Lebenstaumel - Sabine Gleißberg - E-Book

Lebenstaumel E-Book

Sabine Gleißberg

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Beschreibung

Warum Lebenstaumel? Ist das Leben immer gleich stabil? Ich finde nicht. Dies ist ein Mix aus Geschichten, Gedichten, Gedanken, Grübeleien, aber auch Entspannung und Satire zum Auf und Ab des Lebens. Beobachtet, erlebt, erzählt. Und garantiert findest du Ähnlichkeiten zu dir und deinem Leben, vielleicht wird es dir auch jetzt erst bewusst. Neugierig geworden? Na dann, los gehts!

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Seitenzahl: 95

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Identität

Das saubere Schwein

Wartezimmerblues

Sommersehnsucht

Komisch

Sondermüll Mensch

Sorgenfrei

Allein

Am See

Muttertag

Ferngesteuert

Du

Zustand

Nachtdienstsamba

Abgrund

Ware Mensch

Fratze

Sommergarten

Der Herr ist gütig und seine Gnade währet ewiglich

Schwarz Weiß

Krieg

Zusammen stark

Ausgebrannt

Zweiundneunzig Stufe 3

Hilflos

Familienglück

Kampf – Mampf

Ich wünschte…

Der eitle Baum

Durchgedreht

Fair

Strafe

Müde

Verirrt

Lebenslinien

Nur ein paar Minuten Leben

Kaputt

Erlkönigs neue Kleider

Nach Hause

Identität

Weißt du eigentlich, wer du bist?

Ketzer, Hetzer, Antichrist,

Widersacher, Atheist,

Hexe oder Terrorist,

Opportun oder Faschist,

Heide oder Kommunist,

Kämpfer oder Extremist,

Vorbild oder nur Statist,

Liebevoll, zärtlich oder Sexist,

Spinner oder Realist,

Verbrecher oder doch Jurist,

Maxi- oder Minimalist,

Schreiber oder Telefonist,

Fürsorger oder eher Narzisst,

Angezogen oder Nudist,

Philosoph oder Moralist,

Opti- oder Pessimist,

Mitläufer oder Aktivist,

Einer, der kocht, oder einer, der frisst,

Dummkopf oder einer mit List,

ein Trauerkloß oder einer, der küsst?

Denk d`rüber nach oder lass, wie es ist!

Das saubere Schwein

Es war einmal ein Schwein

Das wollt`kein Schwein mehr sein

D`rum rief es ganz laut „Nein!

Ab heute bin ich fein.“

Das Schwein lief schnell an einen See

Dort schwamm ein Schwan, so weiß, wie Schnee

Es stürzte sich ins Wasser `rein

Doch plötzlich fing es an zu schrein

„Ich kann nicht schwimmen, holt mich `raus!“

Nun sah es wieder schön rosa aus.

Ein Fischschwarm brachte es an Land

Schwein schüttelte jedem seine ‚Hand‘

Jetzt bin ich zwar sauber – dachte es so

Doch brannte die Sonne auf seinem Popo.

‚Warum hab`ich das nie gefühlt?

Aha! Ich war nie abgespült!‘

Schnell wälzt es sich im Schlamm ganz doll

Und fühlte sich gleich wieder wohl.

Wartezimmerblues

Hab Termin beim Arzt, nach drei Stunden Schlaf, nach einer Neun-Stunden-Nachtschicht im Laufschritt.

Trotz Augenschlitze, den gequollenen Lidern drüber und den braunen faltigen Säcken drunter, getarnt durch meine Brille und die Ponysträhne, die mein dramatisches Antlitz mit dem verschleierten und sehr begrenzten Durchblick wenigstens teilweise verdeckt, finde ich tatsächlich den Weg ins Wartezimmer.

Oh Mann! So viele Leute noch vor mir! Was soll`s!

