Legenden des Krieges: Im Schatten des Falken - David Gilman - E-Book
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Legenden des Krieges: Im Schatten des Falken E-Book

David Gilman

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Beschreibung

Die Bestseller-Serie mit einem starken, spannenden neuen Band! Kriegsherr, Schwertkämpfer und Bogenschütze Thomas Blackstone zieht bis nach Sevilla und Santiago de Compostela. Historisch exakt recherchiert, spannend und schonungslos. Für alle Leser von Bernard Cornwell und Robert Fabbri.  Winter 1364. Sir Thomas Blackstone, Kriegsherr König Edwards III., sichert die Bretagne für England. In den Wirren des Erbfolgekriegs rettet er einen kastilischen Jungen, Lázaro – der allein Zeuge eines Mordes wurde. Hat der König von Kastilien und Englands Verbündeter, Don Pedro I., seine Gemahlin Blanche de Bourbon getötet? Kastilien steht kurz davor, in die Knie zu gehen. Blackstone muss Don Pedro in Sicherheit bringen! Gemeinsam mit seinen Gefährten und einer Gruppe treu ergebener maurischer Kavalleristen reitet Blackstone bis zum weit entfernten Sevilla und nach Santiago de Compostela. Aber der Mörder der Königin Kastiliens hat es auf Blackstone und seinen Schützling Lázaro abgesehen …

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Seitenzahl: 762

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David Gilman

Legenden des Krieges: Im Schatten des Falken

 

 

Aus dem Englischen von Anja Schünemann

 

Über dieses Buch

DER RUF DES FALKEN KÜNDET VOM BEVORSTEHENDEN TOD.

 

Winter 1364. Sir Thomas Blackstone, Kriegsherr König Edwards III., sichert die Bretagne für England. In den Wirren des Erbfolgekriegs rettet er einen kastilischen Jungen, Lázaro – der allein Zeuge eines Mordes wurde. Hat der König von Kastilien und Englands Verbündeter, Don Pedro I., seine Gemahlin Blanche de Bourbon getötet?

Kastilien steht kurz davor, in die Knie zu gehen. Blackstone muss Don Pedro in Sicherheit bringen! Gemeinsam mit seinen Gefährten und einer Gruppe treu ergebener maurischer Kavalleristen reitet Blackstone bis zum weit entfernten Sevilla und nach Santiago de Compostela. Aber der Mörder der Königin Kastiliens hat es auf Blackstone und seinen Schützling Lázaro abgesehen …

 

«Ein kunstvoll verfasster, durch und durch fesselnder, unentrinnbarer Pageturner. Einfach packend, von Anfang bis Ende.» Midwest Book Review

Vita

David Gilman, aufgewachsen in Liverpool, lebt heute in Devonshire. Schon als 16-Jähriger kutschierte er in einem zerbeulten Ford Bauarbeiter durch die afrikanische Steppe. Verschiedenste Jobs überall auf der Welt folgten: als Feuerwehrmann, Waldarbeiter und Werbefotograf, als Marketingmanager eines Verlags und Fallschirmjäger in der British Army. Seit 1986 widmet er sich vollständig dem Schreiben. Er ist erfolgreicher Radio- und Drehbuchautor, seine Kinder- und Jugendromane wurden in 15 Länder verkauft. Im deutschsprachigen Raum wurde er mit seiner historischen Romanserie «Legenden des Krieges» um den Steinmetz, Bogenschützen und Schwertkämpfer Thomas Blackstone zur Zeit des Hundertjährigen Krieges bekannt.

 

Mehr zum Autor und zu seinen Büchern: www.davidgilman.com

Für Suzy

Personen

*Sir Thomas Blackstone

Thomas Blackstones Männer

*Sir Gilbert Killbere

*Meulon: normannischer Hauptmann

*John Jacob: Hauptmann

*Renfred: deutscher Waffenknecht und Hauptmann

*Will Longdon: altgedienter Bogenschütze und Centenar

*Jack Halfpenny: Bogenschütze und Ventenar

*Meuric Kynith: Waliser Bogenschütze und Ventenar

*Beyard: Gascogner Hauptmann

*Aicart: Gascogner Waffenknecht

*Loys: Gascogner Waffenknecht

*Bascon Gâsconay: Waffenknecht

*William Ashford: Waffenknecht, Hauptmann

*Tom Brook: Waffenknecht

Italienischer Geistlicher

*Niccolò Torellini: Florentiner Priester

Englische Söldner

*Ranulph de Hayle/Ronec le Bête

Sir Hugh Calveley

Walter Hewitt

William Latimer

Matthew Gourney

Bretonische Edelleute und Befehlshaber

Jean de Montfort: von England unterstützter Prätendent auf das Herzogtum Bretagne

Charles de Blois: von Frankreich unterstützter Prätendent auf das Herzogtum Bretagne

Graf von Mayenne: bretonischer Regionalherrscher

Bertrand du Guesclin: bretonischer Kommandeur

Olivier de Mauny: Edelmann und Vetter von Bertrand du Guesclin

Jean de Beaumanoir: Edelmann und Verbündeter von Charles de Blois

Das englische Königshaus

Edward of Woodstock, Prince of Wales und Herzog von Aquitanien

Englische Amtsträger

Sir John Chandos: Connétable von Aquitanien

Sir Nigel Loring: Kammerherr des Prinzen

Das französische Königshaus

König Karl V. von Frankreich

Französische Amtsträger, Edelleute, Söldner und Waffenknechte

Jean de Grailly, Captal de Buch: Gascogner Edelmann

Graf von Graumont: Französischer Regionalherrscher

*Godefroy de Claville: Hauptmann von Villaines

Simon Bucy: Berater des französischen Königs

Gontier de Bagneaux: Geheimsekretär des französischen Königs

Jean de Bourbon: Graf von La Marche

Le Bègue de Villaines: französischer Edelmann

Arnoul d’Audrehem: Marschall von Frankreich

Eustace d’Aubricourt: Hennegauer Söldner

Das spanische Königshaus

Karl, König von Navarra: Prätendent auf den französischen Thron

Don Pedro I.: König von Kastilien und León

Blanche de Bourbon: Königin von Kastilien und León

Heinrich von Trastámara: Don Pedros Halbbruder und Prätendent auf seinen Thron

Spanische Amtsträger

Iñigo Ortiz de Estúñiga: Hauptmann der Wache von Blanche de Bourbon

*König Don Pedros Truchsess

Gutier de Toledo: Kommandeur der königlichen Leibgarde

Spanische Waffenknechte, Dorfbewohner, Diener, Kaufleute, Geistliche sowie ein Arzt

*Garindo: häretischer Priester

*Velasquita Alcón de Lugo

*Lázaro: Diener der Königin von Kastilien

*Halif ben Josef: jüdischer Arzt

*Ariz: Waffenknecht

*Saustin: Waffenknecht

*Tibalt: Waffenknecht

*Elias Navarette und Salamon Bonisac: jüdische Kaufleute

*Andrés: Wegführer

*Santos: Wegführer

*Pérez von Burgos: Kaufmann

*Álvaraz: Kommandeur der kastilischen Armee

Gil Boccanegra: Genueser Admiral der kastilischen Flotte

Suero Gómez: Erzbischof von Santiago de Compostela

Peralvarez: Dekan der Kathedrale von Santiago

*Gontrán: Fischer und Pilger

Mauren

*Sayyid al-Hakam

*Abid al-Hakam

*Najih bin Wālid

 

Fiktive Personen sind mit * gekennzeichnet.

Der Edle muss entweder rühmlich leben oder rühmlich sterben.

Sophokles

Prolog

König Pedros Palast

Burgos, Kastilien, Spanien

In dem düsteren Raum deutete nichts auf Beschwörungen des Bösen hin, wenngleich manche die Astrologie für eine Praktik wider das göttliche Recht erachteten. Garindo wusste, welche Risiken er einging, wenn er sich näher an den Abgrund der Nekromantik und Hexerei wagte – und das geschah leicht: Der Durst nach tieferem Wissen um das Universum konnte einen Menschen dazu treiben, sich den dunklen Künsten zu verschreiben. Doch seine eigenen religiösen Überzeugungen hielten ihn auf der Seite der Rechtschaffenheit, auch wenn er vom Papst der Häresie beschuldigt worden war, weil er Astrologie praktizierte.

Der häretische Priester blinzelte in die fast völlige Dunkelheit. Er hatte stundenlang studiert, und unterdessen waren die Kerzen heruntergebrannt. Seine Vorhersagen hatten Früchte getragen, und nun fürchtete er eine andere, deren Kräfte größer waren als die seinen. Sie war die Mätresse des Satans.

