Legenden des Krieges: Das Band des Blutes - David Gilman - E-Book

Legenden des Krieges: Das Band des Blutes E-Book

David Gilman

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Beschreibung

Lange erwartet, endlich da! Der achte Band der Bestsellerserie «Legenden des Krieges» um den Schwertkämpfer und Kriegsherrn Thomas Blackstone.  Bordeaux, 1367. Sir Thomas Blackstone ist Steinmetz, Bogenschütze, Schwertkämpfer, Kriegsherr des englischen Königs. Und erneut wird er vom englischen Kronprinzen gebraucht, um die Welle der Unterstützung für den König von Frankreich zurückzudrängen. Ein lästiges Werkzeug: Don Pedro, als Verbündeter für England unverzichtbar. Blackstone soll ihn zurück auf den Thron von Kastilien bringen – und ist seiner Mission für diesen grausamen Herrscher zutiefst überdrüssig. Unterdessen zieht Blackstones Sohn Henry inkognito durch Frankreich. Er will sich beweisen und die Anerkennung seines Vaters gewinnen. Für die Franzosen ist es die perfekte Gelegenheit, den Kriegsherrn der englischen Krone endlich in die Mangel zu nehmen. Henry gerät in höchste Gefahr! Kann Blackstone seinen Sohn vor dem sicheren Tod retten? Schonungslos! «Wer sich für den Hundertjährigen Krieg interessiert, der kommt an ‹Legenden des Krieges› nicht vorbei.» histo-couch. Für die Leser:innen actiongeladener historischer Romane und «war novels», für alle Fans von Bernard Cornwell und Simon Scarrow.

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Seitenzahl: 642

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David Gilman

Legenden des Krieges: Das Band des Blutes

 

 

Aus dem Englischen von Anja Schünemann

 

Über dieses Buch

«Ich kann kämpfen!», erklärte Henry und beging den Fehler, Gifford beiseitestoßen zu wollen.

Der Waffenknecht wehrte seinen Arm ab und schlug ihm ins Gesicht, dass Henrys Lippe aufplatzte und er rücklings gegen eine Mauer taumelte. Instinktiv griff er nach seinem Messer, aber Gifford versetzte ihm einen so heftigen Faustschlag gegen die Schulter, dass Henrys Arm ganz taub wurde. Henry verzog das Gesicht vor Schmerz, da ließ Gifford einen Kopfstoß folgen, der ihn niederstreckte. Benommen wälzte Henry sich auf die Seite. Er war schlagartig nüchtern.

«Du besitzt einiges Geschick, Master Henry, und ich habe dich schon früher bei Wirtshausschlägereien gesehen, aber du bist kein Straßenkämpfer. Und du hast auch nicht den Instinkt, dich auf einem Schlachtfeld dem Wahnsinn hinzugeben, den es braucht, um sich dem Feind im Nahkampf entgegenzustellen. Darum bist du hier zum Studium und nicht an der Seite deines Vaters.»

Henry spuckte Blut aus. «Heilige Muttergottes, du redest wie er. Dabei wollte ich nie etwas anderes, als an seiner Seite zu sein.»

Vita

David Gilman, aufgewachsen in Liverpool, lebt heute in Devonshire. Schon als 16-Jähriger kutschierte er in einem zerbeulten Ford Bauarbeiter durch die afrikanische Steppe. Verschiedenste Jobs überall auf der Welt folgten: als Feuerwehrmann, Waldarbeiter und Werbefotograf, als Marketingmanager eines Verlags und Fallschirmjäger in der British Army. Seit 1986 widmet er sich vollständig dem Schreiben. Er ist erfolgreicher Radio- und Drehbuchautor, seine Kinder- und Jugendromane wurden in 15 Länder verkauft. In deutschsprachigen Raum wurde er mit seiner historischen Romanserie «Legenden des Krieges» um den Schwertkämpfer Thomas Blackstone zur Zeit des Hundertjährigen Krieges zum Bestsellerautor.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, April 2024

Copyright © 2024 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

«Master of War: To Kill a King» Copyright © 2024 by David Gilman

Redaktion Tobias Schumacher-Hernández

Karten Peter Palm, Berlin

Covergestaltung Hafen Werbeagentur, Hamburg

Coverabbildung Stephen Mulcahey/Trevillion Images; HERMANN HISTORICA GmbH/INTERFOTO/akg-images; Shutterstock

ISBN 978-3-644-02006-1

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

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www.rowohlt.de

Meiner Frau Suzy in Liebe

Personen

*Sir Thomas Blackstone

Thomas Blackstones Männer

*Sir Gilbert Killbere

*Meulon: normannischer Hauptmann

*John Jacob: Blackstones Knappe und Hauptmann

*Renfred: deutscher Waffenknecht und Hauptmann

*Will Longdon: altgedienter Bogenschütze und Centenar

*Jack Halfpenny: Bogenschütze und Ventenar

*William Ashford: Waffenknecht und Hauptmann

*Aicart: Gascogner Hauptmann

*Rosslyn: Renfreds Kundschafter

*Dene: Renfreds Kundschafter

*Bartholomew: Renfreds Kundschafter

*Tricart: Renfreds Kundschafter

*Walter Root: Bogenschütze

*Roger Fairfoot: Bogenschütze

*Bullard: Waffenknecht

 

*Henry Blackstone

Henry Blackstones Männer

*Hugh Gifford: Waffenknecht und Henrys Beschützer

*Walter Mallin: Söldner

*Raymond Vachon: französischer Söldner

*Arnald Bezián: Gascogner Söldner

*Eckehart Brun: deutscher Söldner

*John Terrel: Söldner

*Alfred Vaisey: Söldner

Bretonische Waffenknechte und andere

Bertrand du Guesclin: Kommandeur

*Jean de Soissons, la Griffe/die Klaue: Söldner

*Pellan: Söldner

*Le Bourc: Hauptmann von Josselin

*Yagu: Fischer

Gascogner Waffenknechte, Söldner und Edelleute

*Galhard de Prato: Kommandeur des Château de Langoiran

Garciot du Châtel: Söldnerführer

Bertucat d’Albret: Söldnerführer

Jean de Grailly: Captal de Buch

Das englische Königshaus

Edward of Woodstock: Prince of Wales und Herzog von Aquitanien

John of Gaunt: Duke of Lancaster

Englische Amtsträger, Verbündete, Söldner, Waffenknechte und andere

Sir John Chandos: Connétable von Aquitanien

Sir Nigel Loring: Kammerherr des Prinzen

Steven Cusington: Marschall der Armee

Guichard d’Angle: Marschall der Armee

John, Graf von Armagnac

Jakob IV.: exilierter König von Mallorca

Eustache d’Aubricourt: Hennegauer Söldner

Sir Hugh Calveley: Söldnerführer

Sir William Felton: Ritter

*Flemyng: Waffenknecht

William Durant: Vorsteher des Merton College, Oxford

*Clara: Durants Nichte

*Robert Helyer: Söldner

Das französische Königshaus

König Karl V. von Frankreich

Französische Amtsträger, Edelleute, Söldner, Waffenknechte und andere

Simon Bucy: Berater des französischen Königs

Arnoul d’Audrehem: Marschall von Frankreich

Gaston Phoebus: Graf de Foix

*Alphonse: Verwalter des Grafen de Foix

*Garnier: Söldner

Hélie «Petit» Meschin: Söldner

*Bernard de Lagny: Waffenknecht

*Hugo Muset: Waffenknecht

*Nicholas de Mitry: Waffenknecht

*Gautier de Fleur: Ritter

*Louis de Roche: Ritter

*Père Éraste: Priester

Das spanische Königshaus

Pedro I.: König von Kastilien und León

Heinrich von Trastámara: Don Pedros Halbbruder und Prätendent auf seinen Thron

Karl II.: König von Navarra

Spanische Amtsträger, Edelleute und andere

*König Pedros Truchsess

*Sancha Ferrandes von Kastilien

*Don Fernando Ferrandes von Kastilien

Martín Henríquez de Lacarra: Navarreser Ritter

Graf von Osona: aragonischer Verbündeter von König Pedro

*Äbtissin des Klosters von Santo Domingo de Estella, Navarra

*Abraam Abroz: Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Estella

Fiktive Figuren sind mit *gekennzeichnet.

Ignis aurum probat, miseria fortes viros.

 

Im Feuer erweist sich das Gold als echt, im Unglück der tapfere Mann.

 

Seneca

Prolog

Cathédrale Saint-André

Bordeaux

1367

Seit siebzehn Jahren war König Pedros Truchsess ein stummer Zeuge der Verderbtheit und Gewalttätigkeit des Herrschers von Kastilien und León. Und er lebte in Angst, seit Thomas Blackstone aus Galizien zurückgekehrt war, wo er Velasquita Alcón de Lugo getötet hatte. Die Frau hatte hoch in der Gunst des Königs gestanden, und für den Truchsessen bestand kein Zweifel daran, dass sie mit dem Teufel im Bunde war. Auf Don Pedros Geheiß hatte sie seine junge Königin ermordet, wobei sie sich ihrer Fähigkeiten als Giftmischerin bediente, sodass es aussah, als habe die Frau sich selbst das Leben genommen. Und sie machte gemeinsame Sache mit Ronec le Bête, der Bestie, die Blackstones Gascogner Hauptmann Beyard und den jugendlichen Zeugen für den Mord an der jungen Königin niedergemetzelt hatte.

Blackstone hatte die Giftmischerin und die Bestie, die ihr diente, getötet.

