Legende der Welten - Band 3: Schwert des Zorns - Der Novize - Petra E. Jörns - E-Book
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Legende der Welten - Band 3: Schwert des Zorns - Der Novize E-Book

Petra E. Jörns

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Beschreibung

Die finale Schlacht der Zwillingsklingen: „Schwert des Zorns – Der Novize“ von Bestsellerautorin Petra E. Jörns jetzt als eBook bei dotbooks. Die Legende besagt, dass magische Zwillingsklingen über das Schicksal der Welt entscheiden werden. Nun ist der junge Krieger Arailean zum Träger des Heiligen Schwertes geworden. Mutig stellt er sich dem dunklen Gott Bua entgegen, der über das Schwarze Schwert gebietet – und muss bald erkennen, dass er den Kampf so nicht gewinnen kann. Bua ist mächtiger und skrupelloser als erwartet und Arailean weiß zu wenig, um den Gott überlisten zu können. Es gibt nur eine Möglichkeit, um zu erfahren wie er ihn besiegen kann. Aber wird es Arailean wirklich gelingen, in die Vergangenheit zu reisen? In jene Zeit, in der eine schwerbewaffnete Armee nur darauf wartet, losschlagen zu können … Dunkle Mächte und eine tödliche Prophezeiung: Erleben Sie den neuen Band der Reihe „Legende der Welten“ von Bestsellerautorin Petra E. Jörns. Jetzt als eBook kaufen und genießen: „Schwert des Zorns – Der Novize“ von Bestsellerautorin Petra E. Jörns. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 445

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Über dieses Buch:

Die Legende besagt, dass magische Zwillingsklingen über das Schicksal der Welt entscheiden werden. Nun ist der junge Krieger Arailean zum Träger des Heiligen Schwertes geworden. Mutig stellt er sich dem dunklen Gott Bua entgegen, der über das Schwarze Schwert gebietet – und muss bald erkennen, dass er den Kampf so nicht gewinnen kann. Bua ist mächtiger und skrupelloser als erwartet und Arailean weiß zu wenig, um den Gott überlisten zu können. Es gibt nur eine Möglichkeit, um zu erfahren wie er ihn besiegen kann. Aber wird es Arailean wirklich gelingen, in die Vergangenheit zu reisen? In jene Zeit, in der eine schwerbewaffnete Armee nur darauf wartet, losschlagen zu können …

Dunkle Mächte und eine tödliche Prophezeiung: Erleben Sie das große Finale der Reihe »Legende der Welten« von Bestsellerautorin Petra E. Jörns.

Über die Autorin:

Petra E. Jörns, geboren 1964, ist gebürtige Pfälzerin. Sie studierte Biologie an der Universität Kaiserslautern, wobei ihr besonderes Interesse der Verhaltensforschung galt. Seit 1994 ist sie freiberuflich als Diplombiologin tätig. Unter den Pseudonymen P. E. Jones und Patricia E. James veröffentlicht sie Science-Fiction- und Liebesromane. Petra E. Jörns lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in ihrem Heimatdorf in der schönen Pfalz.

Der Fantasy-Epos »Legende der Welten« umfasst folgende Romane:

Band 1: »Erben des Zorns«Band 2: »Schwert des Zorns – Der Bastard«Band 3: »Schwert des Zorns – Der Novize«

Bei dotbooks veröffentlichte Petra E. Jörns auch den Sammelband »Das Geheimnis der Nonne« sowie die Trilogie in folgenden Einzelbänden:

Band 1: »Blutbann«Band 2: »Blutnacht«Band 3: »Blutzauber«

Die Website der Autorin: www.petra-joerns.de

Die Autorin im Internet: www.facebook.com/p.e.joerns.autorin/

***

Originalausgabe September 2016

Copyright © der Originalausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Peter Thannisch

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Matt Tllghman

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-551-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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blog.dotbooks.de/

Petra E. Jörns

Legende der Welten

Dritter Roman: Schwert des Zorns – Der Novize

dotbooks.

Für Markus.

Den einzig wahren Faolan.

1. Kapitel

Nur ein paar Kerzen brannten im Tempel und hauchten der Statue Gealachs flackerndes Leben ein. Sie ähnelte in keiner Weise der Frau aus seinem Traum. Sicherlich, Arailean hatte nicht erwartet, dass sie das Gesicht von Eilis haben würde. Aber ihren Zügen fehlte die Güte und Freundlichkeit, die Eilis ausgezeichnet hatten. Die auch Onora aufwies und Liadain und auf eine andere Art und Weise auch Catharnach.

Das Gesicht der Statue war hart und unerbittlich. Ihr Blick fast zornig, wie sie dort stand mit hoch erhobenem Schwert, dazu bereit, ihre Feinde zu zerschmettern. Das war nicht die Göttin, die er kannte.

Er fror unter dem dünnen weißen Büßerhemd, das er trug, und ging scheu ein paar Schritte auf die Statue zu. Das dumpfe Poltern, mit dem die Tore zum Tempel hinter ihm geschlossen wurden, hallte durch den Raum. Er wusste, dass die beiden Wachen davor ihn nicht beobachten konnten. Dennoch zögerte er, aus Angst, einen Fehler zu machen.

Endlich wagte er noch ein paar weitere Schritte und kniete sich vor der Statue nieder. Er zuckte zusammen, als die aufgeschürften Knie den Boden berührten. Wie er die Nacht in dieser Position durchstehen sollte, war ihm rätselhaft. Wieder sah er zur Statue auf und suchte in dem Durcheinander in seinem Kopf nach einem Gebet. Onora hatte ihn viel gelehrt auf ihrer Reise. Es würde zusammen mit den Chorälen ausreichen, damit diese Nacht nicht gar zu lang wurde.

Im nächsten Augenblick zuckte er vor Schreck über den eben begangenen Frevel zusammen. Er solle seinen Geist reinigen, hatte Onora gesagt, und nicht gegen die Langeweile ankämpfen. Wieder starrte er auf die Statue. Einer plötzlichen Eingebung folgend schloss er die Augen. Er glaubte, Schwertergeklirr zu hören, und hielt inne. Stille umgab ihn. Nur das Pochen seines Herzens antwortete ihm. Hatte er sich das eben nur eingebildet?

Atemlos lauschte er mit geschlossenen Augen. Lauschte, bis das Blut in seinen Ohren rauschte und seine Knie schmerzten. Da, da war es wieder. Durch den Boden fühlte er das Stampfen von Pferdehufen und vieler Tausend Menschen. Es übertrug sich auf seine Knochen und hallte in seinem Kopf wider. Wurde er etwa verrückt?

Langsam ließ er sich zu Boden sinken. Die Hände neben seinem Kopf, lag er auf dem Bauch und drückte das Ohr gegen den Marmorboden. Der Kampfeslärm schien sich direkt unter ihm zu befinden. Menschen schrien in Todesqual, Pferde wieherten, Waffen klirrten. Dann gellte ein Horn und ließ den Kampfeslärm verebben.

Ein Pferd schien direkt auf Arailean zuzugaloppieren. Er sprang auf und sah sich gehetzt um. Aber da war nichts, nur die Kerzen blakten. Das Gesicht der Statue war reglos. Mit klopfendem Herzen wollte er sich wieder hinknien.

Da wieherte das Pferd direkt vor ihm. Hufe trafen stampfend den Boden. Grasbrocken flogen. Er stand auf einer Ebene, über die sich ein tiefschwarzer Himmel spannte, obwohl es Tag war. Arailean spürte das Antlitz Grians hinter dem Schwarz, das verzweifelt dagegen ankämpfte.

Der Reiter vor ihm zügelte sein Pferd und starrte ihn aus hasserfüllten dunklen Augen an. »So sehen wir uns also wieder, Bruder.« Das letzte Wort klang wie ein Fluch aus seinem Mund.

Arailean stolperte rückwärts und fiel.

Lachend zog der dunkelhaarige Reiter das Schwert und reckte es in den schwarz tosenden Himmel. »Stirb, Bruder!« Bei den Worten sauste die Klinge auf Arailean hinab.

Sie traf ihn mitten in der Brust. Sterbend sah er an ihr entlang in das Gesicht des Reiters.

Der Mann lachte triumphierend und riss das Schwert wieder aus Araileans Leib. Blut tropfte von der Klinge, die schwarz war wie der Himmel, unter dem sie sich befanden. Und die Arailean in die Schwärze schickte, aus der sie gekommen war.