Er hatte den König beschworen, sich dieser Hexe zu entledigen, die stets an seiner Seite war. Sie lebte hinter dem Schleier der Dunkelheit. Bislang war es ihm dank seiner eigenen Fähigkeiten gelungen, sie in Schach zu halten. Doch wie lange noch? Häresie oder Hexenkunst? Wer würde die Oberhand gewinnen?

Gott selbst ließ zu, dass der Teufel existierte, aus dem Himmel herabgestürzt, um Männer und Frauen zu prüfen, sie vor die Wahl zu stellen, gegen die dämonische Besessenheit anzukämpfen oder sich der Versuchung zu ergeben. Garindo hatte sich seine Fähigkeiten aus den großen Büchern des Ostens angeeignet, aus dem Sanskrit, dem Griechischen und den gelehrten Schriften der Araber. Deren Studium galt schon für sich als Sünde, denn es implizierte eine Abkehr von dem Glauben, dass Gott das Leben der Menschen und die Geschicke der Könige lenkte und bestimmte.

Der alte Mann seufzte – er hatte sich dareingeschickt, der göttlichen Macht zu trotzen. Er würde von seinen Fähigkeiten Gebrauch machen. Was er in dem Diagramm hier unter seiner Hand las, behagte ihm nicht. Wen sollte er am meisten fürchten? Gott, dem es nicht gefiel, dass er sich in das Schicksal der Menschen einmischte? Oder die Mätresse des Teufels, die um die Gunst des Königs buhlte? Er fürchtete die drohende göttliche Gerechtigkeit weniger als die Magie derer, welche die Hexenkunst praktizierten, denn ihre Zauber hatten die Kraft, einen Menschen zu töten. Garindos Grauen vor ihnen war stärker als sein Glaube, dass Gott ihn beschützen werde. Zuweilen ließ Gott den Teufel in den Herzen der Menschen wüten. Vielleicht war das eine Prüfung des Glaubens.

Er schloss die dicke Holztür hinter sich, drehte mühsam den schweren eisernen Schlüssel im Schloss. Er sehnte sich nach seinem Bett. Seit Tagen hatten seine astrologischen Studien ihm den Schlaf geraubt. Die Kerze, die er trug, knisterte, und heißes Wachs spritzte auf seinen Handrücken, doch er achtete nicht darauf. Er war tief in Gedanken versunken, suchte nach den richtigen Worten, um dem König seine Erkenntnisse mitzuteilen, denn er wusste, wie schlechte Nachrichten den Zorn des Herrschers entbrennen lassen konnten. Seine Schuhe schlurften über die unebenen Bodenfliesen, seine alten Knie machten ihm zu schaffen, da er zu lange gesessen hatte. Da regte sich etwas in der Düsternis vor ihm, und sein Atem stockte. Das Herz wollte ihm aus der Brust springen, seine Schläge tönten ihm dumpf in den Ohren. Mit heiserer Stimme brachte er heraus: «Wer da? Zeige dich.»

Keine Antwort. Er bekreuzigte sich schaudernd, bat den Allmächtigen um Schutz. Aus Angst vor dem, was dort vor ihm sein mochte, lief es ihm kalt über den Rücken. Stille. Vielleicht war es nur eine Ratte gewesen. Er lauschte. Die Kerze war weit heruntergebrannt, bald würde ihn völlige Dunkelheit umfangen. Die Angst hielt ihn im Würgegriff, er konnte nicht länger so verharren. Er machte einen Schritt vorwärts, tastete sich mit einer Hand an der Mauer entlang, um sich sicherer zu fühlen.

Ein kühler Luftzug streifte sein Gesicht.

Jemand hatte eine Tür oder ein Fenster offen gelassen. Waren die Geister der Nacht in den Palast eingedrungen?

Etwas streifte sein Bein, und er fuhr zurück. Als er danach trat, hörte er eine der wilden Katzen fauchen. Er lachte nervös über seine eigene Torheit und schlurfte weiter in Richtung seiner Kammer. Dabei bemerkte er nicht, dass sich in der Dunkelheit hinter ihm abermals etwas regte, bemerkte nicht, dass sie, die in der Gunst des Königs stand, ihn beobachtete.

Und wartete.

Alles, was er prophezeit hatte, war eingetroffen. Seinen eigenen Tod jedoch hatte er nicht vorhergesehen.

Erster TeilTod eines Bogenschützen

Kapitel Eins

Frankreich, nördlich von Bordeaux

1364

Der Reiter war im Sattel erfroren. Schnee und Frost, scharf wie Pfeilspitzen, vom fauchenden Wind in die Knochen getrieben, hatten dem Mann die Seele entrissen. Doch es war nicht die Hand Gottes, die ihn in Blackstones Lager im Kloster Notre-Dame de Boschaud führte. Ein zäher Mönch war zu Fuß auf dem Rückweg dorthin gewesen, als er dem erschöpften Mann begegnet war, der mit seinem letzten Atem keuchend um Hilfe gebeten hatte – er müsse den Kriegsherrn des englischen Königs finden. Der Mönch war weiter durch den bitteren Winter gestapft, der überall im Land Mensch und Tier dahinraffte. Tief ins Gebet versunken, das geschwächte Pferd des Fremden am Zügel führend, hatte er endlich die befestigte Abtei erreicht.

Starke Arme griffen nach dem Toten, von beißender Kälte steife Finger durchschnitten die Zügel, da sie nicht aus seinem starren Griff zu lösen waren. Blackstone sah die Tasche mit dem Siegel des Prinzen darauf. Die Kleidung des Boten knarzte, als sie ihn vorsichtig aus dem Sattel zogen. Das Pferd strauchelte mit hängendem Kopf. Männer führten es zum Stall, fürsorglich, wie es einem Tier mit tapferem Herzen gebührte, das verdiente, gerettet zu werden. Decken, hoch aufgeschüttetes, weiches Stroh, gekochter Hafer und die Wärme der anderen Pferde würden seine Überlebenschancen steigern.

Den toten Mann setzten sie auf einen Schemel und lehnten ihn mit dem Rücken an die Wand. Blackstone schaute in seine blauen Augen. Der Bote des Prinzen hatte gegen seinen eigenen Tod angekämpft, entschlossen, den Inhalt der Tasche zu überbringen. Blackstone wollte die Augen des Toten schließen, doch die Lider waren gefroren, sodass die offenen Augen die versammelten Männer aus der Ewigkeit anstarrten. Manche bekreuzigten sich.

«Sollen wir ihn ans Feuer tragen?», fragte Blackstones Centenar Will Longdon.

«Grundgütiger, du Schwachkopf, willst du etwa, dass er verfault?», entgegnete der alte Ritter Gilbert Killbere. «Bringt ihn runter in den Keller. Er muss kühl gelagert werden, bis es taut und die Mönche ihn begraben können.»

Der altgediente Bogenschütze zuckte die Achseln. «Wir können ihn ja in den Raum mit dem Käse bringen, dann fällt es nicht auf, wenn er anfängt zu stinken.»

«Du bist ein respektloser, gottloser Schuft», stellte Killbere fest.

Blackstone drehte sich zu den Übrigen um. «Ebenso wie viele von uns, Gilbert, aber wir werden diesen Mann mit Achtung behandeln. Die Starre in seinen Muskeln wird sich lösen. Die Mönche sollen ihn in Leinen wickeln und an einen Ort legen, wo er Gott nahe ist.» Er wandte sich an seinen Knappen. «John, sprich mit dem Abt und überbringe ihm meine Bitte. Frage nach einer Seitenkapelle, und sie möchten für ihn beten.»

John Jacob nickte und bedeutete den Männern, den Boten fortzutragen. Während sie sich ans Werk machten, warf er einen Blick auf die Tasche. «Ich wette, das sind schlechte Nachrichten, Sir Thomas.»

Killbere schloss die Tür hinter ihnen und legte in der Feuerstelle nach, dann zog er seinen schweren Mantel um sich. Ebenso wie die anderen hatte er Lumpen um seine Stiefel gewickelt zum Schutz vor der Kälte, die aus dem Steinboden bis in die Knochen kroch. Mönche waren keine Gutsherren, die ihre Böden mit frischen Binsen und Teppichen bedeckten.