Wie hatte der narbengesichtige englische Ritter das fertiggebracht? Es hätte eigentlich gar nicht möglich sein dürfen. Keiner hatte je Velasquitas Gift überlebt. Keiner. Und doch … und doch hatte Blackstone ebendas getan. War Gott an seiner Seite gewesen? Oder hatte der Teufel gar einen noch mächtigeren Verbündeten als die Frau gefunden? Der Truchsess erinnerte sich daran, welches Grauen die Giftmischerin ihm eingeflößt hatte, als sie ihn aufforderte, zwischen Gott und dem Teufel zu wählen – wen fürchtete er am meisten? Und er hatte ihr gestanden, dass er den Teufel mehr fürchtete, und eingewilligt, Blackstone zu vergiften. Hätte er sich geweigert, dann hätte Luzifer ihm die Seele aus dem Leib gerissen. So war er an einem Mord beteiligt und hatte anschließend noch mehr Schuld auf seine Seele geladen, indem er Blackstones Wein vergiftete, bevor der Engländer sich auf die Suche nach der Mörderin machte. Wer zürnte am meisten über die Taten des Truchsessen? Gott oder der Teufel? Wäre doch nur nicht diese Ungewissheit darüber gewesen, welche Macht darauf wartete, ihn zu strafen. Jeden Tag stahl sich der vertraute Diener des kastilischen Königs in den frühen Morgenstunden aus den königlichen Gemächern im Palast des Erzbischofs gleich nördlich der Cathédrale Saint-André, um in dem Gotteshaus auf Knien Buße zu tun.

Blackstone war vor Monaten nach Bordeaux zurückgekehrt und hatte dem Prince of Wales alles berichtet, was er über die Morde wusste und was er im Namen der Gerechtigkeit getan hatte. Pedro hatte schwere Vorwürfe gegen den Kriegsherrn erhoben und gefordert, Blackstone müsse dafür bestraft werden, dass er willkürlich eine Angehörige seines Hofes getötet hatte. Es gebe keine Beweise dafür, dass Velasquita eine Hexe sei. Blackstone habe sie aus purer Rachlust umgebracht, hatte Pedro behauptet. Und schlimmer noch, Blackstone hatte dem kastilischen Herrscher gedroht. Einen König von Gottes Gnaden verächtlich behandelt und beleidigt. Einen König, zu dessen Rettung der Prince of Wales den Kriegsherrn entsandt hatte.

Und Blackstone hatte es nicht einmal abgestritten.

Um den spanischen König zu befrieden, wurde Blackstone vom Hof verbannt und in Haft genommen. Gemeine Männer blieben nicht ungestraft, wenn sie Könige beleidigten. Damit war er wenigstens aus der Stadt, eingesperrt auf einer Burg, von seinen Männern getrennt und Tag und Nacht unter Bewachung.

Der Truchsess rief sich noch einmal die Konfrontation zwischen dem Prinzen, dem König und dem Kriegsherrn in Erinnerung. Er stieß die Luft aus, um die Spannung in seiner Brust zu lindern. Sein Atem bildete in der Kälte Dampfwolken. Seine Knie schmerzten, da er schon so lange in dieser Position verharrte. Im flackernden Kerzenschein der Kathedrale fühlte er sich von einer Zwischenwelt aus Dunkelheit und Licht umfangen. In den Schatten schwebten die monotonen Gesänge des Priesters als bloßes Flüstern hoch im Deckengewölbe über dem gesenkten Kopf des Truchsessen. Seine gefalteten Hände waren so ineinander verkrampft, dass die Knöchel weiß wurden. Im Geiste schalt er sich selbst. Galt seine Angst Blackstone oder dem Herrn Jesus? Gewiss Letzteres: Er fürchtete die Verdammnis des Allmächtigen, nicht Gewalt durch den Engländer. Schließlich war er sicher. Er war geschützt. Blackstone würde es niemals wagen, ihm etwas anzutun. Der Prince of Wales hatte es so verfügt. Blackstones Name war seit Monaten nicht gefallen. Er war wie ein Geist am Hof des Prinzen. Der englische König hatte befohlen, der Prinz müsse Pedro zurück nach Kastilien geleiten, ihm zu seinem Recht verhelfen. Eine Armee wurde bereit gemacht. Man durfte nicht zulassen, dass die Franzosen einen wichtigen Verbündeten an der südlichen Flanke Aquitaniens jenseits der Pyrenäen vom Thron stießen. Und Pedro, so grausam und gewalttätig er auch sein mochte, war dieser Verbündete. Es war keine Rede von Thomas Blackstone gewesen, als sein Herr mit dem Prince of Wales Pläne erörtert hatte. Niemand hatte irgendwelche Zweifel an dem Vorhaben geäußert, ohne den berühmten Ritter in den Krieg zu ziehen. Nach allem, was der Truchsess wusste, würde Thomas Blackstone die Gunst des englischen Prinzen niemals wiedererlangen, nie mehr an seinem Hof willkommen sein.

Als sein gequälter Geist so durch das Fegefeuer des Zweifels irrte, wurde ihm ein kleines Wunder zuteil: Auf einmal durchströmte eine gottgesandte Wärme seine schmerzenden Knochen. Die Grabeskälte der Kathedrale hatte seine alten Muskeln steif werden lassen, doch nun fühlte er sich von tröstlicher Vergebung umfangen. Eine Träne der Dankbarkeit rann über seine Wange. Der Herr hatte seine Buße angenommen.

Er hüllte sich in seinen Mantel. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie erneut die Pyrenäen überquerten und heimkehrten. Bald würde alles gut werden.

 

Der Truchsess hastete durch die Kreuzgänge in die gepflasterte Gasse, die ihn zurück zum Gesindeeingang des Palastes führen würde. Sein Überlebensinstinkt hatte ihn in den vergangenen Monaten dazu getrieben, große öffentliche Straßen zu meiden, und so hatte er sich andere Wege zum Seiteneingang der Kathedrale gesucht. In einiger Entfernung brannte eine einzelne Laterne. Er hielt sich im Schutz der Dunkelheit, den Schein der Lampe fest im Blick. Wie ein Leuchtfeuer wies sie ihm den Weg zurück zu seinem warmen Bett, in dem er die wenigen Stunden bis zur Morgendämmerung zubringen würde, bis sein Herr zum morgendlichen Gebet geweckt wurde.

Dann hielt er plötzlich inne, drehte sich um und spähte in die Dunkelheit. Er hatte eine Bewegung gehört. Er wartete mit angehaltenem Atem. Jenseits der Kreuzgänge regten sich Schatten. Seine Anspannung ließ nach. Es war nur eine kleine Gruppe Gläubiger, die aus dem Haupteingang der Kathedrale kam, lautlos bis auf das Scharren lederner Schuhsohlen auf dem Pflaster. Er schalt sich nicht für seine übertriebene Vorsicht – es war besser, auf der Hut zu sein. Ein Diener erwartete ihn mit der Laterne in der Hand. Der Truchsess schickte sich an, den Hof zu überqueren, da hob der Mann, dessen Gesicht unter einer Kapuze verborgen war, die Laterne über seine Schulter, um dem Truchsessen des Königs den Weg zu weisen.

«Alles in Ordnung?», rief der Truchsess.

«Ja, Herr. Die Nachtwache ist vorbeigekommen. Sonst ist zu dieser Stunde niemand auf den Beinen. Nur die Gerechten.»

Der Truchsess nickte. Er bedeutete dem Mann voranzugehen und folgte ihm auf dem Fuße. Sie bogen um eine Ecke. Aus einem hohen Fenster in der Mauer aus grob behauenem Stein fiel ein schmaler Lichtstreifen in die Gasse. Gewiss von einer Öllampe, entzündet von einem Diener, der auf einem Treppenabsatz oder sonst irgendwo geschlafen hatte. Der Truchsess richtete seinen Blick wieder auf den Lampenträger, der ein halbes Dutzend Schritte vor ihm stehen geblieben war.

«Geh weiter», befahl er.

Der Mann mit der Laterne reagierte nicht. Er stand nur da und blickte nach unten. Als der Truchsess ihn erreichte, sah er, worauf der Mann schaute. Ein Diener lag reglos am Boden. Sein Diener. Er machte hastig einen Schritt rückwärts, da drehte sich der Mann vor ihm um und schlug die Kapuze zurück. Der Truchsess starrte ihn an. Das Gesicht kam ihm bekannt vor, doch ihm fiel kein Name dazu ein. Er schnappte nach Luft, als er im Zurückweichen mit einem anderen Mann zusammenstieß. Er fuhr herum und drückte sich mit dem Rücken an die Mauer. Zwei Männer in dunklen Kapuzenmänteln versperrten den Weg. Einer stand direkt vor ihm, der andere ein paar Schritte schräg dahinter. Wie um jeden Fluchtversuch zu vereiteln, sollte es ihm gelingen, an der hoch aufragenden Gestalt vorbeizukommen, die ihm gesichtslos aus dem Schatten ihrer Kapuze entgegenstarrte.

«Es ist gut, Will», sagte eine Stimme hinter dem Laternenträger. Ein vierter Mann trat aus der Dunkelheit hervor, nahm dem anderen die Laterne ab und schlug die Kapuze zurück.

König Pedros Truchsess machte taumelnd einen Schritt nach vorn, sein Herz hämmerte wild. Das Blut wich aus seinem Gesicht, als er Thomas Blackstone anstarrte. «Ihr … Das kann nicht sein. Ihr wurdet verbannt.»

«So ist es», sagte Blackstone.

«Aber wie …?» Die Frage erstarb auf seinen Lippen. Seine Kehle war trocken vor Angst. Es spielte keine Rolle, wie Blackstone ihn gefunden hatte.

Blackstone antwortete dennoch. «Wir haben gewartet», sagte er. «Meine Männer haben wochenlang auf der Lauer gelegen. Die Bettler, die in Türnischen kauerten; der Straßenhändler, der unter seinem Karren schlief. Der Späher am Fenster dort oben», sagte er. «Wir hatten keine Eile. Dein Diener ist nicht tot. Mein Bogenschütze hat ihn niedergeschlagen, und er wird wieder zu sich kommen.»