Er erwachte frierend. Ein fahler Sonnenstrahl verirrte sich in sein Gesicht. Er lag halb auf der Seite, fühlte glatten Marmorboden unter seiner Wange und öffnete verwirrt die Augen.

Wo war das Gras? Hatte er geträumt?

Die Statue der Göttin blickte reglos auf ihn herab.

Eine Hand legte sich auf seine Schulter.

Arailean fuhr herum. Fast erwartete er, den Mann mit dem schwarzen Schwert vor sich zu sehen.

Aber es war Catharnach, der halb verärgert und halb amüsiert den Kopf schüttelte. »Steh auf! Von Schlafen war nicht die Rede.«

»Ich …«, stotterte Arailean und beeilte sich, Catharnachs Befehl nachzukommen, bevor er sich noch weiter blamieren konnte. Das Blut schoss ihm ins Gesicht, und er senkte den Kopf, damit Catharnach es nicht sehen konnte.

Catharnach deutete zur Tür. »Geh! Falls du beten wolltest, dafür ist es jetzt zu spät.«

Arailean gehorchte, stolperte benommen über seine Füße und verließ mit einem letzten Blick auf die Statue Gealachs den Tempel.

Davor erwartete ihn eine kleine Abordnung Rotberockter. Einer von ihnen hielt eiserne Hand- und Fußfesseln in der Hand. Kommentarlos trat er auf Arailean zu und legte sie ihm an. Das Klicken, mit dem die Fesseln einrasteten, jagte einen Schauer über Araileans Rücken.

»Vorwärts«, sagte Catharnach.

Die vier Diener Gealachs nahmen Arailean in ihre Mitte und eskortierten ihn zum Hof hinaus. Catharnach ging voraus, mit weit ausgreifenden Schritten, den Kopf hoch erhoben und die Linke auf dem Griff des Schwertes, das an seinem Gürtel hing. Sein blondes Haar leuchtete wie Gold in der Morgensonne.

Er war genau so, wie Arailean sein wollte und nie sein würde. Er begriff es in dem Moment, in dem er ihm mit klirrenden Ketten und bloßen Füßen langsam folgte.

Der Weg den Hügel hinab war lang und steinig. Die Unebenheiten peinigten Araileans nackte Füße. Die Fußfesseln scheuerten seine Knöchel wund. Wenigstens stießen ihn die Diener Gealachs nicht, weil er nicht mit ihnen Schritt halten konnte. Catharnach wartete jedes Mal, bis Arailean mit seiner Eskorte aufgeschlossen hatte, wenn der Abstand zu groß wurde. So erreichten sie die ersten Häuser.

Gaffende Gesichter säumten ihren Weg. Kinder kreischten und rannten davon. Jemand lachte. Die Menge folgte ihnen.

Arailean glaubte ersticken zu müssen. Starr fixierte er das Kopfsteinpflaster zu seinen Füßen, war froh über sein langes Haar, das sein Gesicht wenigstens halbwegs verdeckte. Dennoch kam ihm der Weg zum Marktplatz schier endlos vor. Als Catharnach ihn vor einem Holzpodest innehalten hieß, wunderte er sich darüber, dass sie schon am Ziel angekommen waren.

Einer der Männer aus der Eskorte nahm Arailean die Fußfesseln ab. Wie gelähmt starrte Arailean auf die erste Stufe vor seinen Füßen.

»Jetzt komm«, sagte Catharnach.

Eine Hand schob Arailean auf die Treppe zu.

Er fügte sich, hob langsam den Fuß und machte den ersten Schritt, folgte Catharnach die drei Stufen auf das hölzerne Podest. Mit wild klopfendem Herzen blieb er stehen. Bis jemand hinter ihm ihn weiterschob, auf den Pranger zu, den Catharnach derweil geöffnet hatte.

Es klirrte, als jemand ihm die Handfesseln entfernte. Er zuckte bei dem Klang zusammen.

»Bück dich«, sagte Catharnach. »Ich will dich nicht zwingen müssen.«

Arailean hob den Kopf und wagte es, ihn anzusehen. Catharnachs Blick war undeutbar. Hinter ihm entdeckte Arailean die Menschenmenge, die den Platz einnahm. Er rang zitternd nach Atem, ging auf den Pranger zu und legte Kopf und Hände in die dafür vorgesehenen Öffnungen. Knarrend senkte sich das Oberteil herab und klemmte ihn fest. Er schloss die Augen, hörte das Klirren, mit dem das Schloss verriegelt wurde.

Catharnach erhob die Stimme. Worte wie Urteil und Schuld drangen an Araileans Ohr. Vergeblich mühte er sich darum, einen Sinn in ihnen auszumachen. Das Blut rauschte so laut in seinen Ohren, dass er nichts mehr verstand.

Endlich kündeten dumpfe Schritte davon, dass Catharnach das Podest verließ.

Er war allein.

Er wartete mit geschlossenen Augen, suchte nach Gebeten, die ihm helfen sollten, nach irgendetwas, das ihm Halt geben konnte. Aber in seinem Kopf herrschte gähnende Leere.

Da traf ihn etwas am Kopf. Etwas Glibberiges rann über sein Gesicht, stank nach faulem Ei. Weitere Wurfgeschosse folgten. Er roch verfaultes Gemüse und Küchenabfälle. Ein Schwall Wasser traf ihn, der nach Jauche und Urin stank. Die braune Flüssigkeit tropfte aus seinen Haaren und lief ihm übers Gesicht. Sein Büßerhemd war durchtränkt, sodass er nach kurzer Zeit vor Kälte schlotterte, obwohl die Sonne schien.

Die Menge lachte. Die Wurfgeschosse trafen ihn nur noch vereinzelt. Eines von ihnen war so hart, dass er aufstöhnte. Ein zweiter dieser harten Gegenstände traf ihn am Kopf. Er keuchte vor Schmerz und biss sich auf die Lippen, um einen weiteren Schmerzenslaut zu unterdrücken.

»Aufhören!«, brüllte eine männliche Stimme. »Es reicht. Steine sind nicht erlaubt!«

Ein Murren ging durch die Menge.

Während sich Arailean noch wunderte, näherten sich Schritte, kamen auf das Podest und hielten vor ihm inne. Eine Hand schob sich unter sein Kinn und wischte die Jauche und das Blut aus seinem Gesicht. »Trink.«

Eine Kelle berührte Araileans Mund. Wasser rann über seine Lippen. Er trank gierig, blinzelte dabei durch die geschlossenen Augenlider, um einen Blick auf seinen Gönner zu erhaschen.

Es war ein junger Diener Gealachs mit hellbraunen Haaren, der auf eine verwirrende Weise Faolan ähnelte. Er gewährte Arailean eine zweite Kelle, musterte ihn noch einmal prüfend und verließ ihn wieder.

Die Menge schien danach kleiner zu werden. Das Scharren der Füße und das Stimmengemurmel nahmen ab. Ein vereinzeltes Wurfgeschoss verirrte sich noch zu Arailean. Dann nichts mehr.

Seine Schultern brannten inzwischen wie Feuer vom gebückten Stehen. Nach einer Weile begannen seine Beine zu zittern. Dort, wo ihn Ruaridhs Lanze im Rücken getroffen hatte, wohnte ein pochender Schmerz, der sich zunehmend ausbreitete.

Die Jauche auf Araileans Büßerhemd trocknete. Die Schatten wurden länger. Er merkte es an der kühlen Luft, die vom Fluss heraufstieg.

Plötzlich knickte das eine Bein unter ihm weg. Er bemerkte es, aber er konnte nichts dagegen tun. Der Pranger schnitt in sein Fleisch und würgte ihn. In seinen Ohren brauste es.

Wasser lief über sein Gesicht, jemand zog ihn wieder auf die Füße und gab ihm zu trinken. Im Schatten der Abenddämmerung erkannte Arailean das sommersprossige Gesicht des Rothaarigen, der Onora auf dem Hof abgefangen hatte. Crevan war sein Name, erinnerte sich Arailean.

»Nur noch die Nacht«, sagte Crevan. »Das schaffst du.« Er grinste aufmunternd.

Die Worte halfen Arailean, noch ein bisschen länger durchzuhalten. Sein ganzer Rücken fühlte sich mittlerweile an, als wäre er zerbrochen. Die Beine gehorchten ihm kaum noch. Er schaffte es irgendwie, die Knie durchgestreckt zu halten, aber das verschlimmerte die Last auf seinen Schultern.