«Das ist der schlimmste Winter, an den ich mich erinnern kann, und dabei haben wir schon Frühjahr», bemerkte Killbere, hockte sich auf einen Schemel und streckte seine Füße den Flammen entgegen. «Selbst der Rotz, der einem aus der Nase tropft, gefriert zu verdammten Eiszapfen. Wir hacken Weinfässer auf und schmelzen die Weinklumpen über dem Feuer. Es ist zu kalt zum Kämpfen, selbst wenn irgendwo ein Franzose aufzutreiben wäre, gegen den man das Schwert erheben könnte, und keine Hure und keine Nonne in Sicht, die einen unter der Decke in den Armen hält. Da schmerzen die Eier, dass einem die Augen nicht nur vom Wind tränen. Wir sollten zurück nach Italien gehen. In den Süden. Nach Neapel oder so.»

Blackstone hielt die ungeöffnete Tasche mit den Befehlen vom Prince of Wales in beiden Händen. Er fühlte das steife Leder unter den Fingerspitzen. «Wie ich den Prinzen kenne, findet er schon etwas für uns, das uns aufwärmen wird.»

«Dann mach auf. Es ist höchste Zeit, dass wir hier rauskommen.»

Blackstone zog das gefaltete Pergament heraus und brach das Wachssiegel. Ein treuer Bote hatte sein Leben geopfert, um die Nachricht zu überbringen. Was war wichtig genug, dass der Mann einen solchen Preis dafür hatte zahlen müssen? Blackstones Blick glitt über die säuberlich geschriebenen Zeilen. Killbere wartete mit fragend hochgezogenen Augenbrauen.

«Agen», sagte Blackstone und sah die Lage der uralten Stadt im Geiste vor sich, im Südwesten auf halber Strecke zwischen Bordeaux und Toulouse. Nicht weit vom Königreich Navarra im Norden Spaniens. «Wir reiten zu einem Treffen mit dem Prinzen und Karl von Navarra.»

Killbere stocherte angewidert im Feuer. «Dieser Lackaffe. Wir haben seinen elenden Arsch gerettet, als wir gegen die Jacquerie kämpften. Diese verdammten Edelleute. Pfauen auf dem Schlachtfeld. Bauern töten, das ist das Einzige, wozu er taugt. Was will er diesmal?»

Blackstone schüttelte den Kopf und reichte Killbere den Brief. «Der Prinz ruft uns, mehr wissen wir nicht.»

«Zwei Tagesritte bei diesem Wetter», stellte Killbere fest. «Wenigstens. Ich sage dir, Thomas, der König von Navarra führt nichts Gutes im Schilde. Mich beglückt die Vorstellung nicht, dass wir in einen Kampf reingezogen werden, um ihm zu helfen.» Er warf das gefaltete Dokument auf den Tisch. «Herr im Himmel, dass unser König und unser Prinz den verdammten Krieg gewonnen haben, ist Männern wie unseren zu verdanken, die ihr Blut vergossen haben. Wenn dieser Emporkömmling nach mehr strebt, als er aus eigener Kraft erreichen kann, dann sollen andere um seinetwillen in den Tod reiten, nicht wir. Er sollte in diesem Streifen Land bleiben, den er ein Königreich nennt.»

Die Abtei Notre-Dame de Boschaud lag geschützt im Herzen Aquitaniens zwischen dem Palast des Prinzen in Bordeaux und der Stadt Poitiers, wo sich der Seneschall befand. Falls Söldner oder die Franzosen angriffen, war Blackstone in einer günstigen Position, um zurückzuschlagen. Zu welchem Zweck wurde er nun in den Süden beordert? Verteidigung oder Angriff?

«Du wolltest doch einen Kampf, Gilbert – vielleicht bekommen wir einen.»

 

Unterhalb der Burgmauern leuchteten die honigfarbenen Ziegelbauten von Agen in der Nachmittagssonne, und die Strahlen vergoldeten den breiten Fluss, welcher der Stadt als Handelsstraße und Verteidigung diente. Die eisenbeschlagenen Hufe von Blackstones hundert Pferden klapperten über das Kopfsteinpflaster zur Burg hinauf, während von den hohen Mauern Wachen herunterspähten. Das Banner des Prinzen wehte in der klaren Luft über der Landschaft, die wie von einem weißen Laken bedeckt war, bis zum fernen Horizont und Navarras Pyrenäenkönigreich.

«Hier oben ist es noch kälter», bemerkte Will Longdon. «Ich hoffe, für uns stehen Fleisch und Wein bereit. Mein Hintern tut weh, und mein Magen knurrt.»

«Eintopf und Gascognerwein, wenn wir Glück haben», ließ sein Ventenar Jack Halfpenny sich vernehmen.

Killbere drehte sich halb im Sattel um. «Wenn ihr das Glück habt, verköstigt zu werden, dann behaltet eure Bogen bei euch. Wir haben hier einen spanischen Edelmann und seine Leute innerhalb dieser Mauern, und was die nicht in der Schlacht als Trophäe erringen können, das stehlen sie. Der Bogen eines Engländers wäre eine begehrenswerte Beute.»

«Und der eines Walisers auch», rief Meuric Kynith, Longdons anderer Ventenar.

«Jeder verdammte Bogen, du heidnischer Kelte», versetzte Killbere. «Ich lasse jeden Bogenschützen auspeitschen, der seinen Bogen an einen räudigen Navarreser Dieb verliert.»

Blackstone warf dem alten Ritter an seiner Seite einen Blick zu. «Gilbert, unsere Bogenschützen würden ihre Bogen nicht mal hergeben, wenn der Tod sie schon in seinen Klauen hätte. Du brauchst sie nicht zu schulmeistern. Denke an die Jahre, die wir gemeinsam gekämpft haben. Niemals haben wir gesehen, wie einer von ihnen auch nur eine Hanfsehne verlor oder wegwarf, ganz zu schweigen von seinem Bogen.»

«Sie haben die letzten Monate im Winterquartier zugebracht, Thomas. Du hältst sie auf Trab, das muss ich dir lassen – Mauern bauen und Pferde bewegen, davon bleiben die Muskeln straff, aber man wird weich im Kopf. Sie brauchen hin und wieder einen Arschtritt.» Er schaute sich kurz um. «Die Bogenschützen ganz besonders.»

«Und wie du mir Arschtritte verpasst hast, als ich noch ein Junge war und meinen Bogen im Dienste des Königs auszog», sagte Blackstone.

«Du hattest es verdient. Und es hat dir nicht geschadet. Ich bin stolz darauf, dass mein Stiefel und meine flache Hand deinen Verstand auf Trab gehalten haben. Wie hättest du es sonst zum Kriegsherrn des Königs gebracht?»

«Ja, wie sonst?» Blackstone schmunzelte. Vor ihnen wurde das Tor geöffnet.

Kapitel Zwei

Blackstone und Killbere standen in dem Korridor vor der großen Halle und warteten darauf, dass man sie eintreten ließ. Der Prinz reiste stets mit großem Gefolge, und so hatte er auch hier in Agen zahlreiche Höflinge und Bedienstete um sich. Er hielt sich seit November in der Stadt auf, nicht nur um die Huldigungen der Gascogner Edelleute entgegenzunehmen, sondern auch um sich mit den Pyrenäenfürsten zu treffen. Im Augenblick war es Karl von Navarra, der die Aufmerksamkeit des Prinzen in Anspruch nahm.

Killbere raunte verstohlen: «Navarra ist widerwärtig und falsch. Wir müssen uns in Acht nehmen, Thomas, sonst wird dieser heimtückische Hurensohn dafür sorgen, dass wir für ihn unser Blut vergießen. Der Prinz schätzt uns, aber wir sind doch nur kleine Spielfiguren in seinem großen Plan.»

«Und was für ein Plan ist das?», flüsterte Blackstone zurück. Dabei beobachtete er aus dem Augenwinkel die Höflinge, Amtsträger und Sekretäre, die geschäftig über den Korridor eilten – jeder von ihnen hätte nur zu gern eine Unmutsäußerung aufgeschnappt und gemeldet. So erlangten Höflinge Beförderung und die Gunst der Ranghöheren.

«Wie in Gottes Namen soll ich wissen, was im Kopf eines Prinzen vor sich geht? Mein Bauch sagt, dass dieses Treffen uns in Gefahr bringen wird. In der Vorburg waren zweihundert Waffenknechte, die sich marschbereit machten. Ihre Pferde wirkten frisch und sie selbst auch.»

«Das sind keine Soldaten, die sich anschicken, in den Krieg zu ziehen, Gilbert – es ist das Gefolge des Prinzen. Ich habe William Ashford und seine Männer gesehen. Ich nehme an, der Prinz wird bald nach Bordeaux zurückkehren.»