Der Truchsess blinzelte schnell, seine Gedanken rasten. In seiner Vorsicht hatte er jedes Mal, wenn er zum Beten in die Kathedrale ging, einen anderen Weg genommen. Mal hatte er die eine Tür benutzt, mal die andere. Sie hatten ihn dennoch aufgespürt. Nun, schließlich waren sie Jäger.

Er fiel auf die Knie. «Ich habe unseren lieben Herrn Jesus um Vergebung angefleht. Ich habe Buße getan. Sir Thomas, ich habe Euch das nicht aus freien Stücken angetan. Ich hatte keine andere Wahl.»

«Du hast mich vergiftet, um dich selbst zu schützen und den König, dem du dienst.»

Der Truchsess schüttelte den Kopf, die gefalteten Hände vor sich haltend, als sähe er sich dem Zorn des leibhaftigen Gottes gegenüber. «Ich wollte Euch nichts Böses. Das schwöre ich. Es war die Frau. Sie hat mich mit ihren Drohungen zu Tode geängstigt.»

«Du hast geschwiegen. Du hast die Geheimnisse einer Mörderin bewahrt. Du hast einen abscheulichen König geschützt. Du hast zugelassen, dass ein Kind ermordet wurde und mein treuer Hauptmann bei dem Versuch, den Knaben zu schützen, sein Leben lassen musste. Sie wurden in einer Kathedrale in Spanien getötet, die dieser nicht unähnlich war. Du wusstest über all das Bescheid.» Blackstone starrte auf ihn hinunter. «Doch du hast geschwiegen. Und dann hast du versucht, mich umzubringen. Es muss Gerechtigkeit geschehen, um der Ermordeten willen.»

Der Truchsess breitete flehentlich die Hände aus. «Ich bitte Euch, Sir Thomas, tötet mich nicht. Ich werde Euch jede Entschädigung zahlen, die Ihr verlangt. Herr, ich bitte Euch von ganzem Herzen.» Er schaute in das von Narben gezeichnete Gesicht auf.

«Ich werde dich nicht töten», sagte Blackstone.

Der Truchsess spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten. Er faltete wieder die Hände. Er war gerettet. Im ersten Moment nahm er gar nicht wahr, wie Meulons Klinge über seinen Hals glitt. Sie war so scharf, dass der Schmerz nur wie ein Wespenstich war. Dann bekam er keine Luft mehr. Seine Lunge füllte sich mit Blut. Als er mit dem Kopf auf dem Pflaster aufschlug, waren die verhüllten Männer bereits wieder mit der Dunkelheit verschmolzen. Alle bis auf einen. Seine brechenden Augen sahen noch, wie Blackstone in die Hocke ging und ihn anschaute.

«Auf dich wartet die Hölle», sagte Blackstone.

Der Truchsess blinzelte. Blackstone wandte sich ab. Den Sterbenden quälte ein einziger Gedanke. Er hatte recht behalten. Blackstone war ein Jünger des Teufels.

Erster TeilDer Weg in den Krieg

Kapitel Eins

Herzogtum Aquitanien

1367

Der Prince of Wales ritt schnell und ohne Pause. Trotz der frischen Morgenluft waren die Flanken seines Hengstes schweißnass. Sein Gefolge aus einem Dutzend Waffenknechten konnte kaum mit diesem von Zorn getriebenen Prinzen mithalten. In seiner unstillbaren Wut nahm er seine Umgebung gar nicht wahr, bis endlich die wiederholten Warnrufe seines Hauptmanns der Wache zu ihm durchdrangen, er werde sein Pferd zuschanden reiten, wenn er nicht das Tempo verringerte. Die Vorstellung, seinen Lieblingshengst zu verlieren, brachte ihn zur Besinnung, und Edward of Woodstock, Prince of Wales und Herzog von Aquitanien, zügelte endlich sein Ross. Er saß ab und ging mit langen Schritten über das offene Grasland, während ein Diener rasch die Zügel nahm. Der Renner stand schwer atmend da, zitternd vor Anstrengung. Die Waffenknechte blieben auf Abstand. Es war klüger abzuwarten, bis der Zorn des Prinzen verraucht war. Edward wandte sich an seinen Hauptmann. «Wir werden ihn in die Verbannung schicken, das schwöre ich. Nicht auf eine Burg, die nur einen dreistündigen Ritt von unserem Palast entfernt ist, sondern dorthin!» Er machte eine heftige Geste in eine unbestimmte Richtung. «Über die verdammten Alpen. Wir werden ihn nach Italien schicken. Wieder einmal!»

Der Hauptmann schwieg.

«Nun? Waren wir nicht ohnehin zu milde, als wir ihn lediglich auf dieser Burg festsetzten?»

Der Hauptmann diente dem Prinzen bereits seit dem großen Sieg bei Poitiers vor elf Jahren. Wenn ihm eine Frage gestellt wurde, hatte er zu antworten. «Hoheit, es gibt keine Beweise dafür, dass es Sir Thomas war.»

«Ach nein? Wer sonst würde den Diener des Mannes niederschlagen und seinen Herrn in den Tod locken, und das direkt vor unseren Palastmauern? Achtet man uns denn so gering?»

«Dem Truchsessen wurde der Geldbeutel abgenommen, Hoheit. Es könnte ein gewöhnlicher Raubüberfall gewesen sein.»

Der Prinz ließ den Blick über die Landschaft schweifen, und sein Atem beruhigte sich. Er schaute sich nach seinem Pferd um, das von dem Diener versorgt wurde. Er nickte. «Vielleicht.» Damit schritt er zurück zu seinem Ross. «Aber ich wette einen Goldflorin darauf, dass es Blackstone war.»

 

Die mächtigen Wehranlagen des Château de Langoiran ragten stufenförmig an einem zerklüfteten Berghang auf. Von den Mauern hatte man freien Ausblick auf das Tal und eine Biegung des Flusses Garonne etwa eine Meile entfernt. Der Prinz und seine Männer ritten den gewundenen Zuweg hinauf und galoppierten über die Brücke in den äußeren Burghof. Die Burg war mit Gascogner Waffenknechten bemannt, die dem Prinzen treu waren. Ihr Hauptmann, Galhard de Prato, war für den Prinzen kein Fremder. Er war dazu ausersehen worden, über den Kriegsherrn des englischen Königs zu wachen. Thomas Blackstone sollte alles haben, dessen er für sein Wohlergehen bedurfte. Dies war kein finsterer Kerker. Die Haft war eher symbolisch, auch wenn Blackstones Bewegungsfreiheit natürlich eingeschränkt war. Er stand unter Bewachung und Beobachtung. Die Politik hatte es erfordert. Es war eine Geste, um den spanischen König zu besänftigen, der rasend wütend darüber war, dass Blackstone ihn vor Monaten beleidigt und bedroht hatte, wenngleich Don Pedro dem Engländer sein Leben verdankte.

Der Prinz folgte de Prato die Stufen zu den Mauern hinauf.

«Hat Sir Thomas die Burg verlassen? Er wird doch hier festgehalten? Er durfte nicht etwa ausreiten?»

«Nein, Herr. Er darf sich nur innerhalb der Mauern bewegen, wie Ihr befohlen habt. Sein Pferd haben wir zunächst im äußeren Hof gelassen, dann wurde es im Stall untergebracht und gefüttert. Mehrere Männer waren nötig, um ihm Beinfesseln anzulegen, damit der Hufschmied es beschlagen konnte. Wenn Sir Thomas einen Versuch unternommen hätte, es aus den Stallungen zu holen, dann hätten wir davon erfahren.»

«Könnte er sich denn irgendwie heimlich aus der Burg davongestohlen haben? In die Stadt gelangt sein?»

«Ich lasse Wachen patrouillieren, und eine Nachtwache überprüft jede Tür. Ich habe auch Männer an der Straße und am Pont de Lagoiran postiert. Er wäre nicht über den Fluss gelangt. Und ohnehin könnte niemand den Weg zur Stadt und wieder zurück in einer Nacht zu Fuß zurücklegen.»

Je höher sie stiegen, umso lauter hörten sie das Scheppern von Stahl.

«Wie ist die Verpflegung organisiert?»

«Die Lebensmittel werden von Dorfleuten am Burgtor abgeliefert, überprüft und bezahlt und dann in die Küchen gebracht. Der Koch bereitet das Essen zu. Ein Mann bringt es dann zu Blackstones Knappen.»

«Sonst hat niemand Zugang? Keine Besucher?»

«Keine, Hoheit, nur der Priester von der Église Saint-Léonce und die einheimischen Fischer aus Langoiran.»

«Ein Priester? Sir Thomas bedurfte erst einmal eines Priesters, und das war auf dem Schlachtfeld von Crécy, als er dem Tode nah war.»

«Es war wegen seines Knappen John Jacob, Herr. Er wünschte das Sakrament zu empfangen.»

«Habt Ihr Sir Thomas gestern Abend gesehen?»

«Sein Knappe war bei ihm. In seinen Räumen brannten Kerzen. John Jacob hat ihm Badewasser und Essen gebracht.»

Der Prinz hielt auf dem letzten Treppenabsatz inne und blickte über das Tal zum Fluss hinüber. «Wie wird der Fisch hergebracht?»

«Eingesalzen in Fässern.»

«Und die alten Fässer werden zurückgegeben?»

«Ja, Herr. Der Fisch wird in den Fässern geliefert, und einige Tage später werden die leeren Fässer wieder abgeholt.»

«Wie viele Fischer betreten dazu die Küche?»

«Drei, Herr.»

«Und es kommen auch drei wieder heraus?»

«Ja, Herr.»