Er wollte nur noch, dass es aufhörte. Sollten sie ihn doch züchtigen, wenn sie ihn nur von diesem grausamen Folterinstrument befreien würden, damit er endlich seinen Rücken ausstrecken konnte. Ein Schluchzen drängte in seiner Kehle nach oben. Er versuchte, sein Gewicht zu verlagern, da knickten beide Beine unter ihm weg. Es war, als wären sie nicht mehr da, als fiele er in gähnende Leere. Ein gurgelnder Laut quälte seine Kehle, und samtdunkle Schwärze fing ihn auf.

Die Frau im roten Waffenrock stand wieder vor ihm. Ihr Gesicht war eine seltsame Mischung aus Eilis und Onora. Dabei hatte sie die goldenen Locken von Liadain. Sie nahm seine Hand und half ihm behutsam auf die Füße. »Komm«, sagte sie.

Er gehorchte, tappte neben ihr her in seinem knappen Büßerhemd, das zwar wieder weiß war, aber nur dürftig seine Blöße bedeckte.

Es schien sie nicht zu stören. Als bemerke sie es nicht, führte sie ihn durch die menschenleeren Straßen hinauf zum Tempel und durch die offenen Tore in den Innenhof.

Eine Gruppe Männer und Frauen stand dort, als warteten sie auf etwas. Als sich der hochgewachsene Mann mit dem schütteren Haar bei ihrem Näherkommen umdrehte, prallte Arailean zurück. Es war Lorcan, der ihn mit hasserfülltem Gesicht anstarrte.

Die Frau ignorierte ihn, ging einfach an ihm vorbei und zog Arailean dabei mit sich. Vor einer der Leibwachen blieb sie stehen. Es war eine Frau mit rotblonden Haaren und schmalem Gesicht. Die Doppelwelle an ihrem Waffenrock zeichnete sie als Dienerin Seols aus, nicht als profane Kriegerin im Dienste Lorcans. Ihre Hand lag auf dem Griff des Schwertes, das an ihrem Gürtel hing. Sie sah Arailean an, so voller hochnäsiger Arroganz, dass ihm schwindelte.

In einer eleganten Bewegung zog sie das Schwert und richtete es auf Araileans Brust. Die Klinge gleißte silbern wie Mondlicht. Und plötzlich erkannte er es.

Während er noch starrte, lachte die Dienerin Seols auf. Ihr weißer Waffenrock mit den blauen Säumen färbte sich schwarz. Ihr Gesicht wurde dabei zu dem von Lorcan, der die Spitze des Schwertes in Araileans Brust trieb. »Stirb!«, schrie er mit irrem Blick.

Das silberne Gleißen des Schwertes erlosch.

Arailean fiel, landete rückwärts im Staub und starrte auf das Schwert, das aus seiner Brust ragte.

Mit mildem Lächeln kniete die Frau im roten Waffenrock neben ihm nieder und zog es heraus, ohne ihm dabei Schmerzen zu verursachen. Blut rann aus der Wunde, aber sie beachtete es nicht. »Nimm«, sagte sie und legte ihm das Schwert in die Hände.

Als sie die Waffe berührten, glitt ein Mondstrahl über die Klinge und ließ sie silbern aufleuchten.

Da riss die Dunkelheit ihn mit sich.

Er lag auf dem Rücken. Der Boden unter ihm hallte, als bestünde er aus Holz. Sein Rücken fühlte sich an, als wäre er mehrmals gebrochen. Er versuchte, sich auf die Seite zu wälzen. Bemerkte in diesem Augenblick erst die Handfesseln aus Metall, die ihn dabei behinderten.

»Bleib liegen. Die Sonne geht gerade erst auf.«

Mühsam öffnete Arailean die Augen und entdeckte den rothaarigen Diener Gealachs namens Crevan, der sich neben ihm an das Holzpodest lehnte, auf dem er lag.

»Wieso …?« Seine Kehle war so wund wie sein Hals. Das Wort schmerzte.

»Der Morgen war ohnehin schon nahe, als du zusammengebrochen bist. Warum sollte ich dich unnötig quälen?«

»Aber …«

Crevan grinste. »Wenn du darauf bestehst, mache ich dich wieder fest. Eine Stunde oder so würdest du noch ausharren müssen.«

Arailean kämpfte sich in sitzende Position. Der Pranger neben ihm war geschlossen, aber das Schloss, das Ober- und Unterhälfte zusammenhielt, fehlte. Er zog sich am Gestell auf die Füße und öffnete es. Gealach würde nicht wollen, dass er betrog.

Crevan schnaubte und kam mit einem Schritt auf das Podest. »Bist du dir sicher? Eine Stunde kann verdammt lang sein.«

»Ja.« Araileans Hände zitterten, während ihm sein Wächter die Handfesseln abnahm.

»Wie du willst.« Crevan klappte das Oberteil des Prangers auf, wartete, bis Arailean sich hineinbegeben hatte, und klappte es wieder zu. Das Schloss quietschte, als er es schloss.

Arailean zuckte zusammen, als das Joch seinen wunden Nacken berührte. Seine Schultermuskeln protestierten unter der Belastung. Er schloss die Augen und gab nach, ließ den Kopf hängen und suchte nach seinem Gleichgewicht, um die Füße zu positionieren.

Eine Hand klopfte leicht auf seinen Rücken. »Meinen Respekt«, sagte Crevan. Nach diesen Worten sprang er vom Podest und lehnte sich direkt vor Araileans Blickfeld dagegen.

Erste Frühaufsteher bevölkerten die Stadt. Arailean hörte, wie einige von ihnen stehen blieben und sich unterhielten. Nach und nach nahm die Menge zu. Er konnte aus den Augenwinkeln zwar einige Wurfgeschosse in den Händen der Wartenden entdecken, aber keiner wagte es, sie einzusetzen. Denn Araileans Wächter saß ihnen direkt im Weg.

Die Stunde wurde lang. Seine Beine begannen bald wieder zu zittern. Sein Rücken loderte, als stünde er in Flammen. Schwindel erfasste ihn. Er merkte erst, dass seine Beine wieder unter ihm nachgegeben hatten, als er mit seinem gesamten Gewicht im Gestell hing und sich den Atem abwürgte.

Ein Raunen ging durch die wartende Menge. Schritte hallten, und ein paar Hände zogen ihn wieder in die Höhe. »Das ist nicht nötig«, raunte Crevan ihm zu. Arailean hörte, wie er sich am Schloss zu schaffen machte.

»Nein.«

Crevan schnaubte. »Schön, wie du willst.« Dennoch blieb er neben Arailean stehen, einen Arm um seine Taille, um ihn notfalls zu stützen.

Graue Schatten tanzten vor Araileans Augen. Er hatte das Gefühl zu fallen, wollte sich aufrichten und wurde vom Pranger daran gehindert. Er stöhnte laut auf, während Crevan ihn festhielt. Nebel griff nach seinem Kopf.

»Es ist genug«, knurrte Crevan.

In diesem Moment ging ein Murmeln durch die Menge. Schritte näherten sich. Kleider raschelten. Stille breitete sich auf dem Platz aus. Die Schritte hallten auf der Treppe zum Podest und verhielten neben Arailean.

»Mach ihn los!« Onoras Stimme.

»Helft mir, Euer Hochwürden. Er ist nicht mehr bei Sinnen.«

Die Hände wechselten, das Schloss quietschte, und jemand ließ Arailean sanft zu Boden gleiten. Eine Hand fuhr ihm über die Stirn.

»Gib ihm etwas zu trinken!«

»Ja, Euer Hochwürden.«

Eine Hand hob Araileans Kopf an, eine Kelle berührte seine Lippen, brachte Wasser, das seine Lippen benetzte. Er trank, verschluckte sich und hustete. Das Wasser rann über seine Brust. Aber die Kelle kam frisch befüllt zurück, und diesmal landete das Wasser in Araileans Mund statt am Boden. Langsam klarte sich sein Blick.

Onora kniete neben ihm, während Crevan Araileans Kopf wieder auf das Podest sinken ließ. »Kannst du aufstehen?«, fragte Onora, während die ersten Strahlen der Morgensonne über den Himmel fingerten.

»Ja.« Araileans Stimme war nur ein leises Krächzen.

»Dann komm.« Onora bot ihm die Hand, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein. Bevor die Beine wieder unter ihm wegsacken konnten, zog sie sich seinen Arm über die Schultern und stützte ihn. Langsam, Schritt für Schritt, half sie ihm vom Podest herunter.

Crevan ging vor ihnen her, in seiner Hand hielt er die metallenen Hand- und Fußfesseln, die vor- und zurückschlenkerten. Niemand schien sie Arailean anlegen zu wollen.