Plötzlich brach hektische Betriebsamkeit aus, und das Stimmengewirr wurde lauter. Dank seiner Größe konnte Blackstone über das Gedränge der Höflinge hinwegschauen und erspähte einen Edelmann mit reich verziertem Mantel. Er kam aus einem Raum, der ein Stück weiter von dem Korridor abging, und schritt mit seinem persönlichen Gefolge davon.

«Was ist da los?», fragte Killbere.

«Navarra – er ist eben gegangen.»

«Bist du sicher, dass er es war?»

Blackstone nickte. Mit seiner überheblichen Haltung wäre der Mann jederzeit aus einer Menge herausgestochen, auch ohne seinen bestickten Mantel mit dem Pelzkragen.

Ehe Killbere noch etwas sagen konnte, öffnete ein Diener die Türflügel. Vor ihnen tat sich ein riesiger Saal auf, so reich ausgestattet, wie es einem König oder Prinzen gebührte, wenngleich die Burg von Agen nur eine zeitweilige Residenz war. An jeder Wand hingen farbenprächtige Wandteppiche. Kunstvolle Darstellungen von Schwänen mit Frauenköpfen waren zu beiden Seiten einer schwarzen Mitteltafel angebracht, auf der silberne Pfauenfedern prangten. Es war die Pflicht des Prinzen, das Herzogtum Aquitanien zu regieren, und sämtliche Männer und Frauen, welche die Ehre hatten, ihm nahe zu sein, liebten und bewunderten ihn. Nach den Entbehrungen der Kriegsjahre war der Prinz nun berühmt für seine extravaganten Bankette und Empfänge, die zweierlei Zweck erfüllten: Eindruck auf jene zu machen, die es zu beeindrucken galt, und die Stimmung eines Volkes zu heben, das große Härten erduldet hatte. Blackstone wusste, dass dies der Raum war, von dem aus der Prinz in den vergangenen Monaten das Herzogtum regiert und wo er die Treueschwüre von tausend Edelleuten entgegengenommen hatte. Mit seiner Wärme, seiner Leutseligkeit und Großzügigkeit hatte Edward die unterschiedlichsten, bislang uneinigen Grundherren und ihre Lehen unter seine Kontrolle gebracht.

Nun stand der Prinz da, einen Arm auf das hohe Sims über dem Kamin gestützt, und blickte in das lodernde Feuer. Der Steinboden war mit Teppichen und frischen Binsen bedeckt; vor dem gepolsterten Stuhl des Prinzen stand ein Tisch, lang genug, dass zwei Männer ausgestreckt darauf hätten liegen können, und auf dem Tisch war eine Landkarte ausgebreitet. In der hinteren Ecke befand sich eine weitere Tür – zweifellos die, durch welche Navarra den Raum verlassen hatte. Verlangte das Protokoll, dass der arrogante Aristokrat eine Begegnung mit dem narbengesichtigen Ritter vermied, der vor Jahren entscheidend für seinen Erfolg im Kampf gegen die aufständischen Bauern gewesen war?

Blackstone und Killbere verbeugten sich.

Der Prinz wandte sich lächelnd von den Flammen ab und von den Gedanken, die ihn verzehrten. «Thomas, die Zeit hat Eure Wunden geheilt?»

«Danke, Euer Hoheit, ja, es geht mir gut. Eure Ärzte waren überaus fürsorglich.»

Er blickte den Prinzen an, dessen Schicksal von Jugend an mit dem seinen verflochten war, seit Blackstone in der Schlacht von Crécy Edwards Leben gerettet hatte. In den folgenden turbulenten Jahren war ihr Verhältnis belastet gewesen, von Trotz und Uneinigkeit geprägt, bis schließlich die Zeit und die Umstände den Bruch geheilt hatten. Trotz allem hatten die Jahre Blackstones eiserne Treue noch gefestigt, bis er im vergangenen August in Bergerac wieder einmal sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um den Prinzen vor einem Mordanschlag zu bewahren. In der Folge des Anschlags war Blackstone im Kampf gegen einen einstigen Verbündeten – einen alten Freund, der zum Feind geworden war – beinahe tödlich verwundet worden.

Diese Ereignisse hatten dazu geführt, dass der Prince of Wales sich aufrichtig um Blackstones Wohlergehen sorgte. «Ich danke Gott für Seine Segnungen, Thomas. Wir haben veranlasst, dass Gebete für Euch gesprochen wurden. Und unser Vater ebenfalls.»

«Ich danke Euch, mein Prinz.»

«Wir finden, wir hätten unseren Priester dazu anhalten sollen, während Eurer Genesung mehr Zeit an Eurem Bett zu verbringen. Es befriedet den Geist, eine Psalterlesung zu hören, ehe man sich zur Ruhe begibt. Die Psalmen sind Worte des Trostes und der Weisheit. Und Ihr bringt Euer Leben im Tal des Todesschattens zu, Thomas.» Edward lächelte, wohl wissend, dass seine ernste Mahnung dem Kriegsherrn nicht behagen würde. «Vielleicht hat die Göttin des silbernen Rades mehr Einfluss auf Euch, als uns lieb ist.»

Blackstone griff unwillkürlich nach dem Talisman, den er um den Hals trug. Arianrhod. Die keltische Göttin, die einen in diesem Leben beschützte und die Seelen der Gefallenen ins nächste begleitete.

«Ich hole mir Trost, wo ich ihn finden kann, Herr.»

«Und Euer Sohn, Henry?»

Bei der Erwähnung seines Sohnes empfand Blackstone die Trennung schmerzlich. «Mein Prinz, wie Ihr wisst, hat unser gnädiger Herr König ihm ein Stipendium in Oxford gewährt, nachdem seine Wunden versorgt waren.»

Der Prinz nickte. «Er steht unter dem Schutz unseres Vaters. England scheint für Thomas Blackstones Sohn der sicherste Ort zu sein. Wir hoffen, es ist Euch recht, dass er dort unter dem Mädchennamen seiner Mutter lebt? Pater Torellini hielt es für das Klügste.»

«Ich kann Euch gar nicht genug dafür danken, dass es ihm gutgeht, Hoheit.»

«Thomas, Ihr habt dem Sohn des Königs zwei Mal das Leben gerettet. Es ist eine Geste der Dankbarkeit von unserem König. Wir hoffen, dass Euer Sohn gute Fortschritte in seinen Studien macht.»

«England ist ihm fremd. Er wurde hier geboren, und seine bisherige Ausbildung hat er in Florenz und Avignon erhalten. Er hat für einen Knaben seines Alters genug Blutvergießen gesehen, deshalb hoffe ich, er lebt sich ein und weiß sein Glück zu schätzen.»

«Wir sind überzeugt, dass er sich gut machen wird. Und Ihr, Sir Gilbert, seid Ihr so begierig wie eh und je, es mit unseren Feinden aufzunehmen?»

«Ich wünsche nichts weiter, als meinem Prinzen und meinem König zu dienen und jene zu töten, die sich zwischen uns stellen.»

Edward bedeutete ihnen, an den Tisch zu treten. «Aufruhr erwartet uns auf jedem Schritt unseres Weges. Unsere Pläne zu Bündnissen können jeden Augenblick zunichtewerden.»

«Und der König von Navarra ist Teil dieses Aufruhrs?», erkundigte sich Blackstone.

Der Prinz nickte.

Blackstones Leben war vom König von Navarra ebenso beeinträchtigt worden wie das anderer. «Er ist ein Verräter. Schon anno 46, als ich noch ein Junge war, trieb er die Familie d’Harcourt in die Rebellion gegen das französische Königshaus. Mein Freund und Mentor wurde hingerichtet. Jahre später haben wir Karl von Navarra gegen die Jacquerie geholfen. Er ist eine Schlange, Hoheit. Er windet sich und verspritzt sein Gift.»

«Thomas, Ihr sprecht von einem König. Sein Schwiegervater war der König von Frankreich und seine Mutter eine Tochter der Fleurs-de-Lys. Er ist von königlichem Blut. Ihr seid respektlos.»

«Meine Respektlosigkeit ist wohlbegründet, Herr. Er wird sich gegen Euch wenden. Der Tag wird kommen, da er einen Pakt mit den Franzosen schließen wird. Sein Königreich liegt in unserem Rücken. Er kontrolliert die Pässe über die Pyrenäen. Vertraut ihm nicht.»

Für einen Moment sah es aus, als wolle der Prinz Blackstone rügen. Doch dann nickte er. «Ich weiß das alles, Thomas. Die Politik Spaniens hält uns umschlungen wie eine Schlange. Ich schenke ihm meine Gunst nur unter Vorbehalt. Er zieht in den Krieg. Er will die Seine überschreiten und die französische Armee des Nordens angreifen. Karl von Navarra erhebt Anspruch auf den französischen Thron.» Er hielt inne. «Wieder einmal.»

