie wirklich sicher, dass Sie jetzt im Moment gesund sind? Gewiss, Sie waren letzte Woche bei Ihrem Arzt. Aber hat er eigentlich eine Darmspiegelung veranlasst? Sie wissen, dass man die frühesten Formen von Darmkrebs nur so aufspüren kann. Wurde ihre gesamte Hautoberfläche sorgfältig kontrolliert? Sie wissen, eine der gefährlichsten Krebssorten beginnt mit zunächst langsam wachsenden, kleinen braunen Hautpünktchen. Sie wollen keine weiteren hilfreichen Hinweise? So geben Sie also zu, dass Sie nicht genau wissen, ob Sie gerade im Moment gesund sind? Dann will ich Sie auch nicht weiter quälen. Aber Sie müssen wenigstens eines eingestehen: Es fördert die Lebenslust nicht gerade unermesslich, sich allzu intensiv mit der Gesundheit zu befassen.

Fassen wir also zusammen: Gesundheit gilt zwar allgemein als höchstes Gut in unseren Gesellschaften. Doch niemand weiß genau, was das ist. Gesundheit ist nicht normal, ist durch Untersuchungen nicht nachweisbar, ein Definitionsversuch durch die Weltgesundheitsorganisation ist gescheitert, Gesundheit ist nicht feststellbar wie eine Krankheit und daher auch nicht herstellbar, denn herstellbar ist nachweislich nur etwas, was hinterher zumindest feststellbar ist. Man gewinnt fast den Eindruck: Gerade dann, wenn man der Gesundheit zu nahe tritt, entweicht sie ins Unwägbare.

»Über die Verborgenheit der Gesundheit« nannte daher auch Hans-Georg Gadamer ein kleines Bändchen, in dem er seine Einsichten zum Thema gegen Ende seines Lebens zusammengefasst hat. Hans-Georg Gadamer (†2002) wusste, wovon er sprach, denn er war damals Deutschlands bekanntester Philosoph und wurde immerhin über hundert Jahre alt. Im Gegensatz zum allgemeinen Volksglauben, alte Leute seien besonders krank, wissen Hausärzte sehr genau, dass sehr alte Leute zumeist ungewöhnlich gesund sind. Denn nur, wenn man sehr gesund ist, wird man so alt. Hans-Georg Gadamer bezog sich vor allem auf Einsichten der Griechen, und die hielten die Gesundheit für ein Geheimnis, für eine geradezu göttliche Kraft, die in jedem Menschen von sich heraus wirkt. Sie ist störbar, die Gesundheit, durch Krankheiten, die man mit Hilfe der Medizin bekämpfen kann, aber das, was dann wieder die Herrschaft übernimmt, wenn die Krankheit besiegt ist, die Gesundheit, die können wir weder herstellen und machen noch eigentlich feststellen und wissen. Sie ist verborgen, wie alles Wichtige im Leben. Wir können ihr Raum geben, sie beobachten, ehren und den Göttern für sie danken. Macht über die Gesundheit aber hat niemand, auch nicht die Medizin.

II.Die Macht der neuen Weltreligion

So weit die alten Griechen, so weit der alte Hans-Georg Gadamer, Jahrgang 1900, aber so weit keineswegs der junge, aufstrebende Forscher der Universität von Kalifornien, Jahrgang 1968. Die »Verborgenheit der Gesundheit« ist bei ihm keine Aufforderung zu einer Bescheidenheit, die sich bei aller Forschungsbegeisterung der Grenzen medizinischer Bemühungen nüchtern bewusst bleibt. Vielmehr ist dieser junge Mediziner Teil eines weltweit herrschenden Gesundheitsgetriebes, das inzwischen gigantische Formen annimmt und von dem Gedanken lebt, dass Gesundheit herstellbar ist. Nichts wird ihn aufhalten, sich dieser Aufgabe hinzugeben.