Unter vielen Pausen und unendlich langsam gingen sie zurück zum Tempel. Als sie durch das Tor in den Hof gelangten, entdeckte Arailean die kleine Gruppe blau-weiß Gekleideter, die neben dem Eingang des Tempels wartete. Er keuchte vor Schreck und hielt inne.

»Geh weiter. Lass ihn deine Angst nicht sehen«, raunte Onora ihm ins Ohr.

Arailean nahm all seine Willenskraft zusammen und ging an Onoras Seite weiter auf sie zu und an ihnen vorbei in den Tempel. Sein Herz raste, als wolle es zerspringen. Schlagartig erinnerte er sich an den Traum, den er am Pranger gehabt hatte. Die Zeit bekam ein Loch. Er fand sich mit einem Mal am Boden wieder und fing sich kniend mit den Händen ab.

Marmorboden, der zu Gras geworden war. Er glaubte, ein Pochen unter seiner Hand zu fühlen. Erschrocken zuckte er zurück.

»Arailean, sieh mich an!«

Onoras Stimme riss ihn aus seiner Benommenheit. Er hob den Kopf. Aber es war nicht Onora, die vor ihm stand. Es war die Mischung aus Eilis und Onora mit Liadains Haar, die ihn gütig anlächelte.

Er starrte sie an, unfähig, sich zu rühren. Träumte er wieder?

»Sag mir, Arailean Ni Linnfearnai. Willst du mir dienen von heute an und immerdar? Mir allein und niemandem sonst und mein Schwert in meinem Namen führen, gegen wen ich dich damit auch führen mag?«

»Ja.« Das war alles, was er wollte. Wusste sie das nicht?

»Willst mir nur mit deinen Händen und deinem Herzen dienen und der Magie abschwören?« Aus der Göttin wurde Onora.

Aber … Er erstickte den Widerspruch, der in ihm aufkeimte. »Ja.« Wenn sie es so wollte, dann sollte es geschehen.

»Schwöre es im Namen Gealachs und ihrer göttlichen Geschwister und im Namen Seols und Grians.«

»Ich schwöre.«

»Dann steh auf, Arailean Ni Linnfearnai, und nimm deinen Platz in unserer Gemeinschaft ein.«

Onora kam auf ihn zu, machte mit ihrem Schwert das Zeichen Gealachs über ihm und berührte dann mit seinem Heft nacheinander seine Stirn, seine Lippen und seine Brust. »Gealach segne dich.« Sie trat einen Schritt zurück und schien zu warten, dass er sich erhob.

Unter seinen Füßen fühlte er wieder das Pochen. Es klang wie ein Herz, weit entfernt im Innern des Hügels. Arailean schwankte. Helfende Hände stützten ihn und halfen ihm auf die Füße.

Langsam drehte er sich um und entdeckte Lorcan, der ihm mit seiner Leibwache den Weg nach draußen versperrte. »Gut ausgedacht, Euer Hochwürden. Indem Ihr ihn zum Novizen macht, habe ich kaum noch eine Handhabe gegen ihn, ohne die gesamte Kirche Gealachs gegen mich aufzubringen.«

»Er folgt nur seinem Weg, Eure Eminenz. Und nun lasst ihn bitte nach draußen. Er braucht Ruhe.«

Arailean merkte, wie Onora hinter ihn trat. Allein ihre Nähe genügte, um Lorcan verstummen zu lassen. Mit hasserfülltem Blick machte er Arailean Platz. Eine Frau mit rotblonden Haaren und der Doppelwelle Seols auf dem blau-weißen Waffenrock stand dadurch plötzlich in Araileans Weg.

Die Welt schien stillzustehen. Er starrte die Frau an, mit offenem Mund. Seine Hand streckte sich nach dem Schwert, das sie an ihrem Gürtel trug, fasste nach seinem Griff und zog es halb heraus.

Ein Summen nie gekannter Macht erfüllte ihn. Der Boden unter seinen Füßen bebte. Das Pochen des Herzschlags im Boden machte ihn schier taub. Er ließ die Waffe los, presste die Hände an die Ohren und schrie auf.

Der Boden kam ihm entgegen. Die silberne Klinge fuhr aus der Scheide, stand drohend über ihm, bereit dazu, auf ihn herabzustoßen. Das Dröhnen im Boden schwoll zu einem ohrenbetäubenden Tosen an.

Er hörte ein Greinen, das ihm durch Mark und Bein ging. Die Welt schien zu zucken, wand sich unter ihm wie eine Schlange. Aus dem Greinen wurde ein Schrei, lang und qualvoll. Er versuchte aufzustehen, um aus dem Tempel zu fliehen, fort von dem Pochen und der Frau mit dem Schwert, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Blut tropfte zu seinen Füßen auf den weißen Marmor. Er wusste nicht, wo es herkam, hielt die Hände unter seinen Mund. Begriff, dass es aus seinem Mund und seiner Nase tropfte, aus seinen Augen und Ohren. Er schluchzte und sah auf, blickte direkt in das Gesicht der Dienerin Seols, deren Arm mit der gezogenen Klinge von Catharnach festgehalten wurde.

Jemand riss ihn auf die Füße und schüttelte ihn, rief seinen Namen, wieder und wieder, wurde zu Liadain, die ihm eine Ohrfeige versetzte und so ins Hier und Jetzt zurückholte.

Arailean schlotterte am ganzen Körper. Nur Liadains Arm bewahrte ihn davor, zu fallen.

»Steckt endlich das Schwert weg«, knurrte Catharnach. »Ihr seht doch, dass er wieder bei sich ist.«

»Er ist besessen. Warum glaubt Ihr mir denn nicht?« Lorcans Stimme.

»Schweigt!«, herrschte Onora ihn an und drängte sich neben Arailean. »Und Ihr«, wandte sie sich an die Dienerin Seols, »tut endlich, was Catharnach Euch sagt, und steckt Euer Schwert wieder in die Scheide, bevor jemand zu Schaden kommt.«

Mit zornigem Blick gehorchte die Frau und trat einen Schritt beiseite.

Bevor Arailean richtig begriff, was geschah, packte ihn Onora an den Schultern und schüttelte ihn. »Was ist los, Arailean? Rede!”

Arailean starrte an ihr vorbei auf die Dienerin Seols. Seine Hand hob sich und zeigte auf das Schwert an ihrer Seite. »Das Schwert …«, hauchte er.

Onora folgte seinem Blick. »Sie hat es zurück in ihre Scheide gesteckt. Es ist alles in Ordnung. Also, was war los?«

»Gealach … sie hat es mir gezeigt. Heute Nacht.«

»Was?«

»Das Schwert … das silberne Schwert aus meinen Träumen. Sie hat es!« Er deutete auf die Dienerin Seols. »Sie hat es. Der Fluss hat es mitgerissen. Das hat Askuwheteau gesagt. Die Göttin hat es mir gezeigt.«

»Blasphemie!«, kreischte Lorcan. »Ich verlange eine Untersuchung!«

»Schweigt!«, donnerte Onora. »Ich wiederhole mich ungern, aber das sind mein Tempel und mein Novize. Ihr habt nichts, aber auch gar nichts darüber zu entscheiden.«

»Er beschuldigt eine Dienerin Seols, das Heilige Schwert zu tragen!«

»Ganz richtig. Und das geht mich als Vertreterin der Kirche Gealachs sehr wohl etwas an, denn es ist das Schwert, das Gealach in unsere Hände gelegt hat – und nicht in die der Kirche Seols!« Onora glühte in aufrichtigem Zorn.

»Ihr glaubt diesem … diesem Geächteten, diesem … Paktierer, diesem Feenbalg?« Lorcan tauchte neben Arailean auf. Er spuckte vor Wut bei jedem Wort.

»Ob ich ihm glaube oder nicht, werde ich nach einer eingehenden Untersuchung entscheiden. Und ich bestehe darauf, dass Ihr und Euer Gefolge so lange unsere Gäste seid. Ihr werdet diesen Tempel nicht verlassen, bis diese Sache zu meiner Zufriedenheit geklärt ist.«

»Ihr wagt es, mich hier festzusetzen?«

»O ja, und ob ich das wage. Und nun geht mir aus dem Weg!« Zu den Umstehenden gewandt, setzte Onora hinzu: »Liadain, sieh zu, dass meiner Bitte Folge geleistet wird, und weise den Herrschaften Zimmer zu. Und du, Catharnach, bring den Jungen auf ein Zimmer und bleib bei ihm, bis ich mich um die Sache kümmern kann. Wenn er wieder unter deinen Augen verschwinden sollte, wirst du es bereuen.«

Damit verließ sie den Tempel.