«Hoheit, wir beide wissen, wie gefährlich das ist», wandte Blackstone ein. «Es gibt nur wenige vereinzelte Stellen, wo man den Fluss überqueren kann, und französische Truppen halten diese besetzt. Er kann nicht gewinnen.»

Der Finger des Prinzen zeichnete auf der Karte eine Linie südlich von Paris, dem Lauf des Flusses folgend. «Die Stadt Vernon besitzt eine Brücke über die Seine, und Vernon gehört Navarras Schwester, der Königinwitwe. Das ist ihr Herrschaftsbereich. Dort werden sie den Fluss überqueren.»

«Navarra ist kein Feldherr», bemerkte Killbere. «Wir haben gesehen, wie er Männer führt. Oder es versucht.»

«Er wird die Truppen nicht selbst führen. Er hat zweitausend Söldner rekrutiert, Gascogner und Bretonen und auch ein paar Engländer, zusätzlich zu seinen eigenen Navarreser Truppen. Unser geschätzter Gascogner Graf und Freund der Captal de Buch wird sie befehligen. Navarra …» Er hielt kurz inne und schmunzelte. «… bleibt daheim. Wohlwollender können wir es nicht ausdrücken. Er bleibt in seiner Burg zu Pamplona.»

Blackstone und der Prinz blickten einander einen Moment lang in die Augen. Blackstone war wohl bewusst, was die Beteiligung des erfahrenen Kommandeurs Jean de Grailly, des Captal de Buch, bedeutete; einige seiner eigenen Waffenknechte waren Gascogner, und einer seiner fähigsten Hauptleute, Beyard, war ein Gefolgsmann des Captal.

«Seigneur de Grailly will meine Männer?»

«Ja.»

«Hoheit, das würde mich erheblich schwächen. Ich halte meine Truppe bewusst klein. Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Wir sind beweglich, kommen schnell voran. Ich kann tausend und mehr Soldaten mobilisieren, wenn Ihr sie benötigt, aber ich brauche Männer um mich, die schon früher gemeinsam gekämpft haben. Die wissen, was sie von dem Mann an ihrer Seite zu erwarten haben. Lasst mich wenigstens meinen Hauptmann Beyard behalten.»

«Nein. Er geht mit de Grailly. Er braucht ihn.»

Blackstone wollte noch weitere Einwände erheben, doch der Prinz brachte ihn mit einem strengen Blick zum Schweigen. «Widersprecht nicht der Entscheidung Eures Prinzen, Thomas.»

Blackstone neigte den Kopf. «Herr. Darf ich darum bitten, dass Ihr mir für die Männer, die ich entbehren muss, Ersatz aus Eurem eigenen Kontingent zur Verfügung stellt?»

«Wen?»

«William Ashford von der königlichen Leibgarde und sein Dutzend Männer. Sie sind schon früher mit uns geritten, als er Pater Torellini nach Avignon eskortierte. Er ist ein Mann, dem ich vertrauen kann, und er wäre bei uns geblieben, wäre er nicht abberufen worden, um Euch von Bordeaux nach Bergerac zu begleiten.»

Der Prinz schien zu zögern. «Ich schätze ihn hoch, Thomas. Ich halte ihn stets in meiner Nähe.»

«Hoheit, ich brauche einen Mann von gleichem Format wie Beyard. Wenn ich Euch mit Erfolg dienen soll, dann überlasst mir Ashford.»

Edwards Widerstreben war offenkundig. «Thomas, jedem anderen als Euch würde ich ein solches Ersuchen verwehren. Doch andererseits ist es ein fairer Tausch. Er und seine Männer gehören Euch.»

«Ich danke Euch, Herr.»

Killbere trat von einem Bein auf das andere. «Hoheit, darf ich mich äußern?»

«Ihr habt zu viele Jahre in Thomas’ Gesellschaft zugebracht, um Zurückhaltung zu kennen, Gilbert. Ihr seht bereits die Makel an diesem Plan?»

«Diese Angelegenheit mit Karl von Navarra. Das ergibt keinen Sinn», sagte Killbere. «Wir haben einen Vertrag mit Frankreich. Sind die Engländer beteiligt?»

«Mitnichten.»

«Dann werden wir nicht kämpfen?», fragte Blackstone nach.

Der Prinz beugte sich vor und zeigte auf Spanien. Auf der Karte waren die verschiedenen Regionen eingezeichnet, darunter auch das kleine, aber strategisch wichtige Königreich Navarra, eingezwängt zwischen dem Meer und dem Königreich Aragonien im Osten sowie dem größeren Königreich Kastilien im Süden. In Navarra lebten weniger als hunderttausend Seelen, doch seine schmale Grenze zu Aquitanien, dem Herzogtum des Prinzen, bot dem ehrgeizigen Pyrenäenkönig ein Einfallstor nordwärts nach Frankreich.

«Die Franzosen rechnen damit, dass seine Truppen weiter östlich nach Frankreich einmarschieren werden. Dort steht ihre südliche Streitmacht mit mehreren tausend Mann bereit, um ihn aufzuhalten.»

Blackstones Instinkt warnte ihn. «Dann werdet Ihr ihn durch Euer Territorium ziehen lassen, Herr.»

«Ja. Das ist alles, was wir für ihn tun werden.» Der Prinz ließ sich in dem Lehnstuhl nieder und drapierte umständlich den Mantel über seine Beine. Er schaute Blackstone an, als erwarte er eine weitere Erwiderung. Blackstone wusste, dass noch nicht alles gesagt war. Es ergab wenig Sinn, dass der Prinz dem unliebsamen König von Navarra half. Weshalb sollte er riskieren, die Franzosen gegen sich aufzubringen? Was konnte den Prince of Wales veranlasst haben, ein solches Wagnis einzugehen? Im vergangenen Jahr hatte Blackstone die Loyalität des Grafen von Foix gesichert, indem er ihm geholfen hatte, seinen Erzfeind Jean d’Armagnac zu schlagen. Anschließend hatte der Graf ein hohes Lösegeld für seinen besiegten Feind gefordert. Der Sieg und der daraus resultierende Reichtum hatten den Grafen von Foix zu einem mächtigeren Herrn gemacht, als er vor der Schlacht gewesen war, aber wenigstens stellte er für Aquitanien und den Prinzen keine Bedrohung mehr dar.

Blackstone ignorierte den Blick des Prinzen und trat ans Feuer. Wenn der Anblick der Flammen dem Prinzen geholfen hatte, seine Gedanken zu ordnen, dann würden sie ihm vielleicht helfen zu ergründen, was wirklich hinter der Entscheidung des Prinzen steckte.

Er blickte ins Feuer wie ein Wahrsager, der darin zu lesen versuchte. Der Rauch kringelte sich zu missgestalteten Gesichtern, so verzerrt wie die Politik von Aquitanien und Frankreich. Jetzt galt es ein größeres Spiel zu spielen.

«Es besteht kein Grund, weshalb Ihr den Waffenstillstand mit Frankreich gefährden solltet», stellte Blackstone fest. «Ihr müsst Navarras Seehäfen sichern und ihn als Verbündeten auf Eurer Seite halten, weil in Spanien ein Bürgerkrieg zwischen Kastilien und Aragonien im Gange ist. England hat vor Jahren einen Vertrag mit Kastilien unterzeichnet, nach dem Ihr verpflichtet seid, Kastilien im Falle einer Invasion zu Hilfe zu kommen, und wenn das Königreich Navarra nicht Euer Verbündeter ist, dann könnte es Euch als Feind in den Rücken fallen. Ihr sichert Territorium für die Zukunft, weil der Weg nach Kastilien über die Pyrenäenpässe führt und sie in seinem Herrschaftsgebiet liegen.» Er warf einen Blick zu Killbere und erkannte, dass der alte Ritter ebenfalls verstand.

«Ihr wollt also, Hoheit, dass wir die Franzosen von seiner Flanke weglocken», sagte Killbere. «Um sicherzustellen, dass er ungehindert marschieren kann. Wir sollen als Ablenkung dienen. Als Köder.»

«Und auf diese Weise ist die Krone offiziell nicht beteiligt, sodass der Waffenstillstand zwischen Euch und dem König von Frankreich nicht gefährdet wird», fuhr Blackstone fort. Er zögerte, überlegte wiederum. Dann sah er den Prinzen direkt an. «Aber da ist noch etwas.»

