Legenden 9 - Dana Müller - E-Book
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Dana Müller

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Beschreibung

Manche Orte bleiben besser unentdeckt!   Vor den Toren Berlins lag einst mitten im Wald die Stadt Blumenthal. An bestimmten Tagen kann man Stimmen der ehemaligen Bewohner hören oder einen gelben Koffer auf dem See entdecken.   Ein Anhalter, den Mina und ihr Bruder mitnehmen, erzählt ihnen von diesem geheimnisumwobenen Ort. Sie begeben sich auf die Suche nach der Stelle, an der sich die Stadt der Legende nach befunden haben soll. Als das Auto spurlos verschwindet und die Nacht hereinbricht, geraten sie immer tiefer in den dunklen Wald und merken schnell, dass sie nicht allein sind.   Weitere Teile: 1. Das Fahrstuhlritual 2. Die verfluchte Puppe 3. Wachul, der Alte 4. Der Werwolf 5. Das Bloody Mary Ritual 6. Corner Game 7. Brieselanger Lichter 8. Voodoo 9. Die verschwundene Stadt 10. Stranger 11. Das 11-Meilen-Ritual 12. Das Zwillingsspiel 13. Das japanische Neujahrsritual 14. Das Türenspiel 15. Spaltgeister 16. Chupacabra 17. Die drei Könige  

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Dana Müller

Legenden 9

Die verschwundene Stadt

WARNUNG! Die Legenden basieren meist auf mündlichen Überlieferungen. Es ist nicht ratsam, die darin enthaltenen Rituale nachzuahmen. Es könnten Türen geöffnet werden, die besser verschlossen blieben!BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Legenden 9

 

 

Die verschwundene Stadt 

 

 von

Dana Müller

 

 

 

 

 

WARNUNG!

Nicht zur Nachahmung!Die Legenden basieren meist auf mündlichen Überlieferungen.Es ist nicht ratsam, die darin enthaltenen Rituale nachzumachen.Es könnten Türen geöffnet werden, die lieber verschlossen bleiben sollten.

Der Anhalter

Julian trat derart aufs Gas, dass die Bäume nur so an ihnen vorbeizischten und sich wie eine Mauer darboten. Die Schwerkraft drückte Mina in den Sitz. Ihr Herz rutschte in die Hose. Bilder überschlugen sich in ihrem Kopf. Sie sah den Wagen schon im Graben landen. Was dachte er sich nur dabei? Mit beiden Händen hielt er das Steuer fest und starrte geradeaus. Ob er sich konzentrierte, war nicht zu erkennen, denn Julian wirkte ganz abwesend. Er sah aus, als wäre er irgendwo in den Tiefen seiner Gedanken versunken, was es schlimmer machte.

Mina musste etwas unternehmen, wollte sie nicht im Krankenhaus landen, was das geringste aller Übel war, die sich in ihrem Kopf manifestierten. Sie konnte ihrem Bruder nicht ins Lenkrad greifen, was sie am liebsten getan hätte. Aber sie konnte versuchen, ihn aus seiner Blase zu holen, in der er sich offenbar ziemlich sicher fühlte. »Willst du uns etwa umbringen?«, schrie sie. Das hatte zumindest ein Zucken in seinem Gesicht verursacht.

»Geh mal vom Gas«, rief Farid vom Rücksitz.

»Was macht ihr euch denn immer gleich ins Hemd?« Julian schien sich der Gefahr gar nicht bewusst. Er badete in seinem Übermut und riskierte die Leben aller, die in seinem Wagen saßen.

»Du bist immerhin nicht allein auf der Welt«, schmetterte sie ihm entgegen. »Vielleicht könntest du auch mal an andere denken!«

Ein PKW kam ihnen entgegen. Der Fahrer betätigte die Lichthupe. Die Scheinwerfer blendeten Mina und sie riss die Hand vor die Augen, während sie sich intuitiv abwendete.

Die Aktion des Fahrers zeigte Wirkung, denn Julian reagierte endlich. Die Zahlen auf dem Tacho sanken langsam ab. »Was soll das denn heißen? Ich denke doch an andere. Sonst hätte ich euch nicht mitgenommen.«

Farid neigte sich von seinem Rücksitz nach vorne und sagte leise: »Ich glaube, sie meint das Ding mit der Rücksichtnahme.«

Ein leises Raunen kam vom Fahrersitz. Er zuckte mit den Schultern und fuhr immer langsamer, bis er im Schritttempo auf der Landstraße dahin tuckerte.

»Ich habe nicht gemeint, dass du schleichen sollst. Ist es denn so schwer, sich der Geschwindigkeit der anderen anzupassen?«

Von seinem Verhalten fühlte sich Mina provoziert, was oft dazu führte, dass ihr der Kragen platzte. Sie bereute ihren Ausbruch sofort, denn wie sie seinen besten Freund kannte, würde ein heimlich aufgenommenes Video davon schnell im Netz landen und mit großer Sicherheit viral gehen. Vermeidung hieß das Zauberwort.