Arailean starrte ihr hinterher. Er fühlte sich seltsam leicht, als wäre dies der Moment gewesen, auf den er sein Leben lang gewartet hätte und als wäre er so ausgegangen, wie er es sich gewünscht hatte.

Catharnach schenkte ihm einen finsteren Blick. Schließlich packte er ihn am Arm und zog ihn aus dem Tempel. »Komm«, sagte er, »und glaube mir, diesmal wirst du mir nicht entwischen.«

»Wasch dich«, sagte Catharnach, »du stinkst!«

Ein dicker Jüngling im grau-roten Waffenrock hatte einen Eimer mit heißem Wasser, Seife und Tücher gebracht. Danach war Arailean wieder mit Catharnach allein.

Arailean starrte erst Catharnach und dann den Eimer an. Als er begriff, dass Catharnach nicht gehen würde, zog er langsam das Büßerhemd aus und begann sich in Catharnachs Beisein zu waschen. Er mied Catharnachs Blick dabei, so gut es ging. Umständlich, aber penibel säuberte er jeden Zoll seines Körpers. Am Ende versuchte er, seine Haare zu waschen. Aber sein Rücken schmerzte so sehr, dass er es nicht schaffte, den Kopf weit genug über den Eimer zu beugen.

Wortlos trat Catharnach hinter ihn und schöpfte Wasser mit einer Kelle über seinen Kopf, das wieder in den Eimer zu seinen Füßen tropfte. Ein leises Keuchen drang aus Catharnachs Mund, als er Araileans Rücken sah. Wortlos legte er ihm ein Tuch um die Schultern, bevor er die nächste Kelle folgen ließ.

Um Haltung bemüht, stützte sich Arailean mit beiden Händen am Boden ab und wartete. Schließlich legte Catharnach die Kelle beiseite und gab ihm ein weiteres Tuch, mit dem sich Arailean die Haare trocken rubbelte.

»Wer war das?«, fragte Catharnach. »Die Striemen, meine ich.«

Arailean hielt kurz inne. Er war froh, dass er sein Gesicht hinter dem Tuch verstecken konnte. »Mein Vater.«

»War er es, der dich geächtet hat?«

»Ja.«

Stille trat ein.

Schließlich warf Catharnach einen Stapel Kleider neben Arailean aufs Bett. »Zieh dich an und ruh dich aus. Es wird sicherlich eine Weile dauern, bis Onora dich holen lässt.«

Arailean gehorchte. Im Kleiderstapel fand er Untergewandung, graue Hosen, ein weißes Hemd und einen grau-roten Waffenrock. Dieser hier trug jedoch das Zeichen Gealachs auf der Brust. Es war der Waffenrock der Novizen. Arailean brauchte all seinen Mut, um ihn sich überzustreifen. Seine Hände zitterten so sehr, dass er es nicht schaffte, die Gürtelschnalle zu schließen.

Wortlos trat Catharnach heran und half ihm dabei, zupfte den Waffenrock zurecht und musterte ihn.

Die Situation erinnerte ihn so sehr an diejenige in Maoilcollach, als Eilis seinen Waffenrock gerichtet hatte, dass Arailean der Schmerz fast erwürgte.

»Bist du dir sicher, dass du das willst?«, fragte Catharnach.

Arailean nickte.

»Kannst du lesen?«

»Ja.«

»Hier.« Catharnach nestelte an seiner Gürteltasche und reichte Arailean ein dünnes, abgegriffenes Buch, das in rotes Leder gebunden war. »Lies. Damit du weißt, auf was du dich eingelassen hast.«

Ehrfürchtig nahm Arailean das Buch in Empfang und setzte sich auf das Bett.

»Warte«, sagte Catharnach.

Verwirrt sah Arailean auf und sah das Tiegelchen in Catharnachs Hand. Geduldig ließ er sich damit den wunden Nacken und seine Hand- und Fußgelenke einreiben. Die Salbe linderte den Schmerz.

Danach zog sich Catharnach einen Stuhl heran und setzte sich.

Arailean war dankbar, sich endlich hinlegen zu können. Er streckte sich mit dem Buch auf dem Bett aus und blätterte es durch, Seite für Seite.

Auf der ersten stand Catharnachs Name und der Titel. Es war ein Gebetsbuch der Diener Gealachs. Sacht strich Arailean über den Einband. Ein Kloß saß in seiner Kehle. Zögernd begann er zu lesen. Er las, bis ihn die Erschöpfung überwältigte und ihm die Augen zufielen.

Als er erwachte, dunkelte es bereits. Jemand hatte eine Decke über ihn gebreitet. Das Buch lag neben dem Bett auf einem kleinen Tischchen, auf dem außerdem ein großer Teller mit Eintopf stand und ein Becher mit Milch.

Neben seinem Bett saß Catharnach. »Iss«, mahnte er. »Sie werden dich bald holen. Ich möchte nicht, dass du vor Entkräftung während der Befragung zusammenbrichst.«

Arailean gehorchte stumm. Erst während des Essens merkte er, wie hungrig er war. Sein Blick fiel auf das Buch.

»Du kannst es behalten«, sagte Catharnach.

Verwundert hielt Arailean beim Essen inne. Der Löffel verharrte vor seinem Mund. »Braucht Ihr es nicht mehr?«

Catharnachs Mundwinkel zuckten. »Ich kann die Gebete auswendig.«

»Ich danke Euch.« Arailean ließ den Löffel in den Teller sinken und nahm das Buch in die Hand. Ehrfürchtig strich er über den Einband, vergaß darüber ganz das Essen, das vor ihm stand.

Catharnach seufzte. »Iss auf. Du hast nicht mehr viel Zeit.«

Schuldbewusst steckte Arailean das Buch in seinen Gürtel und gehorchte. Er war kaum mit dem Teller fertig, als es an der Tür klopfte. Auf Catharnachs »Herein!« streckte ein rotblonder Novize den Kopf ins Zimmer. Es war Cillian. »Ihre Hochwürden lässt bitten.«

Catharnach stand auf und sah Arailean an. »Nun denn. Es ist so weit.«

Mit Cillian als Führer ging Arailean an Catharnachs Seite durch das Haupthaus. Sie erreichten wieder den Eingangsbereich, an dessen beiden Seiten sich die Treppen nach oben zur Galerie schwangen, von wo aus schmalere Treppen in zwei getrennte Flügel führten. Im linken lag Araileans Zimmer. Unter der Galerie führte eine Doppeltür in einen großen Saal.

Cillian öffnete einen Flügel und wartete, bis Catharnach und Arailean hindurchgetreten waren. Dann schloss er die Tür hinter ihnen.

Arailean sah sich um. Ihnen gegenüber stand ein Tisch, der fast die gesamte Länge des Saals einnahm, an dessen Längsseite sie den Raum betreten hatten. Auf der anderen Seite dieses Tisches saß Onora, zu ihrer Rechten Liadain und zu ihrer Linken Lorcan. Neben diesem saß die rothaarige Dienerin Seols, neben Liadain wiederum eine schlanke Frau in schwarzer Robe mit hüftlangen schwarzen Haaren.

Onora winkte Arailean zu sich heran. Catharnach folgte ihm und postierte sich hinter ihm.

»Also, Arailean. Erzähl uns, was die Göttin dir gezeigt hat.«

»Woher wollt Ihr wissen, dass es wirklich die Göttin war?«, fuhr Lorcan dazwischen.

»Ich bitte Euch, Eure Eminenz. Müssen wir noch einmal von vorn beginnen? Lasst den Novizen berichten. Ob das, was er gesehen hat, von der Göttin stammt oder nicht, werde ich prüfen. Oder misstraut Ihr mir?«

Lorcan knirschte mit den Zähnen. »Nein.«

»Gut, dann lasst uns fortfahren. Arailean!« Onora sah ihn auffordernd an.

Sein Blick irrte von Onora zu Lorcan und wieder zurück zu Onora. Sie sah jetzt wieder ganz aus wie Onora und nicht wie die Mischung aus Onora und Eilis, die er im Tempel gesehen hatte. Er räusperte sich, um sich zu sammeln, und begann stockend, von dem Traum zu berichten, den er gehabt hatte, als er am Pranger zusammengebrochen war. Er endete damit, dass ihm die Göttin das Schwert aus der Brust gezogen hatte. Weder wagte er zu erwähnen, dass der Waffenrock der Dienerin Seols schwarz geworden war und ihr Gesicht sich in das von Lorcan verwandelt hatte, noch, dass die Göttin ihm das Schwert in die Hände gelegt hatte.