Der Prinz nickte. «Vereinbarungen werden getroffen und andere verworfen. Früher oder später werdet Ihr erneut dazu aufgerufen werden, gegen die Franzosen zu kämpfen. Unser Vater muss die Bretagne sichern. Charles de Blois bedroht uns mit seinem Herrschaftsanspruch. Im Norden werden bereits Männer in Bereitschaft versetzt.»

«Von Sir John Chandos?», wollte Killbere wissen. «Sir John wirbt Söldner für Eure Sache an, damit sie sich nicht mehr auf die Seite der Franzosen stellen können?»

«Ja. Indem wir Euch dazu entsenden, de Graillys Flanke abzuschirmen, schicken wir Euch zugleich in die Richtung des von unserem Vater unterstützten Anwärters Jean de Montfort, ohne die Franzosen auf die Absichten unseres Vaters aufmerksam zu machen.»

«Chandos holt die Söldner unter sein Kommando, damit die Franzosen sie nicht für den Kampf gegen Navarra rekrutieren können», stellte Blackstone fest. «Und indem er das tut, sichert er die nördliche Grenze. Das heißt, wenn de Montfort gegen Charles de Blois ins Feld zieht, stehen die Engländer gegen die Franzosen.»

«Die Bretagne muss unter englische Herrschaft gebracht werden. Ein Stellvertreterkrieg um das Machtgleichgewicht, Thomas. Wie anders soll England sich in Frankreich Boden sichern, nun, da wir Frieden haben?», sagte der Prinz.

«Weiß Navarra von Euren Plänen?»

«Ihm wurde versichert, dass Ihr an seiner Flanke reiten werdet. Das ist alles. Je weniger unser spanischer König über unsere Absichten weiß, umso besser sind unsere Erfolgsaussichten.»

«Aber wir werden nicht kämpfen, wenn Navarra vorher den Sieg davonträgt», sagte Blackstone. «Weshalb schlägt er gerade jetzt zu? König Johanns Ehre wurde beschädigt, als sein zweiter Sohn von einem Urlaub auf Ehrenwort nicht zurückkehrte, aber der König hat sich schon vor Monaten erneut selbst nach England in Gewahrsam begeben, um seine Ehre wiederherzustellen. Er herrscht noch immer über Frankreich. Selbst wenn Navarra die Armee schlägt und in Paris Einzug hält, kann er König Johann nicht besiegen. Hoheit, das ergibt keinen Sinn.»

Der Prinz erhob sich. Auf eine kaum wahrnehmbare Geste trat ein Diener vor und schenkte Wein ein.

«Thomas, Navarras Schlag gilt dem Dauphin, ehe dieser gekrönt werden kann. Der König von Frankreich ist tot.»

Kapitel Drei

Blackstone und Killbere schritten durch die Korridore, bewaffnet und einschüchternd, zwei Gestalten, die aussahen, als hätten sie schon den Teufel persönlich besiegt. Geringere Sterbliche wichen ihnen aus, erst recht angesichts von Killberes finsterem Blick. Im Burghof wimmelte es von Männern mit Pferden, die auf ihre Befehle warteten.

«Jean le Bon ist also tot. Der alte Hurensohn», sagte Killbere. «Damals in Poitiers wolltest du ihn töten – wer hätte da gedacht, dass er Jahre später einmal auf seidenen Laken verfaulen würde, in einem fremden Land von einer Krankheit zerfressen. Welch süße Gerechtigkeit, Thomas. Es wäre ein verdammtes Wunder, wenn es gelänge, den Dauphin aufzuhalten, ehe er gekrönt ist. Wir sollten gemeinsam mit de Grailly kämpfen und auch den elenden Sohn aus dem Wege schaffen.»

«Was immer wir vom Dauphin halten mögen, er ist ein schlauer Mann, schlauer als sein Vater. Er mag kein Krieger sein, aber als wir zuletzt gegen ihn kämpften, hat er uns daran gehindert, in die Stadt Paris einzudringen. Navarra besitzt nicht die erforderlichen Fähigkeiten, Jean de Grailly hingegen schon. Vielleicht gelingt es ihm, dafür zu sorgen, dass die Krone an einen Verbündeten unseres Königs fällt.»

«Die Franzosen werden nicht ruhen, ehe du tot bist und sie ihr Land den Engländern wieder entrissen haben. Du glaubst doch nicht etwa, der Dauphin, diese heimtückische Ratte, würde seinen Rachefeldzug gegen dich aufgeben?»

«Nein. Aber wir werden ihm ja nicht auf dem Schlachtfeld begegnen. Wir sind an Navarras Kampf nicht beteiligt.»

«Warum helfen wir ihm dann nicht und zwingen das Haus Valois in die Knie? Selbst wenn das bedeutet, dass wir uns mit Navarra gemeinmachen müssten? Wenigstens hätten wir Jean de Grailly und Beyard an unserer Seite.»

«Wir sollen uns den Anweisungen des Prinzen widersetzen?»

«Hast du das nicht auch früher schon getan? Was kann denn schlimmstenfalls passieren? Dass er uns wieder ins Exil schickt. Ich sage doch immer: In Italien könnten wir ein besseres Leben und reichlichere Einkünfte haben. Pater Torellini hat unser Geld bei den Bardi angelegt. Wir haben genug, um davon leben zu können. Wir haben so viele Jahre gekämpft – wir sollten es mit einem Sieg über die Franzosen enden lassen. Dann würde ich als glücklicher Mann sterben.»

«Als wir in Launac kämpften, dachte ich schon, du würdest dort als glücklicher Mann sterben.»

«Ich muss zugeben, Thomas, es hat an mein Innerstes gerührt – die Trommeln und Trompeten, die Banner und Wimpel, wie sie über den Reihen wehten. Diese Schlacht war es wert, geschlagen zu werden, aber sie hat uns dem Sieg über die französische Krone nicht näher gebracht.»

«Wir tun, was der Prinz verlangt, und verschaffen de Grailly und Beyard eine Chance, nach Norden zu marschieren.»

«Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, sie könnten siegen?»

«Der Prinz sagt, Chandos hat die Söldner unter seine Kontrolle gebracht, und das heißt, die Franzosen können sie nicht rekrutieren.» Blackstone blieb stehen, ehe sie bei den Männern ankamen. «Wenn wir Zweifel haben, so behalten wir sie für uns, Gilbert.»

Killbere spuckte aus und wischte sich mit der Hand über den Bart. «Ich will nicht zusehen, wie Beyard oder irgendeiner unserer Gascogner für ein Stück Scheiße wie Navarra sein Leben wegwirft. Sie brauchen uns an ihrer Seite.»

«Beyard ist nun einmal de Graillys Hauptmann. Er muss gehen. Er hat keine Wahl und wir ebenso wenig.»

Killbere knurrte. Er wusste sehr wohl, dass sie beide nichts tun konnten, aber es war einen Versuch wert.

«William!», rief Blackstone.

William Ashford stand mit seinen Leuten im Hof. Nun kam er mit langen Schritten auf Blackstone und Killbere zu und neigte respektvoll den Kopf. «Sir Thomas, es ist mir eine Freude, dich wiederzusehen. Wie ich sehe, hast du dich erholt.»

Blackstone streckte dem Mann die Hand entgegen, der bereits dem König, dem Prinzen und dann ihm selbst gedient hatte. «Ich habe allzu lange nur dagelegen und mich von den Ärzten des Prinzen umsorgen lassen wie ein Säugling. Nach drei Monaten haben wir unser Winterquartier in einem Kloster bezogen, und dort waren wir bis jetzt, bis der Prinz uns zu sich rief.»

«Und wir sind nur noch einen zögerlichen Schritt davon entfernt, selbst zu keuschen Einsiedlern zu werden und uns eine Tonsur zu rasieren», fügte Killbere statt einer Begrüßung hinzu. «Ein Bordell und eine lärmige Schankstube, das braucht ein Mann nach der Winterruhe.»

«Nicht hier, Sir Gilbert», erwiderte Ashford. «Der Prinz ist ein frommer Mann. Wenn er eine Stadt besucht, schließen die Bordelle, und die Tavernen verdünnen ihren Wein. Kein Bürgermeister oder Rat will Ärger mit betrunkenen Soldaten, wenn der Prinz in der Nähe ist.»

«Und ist es dir gut ergangen?», erkundigte sich Blackstone.

«Der Prinz gestattet mir die Ehre, ihm als Leibwache zu dienen.»

«Dann hoffe ich, du wirst jetzt nicht enttäuscht sein. Ich habe ihn nämlich darum gebeten, dass du und deine Männer euch mir anschließt, und er hat es mir gewährt.»