Der Prinz ließ den Blick wieder über die Landschaft gleiten. Angenommen, Blackstone war für die Ermordung des Truchsessen verantwortlich – war das der Weg, auf dem er aus der Burg entkommen war? Einen Mann von seiner Statur hätte man unmöglich im Fass eines Fischers hinausschmuggeln können, aber einen Mann mit einem solchen Fass auf der Schulter, das Gesicht unter einer Kapuze verborgen, hätte niemand aufgehalten. Nur, wie wäre er vor Tagesanbruch unbemerkt wieder hereingelangt? Sofern denn der Kriegsherr selbst den Mord begangen hatte, wie der Prinz argwöhnte.

Sein Blick ruhte auf dem Fluss Garonne, der sich als funkelndes Band durch die Landschaft zog. «Mit der Tide könnte ein Boot einen Mann binnen weniger Stunden in die Stadt tragen. Und auch wieder zurück.» Er wandte sich dem Gascogner Waffenknecht zu, der nur die Schultern hob. Der Prinz stieg weiter die Treppe hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend. Diese Befragung führte zu nichts. Auf der Mauer angekommen, blickte er in den inneren Hof hinunter und sah Blackstone und seinen Knappen John Jacob, die sich angestrengt im Schwertkampf übten, trotz der beißenden Kälte nur mit einem Hemd bekleidet. Blackstone führte das Wolfsschwert so erbittert und kraftvoll, dass der Prinz unwillkürlich die Mauerkante umklammerte – der Kriegsherr schien vergessen zu haben, dass er gegen seinen eigenen Knappen kämpfte. Der Prinz und sein getreuer Gascogner beobachteten, wie John Jacob zum Gegenangriff überging, Blackstone zwang, sein Gewicht auf den hinteren Fuß zu verlagern, und ihm dann die Beine wegtrat. Für einen atemlosen Moment sah es aus, als habe er ihn geschlagen. Der Gascogner sog scharf die Luft ein und murmelte vor sich hin. «Bei Gott, die beiden geben keinen Pardon.»

Der Prinz warf ihm einen Blick zu. «Thomas Blackstone will es nicht anders. Er erwartet von seinen Männern, dass sie ihn übertreffen.»

Während er das sagte, drehte Blackstone sich seitlich und lenkte Jacobs Schwertschlag ab. Geschickt entwaffnete er seinen Knappen und warf ihn zu Boden, dann setzte er ihm sein Schwert an die Kehle. Lektion erteilt.

«Allerdings ist es noch keinem gelungen», stellte der Prinz fest. «Ihr könnt Euch nun wieder Euren Pflichten widmen. Ich habe mit ihm zu reden», sagte er zu de Prato. Während der Gascogner sich entfernte, beugte sich der Prinz über die Mauerbrüstung und brüllte: «Thomas!»

Blackstone half John Jacob wieder auf die Beine. Die beiden schauten nach oben, dann beugten sie die Knie.

Kapitel Zwei

Der Prinz trat energischen Schrittes auf den Hof hinaus. Seinen Waffenknechten hatte er befohlen, bei den Pferden zu bleiben. Er musste unter vier Augen mit dem Mann sprechen, der sein Leben begleitet hatte, seit sie beide sechzehnjährige Jünglinge in der großen Schlacht von Crécy gewesen waren und Blackstone dem Prinzen das Leben gerettet hatte.

«Thomas!»

«Hoheit», erwiderte Blackstone, noch immer mit gebeugtem Knie.

«Steht auf, um Himmels willen. Ihr auch, Master Jacob. Der Höflichkeit ist Genüge getan. Wir nehmen es zur Kenntnis.»

Die beiden erhoben sich. Der Prinz musterte Blackstone, der seinen Blick erwiderte. «Nun, Thomas. Es gibt einiges zu besprechen.»

John Jacob bedurfte keiner weiteren Aufforderung. Er verbeugte sich und ließ die zwei allein.

Als er außer Hörweite war, trat der Prinz einen Schritt näher an Blackstone heran, und in seiner leisen Stimme lag beherrschter Zorn. «Ihr beschädigt meine Ehre, Thomas. Ihr kommt in unsere Stadt und tötet einen königlichen Diener. Vergangene Nacht wurde dem Truchsessen König Pedros die Kehle durchgeschnitten. Eine derartige Missachtung dulden wir nicht. Selbst ein Hofnarr würde so etwas nicht auf sich sitzen lassen.»

«Ich habe ihn nicht getötet, mein Prinz.»

«Das sagt Ihr. Aber wäre denn zu erwarten, dass Ihr Euch zu dem Mord bekennt? Wie habt Ihr es überhaupt fertiggebracht? Die Straßen und Brücken werden bewacht. Ein schnelles Boot und ein williger Komplize könnten Euch in wenigen Stunden in die Stadt gebracht haben. Bei Tagesanbruch wäret Ihr mit dem Gezeitenwechsel zurückgekehrt. Nur, wie seid Ihr wieder hier hereingelangt? Diese Frage bereitet uns Kopfzerbrechen.»

«Ich habe den Mann nicht getötet», beharrte Blackstone.

Der Prinz wandte sich ab und begann, auf und ab zu gehen, eine Hand zur Faust geballt. «Wir haben Verpflichtungen gegenüber Pedro. Sein verabscheuungswürdiges Verhalten ist uns zuwider, aber er ist ein Verbündeter. Es gibt einen Vertrag, an den wir gebunden sind. Wir müssen unsere Grenzen schützen. Pedro muss beschwichtigt werden.»

«Ihr haltet mich hier seit Monaten eingekerkert, Herr. Hat ihn das denn noch nicht hinreichend beschwichtigt?»

«Fordert uns nicht mit Widerworten heraus. Das dulden wir nicht.»

«Hoheit, ich werde hier auf Euer Geheiß festgehalten, während Sir Gilbert und meine Männer außerhalb der Stadtgrenzen lagern. Und ich habe –»

«Habt Ihr denn in dieser Zeit solche Härten erlitten?», fiel ihm der Prinz ins Wort. «Haben wir Euch nicht die Freiheit gestattet, Besucher zu empfangen? Haben wir Euch etwa auspeitschen lassen, musstet Ihr hungern und darben? Wurdet Ihr in ein Verlies geworfen? Es war eine Geste, Thomas. Um einen niederträchtigen König zu besänftigen, den Ihr bedroht hattet. Ihr habt es Euch selbst zuzuschreiben. Euer Verhalten hat Euch hierhergeführt. Es ist eine zeitweilige Maßnahme. Nichts weiter.» Der Prinz beruhigte sich. «Also gut. Der Mann hat Euch vergiftet. Wir sind dankbar, dass er sein Ziel nicht erreicht hat. Aber musstet Ihr ihn denn direkt vor unseren Palastmauern töten? Nur wenige Schritte von der Kathedrale entfernt? Man sieht noch immer die Blutflecken auf dem Pflaster, wo er gelegen hat.»

Blackstone schwieg.

«Sind wir noch Euer Prinz, oder wollt Ihr uns zum Gespött machen?»

«Ihr seid es, bis ich sterbe, Hoheit, und nein, das ist nicht meine Absicht.»

Edward kehrte ihm den Rücken. Sein Mantel verbarg die schnelle Bewegung, mit der er sein Schwert zog. Der Prinz löste seinen Mantel und ließ ihn in den Schmutz fallen. Er fuhr herum, und seine Klinge schnellte durch die Luft. Blackstone war nicht mehr da, wo er eben noch gestanden hatte. Er machte zwei Schritte rückwärts, das Schwert noch immer gesenkt. Mit ausdrucksloser Miene ließ er den angreifenden Prinzen auf sich zukommen. Blackstone verteidigte sich. Er spürte die Kraft des Mannes in den Schwertschlägen und gab mit seinem Schwertarm nach. Die beiden Klingen glitten voneinander ab, und der Prinz war gezwungen, eine halbe Drehung zu machen. Blackstone warf sich heftig mit der Schulter gegen ihn. Damit hatte der Prinz nicht gerechnet. Er stolperte. Blackstone wich zurück.

«Ich habe geschworen, Euch zu schützen», sagte er. «Ich werde nicht gegen Euch kämpfen.»

«Verteidigt Euch», verlangte der Prinz und ging erneut auf ihn los, mit einer Heftigkeit, die Blackstone von früher kannte. Ein starker und erfahrener Kämpfer, herausragend in der Kunst des Schwertfechtens und gnadenlos in seinem Angriff.

Blackstone parierte, unternahm jedoch keinen Versuch, die Hut des Prinzen zu durchbrechen. Eine ganze Weile griff der Prinz ihn immer weiter mit unverminderter Heftigkeit an. Endlich spürte Blackstone, wie die Kraft des Mannes sich allmählich erschöpfte. Er ließ zu, dass ein Schlag aus der hohen Hut ihm das Wolfsschwert aus der Hand riss. Die Schwertspitze des Prinzen war auf Blackstones Kehle gerichtet.

«Schwört mir, Thomas. Ist der Truchsess von Eurer Hand gestorben?»

«Ich schwöre Euch bei meinem Leben und dem Euren, das ist er nicht.»

Edwards Gesicht glänzte von Schweiß. Er ließ sein Schwert sinken, rang nach Atem und taumelte vor Erschöpfung. Blackstone packte ihn, ehe seine Knie nachgaben. Ein Hustenanfall schüttelte den Prinzen. Blackstone trug ihn halb zu einer niedrigen Mauer, auf der seine Tunika und ein Weinschlauch lagen. Der Kriegsherr entkorkte den Wein und bot ihn dem Prinzen an. Der trank, und allmählich beruhigte sich sein Atem. Blackstone schwieg. Der Prinz war bereits früher nicht recht bei Kräften gewesen, schon bevor sie zu Pedros Rettung nach Kastilien gezogen waren. Offenbar setzte dieses Leiden Edward noch immer zu: ein unsichtbarer Feind, der an ihm zehrte.