Ich bringe einen der letzten Stühle in meine Gewalt und versuche, es mir so bequem wie möglich zu machen. Den Stuhl rücke ich so nah wie möglich an die Wand, so dass mein Kopf daran Halt findet, die bereits erwähnte Strähne ziehe ich so gut es geht vor die Brille in der Hoffnung, dass es nicht allzu sehr auffällt, wenn ich ein wenig tiefenentspanne und ich suche mir eine Stellung, damit mein ohnehin schon gebeuteltes Gesicht nicht auch noch ungebremst auf meine Knie fällt.

Die stehen übrigens so aneinander, dass sie sich gegenseitig stützen. Die Hände ineinander gefaltet in meinem Schoss ruhend, um der Schwerkraft der Arme entgegenzuwirken, kann mein trübes Bewusstsein dieses halbkomatösen Zustands, in dem ich mich im Augenblick befinde, meinen Sinnen zum Trotz der Versuchung nicht widerstehen, mit einem halben Auge in die Runde einen Eindruck von meinem vermutlich länger währenden Aufenthalt in dieser „Wohlfühloase“ und meinen Mitsitzern zu verschaffen.

Die „Oase“ ist schnell erfasst. Ein länglicher langweiliger Raum – eben typisch praktisch, angemietet, mit Ausstattungsvorgaben -und verboten behaftet. Gleich hinter der Eingangstür steht ein runder, hässlich grauer Garderobenständer, von dem man eigentlich nur noch den schwarzen staubigen Fuß erkennen kann, weil unendlich viele genauso langweilig farbige Winterjacken – natürlich! bei 8°C minus, drumherumhängen.

Darunter ein noch hässlicherer Zeitungsständer, grün und aus Plastik – eben praktisch.

Die Wände – weiße Strukturtapete, keine Bilder, nur Werbeplakate von Pharmafirmen.

Der Fußboden besteht standardmäßig aus einer pflegeleichten Gummischicht, mit einem Konfettimuster. Man möchte am liebsten n Besen holen. Auf die Stühle gab es bestimmt Mengenrabatt im Ausverkauf und in der Mitte steht ein Pressspantisch, plastikbeschichtet, geziert von einem leeren Flyerständer und zerfledderten Zeitschriften vom Lesezirkel vergessen, wieder abzuholen, von irgendwann. Selbst der einarmige Gummibaum in der Ecke scheint vor lauter depressiver Begeisterung langsam seine grüngelben Blätter abzuwerfen.

Jetzt hört man die Klospülung. Jemand muss eine längere Sitzung hinter sich haben, denn ich habe niemanden durch die Tür neben dem grauen Garderobenständer gehen sehen. Die Klotür geht auf und kleiner sehr blasser aber gepflegter alter Herr schaut sich verstohlen um, den letzten freien Stuhl im Visier zieht er zielstrebig mit eingezogenem Kopf an der Menge vorbei und setzt sich schnell hin. Die ihn verfolgende Verdauungswolke ließ nicht lange auf sich warten. Kein Klofenster!

Die Mitwarter erstarren in ihrer Haltung, nur ihre Nasenfalten vervielfältigen sich schlagartig.

Wer bis dahin mit dem Gedanken gespielt hat, sich auf dieser Örtlichkeit seiner überflüssigen Masse zu entledigen, hat es promt auf zu Hause verschoben.

Da ich im Moment leicht angeschlagen bin und mein Geruchssinn etwas eingeschränkt ist, konnte ich mich, hämisch in mich hineingrinsend, locker zurücklehnen.

Direkt neben der Klotür fingen die Sitzplätze an.

Auf dem ersten Stuhl stand eine elegante Handtasche. Die gehörte einer alten in beige gekleideten, bequem und doch schicke Dame, wahrscheinlich schon viele Jahre Witwe, groß, inzwischen krummer Rücken, die Knie sind sich beim Laufen gegenseitig im Weg. Sie wurde gerade mit dem mühsamen Kampf um einen freien Haken an der Garderobe japsend fertig. Völlig erschöpft plumpste sie mit ihrer beigen Echtlederdamenhandtasche endlich auf den Stuhl neben der Klotür. Sie hätte ja so gerne noch ne Zeitschrift angeschaut, aber nochmal aufstehen ….?