«Ich weiß, Sir Thomas. Der Prinz sagte schon, du würdest mich anfordern.»

Killbere knurrte. «Verdammt, er hat mit uns gespielt, als wären wir Einfaltspinsel. Er wollte, dass wir ihm für den Gefallen dankbar sind und uns in seiner Schuld fühlen. Thomas, spiele niemals Karten mit Edward of Woodstock. Er würde dir unser Erspartes bis auf die letzte Münze abknöpfen.»

«Darum ist er ein Prinz», entgegnete Blackstone. «Und wir kämpfen und sterben.»

Killbere grinste. «Verträge sind nicht das Pergament wert, auf dem sie geschrieben sind. Ein weiterer Krieg um das Machtgleichgewicht. Wir sollten Gott danken, dass wir ein ehrenhafteres Leben führen als dieses heuchlerische Schlangenpack, das durch die Korridore der Macht kriecht.» Er zuckte die Schultern und grinste verlegen. «Das bezieht sich selbstverständlich nicht auf unseren gesegneten König und Prinzen.»

«Aber wir werden nicht kämpfen, wenn Navarra uns zuvorkommt und siegt», erinnerte Blackstone ihn.

«Und ich habe auf dem Weg hierher im Wald ein Einhorn gesehen und eine Fee, die so laut gefurzt hat, dass die Krähen aufgeschreckt sind», sagte Killbere.

«Es sind schon seltsamere Dinge geschehen», entgegnete Blackstone.

«Da hast du recht – ich hätte diese Nonne doch beinahe geheiratet. Habe ich dir das eigentlich schon mal erzählt?»

«Höchstens tausendmal über die Jahre.» Blackstone wandte sich ab.

«Wohin gehst du?», fragte Killbere.

«Ich rede mit Beyard und gebe ihm und seinen Männern meinen Segen.»

«Ah, dann erzähle ich eben William von ihr. Er kennt die Geschichte noch nicht.»

Kapitel Vier

Blackstone und seine Männer ritten drei Tage lang in Sichtweite der Kolonne, die sich durch die hügelige Landschaft schlängelte. Anfangs waren in einiger Entfernung Wimpel zu sehen, da ein französischer Kundschaftertrupp sie beobachtete. Blackstone hielt sich nahe der Grenze zwischen Aquitanien und dem Languedoc, eine Finte, um die Franzosen abzulenken und zu verunsichern. Als sie seine Kolonne mit seinem Banner sahen, zogen sie eine größere Zahl Soldaten zusammen für den Fall, dass der Engländer es wagen sollte, auf französisches Gebiet vorzustoßen. Den Kriegern bereitete es nur schwache Genugtuung, dass sie bei ihrem alten Feind Zweifel und Furcht gesät hatten. Ihre Aufgabe war es, Männer von der südlichen Streitmacht der Franzosen abzuziehen und deren Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ihre Anwesenheit wirkte herausfordernd auf die französischen Befehlshaber, doch weder Engländer noch Navarreser oder Franzosen verletzten die Grenze und damit den Waffenstillstand.

Beyard und seine Gascogner waren verpflichtet, sich ihrem eigentlichen Herrn anzuschließen, dem sie die Treue geschworen hatten, doch die Verbindung zwischen ihnen und Blackstones Kriegern war so stark und herzlich wie eh und je. Derbe Scherze wurden ausgetauscht, als Beyard und seine Männer losritten, um zu der sich sammelnden Armee zu stoßen, und keiner sprach aus, dass sie wahrscheinlich in den Tod ritten, auch wenn jeder den Gedanken in sich trug. Der Ehrgeiz des Königs von Navarra hatte schon so manchen guten Krieger das Leben gekostet.

«Der Welt wäre ein besserer Dienst erwiesen, wenn statt guter Kämpfer die Aristokraten unter dem Schwert fielen», bemerkte Will Longdon.

«Du meinst, die Jacquerie lag im Grunde genommen schon richtig?», fragte Meulon, der hünenhafte Normanne.

«Einen Bauernaufstand muss man planen. Wenn sie erst die Kinder eines Edelmannes abschlachten und am Spieß braten, gerät die Sache außer Kontrolle», erklärte Will Longdon.

Meulon schnaubte und spuckte aus. «Du bist doch ein Bauer. Vielleicht solltest du den nächsten Aufstand anführen?»

«Ich würde es jedenfalls besser machen.»

«Die Edelleute halten die Zügel in der Hand, du Schweinearsch. Sie brauchen Krieger, und wir werden dafür bezahlt, dass wir für sie die Drecksarbeit erledigen. Wenn du die Aristokraten umbringst, haben wir keine Arbeit mehr.»

Der altgediente Bogenschütze drehte sich im Sattel zu Meulon um, der an der Spitze seiner Männer ritt. «Dein Hirn ist wohl im Dreck liegen geblieben, als du im Rübenfeld aus dem Schoß deiner Mutter geplumpst bist. Wenn es keine Edelleute gäbe, hätten wir ihr Geld. Wir könnten im Überfluss leben.»

«Bis ein anderer gieriger Hurensohn daherkäme und dir alles wegnähme», mischte sich Meuric Kynith ein. «Man erringt ein Land nicht, indem man die Reichen und Mächtigen tötet – man muss es heimlich in seinen Besitz bringen. So, wie ich einem Edelmann diese Stiefel abgenommen habe, als er gerade dabei war, sich in einem Fluss den Arsch zu waschen.»

«Ich will kein verdammtes Land, du heidnischer Hurensohn, nur das Geld eines Edelmannes. Und wenn ich das Geld eines Edelmannes hätte, dann hätte ich auch solche edlen Stiefel.»

«Aber wenn du so reich wärst, müsstest du Leute wie uns dafür bezahlen, dass sie dich beschützen», entgegnete Kynith.

«Das ist doch das Einzige, wozu du taugst, weil dir für alles andere der Verstand fehlt.»

«Dann wärst du genau wie die Edelleute, die wir jetzt haben», sagte Meulon. «Und wir bräuchten noch einen Aufstand, um uns von solchen wie dir zu befreien.»

Killbere rief laut: «Wenn ihr nicht aufhört zu zanken, schicke ich euch alle ins nächste Aussätzigenhaus. Ich ziehe Vogelgesang und Pferdefürze als Unterhaltung vor.»

Killberes Schelte ließ die Streithähne verstummen. Nur Will Longdon murmelte noch kaum hörbar: «Ich würde Ritter auf der Mauer Wache stehen lassen, bis ihre Eier hart wie gefrorene Walnüsse wären.»

Doch Blackstone hatte scharfe Ohren. «Dann würdest du unter Eunuchen leben und wärst selbst der einzige Mann, der noch kämpfen könnte. Die Schlacht ist verloren, ehe sie begonnen hat, Will. Nimm hin, was wir sind. Edle Wämser und seidene Laken stehen einem Bogenschützen nicht an. Ein solcher Mann sollte sein Vergnügen lieber darin suchen, Ritter zu töten.» Er wandte sich an Killbere. «Vorzugsweise die der Gegenseite.»

Die langsam dahinziehende Armee kam schließlich östlich an Poitiers vorbei und machte nahe der bretonischen Grenze halt.

«Seigneur de Grailly. Weiter kann ich nicht gehen. Ich folge den Befehlen meines Prinzen.»

Jean de Grailly sah zu, wie seine Männer an ihm vorbeiritten. «Ich habe inständig darum gebeten, dass Ihr mit uns kämpft, Thomas, aber der Vertrag verbietet es.»

«Ich würde mein Banner nicht zeigen, mein Wappen verbergen und mich Euch anschließen, aber der Dauphin würde dennoch bald erfahren, dass wir an Eurer Seite waren, und dann würde mich und meine Männer erneut die Verbannung erwarten. Ich habe andere Befehle. Herr, ich bitte um einen Gefallen.»

«Alles, was in meiner Macht steht, Sir Thomas.»

«Wie auch immer die Schlacht ausgehen mag, schickt Beyard, um mir Bescheid zu geben. Ich ziehe gen Norden, wo ich mit Sir John Chandos zusammentreffen soll. Ich werde langsam reiten. Im Wald bei Alençon warte ich drei Tage, ehe ich meinen Weg fortsetze. Beyard kennt unsere Stützpunkte und weiß, wo wir unser Lager aufschlagen. Wenn es Euch schlecht ergeht, schickt Nachricht. Dann kehren wir um und decken Euren Rückzug.»

«Ihr würdet den Zorn des Prinzen auf Euch nehmen», stellte de Grailly fest.