Der Prinz tat den Zwischenfall mit einer Handbewegung ab. «Es kommt und geht, Thomas. Es ist, wie es ist.»

«Wer weiß von Eurem Leiden?», erkundigte sich Blackstone.

«Nur die es wissen müssen.»

«Euer Vater, der König?»

«Nein.»

«Dann gewiss Eure Lady Joan?»

Der Prinz lächelte. «Thomas, wir sind wahrhaft gesegnet mit der Lady Joan, die mich am liebsten Tag und Nacht in ihrem Gemach hätte. Es gibt Tage, da wünschten wir, es könnte so sein. Unser Vater hat uns hierher entsandt, um das Herzogtum zu regieren und zu schützen. Dazu braucht es mehr als einen starken Arm. Politik, Thomas – sie ist wie ein Blutegel, der einem Krieger den Geist aussaugt. Vielleicht rührt unser Leiden daher. Die Lady Joan hegt einen Verdacht, weiß jedoch nicht Bescheid. Sie erwartet in Kürze ein Kind. Je weniger sie weiß und je geheimer wir die Krankheit halten, umso besser.»

Der Prinz stand auf. Blackstone holte seinen Mantel, der noch immer am Boden lag, schüttelte den Schmutz ab und legte ihn dem Prinzen ehrerbietig um die Schultern. Edward of Woodstock, Prince of Wales und Herzog von Aquitanien, kannte seinen Kriegsherrn nur zu gut. «Ich bin gekommen, um Euch zu prüfen, Thomas. Um zu sehen, ob Ihr den Mord gestehen würdet. Vielleicht sogar, um Eure Loyalität auf die Probe zu stellen. Es war offenkundig, dass Ihr mich jederzeit hättet entwaffnen können.» Er zog seinen Mantel zurecht und steckte das Schwert in die Scheide. «Ich glaube Euch. Wenn der Mord nicht von Eurer Hand verübt wurde, dann war es die Hand eines anderen. Eines Mannes, der Euch nahesteht. Aber nun kann ich König Pedro gegenübertreten und guten Gewissens erklären, dass Ihr es nicht wart.»

«Ich würde niemals die Hand gegen Euch erheben», sagte Blackstone. «Ich habe damals vor all den Jahren der Königin geschworen, Euch zu beschützen.»

Der Prinz war nun wieder ganz wie früher, der Schwächeanfall überwunden. «Und Ihr reizt unser Gewissen, wie ein Stein im Stiefel das Fleisch wund reibt. Eure Zeit hier ist abgelaufen, Thomas. Wir brauchen Euch.»

 

Blackstone und John Jacob schauten dem Prinzen und seiner Eskorte nach, als sie davonritten.

«Weiß er es?», fragte der Knappe.

«Er weiß es», erwiderte Blackstone. «Er weiß nur nicht, wie ich wieder hereingelangt bin.»

«Wenn er gesehen hätte, wie Will Longdon in den letzten Monaten die Rolle des Kochs spielte, hätte er Bescheid gewusst. Immerhin ist die Ausfallpforte nur ein paar Schritte von der Küche entfernt.»

Blackstone nickte, den Blick noch immer auf die sich entfernende Gestalt des Mannes gerichtet, den das Schicksal an ihn gebunden hatte. «Dem Himmel sei Dank, dass wir uns nun nicht länger von ihm verpflegen lassen müssen. Wir gehen nach Bordeaux zu den Männern.»

«Und dann, Sir Thomas?»

«Dann führen wir den Prinzen und seine Armee durch die Berge nach Kastilien. Wir ziehen in den Krieg.»

Kapitel Drei

Während Blackstones symbolischer Verbannung aus der Stadt hatten Sir Gilbert Killbere und Blackstones Männer außerhalb der Mauern von Bordeaux ihr Lager aufgeschlagen, nicht weit von dem Stadttor, das Porta Judaea hieß. In dem gleichnamigen Bezirk waren sie schon früher einquartiert gewesen, bevor sie nach Spanien aufgebrochen waren, um Pedro den Grausamen von Kastilien zu retten. Juden wurden unter dem englischen Prinzen nicht verfolgt, aber es war ihnen nach wie vor verboten, sich innerhalb der Stadtmauern niederzulassen; in dem alten jüdischen Quartier waren Geldverleiher, Händler, Kaufleute, Kräuterkundige und Ärzte ansässig. Letztere behandelten die Leiden von Blackstones Männern kostenlos, um dem Kriegsherrn seine Güte zu vergelten – Blackstone hatte einst einem der Ihren geholfen und ihn auf dem Weg in den Süden unter seinen Schutz genommen. Killbere achtete darauf, dass niemand die Großzügigkeit dieser Leute ausnutzte oder sie behelligte. Die hünenhafte Gestalt von Meulon, der alle anderen in den gedrängt vollen Straßen und Gassen um Kopf und Schultern überragte, verhieß den Leuten Schutz, sollten Außenstehende in das jüdische Viertel eindringen und die Einwohner beleidigen oder gewalttätig werden. Blackstones Pferde wurden auf Veranlassung des Prinzen beschlagen, in Ställen untergebracht und versorgt, und Edward zahlte dafür aus seiner eigenen Kasse.

Killbere hatte in Blackstones Abwesenheit dafür gesorgt, dass die Krieger nicht müßiggingen. Oft brachten sie den ganzen Tag draußen im Gelände zu, sodass Rosse und Männer für den nächsten Kriegszug in Form blieben. Ihre Fertigkeiten in Angriff und Verteidigung wurden weiter geschärft. Killbere ließ die Männer rennen und trieb sie an, bis sie schweißnass und am Ende ihrer Kräfte waren. Und kaum dass sie Atem geschöpft hatten, trieb er sie erneut an, denn die Fähigkeit, zu Fuß schnell den Standort zu wechseln, konnte in einer Schlacht entscheidend sein.

Fischer hatten Botschaften von Blackstone in die Stadt gebracht, sodass der Tod des Truchsessen sorgfältig und ohne Hast geplant werden konnte. In jener Nacht, als die verhüllte Gestalt des königlichen Kriegsherrn vor dem Mann erschien, der ihn vergiftet hatte, verursachten die nicht beteiligten Männer in einer Schankstube in einem weit entfernten Teil der Stadt auf Killberes Geheiß einen Tumult. Als daraufhin die Nachtwache herbeigerufen wurde, versicherte der alte Ritter, seine Männer würden ohne weitere Ruhestörung in ihre Quartiere zurückkehren. Zu diesem Zeitpunkt lag der Truchsess bereits im Schatten der Palastmauer röchelnd in seinem Blut.

«Hattet ihr alles, was ihr brauchtet?», erkundigte sich Blackstone, als er zu seinen Männern zurückkehrte. «Hat der Prinz sein Versprechen gehalten, euch für das, was wir geleistet haben, zu belohnen?»

«Gutes Essen und Wein zur Genüge», erwiderte Killbere. «Und unsere Pferde haben das beste Getreide bekommen. Ja, er hat Wort gehalten.»

«Und bündelweise Pfeile mit der besten Befiederung aus Gänsefedern, die ich seit Langem gesehen habe, Sir Thomas», ergänzte Jack Halfpenny. Er diente eigentlich als Ventenar, der zwanzig Bogenschützen befehligte, doch in Will Longdons Abwesenheit hatte er dessen Rolle als Centenar übernommen und die Bogenschützen in Bereitschaft gehalten, straff und angespannt wie ihre gewachsten Bogensehnen. «Ich habe die Jungs jeden Tag an den Zielscheiben üben lassen. Jetzt, da Will vom Küchendienst zurück ist, kann er sich selbst überzeugen.»

«Wir ziehen in den Krieg. Aber diesmal brauchen wir weder ellenlange Pfeile noch gehärteten Stahl – wir schicken dem Feind einfach ein paar Töpfe mit Wills Essen», witzelte Blackstone.

Longdon machte ein finsteres Gesicht. «Immerhin bist du nicht vom Fleisch gefallen, und die Wachen waren abgelenkt, sodass wir uns heimlich davonstehlen konnten.»

«Will, sie kamen nicht mehr vom Donnerbalken runter, darum konnten wir unbemerkt verschwinden.»

«Weißt du, Thomas, ich freue mich darauf, wieder bei meinen schwielenärschigen, herumhurenden Bogenschützen zu sein. Die verschlingen dankbar jedes noch so miserable Essen.»

Halfpenny grinste und warf einen Blick zu den Männern. «Wie gesagt, Will, wir haben gute Verpflegung und Wein bekommen, während du Sir Thomas bedient hast. Hier hatte niemand was zu klagen.»

«Genau», schloss Meulon sich an, «ich glaube, deine Jungs haben überhaupt nicht bemerkt, dass du weg warst.» Er blickte in die Runde der Bogenschützen, die sich um sie geschart hatten. Sie nickten und murmelten zustimmend. «Vielleicht könntest du in den Küchen unserer Feinde Arbeit finden. Das würde uns die Mühe ersparen, sie zu töten», schlug er vor.

Will Longdon starrte den Hünen finster an. «Meulon, wenn du das nächste Mal nach frischem Wild gierst und ich was erlege, dann bekommst du die knorpeligsten Stücke, damit du dran erstickst.»

Meulon zuckte die Achseln. «Das wäre schon eine Verbesserung.»