In solchen Momenten war es einfach unmöglich, normale Konversation mit ihm zu führen. Das stellte er hier mal wieder unter Beweis. Statt auf Mina einzugehen, fokussierte er etwas auf der Landstraße und sagte: »Seht ihr das?«

Farid legte die Hände auf die Lehnen der beiden Vordersitze und zog sich ein Stück nach vorne. »Läuft da einer?«

Obwohl sie es nicht wollte, siegte die Neugier und Mina folgte den Blicken der Jungs. Tatsächlich ging mitten auf der Landstraße ein alter Mann spazieren. Sein schlendernder Gang wich einem schnellen Gehen, als er Julians sich langsam nähernden Wagen entdeckte. Seine Schritte wurden größer und schließlich begann er zu rennen.

In Mina regte sich ein mahnendes Gefühl. Es war nur ein alter Mann, aber die Art, wie er auf sie zuhielt, empfand sie als bedrohlich. Als hätte er etwas vor, das ihnen nicht gefallen würde. Er hatte fast die Motorhaube erreicht, da schnellte sein Arm in die Höhe. Der abgespreizte Daumen verriet zumindest, warum er es so eilig hatte.

Mina dachte gar nicht daran, einen Fremden mitzunehmen, dennoch stahl sich die Erkenntnis über ihre Lippen. »Der sucht eine Mitfahrgelegenheit.«

»Will ja nichts sagen, aber das wäre der passende Moment, deine Aussage zu untermauern«, sagte Farid und kassierte einen rügenden Blick über den Rückspiegel. Er schnalzte mit der Zunge. »Was denn? Der Typ braucht offenbar Hilfe. Wenn du wirklich an andere denkst, wie du behauptet hast, könntest du ihn mitnehmen.«

Entgegen Minas Erwartung trat Julian auf die Bremse.

Ein mulmiges Gefühl beschlich Mina. Etwas in ihrem Inneren schrie, dass sie einfach weiterfahren sollten, aber Julian dachte offenbar gar nicht daran. Er überlegte, knetete das Lenkrad und machte ein ernstes Gesicht. Was hatte er vor? Wollte er dem Alten Hoffnung machen, nur um sie ihm dann zu rauben, indem er am Ende scharf anfuhr und ihn stehenließ?

Das dauerte zu lange. Der Mann blieb stehen und warf einen prüfenden Blick durch die Frontscheibe. »Auch, wenn ich das nicht gerne sage, aber wir sollten den Kerl nicht mitnehmen«, äußerte sie ihre Bedenken.

Doch Julian war davon nicht abzuhalten, auf Farids Vorschlag einzugehen. Er warf ihm einen Spiegelblick zu, der Mina besorgte. In seinem Blick lag so viel Entschlossenheit, dass es ihr eiskalt den Rücken herunterlief. Julian war ein echter Angeber und das hatte ihm schon manchen Ärger eingebracht. Sie war sich sicher, dass er etwas ausheckte, das konnte sie sehen, regelrecht riechen.

Der Alte stand da und grinste auf eine unheimliche Art. Das reichte, er hatte den Moment genügend ausgereizt, fand sie. »Julian, fahr weiter«, rief sie.

Er wandte sich ihr zu und schürzte die Lippen. »Was denn jetzt? Erst soll ich, dann soll ich wieder nicht. Kannst du dich mal entscheiden?«

»Was …«, setzte sie an und hielt inne, denn der Gedanke, hinter der Fassade dieses Mannes könnte sich ein Mörder verbergen, erschreckte sie zu sehr, als dass sie ihn aussprechen konnte. »Wir kennen ihn nicht«, sagte sie stattdessen. »Außerdem hat Mama dir verboten, Fremde mitzunehmen.«

»Mama ist nicht hier und der Kerl sieht doch ganz harmlos aus«, erwiderte er und öffnete seine Tür. Er stieg nur zur Hälfte aus, mit einem Bein im Auto, mit dem anderen auf dem Asphalt rief er ihm zu: »Können wir Sie mitnehmen?«

Der Alte nickte froh gestimmt. Er schob die Hände in die Tasche seines schäbigen Trenchcoats. »Danke. Sie sind der erste Fahrer, der heute für mich anhält.«

»Wir wollen nach Berlin«, posaunte er hinaus. »Liegt das auf Ihrer Strecke?«

Selten hatte sie ihren Bruder derart hilfsbereit erlebt. Sicher machte er das nur, um sie zu ärgern. Immerhin hatte sie sich dagegen ausgesprochen.

»Aber ja. So weit will ich gar nicht«, erwiderte der Mann.

»Na los, hüpfen Sie hinten rein.«

»Ich halte das für die schlechteste Idee, die du jemals hattest«, flüsterte sie, aber Julian zuckte nur mit den Schultern und ignorierte ihre Bedenken. Mina schluckte und nahm sich vor, die Fahrt über nichts mehr zu sagen.

Mit dem Mann kam ein erdrückender Geruch in den Wagen. Er machte es sich neben Farid bequem und öffnete den obersten Knopf seines braun karierten Hemdes. Obwohl Julian sonst sehr eigen war, was das Auto betraf, beschwerte er sich nicht. Mina versuchte anhand seiner Gesichtszüge zu ergründen, ob er die Gelassenheit nur vortäuschte, stellte aber fest, dass er keine Miene verzog.