Der junge Mann zwei Stühle weiter will seine Wartezimmerlektüre weglegen, als die Witwe ihre Chance wittert und ihn darum bittet. Zuvorkommend reicht er ihr seine Zeitschrift. Glücklich dankend fängt sie an zu blättern und – Autozeitung!

Verzweifelt versucht sie ein Gespräch mit der jungen Frau, die bis dahin hoch-konzentriert mit dem Ausfüllen eines Fragebogens beschäftigt war, zu beginnen. „Ach, das ist doch was für Männer“,meint sie. Mit einem müden Lächeln in den Augen legt sie sich resigniert die zugeschlagene Zeitung auf die Beine. Weil, weder die junge Frau noch der freundliche junge Mann verstehen den Wink.

Vielleicht hätte die alte Dame den beiden eine SMS schicken sollen???

Ich schaue in die sture Runde, ein paar Momente auf irgendwelche Reaktionen der hier anwesenden wartend. Nichts. Der junge Mann telefoniert inzwischen sehr geschäftig. Daneben der kleine Alte mit der Wolke, sitzt immer noch steif und starr vor sich hinschauend auf seiner Errungenschaft – dem Stuhl.

Es folgt ein Hüne – oder Hünin? – von einer Frau, Neurentnerin, vor langer Zeit geschieden. Ihren gewaltigen Körper versucht sie, optisch zu reduzieren. Die Schultern nach vorn gezogen, den Oberkörper zusammengesackt. Die Füße und Knie zusammengepresst und unter den Stuhl geschoben.

Die personifizierte Unsicherheit.

Auf dem nächsten Stuhl fläzt eine gereifte Blumenkinderökofrau. Ein Fuß auf das andere Knie gelegt, die alte Blechbrille hängt ihr inzwischen auf der Nasenspitze, die Kleidung nicht jünger und die fuchsroten wilden Locken über die Schultern gewuchert, ist sie völlig in ihrem nostalgisch anmutenden Schmöker vertieft.

Sie merkt genauso wenig wie ihre Nachbarin.

Normalo – Familienmutter, Mitte vierzig, räumt irgendwo Regale ein und geht nebenbei putzen. Ein Auto? – Nein, noch nie gehabt. Sie wohnt doch günstig in der Stadt und hat doch ein Handy! Das misshandelt sie schon die ganze Zeit mit beiden Daumen, ohne Zwinkern, glaube ich. Sie versucht, so alles zu regeln, was ein „Chef“ zweier aufsässiger Teenager eben so zu regeln hat – zu Hause.

An der Stirnseite ein Ehepaar. Groß, stattlich, gepflegt, teuer gekleidet, gut frisiert. Wirken wie fehl am Platz zwischen dem einfachen Volk. Die sind bestimmt schon seit zehn Jahren pensioniert, nachdem sie in Führungspositionen im öffentlichen Dienst bei der Stadt genug Kapital angehäuft haben, um sich zweimal im Jahr gemeinsam bei einem Wellnesurlaub im französischen Fünf-Sterne-Hotel verwöhnen zu lassen. Ihr einziger Sohn, nach dem Studium an einer Elite-Uni, finanziert von Mama und Papa, als Manager in einer der größten IT-Konzerne Japans erfolgreich Fuß gefasst, besucht sie immer – Weihnachten, ohne Familie aber immer das neueste Handy im Gepäck. Und natürlich haben Mama und Papa eine Superversicherung laufen, damit sie auch standesgemäß unter die Erde kommen.

Aber im Moment sind sie viel zu sehr mit Warten beschäftigt.

In deren Schatten, auf längeres Sitzen eingestellt, hat es sich ein Mittsechziger Frisch-Rentner-Ehepaar gemütlich gemacht, in Geduldigsein geübt abwartend der Dinge, die da kommen. Sie sind es ja schon immer gewöhnt, nicht aufzufallen und mit der Masse zu schwimmen. Bloß keine Probleme!