Longdon wusste, dass ein rüder Umgangston und derbe Scherze unter den Männern das Beste waren, um sie bei der Stange zu halten, und das galt nicht zuletzt für die hartgesottenen Waliser Bogenschützen, die er befehligte. Er wandte sich an sie. «Also gut, bevor ich euch eure Rationen Pferdebrot ausgebe, will ich sehen, ob Jack Halfpenny in meiner Abwesenheit die Zügel straff genug angezogen hat. Der Wind von Osten frischt auf, die Luft ist kalt, bald wird es schneien. Einen Tag an den Zielscheiben ohne Essen und Trinken, dann werden wir ja sehen, ob ihr bereit für eine Schlacht seid.» Er warf einen Blick zu Blackstone. «Wir werden schon bald einem Feind gegenüberstehen.»

«Sehr bald», bestätigte Blackstone.

 

Der Prince of Wales und Herzog von Aquitanien stand an der Palastmauer und blickte über die flache Landschaft mit Wäldern und Dörfern hinweg, durch die sich der Fluss Garonne schlängelte. Irgendwo dahinter, zweihundert Meilen weit südlich, lagen die Pyrenäen, das Tor nach Spanien. Er hatte Blackstone und Killbere rufen lassen, und nun warteten die beiden respektvoll am anderen Ende des Laufgangs, bis der Prinz aus seinen Gedanken auftauchte, einen Blick in ihre Richtung warf und lächelte. Blackstone bemerkte, dass er sich fest in seinen Mantel gehüllt hatte. Das rätselhafte Leiden des Prinzen schien ihm mehr zuzusetzen als der beißende Wind. Nun winkte Edward sie zu sich heran. Blackstone spürte in der Art, wie er sie empfing, eine gewisse Wärme.

«Ihr geht noch einmal nach Kastilien, Thomas. Unser Vater wünscht es so.»

«Um für Pedro den Thron zurückzuerobern?», fragte Killbere.

Der Prinz seufzte. «Ja.»

«Hoheit, er ist Eurer Bemühungen nicht würdig», sagte der altgediente Ritter.

«Das wissen wir. Aber er ist ein rechtmäßiger König; sein Halbbruder ist ein Bastard und Usurpator.»

«Herr, dieser grausame und rachsüchtige Mann wird Euch noch zum Verhängnis», bemerkte Blackstone.

«Pedro ist ein Verbündeter», entgegnete der Prinz. «Wir müssen unsere Verträge einhalten.»

Blackstone schüttelte den Kopf. «Ihr setzt alles aufs Spiel. Für diesen Mann.»

«Wollt Ihr damit andeuten, dass uns der Sieg über Heinrich von Trastámara nicht gelingen wird?»

«Wenn er töricht genug sein sollte, uns von Angesicht zu Angesicht auf dem Schlachtfeld entgegenzutreten, werdet Ihr ihn schlagen.»

«Dann», versetzte der Prinz mit gereiztem Unterton, «gibt es dazu nichts weiter zu sagen.»

Blackstone wagte, sich ihm in den Weg zu stellen, als Edward sich anschickte, zurück in den Palast zu gehen.

«Hoheit, Ihr stoßt die Tür zu einer Zukunft voller Gefahren für Euch und Aquitanien auf. Die Gascogne ist nicht reich, die Steuereinnahmen werden die Kosten für eine Armee nicht decken. Seht Ihr denn nicht, wohin das hier führen wird?»

«Verdammt, Thomas, maßt Euch nicht an, Euren Prinzen zu schulmeistern! Was wisst Ihr schon von unseren Angelegenheiten?»

Blackstone ließ sich nicht einschüchtern. «Ich weiß, dass meine Männer sterben werden und dass Ihr mehr riskiert als nur eine Niederlage in der Schlacht.»

Killbere packte seinen Freund am Arm, um ihn zurückzuhalten. Blackstone riss sich los. Herausfordernd blickte er den Prinzen an.

«Pedro hat sich bereit erklärt, für die Kosten des Krieges aufzukommen. In vollem Umfang», betonte der Prinz.

«Und Ihr glaubt ihm?», versetzte Blackstone. «Wie will er das Geld denn aufbringen? Als wir ihn aus Kastilien herausholten, hatte er nichts bei sich als die Kleidung am Leib und seinen Schmuck. Er verfügt nicht über Reichtümer. Kastilien ist bereits geschunden und kriegsmüde. Sire, Ihr werdet für diesen Krieg bezahlen, und Pedro wird Euch im Stich lassen.»

«Ihr seid wohl neuerdings ein Wahrsager?», entgegnete der Prinz.

«Ich spreche aus Loyalität. Ihr werdet verlieren, denn Ihr werdet Tausende Männer dafür bezahlen müssen, dass sie Euren Befehlen folgen. Eure eigenen und die der Söldnerführer. Die Franzosen werden Heinrich Truppen schicken. Und wenn Eure Kasse leer ist, werdet Ihr die Steuern erhöhen und damit Eure treuen Edelmänner gegen Euch aufbringen. Dann wird der französische König die Gelegenheit nutzen, Euch anzugreifen. Wenn Ihr geschwächt seid. Dann wird er den Krieg erklären. Ihr werdet womöglich alles verlieren, was Ihr hier errungen habt.»

Der Prinz wandte sich ab und zügelte seinen Unmut. Kein anderer als Thomas Blackstone hätte es gewagt, so mit ihm zu reden. Aber Blackstone hatte nichts gesagt, was er nicht selbst bereits gedacht hatte. «Wir haben unsere Verpflichtungen, Thomas. Ihr müsst uns über die Berge führen.» Seine Augen brannten im kalten Wind. Sein Ton wurde milder. «Kommt, wir setzen unser Gespräch im Warmen fort.»

Während sie dem Prinzen folgten, warf Killbere seinem Freund einen skeptischen Blick zu. Wenn Edward so entschlossen war, würde nichts, was Blackstone sagen könnte, ihn von seinem Kurs abbringen. Killbere fasste Blackstone am Arm.

«Ich habe ja nichts gegen einen anständigen Kampf, Thomas. Er wird sich nicht umstimmen lassen.»

«Ich weiß», erwiderte Blackstone. «Aber seine Entscheidung ist falsch.»

Kapitel Vier

Blackstone und Killbere folgten dem Prinzen. Eine Tür aus Kastanienholz mit schweren Eisenbeschlägen wurde vor ihnen geöffnet, dann trat der Diener zurück. Der Prinz und seine Gäste durchquerten ein Vorzimmer. In den Korridoren waren an strategischen Punkten Waffenknechte postiert. Das hohe Amt des Kämmerers beim Prinzen hatte Sir Nigel Loring inne, der nicht nur ein angesehener Ritter vom Hosenbandorden und Berater des Prinzen, sondern auch für dessen Sicherheit verantwortlich war. Blackstone sah den hochgewachsenen Kämmerer mit dem bleichen Gesicht am anderen Ende des Korridors, wo er in bolzengerader Haltung die Rückkehr seines Herrn erwartete. Beim Anblick des Prinzen verbeugte er sich, auf seinen Befehl wurden wiederum Türen geöffnet, und er führte die Männer tiefer in den Palast hinein.

Je weiter sie kamen, desto prächtiger waren die Räume ausgestattet. Goldenes und silbernes Tafelgeschirr; reich bestickte Wandteppiche; an den Fenstern seidene Vorhänge, die im Windhauch raschelten; in einem lang gestreckten Raum standen aneinandergereiht Tische aus edlem Holz, die Platz für hundert Gäste boten; Bänke, die mit Schnitzereien in Gestalt von Vögeln verziert waren; die Decken waren in unterschiedlichen Farben bemalt: Alles hier zeugte von vorzüglicher Handwerkskunst. Blackstone hatte den Prinzen schon früher in Bordeaux besucht, doch inzwischen war die Ausstattung des Palastes noch herrschaftlicher und üppiger geworden. Das Château de Langoiran, wo man Blackstone auf Geheiß des Prinzen festgehalten hatte, war alles andere als ein elender Kerker gewesen. Es hatte genügend Annehmlichkeiten für einen Mann von Stand geboten, doch diese Pracht war mit nichts zu vergleichen. Kein Wunder, dass der Prince of Wales und Herzog von Aquitanien für seine verschwenderischen Empfänge und seine extravagante Großzügigkeit verehrt wurde.

«Wir kämpfen und sterben für das hier», raunte Killbere.

«Wir kämpfen und sterben für den König und seinen Sohn, den Prinzen», entgegnete Blackstone leise.

Sir Nigel führte den Prinzen in einen Raum, der im Vergleich zu den weitläufigen Sälen eine vertraulichere Atmosphäre bot. Dennoch war die Feuerstelle, in der Holzscheite brannten, so groß, dass sechs Männer Schulter an Schulter in der Öffnung hätten stehen können. Der Prinz streifte seinen Mantel ab.

«Es gibt nichts weiter zu diskutieren. Ihr führt uns durch die Berge, Thomas. Ihr kennt den Weg. Wir bringen den König wieder auf seinen Thron in Burgos.»

Killbere warf einen Blick durchs Fenster in die Richtung der Pyrenäen, die von hier aus nicht zu sehen waren. «Hoheit, um diese Jahreszeit? Vielleicht in ein, zwei Monaten, wenn es weiter im Süden zu tauen beginnt.»

Der Prinz lächelte. «Wann wären wir je vor Schwierigkeiten zurückgescheut, Gilbert? Nicht ein einziges Mal, seit wir gemeinsam auf dem Schlachtfeld von Crécy kämpften. Wir werden nicht zögern, unsere Pflicht gegenüber unserem Vater zu erfüllen. Wir kennen unseren Feind. Gegen wen musstet Ihr kämpfen, um den König herzubringen?»

«Gegen den Bretonen du Guesclin. Er war ihr fähigster Feldherr. Die Franzosen haben für genügend Söldner bezahlt, um Pedro schwer zuzusetzen. Hätten wir ihn nicht aus Burgos herausgezerrt, dann hätten sie ihm die Haut abgezogen und ihn an die Krähen verfüttert», sagte Blackstone.