»War das alles, Arailean?«, fragte Onora.

Unter ihrem Blick konnte Arailean nicht lügen. »Nein.« Nur ein Flüstern.

»Was noch? Sprich, Junge. Niemand wird dir deswegen den Kopf abreißen.«

Arailean wagte einen Blick in ihr Gesicht. »Sie … sie legte es in meine Hände …« Das Blut schoss ihm ins Gesicht. Er merkte es und senkte den Kopf.

»Das ist lächerlich!«, fauchte Lorcan.

Arailean wünschte sich weit weg. Zurück in sein Zimmer, sogar eine Kerkerzelle wäre ihm recht, wenn nur Lorcan nicht mit ihm im gleichen Raum gewesen wäre.

Onoras Stimme peitschte durch den Raum. »Eure Eminenz, Ihr stört die Verhandlung!«

Lorcan schwieg daraufhin.

»Euer Ehrwürden, was sagt Ihr als Vertreterin der Kirche Deoirs zu dem Bericht des Novizen?«

Es dauerte eine Weile, bis die Frau in der schwarzen Robe antwortete. Ihre Stimme klang sanft, wie das Rascheln von Seide und Samt und viel tiefer, als Arailean erwartet hatte. »Es ist das Heilige Schwert, auch wenn es nicht mehr die Zeichen trägt. Das haben wir einwandfrei bewiesen. Und bisher war es immer Gealach selbst, die den Träger bestimmt hat. Wenn er die Wahrheit spricht, und daran zweifele ich nicht, dann gibt es nur eine Antwort auf unsere Frage.«

»Das ist ein schlechter Witz!« Lorcans Stimme. »Niemals! Das erlaube ich nicht!«

»Eure Eminenz, bevor Ihr irgendwelche Vermutungen anstellt, lasst mich bitte dem Protokoll Genüge tun und den Wahrheitsgehalt des Gesagten prüfen. Arailean!«

Arailean zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte, und trat an den Tisch heran. Er mied Lorcans Blick und musterte den Tisch.

»Arailean, sieh mich an!«, sagte Onora leise.

Zögerlich hob er den Kopf und fand sich Auge in Auge mit der Tempelvorsteherin. Sie hielt ihm das Heft ihres Schwertes entgegen.

»Leg deine Hand auf den Griff und bete mit mir zur Göttin. So wie ich es dich gelehrt habe. Du erinnerst dich?«

Arailean nickte und legte die Hand um den Griff ihres Schwertes. Er fühlte sich zu groß an, zu schwer und zu klobig. Kein Schwert für seine Hände. Er atmete tief durch, schloss die Augen und rezitierte das Gebet, das Onora ihn gelehrt hatte. Sie sprach es mit ihm. Ihre Stimme schien ihn zu berühren, ihn abzutasten, seine Seele zu durchleuchten. War wie der Schein einer Laterne, hell und warm. Das Gefühl der Helligkeit erlosch auch dann nicht, als das Gebet endete, ebbte nach wie die Strahlen Grians auf der Haut. Langsam öffnete er wieder die Augen und sah Onora an.

Sie lächelte. »Du kannst das Schwert loslassen.«

Er gehorchte eilig und etwas verlegen.

Onoras Blick wurde grüblerisch.

»Und?«, fragte Lorcan ungeduldig.

Onora ignorierte ihn. »Ist das alles? Oder hast du noch etwas gesehen? Warum wolltest du aus dem Tempel fliehen?«

Aber Lorcan wollte ihn nicht zu Wort kommen lassen. »Weil er ein Paktier...«

»Schweigt endlich!«, donnerte Onora. »Oder ich führe die Anhörung ohne Euch weiter!«

Aus dem Augenwinkel sah Arailean den finsteren Blick, den Lorcan Onora zuwarf, und schauderte.

»Arailean! Hast du noch etwas gesehen?« Onoras Stimme klang so schneidend, dass Arailean zusammenzuckte.

Er suchte nach Worten.

»Warum wolltest du aus dem Tempel fliehen?«

Araileans Herz klopfte, als wolle es zerspringen. »Da … da war ein Pochen … un-unter dem Boden … wie … wie ein Herz … ein großes Herz … Eine Schlacht … der Lärm einer Schlacht …« Er glaubte, wieder in das hasserfüllte Antlitz des Reiters zu sehen. Schweißüberströmt taumelte er rückwärts und prallte gegen Catharnach. Dessen Hand legte sich schwer auf seine Schulter und hielt ihn fest.

»War das alles?«

Unter Catharnachs Griff beruhigte sich Araileans Atem nach und nach. »Ein … ein Reiter … Er hat mich angegriffen … Sein Schwert …«

»Er ist nicht der Einzige, der Derartiges im Tempel gespürt hat«, unterbrach Catharnach ihn.

»Ich weiß.«

Stille kehrte im Raum ein.

Arailean wagte nicht, den Kopf zu heben, aus Angst, er könne Lorcans Blick begegnen.

»Du kannst gehen, Arailean. Catharnach, bring ihn auf sein Zimmer und weise ihn in seine Pflichten ein. Er wird morgen sein neues Leben als Novize beginnen. Es tut mir wirklich leid, dass es unter diesen ungünstigen Bedingungen geschieht. Mach das Beste daraus, Arailean!«

»Ich werde mich darum bemühen, Euch nach bestem Wissen und Gewissen zu ersetzen«, antwortete Catharnach.

Verwirrt suchte Arailean nach Catharnachs Blick. Der klopfte ihm auf die Schulter und wies ihn zur Tür. »Komm, Arailean. Das war’s. Wir können gehen.«

Benommen folgte Arailean ihm hinaus aus dem Saal. Er wollte den Weg zu seinem Zimmer einschlagen, aber Catharnach hielt ihn auf. »Hier entlang. Ich will dir kurz das Gebäude zeigen, damit du weißt, wo du morgen hingehen musst.«

»Morgen?«, echote Arailean.

»Schon vergessen? Du bist jetzt Novize.«

Novize. Arailean konnte es immer noch nicht glauben. Seine Finger streichelten das Buch, das Catharnach ihm gegeben hatte, während er ihm durch das Gebäude folgte.

Catharnach zeigte ihm die Räumlichkeiten, wo vormittags der theoretische Unterricht stattfand, und den Teil des Hofes, wo nach dem Mittagessen das Waffentraining durchgeführt wurde. Er ratterte die Zeiten herunter und erwähnte nebenbei, dass die Mahlzeiten im Saal eingenommen wurden, in dem zurzeit die Verhandlung stattfand. Zuletzt führte er Arailean in die Rüstkammer, um ein passendes Kettenhemd und einen Waffengurt für ihn zu suchen, damit er Eilis’ Schwert ordentlich tragen konnte. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck und dem Kettenhemd im Arm trat Catharnach den Rückweg zum Zimmer an. Arailean trug den Waffengurt.

»Was passiert denn dort drinnen noch?«, fragte Arailean endlich, als sie die Eingangshalle passierten.

»Sie werden sich darüber einigen müssen, in wessen Besitz das Schwert übergeht – falls es wirklich das Heilige Schwert ist. Aber das scheint sich ja schon bestätigt zu haben. Das Heilige Schwert gehört eigentlich der Kirche Gealachs. Es ist mehr als nur ärgerlich, wenn eine solch mächtige Reliquie in die Hände einer anderen Kirche gelangt. Erst recht in einer Situation wie der unseren, wenn der Feind bereits die Grenze überschritten hat und unsere Truppen überrennt.«

»Tut er das?«, fragte Arailean erschrocken.

»Du warst bei der Schlacht dabei. Hättest du nicht die Leibwache ihres Anführers getötet, hätten wir sie verloren. Unsere Truppen streiten sich noch darum, wer das Oberkommando führen soll. Und die Hochländer befinden es nicht einmal für nötig einzugreifen. Dabei war das angeblich nur die Vorhut des Feindes.« Catharnach seufzte.

»Ihr wart deshalb im Hochland unterwegs, nicht wahr?«

»Ja, aber ich war leider wenig erfolgreich. Zumal ich ja auch in der Ausübung meiner Pflicht durch einen Gefangenen behindert wurde.«

Augenblicklich schoss das Blut in Araileans Gesicht. Betreten senkte er den Blick, während er neben Catharnach die Treppe zum linken Flügel erklomm.