»Ist ihr Wagen stehen geblieben?«, fragte er den Mann und konzentrierte sich aufs Fahren.

»So kann man es auch sagen. Stehen geblieben. Manchmal bleiben Dinge einfach stehen. Nur Zeit nicht. Zeit lässt sich nicht festhalten. Sie schreitet voran, und ehe man sich versieht, ist ein Jahrhundert um.«

»Wie weit wollen sie mitfahren?«, fragte Farid, ohne auf seine seltsame Aussage einzugehen.

»Ich sage dann, wenn ihr mich rauslassen könnt«, erwiderte er.

Eine Weile erdrückte tiefes Schweigen die Gemüter. Nur das Surren des Motors war zu hören. Es fraß sich in Minas Kopf und hinterließ ein unangenehmes Dröhnen. Sie hielt es fast nicht aus. Zum Glück begann der Alte plötzlich, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Sie hörte kaum zu. Hin und wieder fing sie einige Fetzen auf. Doch dann wurde sie hellhörig.

»Die Stadt ist vom irdischen Boden verschwunden. Doch wer auf dem alten Marktplatz von Blumenthal steht und genau hinhört, kann Stimmen und das Treiben der damaligen Zeit vernehmen. Das ist schon ein sonderbares Ding, was mit der Stadt geschah. Morgen kann man sie wieder hören und manchmal auch sehen.«

An Übernatürliches zu glauben lag für Mina gleichauf mit dem Glauben an Zauberei. Trotzdem kitzelte er mit seiner Erzählung ihre Neugier. »Was geschah denn damit?«

Er neigte sich nach vorne und legte seine Hand auf Minas Lehne. Der Geruch war kaum auszuhalten. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen, also atmete sie flacher.

»Blumenthal wurde von einem schrecklichen Fluch heimgesucht und verschwand letzten Endes im Nebel und in Vergessenheit.« Seine Stimme trug etwas Geheimnisvolles in sich. »Doch an manchen nebeligen Tagen taucht das Städtchen für einen Augenblick aus dem Dunst auf, als wolle es wieder Teil der hiesigen Welt sein«, fuhr er fort und lehnte sich zurück. »Nicht viele wagen es, den Ort zu betreten. Wer aber ein echtes Abenteuer sucht, für den ist der Ort ein echtes Juwel. Ihr seht aus wie Abenteurer.«

Minas Gedanken zeichneten ein klares Bild von der Stadt. Dass ganze Familien einfach ausgerottet wurden, erschreckte sie. »Das ist ja furchtbar«, floh es über ihre Lippen, ehe sie die Worte daran hindern konnte. Sie malte sich aus, wie es wohl gewesen sein musste, rief sich aber schließlich ins Gedächtnis, dass das nur die Erzählung eines alten, verwirrten Mannes war. Dass eine Stadt einfach so verschwindet, hielt sie für physikalisch unmöglich. Wahrscheinlich, so dachte sie, hat er von Atlantis gehört und seine eigene Geschichte dazu erdacht.

Mitten in ihren Überlegungen schrie der Alte: »Stop!«, als wäre die Hölle ausgebrochen.

Julian bremste so hart, dass die Köpfe aller Insassen nach vorne schnellten. Adrenalin jagte durch Minas Körper, Schreie hallten durch den Wagen, der sich auf der feuchten Fahrbahn mit quietschenden Reifen drehte und quer auf dem Asphalt zum Stehen kam. So schnell wie Panik ausgebrochen war, setzte unheimliche Stille ein. Schockiert sahen sie sich an. Der Mann hingegen fummelte in aller Seelenruhe mit einem Schmunzeln auf den Lippen an der Tür herum. »Hier will ich bitte aussteigen«, sagte er mit ruhiger Stimme.

»Scheiße! Mann, bist du nicht mehr ganz dicht?«, fauchte Julian, dem sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war. »Ich dachte, ich überfahre gerade jemanden!«

Der Alte aber reagierte gar nicht auf ihn. Seelenruhig öffnete er die Tür und stieg aus. Mina war erstarrt. Keinen klaren Gedanken konnte sie fassen.

»Ja, verpiss dich, du alter Sack«, brüllte ihm Julian hinterher, als er die Wagentür zuschlug.

Sie zuckte zusammen. Julian warf einen prüfenden Blick nach hinten und wandte sich an Mina. »Alles in Ordnung?«

Sie bekam kein Wort heraus, nickte nur.

Farid hingegen hatte seine Sprache wiedererlangt. »Ja, alles noch dran«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Was hatte der denn für ein Problem?«

Mina sah dem Alten hinterher. Er überquerte die Straße und verschwand zwischen den Bäumen im Wald. »Ich hab doch gleich gesagt, dass das keine gute Idee war«, flüsterte sie.

»Tja, da ist man hilfsbereit und dann so was«, entgegnete Julian und fuhr los. »Ich weiß schon, warum ich das nicht oft mache.«