«Ja, aber vergiss auch nicht Hugh Calveley», warf Killbere ein. «Er hat ein verdammtes Vermögen damit verdient, gegen Pedro zu kämpfen.»

«Aber gegen uns hat er keinen Streich geführt», erinnerte Blackstone ihn. «Sonst wären wir als Krähenfutter geendet. Es war sein gutes Recht, sein Schwert zu verkaufen.»

«Sir Hugh kämpft jetzt wieder an unserer Seite», ließ der Prinz sich vernehmen.

Killbere schnaubte. «Erst hilft er mit, den Bastard von Halbbruder auf den Thron zu bringen, scheffelt ein Vermögen, und dann kehrt er wieder in Euren Dienst zurück, Hoheit?»

Blackstone blickte den Prinzen fest an. «Ein englischer Ritter, der sich gegen seinen Prinzen gestellt hat. Kann man ihm je wieder trauen?»

«Der Befehl, Pedros Bruder nicht zu unterstützen, kam zu spät, um ihn noch aufzuhalten. Deshalb müssen wir jetzt zurückschlagen, Thomas. Heinrich von Trastámara hält Kastilien, aber er hat inzwischen die Bretonen und die Söldner ausgezahlt und steht nun allein da. Er kann keine große Streitmacht gegen uns ins Feld führen. Calveley und andere haben sich jetzt meiner Sache verpflichtet, Thomas. Wir alle sind Glücksritter.»

«Aber Trastámara wird bald Verstärkung bekommen», wandte Blackstone ein. «Sobald wir uns auf den Weg durch die Berge machen, werden die Franzosen dafür sorgen, dass er Truppen zur Verfügung hat.»

Der Prinz lehnte sich an das Kaminsims und stieß mit dem Stiefelabsatz gegen ein Scheit. Funken stoben. «Bevor wir Eurer bedurften und Euch wieder in unsere Gunst aufnahmen, Thomas, ist unser Bruder John von Portsmouth in See gestochen. Er führt fünfhundert Männer an, überwiegend Bogenschützen. Er wird uns in Dax erwarten.»

Blackstone wechselte einen Blick mit Killbere, der die Achseln zuckte. Der jüngere Bruder des Prinzen, John of Gaunt, marschierte also gerade durch die Gebiete im westlichen Frankreich, die in englischer Hand waren. Aber seine Bogenschützen waren nicht zahlreich genug für einen Kriegszug. War diese Verstärkung nichts weiter als eine Geste des englischen Königs gegenüber seinem Sohn, dem Prinzen?

«Hoheit, fünfhundert Bogenschützen?», erwiderte Blackstone. «Wir könnten von Glück sagen, wenn wir damit einem konzentrierten Angriff auf eine Flanke standhalten. Allein mit ihnen und den Waffenknechten, die Ihr hier habt, können wir Kastilien nicht zurückerobern. Männer und Pferde werden in den Pässen sterben, in Schnee und Eis werden wir Vorräte einbüßen –»

Der Prinz gebot Blackstones Einwänden mit erhobener Hand Einhalt. «Unser eigenes Gefolge begleitet uns, und wir haben Gascogner und englische Hauptleute an uns gezogen. Eustache d’Aubricourt führt seine Männer ins Feld; Sir John Chandos hat im Osten weitere rekrutiert. Loyale Gascogner und Bretonen nähern sich bereits unserem Sammelpunkt bei Dax. Wir haben genügend Männer, Thomas.»

«Mag sein, Herr, nur – was für Männer? Ich habe in meiner eigenen Truppe treue Gascogner, aber wen bringt Chandos da mit?», fragte Blackstone.

«Garciot du Châtel, Bertucat d’Albret und andere. Sie haben Hunderte Männer bei sich.»

«Mordende Hurensöhne, die und ihre Gefolgsleute», platzte Killbere heraus und blickte gleich darauf zerknirscht drein.

Dem Prinzen war keinerlei Unmut anzumerken. «Gilbert, wir brauchen schlachtenerprobte Krieger. Sie werden von uns, unserem Bruder und Chandos befehligt. Ihr und Thomas werdet uns anführen und tun, was nötig ist, wenn die Zeit kommt. Aber wir müssen jetzt losschlagen.»

«Um diese Jahreszeit werden wir in den Pässen nur langsam vorankommen, Herr», gab Killbere zu bedenken.

«Wie lange brauchen wir durch die Berge?», wollte der Prinz wissen.

«Mit wie vielen Leuten?», fragte Blackstone zurück.

Der Prinz zögerte. «Sieben-, vielleicht achttausend oder mehr.»

Blackstone sah im Geiste die lange Kolonne aus Männern und Pferden vor sich, beladen mit Kriegsgepäck, dazu königliche Dienerschaft, die sie aufhielt. Sie mussten durch das Territorium des Königs von Navarra, und falls er bereits vom Feind gekauft war, bräuchte es nur eine Handvoll Männer an jeder Wegbiegung, um sie in den Pässen aufzuhalten, ehe sie Kastilien erreichten.

Der Prinz erriet seine Gedanken. «Karl von Navarra hat zugesichert, die Pässe nicht zu blockieren. Wir haben ihm unsere Haltung deutlich gemacht. Ihm zu verstehen gegeben, dass es klüger wäre, sich uns nicht in den Weg zu stellen. Er hatte bereits eine Vereinbarung mit Heinrich von Trastámara, uns den Zugang zu verwehren, aber diese Vereinbarung ist jetzt nichtig. Er wird zwar nicht an unserer Seite kämpfen, aber er wird uns auch nicht auf dem Marsch behindern.»

«Wie habt Ihr ihn überzeugt?», erkundigte sich Blackstone. «Wir haben keine Leute in der Gegend von Pamplona.»

«Es ist allgemein bekannt, dass Ihr der Einzige seid, der einem König gefährlich werden kann. Wir haben ihm gesagt, wir würden Euch entsenden.»

Der Prinz war also einen Schritt voraus und hatte bereits die Marschroute durch das Territorium des unzuverlässigen Karl von Navarra gesichert. Blackstone wusste, dass der eigennützige Pyrenäenkönig diese Pässe nur mit Worten, nicht mit Taten schützen würde, ganz gleich, womit man ihm drohte. Und der neue König Heinrich von Kastilien würde Navarra gewiss ebenso wenig trauen wie Blackstone. Sie würden es mit Angriffen aus dem Hinterhalt zu tun bekommen – vielleicht weniger, als dem Kastilier lieb wäre, aber genug, um ihren Marsch zu verzögern und ihnen Verluste beizubringen. Wieder einmal würden Blackstones Männer diejenigen sein, die den Weg freikämpfen mussten. Und dann, wenn sie an Pamplona vorbei waren, konnten sie auf Burgos marschieren. Es war ein widerwärtiges Geschäft, einem abscheulichen König wieder zu seinem Thron zu verhelfen.

Blackstone bemerkte das gerötete Gesicht des Prinzen. War es die Hitze des Kaminfeuers, oder wirkte die Aussicht auf eine Schlacht belebend auf ihn? Seine Stimmung hatte sich gehoben, seine Miene und Haltung waren jetzt wieder mehr die des Kriegers, den Blackstone kannte. Trotz seiner Vorbehalte gegen diesen Feldzug spürte Blackstone selbst es auch: Die Kampfeslust, die Männer in den Krieg ziehen ließ, war die Triebkraft ihres Lebens.

«Thomas?», riss der Prinz ihn aus seinen Gedanken. «Wie lange brauchen wir durch die Berge und bis nach Pamplona?»

«Wenn das Glück auf unserer Seite ist, zehn Tage.»

«Dann beschreiten wir den Pilgerweg, und ich werde zu Gott beten, Er möge unserer Sache gewogen sein und uns mit gütigem Geschick segnen.»

Killbere zog die Nase hoch und spuckte Schleim aus, dann fuhr er sich mit dem Ärmel über den Mund. «Hoffen wir, dass Er Zeit hat zuzuhören. Viele Stimmen rufen nach Ihm, wenn das Töten beginnt.»

Kapitel Fünf

Blackstone und seine Hauptleute überblickten das Gelände, wo Wimpel und Banner in der auffrischenden Brise flatterten. Kalte Regenschauer, die Vorhut drohenden Schneefalls, zogen über die versammelte Armee hin.

«Herr im Himmel, Thomas, wir führen eine Heerschar an, so groß wie die des Prinzen in Poitiers», bemerkte John Jacob. «Hier müssen an die achttausend Mann versammelt sein.»

Blackstone grinste. «Mehr. Eher an die zehntausend. Nur gut, dass wir in der Vorhut sind und die richtigen Entscheidungen treffen können, um diesen abscheulichen Hurensohn wieder auf den Thron zu bringen, John. Je weniger wir mit ihm zu tun haben, umso besser.» Er drehte sich im Sattel um. «William, du hast in der Wache des Prinzen gedient. Er würde sich sicher freuen, dich zu begrüßen, wenn du zu seinem Pavillon reitest und ihn und diesen mordlüsternen Scheißhaufen von einem König in Marsch setzt. Richte ihm aus, wir reiten in Richtung Saint-Jean-Pied-de-Port, und er soll uns folgen. Vergiss nicht zu sagen, ‹wenn es ihm beliebt›.»

«Oder besser, falls er sich denn gnädig bequemen könnte», ließ Killbere sich vernehmen.

William Ashford trieb sein Pferd an und ließ die anderen Hauptleute, mit denen er geritten war, hinter sich – Renfred, Meulon und den Gascogner Aicart. «Mit Verlaub, Sir Thomas, würde der Prinz es denn nicht vorziehen, das von dir zu hören?»

«Zweifellos, aber er hat mir geraten, Pedro besser nicht zu nahe zu kommen. Der ist immer noch überzeugt, ich hätte seinen Truchsessen umgebracht.»