»Der Göttin sei Dank!«, setzte Catharnach hinzu. »Denn wäre mir dieser Gefangene nicht in die Finger geraten, wäre er jetzt vielleicht nur noch ein Häufchen Asche. Und wer weiß, dann hätten wir vielleicht die Schlacht verloren und das Heilige Schwert nicht gefunden.« Er versetzte Arailean einen Klaps zwischen die Schulterblätter. »Auch wenn du bisher für mich nur Ärger bedeutet hast.«

Sie hatten den Beginn des Gangs erreicht, an dessen rechter Seite Araileans Zimmer lag. Arailean zögerte und blieb stehen. »Ist es wahr?«, fragte er. »Gibt … gibt es wirklich noch andere, die … die dieses Pochen gehört haben … im Tempel?«

Catharnachs Miene wurde nachdenklich. Arailean glaubte schon, keine Antwort zu erhalten, als Catharnach einen lauten Seufzer tat. »Ja, es gibt welche. Mich. Ich habe es auch gehört. Mehrere Male. Liadain auch, glaube ich, und auch Crevan und ein oder zwei der derzeitigen Novizen. Ob Ihre Hochwürden dazugehört, weiß ich nicht. Aber ich glaube, dass es bei keinem so stark war wie bei dir.«

»Was … was bedeutet es?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, dass Ihre Hochwürden eine Ahnung hat, und ich glaube weiterhin, dass diese Ahnung ihr nicht gefällt. Sie hat unsere Truppen zurück nach Bruachard geführt, als wolle sie seine Besatzung verstärken. Und das, obwohl sie deswegen eine heftige Auseinandersetzung mit dem Tempelvorsteher von Corabaile und dem Lord und Heerführer der Tieflande hatte.«

»Der Lord der Tieflande ist hier?«, fragte Arailean atemlos.

Catharnach lachte. »Nein. Sie hatte eine Unterredung mit ihm nach der Schlacht. Er wollte wohl, dass sie sich mit ihrem Trupp der Verteidigung der Hauptstadt anschließt, aber sie weigerte sich und beharrte darauf, nach Bruachard zurückzukehren. Einer ihrer Gründe warst du. Die anderen kann ich nur erraten.«

»Ich?«

»Ja, du. Du Unschuldslamm. Aber genug geredet. Geh auf dein Zimmer und leg dich schlafen. Dein Tag wird morgen früh genug beginnen. Glaub es mir.« Catharnach versetzte ihm erneut einen Klaps, diesmal auf den Hinterkopf, und trieb ihn den Gang entlang auf die Tür seines Zimmers zu.

Vor der Tür wollte sich Arailean umdrehen, um sich zu verabschieden, als Catharnach ihn am Arm zurückhielt. Erstaunt sah Arailean auf.

Catharnach schien mit sich zu kämpfen. »Ich muss mich bei dir entschuldigen. Wäre ich konsequenter gewesen und hätte es gewagt, mich Lorcan offen entgegenzustellen, wäre dir einiges an Leid erspart geblieben. Es war mein Fehler. Ich hätte intervenieren müssen wegen des Mädchens, und ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er dich in die Finger bekommt. Wirst du mir verzeihen?« Catharnach bot Arailean seine Hand.

Erstaunt sah ihn Arailean an.

»Ich bitte dich«, setzte Catharnach hinzu.

Immer noch zögerlich griff Arailean zu.

Catharnachs Händedruck war warm und fest. Er umfing Araileans Hand mit beiden Händen. »Ich danke dir.«

»Dann … dann seid Ihr mir nicht böse?«, wagte Arailean endlich zu fragen.

»Nein. Ich habe keinen Grund dafür. Außer dass du an Eilis’ Seite warst, als sie starb.« Catharnachs Stimme klang rau. Abrupt ließ er Araileans Hände los. »Wie …« Er räusperte sich. »Würdest du mir erzählen, wie … wie sie gestorben ist?«

»Sie hatten uns eingeholt und umzingelt.« Arailean wunderte sich, dass er so bereitwillig Auskunft gab. Es tat weh, darüber zu reden. Doch es war, als litte Catharnach noch mehr unter seinen Worten als er selbst. »Sie gab mir das Buch und hat mich gesegnet. Wir haben die Satteltaschen getauscht. Ich wollte nicht gehen, ich wollte bei ihr bleiben, aber sie hat mich darum gebeten. Es war ihr letzter Wunsch. Ich habe ihr versprochen, ihre Suche fortzusetzen, falls …« Er musste eine Pause machen, um Luft zu holen. »Sie versprach mir im Gegenzug, alles zu tun, um mich in Bruachard lebend zu treffen.«

Ein seltsamer Ausdruck lag auf Catharnachs Gesicht. »Und?«, fragte er.

»Wir machten einen Ausfall und … und sie hat sie aufgehalten, damit … damit ich fliehen konnte …« Arailean versuchte, die Tränen wegzublinzeln, die in seine Augen stiegen.

Catharnach klopfte ihm auf die Schulter. »Geh«, sagte er. »Du hast mir genug erzählt. Geh jetzt!«

Ein Klopfen an der Tür weckte ihn. Arailean hatte das Gefühl, gerade erst eingeschlafen zu sein. Sein Rücken schmerzte immer noch. Er war steif und zerschlagen und wünschte sich nichts sehnlicher, als den ganzen Tag im Bett zu verbringen. Aber das Klopfen war hartnäckig. Er setzte sich auf. Es war dunkel im Zimmer. »Ja?«, fragte er.

»Ihre Hochwürden will dich sprechen. Sofort.«

Augenblicklich sprang Arailean aus dem Bett. Er bereute es sofort, weil die Muskeln seiner Beine dermaßen verspannt waren, dass er fast auf die Knie gefallen wäre.

»Ei-einen Moment. Ich muss mich anziehen.« Hektisch kramte er nach den Kleidern, vergaß fast das Kettenhemd und gürtete den Waffengurt im ersten Anlauf verkehrt herum.

An der Tür klopfte es erneut. »Heda!«

»Ja, ja, ich bin fertig.« Außer Atem öffnete Arailean die Tür.

Davor stand Cillian. Er wirkte frisch rasiert und wie aus dem Ei gepellt.

Schuldbewusst wurde sich Arailean seiner zerzausten Haare und des schief sitzenden Waffenrocks bewusst.

»Jetzt komm endlich«, sagte der andere ungeduldig. Ohne Arailean noch einen Blick zu gönnen, eilte er voraus.

So schnell es Arailean mit seinen schmerzenden Muskeln möglich war, folgte er dem anderen und versuchte im Laufen, seine Haare zu glätten und den Waffenrock geradezuziehen.

»Geht’s auch schneller«, knurrte Cillian mit einem Blick über die Schulter. »Ich habe keine Lust, wegen dir das Frühstück zu verpassen. Übrigens. Ich bin der Aufseher von diesem Flur. Nur, damit du es weißt, falls es Beschwerden gibt.«

Beschwerden? Arailean wunderte sich. Meinte Cillian, dass sich jemand über ihn beschweren würde oder dass er sich beschweren könnte? Er mühte sich, mit dem Größeren Schritt zu halten. Am Übergang zur Galerietreppe verschätzte er sich und wäre gefallen, wenn er sich nicht im letzten Augenblick an Cillian festgehalten hätte.

Unwirsch entriss Cillian ihm seinen Arm. »Pass doch auf!«

»E-entschuldige. Ich …«

Wortlos sprang Cillian die Treppe hinab.

Arailean folgte ihm langsam und steifbeinig.

Cillian wartete oben auf ihn und zeigte auf eine Tür an der Schmalseite der Eingangshalle. »Dort. Wo das Frühstück eingenommen wird, weißt du ja.« Damit ließ er Arailean stehen.

Arailean versuchte ein letztes Mal, Ordnung in seine Kleider zu bringen, und klopfte an die Tür. Ein »Herein!« ertönte von innen, und Arailean öffnete und schlüpfte hinein.

Ein kleiner, heimeliger Raum erwartete ihn mit einem Kamin, neben dem ein großer, bequemer Lehnstuhl stand. Davor lag ein Hund, der ihn aus einem halb geöffneten Auge musterte. Über dem Kamin hingen zwei Lanzen. Vor dem Fenster stand ein Tisch, an dem Onora saß, über einen Stapel Papier gebeugt. Der Hund vor dem Kamin gähnte und ließ ein halbherziges Knurren hören, als Arailean leise die Tür hinter sich schloss.