Nun hat man schon vieles für herstellbar gehalten, was sich dann doch als vergeblich erwies. Am bekanntesten ist da die Bemühung der Alchimie um die Herstellung von Gold aus weniger wertvollen Materialien. Namhafte Persönlichkeiten waren dieser fixen Idee verfallen. Doch über eine sektenhafte Größe kam der »Gläubigenkreis« nicht hinaus. An die Herstellbarkeit der Gesundheit aber glauben heute fast alle. Und wer darüber lamentiert, dass die Religion in unseren Gesellschaften verdunste, hat übersehen, dass sie sich inzwischen im Gesundheitswesen neu kristallisiert hat. Wir leben im Zeitalter eines weltumspannenden Gesundheitskults.

1.Kult

Diese neue Weltreligion ist insofern tolerant, als sie sich mit allen anderen Religionen arrangiert hat. Im Stil des Judo weicht sie jedem Angriff geschickt aus und nutzt einfach hemmungslos die Traditionen und Üblichkeiten der überkommenen Religionen zur eigenen Vervollkommnung. Dadurch sickern die gesundheitsfrommen Inhalte sogar mit Hilfe der Formen der Altreligionen unmerklich, aber höchst wirksam ins allgemeine Bewusstsein ein. Heilfasten ist inzwischen in der kirchlichen Fastenzeit der Renner. Sogar bestallte Religionsvertreter sind sich keineswegs zu schade, die Fastenzeit nicht als Zeit gelebten Verzichts, sondern bloß noch als Chance für die Gesundheit anzupreisen. Man tarnt dieses Opfern vor fremden Götterbildern mit »Zugehen auf die Menschen von heute« und verweist mit selbstzufriedenem Stolz auf die hohen Besucherzahlen. Die Quote stimmt. Dabei ist niemand auf irgendjemanden zugegangen. Man hat nur einfach das Programm gewechselt und redet nicht mehr über den lieben Gott, sondern über die Gesundheit, wogegen der liebe Gott, lieb, wie der ist, doch bestimmt nichts einzuwenden hat. Man schreckt in diesem Zusammenhang inzwischen vor gar nichts mehr zurück. Originalbericht aus dem Lokalteil einer Zeitung: »Wer bei Kaffee und Kuchen gerne gemütlich beisammensitzt und plaudert, ist beim Seniorennachmittag des Diakonievereins Gmund genau richtig. Dort wird die Heilpraktikerin … über das Thema ›Eine Reise durch unser Verdauungssystem‹ referieren. Ihren Vortrag unterlegt die Referentin mit farbigen Bildern.« Das kirchliche Bildungswerk bringt eine Woche später mit größter Selbstverständlichkeit den Vortrag eines Heilpraktikers unters Volk mit dem heidnischen Titel »Unsere Ernährung – unser Schicksal«. Da lobt man sich den alten vereinnahmungsresistenten, aber ehrlichen Vulgärmarxismus: »Der Mensch ist, was er isst.« Als kürzlich Untersuchungen feststellten, dass Menschen, die beten und fromm sind, gesünder sind und länger leben, kam es zum Offenbarungseid der real existierenden, offiziellen Religionen. Mit Begeisterung wurden diese Berichte dort aufgenommen. Kirchliche Zeitungen – deren Anzeigenteil ohnehin den nachweislich höchsten Prozentsatz an Knoblauchpillenwerbung enthält – druckten die Meldung ab mit dem Unterton, das sei doch endlich mal eine frohe Botschaft. So sehen sie aus, die stillen Triumphe des Gesundheitskults. Man stelle sich vor: Beten und fromm sein, nicht um möglichst sicher in den Himmel zu kommen, sondern um möglichst spät und möglichst gesund in den Himmel zu kommen. Das ist das erbärmliche Ergebnis, wenn der Gesundheitsvampir seinem Opfer, der Altreligion, den letzten Tropfen eigenen Lebenssafts aus dem erschlafften Körper gesaugt hat. Vollständiger kann ein Sieg nicht sein.

a)Von der Prozessionstradition zur Chefarztvisite – die neuen Riten