Es folgt ein Paar in besten Jahren – Midlifecrisis und Wechseljahre. Sie blättert sehr dynamisch eine Seite nach der anderen einer speckigen Wartezimmer-zeitschrift um. Fertig, steht auf, geht zerknirscht in ihrer Jeans ohne Inhalt zum Pressspanplattentisch, um sich das nächste Blättchen zu angeln. Sie sitzt nur zwei Stühle entfernt von mir und ich höre das immer hektischer werdende Knistern der Zeitschriften-blätter. Ihre Ungeduld wächst. Beruflicher Zeitdruck, finanzielle Probleme ihres gerade eben geschiedenen Sohnes, der auch noch Alimente für die zwei Enkel im Kindergartenalter bezahlen muss, obwohl er sie nur noch selten sehen wird. Sie werden mit ihrer Mutter nach Thailand zurückgehen. Der Lebensabschnittsgefährte der zerknirschten Frau sitzt zwischen ihr und mir. Eigentlich ganz attraktiv für sein Alter, vergräbt sich in seine Lektüre und schaut nicht auf. Traut sich nicht, sie sind ja wegen ihm hier und sie muss auch noch warten! Sicher steht er zu Hause am Herd.

Mein Rundblick dauerte vielleicht eine halbe Minute, in der schlichtweg nicht einmal andeutungsweise eine Reaktion auf den durch die nicht vorhandene Blume gehauchten Wunsch der alten schicken Dame mit der Autozeitung kam. Also erbarmte ich mich, erhob meinen tiefenentspannten Körper und gab meine ach so bequeme Wartehaltung auf, nahm eine typische Alte-Damen-Zeitschrift vom Pressspanplattentisch, steuerte auf die traurige beige Frau zu und bot ihr die Zeitschrift an. Erleichtert und mit glücklich dankbar leuchtenden Augen nahm sie diese gern in Empfang und die mit den Autos verschwand in dem hässlichen grünen Zeitungsständer. Ohne nach den Mitwartern zu gucken, ging ich auf meinen Platz zurück und konnte endlich wieder meine Ursprungswegnick-stellung auf meinem Massenwarensonderangebotsstuhl einnehmen und die Augen schließen, was bei meinen momentanen Seh-schlitzen ja keine Mühe machte. Gerade am Wegtreten hörte ich verschwommen die markdurchdringende Piepsstimme der Sprechstundenhilfe, die einzige Stimme, die in der Ferne irgendwie aber permanent nervte, meinen Namen klirren.

Ich? Ich bin schon dran? Vor allen Mitsitzern?

Sommersehnsucht

Schaut man frühs zum Fenster raus,

sieht man nicht mal das Nachbarhaus!

So hängt der Nebel – tief und schwer –

wünscht man sich doch den Sommer her.

Dünnes Kleidchen und Sandalen,

mit Kreide auf der Straße malen,

Urlaub an dem blauen Meer –

wenn doch erst wieder Sommer wär!

Barfuß durch den Garten springen,

zuhörn, wie die Vögel singen,

klönen bei nem kühlem Bier –

wenn endlich wieder Sommer wär!

Sonne kitzelt im Gesicht,

früh um fünf schon helles Licht,

doch jetzt fällt Schnee, wird mehr und mehr –

wenns nur erst wieder Sommer wär!

Die Bäume stehen schwarz und kahl,

die Krähen krächzen überall.

Am Tag wird’s gar nicht richtig hell –

komm wieder Sommer, komm ganz schnell!

Wo sind die gelben Blütenfelder?

Die herrlich satten grünen Wälder?

Die bunten Wiesen? Das Bienengesumm?

Hoffentlich ist der Winter bald rum!

Die Straßen sind glatt,

die Gesichter sind matt.

Menschen hetzen nach Haus –

wo bleibt der Sommer – oh Graus!

Autos bleiben in Schneewehen hängen.

Es hat geschneit in rauen Mengen!

Von Blumen kann man da nur träumen –

Die Sonne soll den Schnee wegräumen!

Aus Schornsteinen steigt jetzt stinkender Rauch,

der Frost geht um mit eisigem Hauch.

Die Leute verstecken sich unter der Mütze.

Man sehnt sich sogar nach Sommerhitze!

Ein riesen Schokoladeneis,