»Aus!«, sagte Onora zu dem Hund.

Der streckte sich, drehte sich einmal um sich selbst und rollte sich wieder zusammen. Dabei ließ er Arailean nicht aus den Augen.

Zu Arailean sagte Onora: »Setz dich!« Sie zeigte auf den Lehnstuhl.

Arailean machte einen kleinen Bogen um das Tier und nahm auf der vorderen Kante des Lehnstuhls Platz. Der Hund hob den Kopf, stand auf und setzte sich mit heraushängender Zunge neben ihn. Abwartend sah er ihn an. Arailean streichelte ihm den Kopf. Mit einem leisen Wuff legte der Hund den Kopf daraufhin auf Araileans Oberschenkel und schloss die Augen. Arailean streichelte ihn ausgiebig, wurde sich plötzlich Onoras Anwesenheit wieder bewusst und hob schuldbewusst den Kopf.

Onora beobachtete ihn sichtlich amüsiert. »Mach nur weiter! Aber pass auf deine Finger auf. Er beißt.«

Der Hund winselte leise, da Arailean kurz sein Streicheln unterbrach. Als Arailean fortfuhr, entspannte er sich sofort wieder. Mit Schaudern bemerkte Arailean den Sabberfleck, der sich auf seinem frischen Waffenrock ausbreitete.

»Ich dachte, es würde dich interessieren, was die Verhandlung ergeben hat«, sagte Onora.

»Ja, Euer Hochwürden. Sicher …«

»Ruhig, ruhig.« Onora unterdrückte ein Lachen. »Um es kurz zu machen: Da wir uns nicht auf einen Träger für das Heilige Schwert einigen konnten, wird die Dienerin Seols es vorerst weitertragen. Bis uns Gealach durch eine Vision einen eindeutigen Hinweis zukommen lässt.«

Die Worte versetzten Arailean einen Stich. Onora wusste von all seinen Visionen. Waren sie nicht eindeutig gewesen?

Aber er war ein Geächteter, erinnerte er sich. Er war ein Versager und Feigling. Warum sollten sie ausgerechnet ihm das Schwert geben? Niemals würden sie das tun. Es war Zeit, aufzuwachen. Er sollte sich darüber freuen, Novize zu sein. Das war mehr, als er sich je zu erträumen gewagt hatte, mehr, als ihm eigentlich zustand. Er durfte das nicht vermasseln.

Eine feuchte Hundenase drückte sich in Araileans Handfläche und machte ihn darauf aufmerksam, dass er vergessen hatte, den Hund zu streicheln. Sanft fuhr er fort, wich dadurch Onoras Blick aus, die ihn forschend musterte.

»Gibt es etwas, das ich wissen müsste?«

Arailean schaffte es, den Kloß hinunterzuwürgen, der ihm in der Kehle saß. »Nein.« Er zog die Nase hoch, wischte mit dem Ärmel darüber und begriff im gleichen Moment, wie ungehobelt er sich benahm. Mit Hitze im Gesicht senkte er den Blick.

»Bist du dir sicher? Irgendein Detail vielleicht, das du vergessen hattest zu erwähnen?«

Arailean hielt mit dem Streicheln inne. Langsam hob er den Kopf. »Der Reiter … im Tempel. Er hat mich getötet. Ich meine … er …« Arailean räusperte sich.

Onora wartete geduldig.

»Das … das Schwert, das er hatte. Es war schwarz.« Das Schwarze Schwert liegt zu Füßen der Kriegerin. Askuwheteaus Worte. Eins und eins fügten sich zusammen. Arailean stockte der Atem. Mit offenem Mund starrte er Onora an.

Onoras Miene wurde finster. »Göttin, ich hatte es befürchtet.«

»Was … was ist unter dem Tempel?«

»Was immer es auch ist, es liegt gut an diesem Platz. Wir sind hier, um es zu schützen. Was auch geschehen mag. Hast du mich verstanden?«

Arailean nickte, viel zu benommen über die Tragweite dessen, was er eben erfahren hatte, um zu protestieren. Jetzt wusste er, was die Inschrift über dem Tempeleingang zu bedeuten hatte. »Silber und Schwärze, Nacht und Licht, ein Paar von Angesicht zu Angesicht, verbunden im Herze.« Die beiden Schwerter waren damit gemeint.

»Und kein Wort darüber zu irgendjemandem, ist das klar?« Onora stand auf und kam um den Tisch auf ihn zu.

Der Hund trollte sich bei ihrem Näherkommen und legte sich wieder vor den Kamin.

Arailean sah zu ihr auf. Wieder nickte er. »Ja, Euer Hochwürden.«

»Du kannst gehen.« Onora wies zur Tür.

Arailean stand auf und versuchte vergeblich, den Waffenrock zu richten. Der Sabberfleck ließ sich schwer verbergen. Immer noch mit Hitze im Gesicht eilte er zur Tür, stolperte dabei über das Fell, auf dem der Hund lag, der leise knurrend den Kopf hob.

»Aus!«, befahl Onora.

An der Tür drehte sich Arailean zu ihr um. »Ver-verzeiht, aber bitte, könnt Ihr mir sagen, was nun geschehen wird? Catharnach hat mir gesagt, dass der Feind seine Truppen nach Corabaile, der Hauptstadt, schickt. Was passiert nun mit dem anderen Schwert? Müsste … müsste es nicht jemand nehmen, um …« Arailean verstummte. Wollte er da gerade die Tempelvorsteherin von Bruachard auf einen taktischen Fehler hinweisen?

Onora biss sich auf die Lippen. »So, hat Catharnach das gesagt?«

Göttin! Würde Catharnach jetzt Ärger bekommen? Entsetzt starrte Arailean Onora an. »Ich …« Er wünschte sich, den Mund gehalten zu haben. »O bitte, bestraft ihn nicht! Es … es war meine Schuld. Ich …«

Onora schüttelte den Kopf und seufzte. »Hör auf, dich zu entschuldigen. Nimm das als erste Lektion von mir. Lektion Nummer zwei: Sprich bitte in ganzen Sätzen und hör auf zu stottern. Nun zu deiner Frage: Wir haben Späher ausgeschickt, um den Aufenthaltsort ihres Anführers auszukundschaften. Dank dir wissen wir ja, wen wir zu suchen haben. Sobald wir ihn kennen, werde ich mich mit der Trägerin des Heiligen Schwerts dorthin begeben, um ihn zu töten. Genügt das als Antwort?«

Arailean starrte sie an. Mit Verzögerung begriff er, dass Onora ihm streng geheime Informationen anvertraut hatte. »Danke. Ich meine …« Er erinnerte sich an Onoras Ermahnungen und verstummte.

»Schon gut. Dir ist klar, dass das niemand erfahren darf? Die Mission ist äußerst heikel.«

»Ich verstehe.« Arailean straffte sich.

Onora nickte Richtung Tür. »Du kannst gehen. Eil dich, sonst bekommst du kein Frühstück mehr.«

Doch Arailean blieb vor der Tür stehen. Seine Finger klammerten sich um den Türknauf. »Herrin, Euer Hochwürden. Bitte. Ich … ich habe nur einen Wunsch. Darf ich Euch begleiten. Ich bitte Euch! Ich … ich bin es ihr schuldig. Ich habe es ihr versprochen. Ich …« Er wusste nicht weiter, begriff nur, dass er all seine Argumente durcheinanderbrachte.

Onora drehte sich zu ihm um. Ihre Züge wurden weich, als sie auf ihn zutrat und ihn an den Schultern fasste. »Arailean, du hast mehr getan, als du tun musstest. Du stehst nicht mehr in Eilis’ Schuld. Du hast das Buch hierhergebracht, und ich habe es nach Corabaile in den Haupttempel geschickt, damit es in Sicherheit ist. Die Göttin hat dir gezeigt, wo die beiden Schwerter sind, und du hast es mir weitergegeben. Der Rest ist meine Aufgabe und die der anderen Diener Gealachs. Vielleicht sogar die der Dienerin Seols. Du bist nun Novize. Du hast andere Pflichten und Aufgaben. Verstehst du das? Ich kann und darf dich da nicht mit hineinziehen.«

Obwohl er es absolut nicht verstand, nickte er. »Aber … aber die andere Frau, die in Schwarz, sie sagte …«

»Die Dienerin Deoirs sagte, dass Gealach uns den Träger des Schwertes zeigen wird. Und ich bin mir sicher, dass sie das tun wird.« Onoras Griff um Araileans Schultern wurde eine Spur fester.