«Dabei hat der Prinz es entschieden abgestritten», warf Killbere ein. «Aber sosehr er auch unsere Unschuld beteuert, Pedro lässt sich nicht wirklich beschwichtigen.»

«Was beweist, dass er nicht so dumm ist, wie er aussieht», ließ Will Longdon sich vernehmen.

«Ein Jammer, dass du in jener Nacht nicht Pedro den Hals durchschneiden konntest», bemerkte Killbere, «aber das hätte die guten Männer entehrt, die wir bei seiner Rettung verloren haben. William, er würde es nicht freundlich aufnehmen, wenn Thomas sich ihm näherte. Und sollte der Narr den Kopf verlieren und es käme zu Blutvergießen, dann würde der Kriegsherr des Königs bis in alle Ewigkeit in einem Verlies verschimmeln.»

William Ashford grinste. «Dann ist es wohl besser, wenn ich die Nachricht überbringe. Gibt es eine Marschordnung, Sir Thomas?»

«Sag ihm, wir übernehmen die Führung, und unsere Kundschafter reiten drei Stunden voraus. Dann folgt Chandos – falls es in den Pässen zu Kämpfen kommt, brauchen wir Waffenknechte im Rücken. Als Nächstes der Prinz mit seinem Bruder John und dessen Bogenschützen hinter sich, und schließlich d’Aubricourt und all die anderen Halunken.»

Ohne einen weiteren Befehl abzuwarten, trieb Ashford sein Pferd an und ritt zu den Anhöhen hinüber, wo der Pavillon des Prinzen stand.

Killbere straffte seufzend seine Zügel. «Ehrlich, Thomas, wenn ich dächte, wir könnten Heinrich von Trastámara überzeugen, nicht gemeinsame Sache mit den Franzosen zu machen, dann würde ich mit Freuden dafür sorgen, dass Pedro irgendwo in den Bergen verunglückt, und unsere Gefallenen um Vergebung bitten. So könnte uns niemand einen Vorwurf machen.»

Blackstone trieb das Bastardpferd mit den Fersen an. «Hast du es noch nicht erkannt, Gilbert? Unsere gemeinsame Zeit mit dem Prinzen neigt sich dem Ende zu. Pedro zurück nach Burgos zu geleiten, ist nur eine kleine Episode in unserem Leben. Früher oder später wird das Leiden, das dem Prinzen zusetzt, ihn veranlassen, nach England zurückzukehren, und dann … dann werden die Franzosen den Krieg erklären. Und wenn der Prinz Aquitanien aufgibt, braucht er uns nicht mehr. Das hier ist ein leidiger, unsinniger Auftrag, und wir müssen uns eben fügen. Wir sollten lieber daran denken, wie es nach Pedro von Kastilien weitergeht.»

 

Fern im Westen lag schimmernd die Küste Aquitaniens, während Blackstone die Armee durch das ansteigende Gelände führte. Sie hatten nur wenig Zeit, um die Berge zu überqueren. Die Tage waren kurz. Der Prinz war das Wagnis eingegangen, Blackstones Marschordnung zu ändern und die Armee zu teilen, um die Gruppen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen über die Pässe zu bringen. Blackstone führte die Vorhut an, gefolgt von Sir John Chandos und John of Gaunt. Wenn sie drüben waren, würden Nachzügler dem Prinzen den Weg weisen. Allerdings bestand die Gefahr, dass das derzeit milde Wetter umschlug. Drei Meilen hinter Saint-Jean-Pied-de-Port stieg der Weg an, und einige Meilen weiter verengte er sich zu einem Pfad. Bald würden schwer beladene Männer mit voller Rüstung und Waffen einen schmalen Pass bewältigen müssen, wo ein falscher Tritt eines Pferdes dazu führen konnte, dass Mensch und Tier in den Tod stürzten.

«Chandos’ und Gaunts Männer sind langsam, Sir Thomas», stellte John Jacob fest. «Sie mussten den ganzen Dezember und Januar hindurch warten, bis der Bruder des Prinzen endlich eintraf. Das hat ihnen zu schaffen gemacht, sie sind eingerostet – und dabei sind wir kaum durch das Vorgebirge. Wenn das Gelände steiler wird, werden sie noch schlechter vorankommen.»

Killbere zog die Nase hoch und spuckte aus. «Er hat recht, Thomas. Und jeder Wegführer, der jemals Pilger durch die Berge nach Compostela gebracht hat, warnt davor, die Reise im Winter zu unternehmen. Das ist seit hundert und mehr Jahren überliefertes Wissen. Und hier sind wir nun, haben Saint-Jean kaum hinter uns gelassen, die Hälfte von ihnen hat die Stadt noch nicht einmal erreicht. Wir sind keine sechshundert Fuß hoch, und sie machen schon schlapp. Wie soll das erst werden, wenn wir auf viertausend Fuß kommen? Thomas, wir haben nur wenige helle Stunden für den Weg. Dieser Plan wird scheitern. Das habe ich im Urin.»

«Du pisst zu oft», entgegnete Blackstone. «Wir reiten zügig weiter, und die anderen müssen eben zusehen, dass sie mithalten. Anders geht es nicht. Es ist ein einfacher Plan. Wir haben keinen anderen. Siebzehn Meilen und neun Stunden Tageslicht, um über den Pass zu kommen. Es ist, wie es ist.»

Der alte Ritter räusperte sich und spuckte noch einmal aus. «Wenn ich nach vorn schaue, Thomas, kann ich vor lauter Nebel die Gipfel nicht sehen. Da warten Regen, Hagel, Schnee und Verrat auf uns.»

«Und?», fragte Blackstone.

«Und? Mehr gibt es nicht zu sagen.»

«Dann dürfen wir jetzt den Segen der Stille genießen», sagte Blackstone. «Treib sie weiter an, Gilbert, ich muss mir selbst ein Bild von der Lage machen. Will, John, mir nach.»

Blackstone trieb das Bastardpferd an. John Jacob und Will Longdon schlossen sich ihm an.

Meulon lenkte sein Ross neben Killbere. «Sir Thomas sieht in dieser Unternehmung keine Ehre. Es drängt ihn, den mordlustigen Abschaum aufzuspüren, der uns auflauert», bemerkte der normannische Hauptmann. «Darin ist er besser als jeder Jagdhund.»

Killbere seufzte. «Er hat ja recht, nach allem, was wir auf uns genommen haben, um Pedro in Sicherheit zu bringen. Und der Prinz weiß das auch. Der Befehl, diese abscheuliche Kreatur wieder auf den Thron zu bringen, kam vom König. Ich würde meine Zeit wirklich lieber mit einer Frau mit breiten Hüften im Bett verbringen, als mir auf einem Berg in der Eiseskälte die Eier abzufrieren.»

«Wie Sir Thomas schon sagte: Es ist, wie es ist, Sir Gilbert.»

«Wohl wahr. Das ändert sich nie.»

Kapitel Sechs

Je höher sie kamen, umso kälter wurde es. Scharfer Regen ging in Graupel über. Blackstones Bastardpferd war so trittsicher wie eine Bergziege, aber mit seinem ungleichmäßigen Gang hätte es Blackstone beinahe aus dem Sattel geworfen, als der schmale Pfad eine scharfe Biegung machte. Hätte er nicht schnell sein Gewicht verlagert und kräftig am Zügel geruckt, um den unförmigen Kopf des Pferdes näher an die Felswand zu ziehen, dann wäre er über die Kante gestürzt und zweitausend Fuß tief in eine Schlucht gefallen. Nach diesem Schreckmoment schlug sein Herz heftig, und er hielt das Tier zurück – man hätte meinen können, es wolle ihn absichtlich abwerfen. Zuzutrauen war es ihm.

Blackstone sah in einiger Entfernung voraus andere Pferde. Sie standen mit zusammengebundenen Beinen in einem behelfsmäßigen Pferch aus einem Seil, das zwischen zwei Felsnasen gespannt war. Einer von Renfreds Männern beaufsichtigte sie. Damit die Tiere nicht in Panik gerieten, hatte man ihnen zur Sicherheit Säcke über die Köpfe gezogen. Blackstone war klar, dass es einen Grund für diese Vorkehrungen geben musste. John Jacob und Will Longdon folgten vier Pferdelängen hinter ihm – ihre Reittiere waren nicht so draufgängerisch wie Blackstones Bastardpferd, dem nachgesagt wurde, es sei vom Teufel gezeugt. Blackstone saß ab und führte es am Zügel weiter – aber nicht zu nah heran, da er fürchtete, der Geruch der Artgenossen könnte das streitbare Ross übermütig machen. Er zog das Tier in eine enge Felsspalte am Weg, band es mit den Zügeln an eine Felsnase und warf ihm seinen Mantel über den Kopf. Sofort spürte er den beißenden Wind durch sein Wams hindurch. John Jacob und Longdon folgten seinem Beispiel.

Blackstone ging weiter und spähte durch den Graupelschleier. Der Himmel verdüsterte sich zusehends, der Wind trieb dräuende Wolken um die Gipfel. Wie viel Zeit blieb ihnen noch, ehe Regen und Graupel heftiger wurden? Im Näherkommen erkannte Blackstone den Mann, der die Pferde in dem behelfsmäßigen Pferch bewachte – es war einer von Renfreds Kundschaftern.

«Wo sind die anderen?»

Der Mann stand geduckt im peitschenden Graupel, eine Hand an den Hals des nächsten Pferdes gelegt, um das nervöse Tier zu beruhigen. Wenn eines in Panik geriet, würden auch die anderen durchgehen. «Weiter voraus, Sir Thomas. Da versperren Männer den Weg, und Renfred sucht nach einer Möglichkeit, an ihnen vorbeizukommen.»