«In den bretonischen Marschen ziehen noch immer Söldnerbanden umher. Ich werde mein Wappen mit Schlamm unkenntlich machen, kein Franzose wird den Unterschied erkennen. Das ist alles, was ich Euch anbieten kann, sollte sich das Blatt zu Euren Ungunsten wenden.»

«Einverstanden. Aber wir werden Euch nicht brauchen. In Évreux stoßen noch mehr Männer zu uns, und wenn wir erst bei Vernon über die Seinebrücke sind, greifen wir den Dauphin an seiner verwundbaren Stelle an. Paris und Frankreich werden unser sein.» Er grinste voller Zuversicht. «Das wird ein Kampf, dass es Euch noch leidtun wird, nicht beteiligt gewesen zu sein. Der Prinz hätte sich mit Navarra verbünden sollen. Wenn er erst gekrönt ist, wird er großzügig zu denen sein, die ihn unterstützt haben.»

«Mein Prinz hat Euch freies Geleit gewährt. Siebentausend Franzosen warteten darauf, dass Ihr durch das Languedoc einfallt. Ihr wäret keine zwei Tagesmärsche weit gekommen, Herr, und ich nehme an, Ihr wisst das.»

De Graillys düstere Miene war Bestätigung genug. «Wir sehen uns in Paris, Thomas.» Er wendete sein Pferd und trieb es zu leichtem Galopp an. Beyard verweilte noch einen Moment und nickte Blackstone zum Abschied und zum Zeichen des Einverständnisses zu.

«Beyard», hielt Blackstone den Gascogner zurück. «Stirb nicht für eine wertlose Sache. Denke an das, was ich gesagt habe.»

«Das werde ich, Sir Thomas, und ich bin froh darüber. Aber ich kämpfe an seiner Seite, wie ich an deiner gekämpft habe. Alles Weitere liegt nicht in meiner Hand. Es ist eben, wie es ist.» Er schnalzte mit den Zügeln und folgte seinem Herrn.

«Gottverdammmich, Thomas, es ist mir zuwider, einen mutigen Kämpfer wie Beyard in die Hölle reiten zu sehen, die ein anderer sich selbst bereitet hat», knurrte Killbere. «Was du gesagt hast, gefällt mir, aber Chandos wird über unsere Verspätung mit allem knirschen, was ihm an Zähnen noch geblieben ist.»

«Zur rechten Zeit zu kommen, ist nur dann sinnvoll, wenn es eine Schlacht zu schlagen gilt. Verspätet einzutreffen, nur um dann noch einen Monat in einer kalten Burg herumzusitzen und mit anzuhören, wie alte Ritter über vergangenen Ruhm blöken, das ist schlimmer als der Tod. Ich wünschte, wir könnten mit Beyard und de Grailly ziehen. Wir werden uns bei Alençon so lange wie möglich aufhalten.»

Kapitel Fünf

Sir John Chandos hatte den Raubzügen marodierender Söldner im Norden ein Ende gemacht, indem er sie für Navarras Sache angeworben hatte. Damit hatte er zugleich dafür gesorgt, dass sie für die Franzosen nicht mehr verfügbar waren. Es war de Graillys Ruf zu verdanken, dass nun verschiedene Banden aus Engländern, Gascognern, Spaniern und Deutschen sich in Évreux unter seinem Kommando versammelten. Zweitausend Reiter folgten dem Captal de Buch ostwärts in Richtung Vernon und der Brücke über die Seine. Da erreichte ihn ein Bote mit der Nachricht, Navarras Schwester habe die Stadt und die Brücke an die französischen Truppen ausgeliefert, und diese lagerten dort seit Tagen, bereit zum Kampf. Ehe de Grailly mit seinen Leuten die Seine erreichen konnte, mussten sie bei dem Ort Cocherel einen kleineren Fluss überqueren, die Eure. Die Franzosen bewachten die Stelle, entschlossen, jeglichen Versuch zu vereiteln, die große Brücke bei Vernon zu erreichen. Diese kleinere Brücke war leichter zu verteidigen. Als seien das noch nicht genug schlechte Nachrichten, erfuhr de Grailly zudem, dass auch auf der Seite der Franzosen Gascogner kämpften, die beim Dauphin im Sold standen.

Beyard sah de Grailly an, wie sehr es ihn schmerzte, gegen seine eigenen Landsleute kämpfen zu müssen. «Herr, dort stehen Männer, die wir kennen, bereit, um es mit uns aufzunehmen», sagte Beyard. «Wir werden nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden können. Lasst uns umkehren. Wir müssen einen anderen Weg über die Seine finden. Blackstone wird uns helfen.»

De Grailly schüttelte den Kopf. «Dann verliere ich die Männer, die sich uns um der Beute willen angeschlossen haben. Wir müssen die Brücke nehmen. Es ist die einzige Möglichkeit.»

Später am Tag, als sie über eine Anhöhe bei Cocherel ritten, sahen sie, dass die französische Armee bereits in Stellung war.

«Sie sind in der Unterzahl», stellte der Captal fest, ermutigt durch das Wissen, dass er die Oberhand hatte. «Sie versperren uns den Weg nach Vernon, und wir sind im Vorteil.»

Beyard erkannte, dass es stimmte. Die Franzosen waren abgesessen und standen in Reih und Glied. Sie konnten nicht bergauf einen berittenen Gegner angreifen. Beyard überblickte den Aufmarsch abschätzend. «Sie sind nur etwa hundert weniger als wir, aber sie haben hinter den Linien noch Männer in Reserve. Es sind Bretonen. Von ihnen droht die eigentliche Gefahr, wenn wir im Kampf den Zusammenhalt verlieren.»

«Ihre Männer sind seit Tagen hier. Ihre Vorräte gehen zur Neige. Sie sind geschwächt. Nun, da sie sehen, dass wir im Vorteil sind, werden sie den Kampfgeist verlieren. Du fällst ihnen mit deinen Männern in die Flanke», befahl de Grailly.

Beyard hatte von Blackstone einiges über die Kriegskunst gelernt, doch er riskierte eine scharfe Rüge, wenn er seinem Herrn widersprach, einem Mann, der in Kreuzzügen und in der großen Schlacht von Poitiers gekämpft hatte. «Herr, wenn ich das tue und somit unsere Männer aufteile, würde das unsere Streitmacht schwächen. Sie können herumschwenken und die Stellung halten. Unsere Pferde werden erregt sein, und wir können sie vielleicht nicht rechtzeitig zurückhalten. Hinter ihren Reihen ist der Fluss. Wenn wir durchbrechen und uns dann zum Gegner umdrehen, haben wir den Fluss im Rücken. Wir hätten keine Stellung, die wir halten könnten.»

Dem Captal de Buch war keinerlei Unmut darüber anzumerken, dass seine Befehle hinterfragt wurden. Beyard war sein bester Mann und hatte ihm viele Jahre lang treu gedient. Dass Blackstone ihm ein Kommando übertragen hatte, war eine Ehre, die nur wenigen zuteilwurde. «Beyard, die Zeit arbeitet gegen uns. Umgehe ihre Flanke und hindere sie daran, sich über die Brücke zurückzuziehen. Sie können sich nirgendwohin wenden. Sobald wir ihre Abwehr durchbrochen haben, steht uns der Weg nach Paris offen. Wenn die Armee des Dauphins hier ist, kann sie nicht an der Brücke von Vernon stehen. Gewinnen wir hier, so gewinnen wir Paris. Wir besetzen die Stadt und verhindern, dass der Dauphin zum König gesalbt wird. Es ist das Risiko wert. Sei guten Mutes – lass uns hier und heute siegen, und Frankreich ist unser.»

Beyards Instinkt warnte ihn vor der Gefahr, doch das, was es zu erringen galt, war allzu verlockend. Er wendete sein Pferd und rief nach Bascon Gâsconay, einem der Männer, die mit ihm unter Blackstone gedient hatten.

«Halte dich in meiner Nähe. Sollte ich getötet werden, so reite zu Sir Thomas und berichte ihm. Er wartet im Wald bei Alençon.»

Unter ihnen wurden die feindlichen Wimpel erhoben. Trompetenstöße auf französischer Seite zerrissen die Luft. Ermutigt brüllten die Soldaten ihre Entschlossenheit hinaus und kämpften damit ihre Angst nieder. Beyard trieb sein Pferd an, seine Männer ritten im Galopp, Steigbügel an Steigbügel. Wie eine Pfeilspitze stießen sie in den ohnehin bereits ungeordneten Feind hinein. Beyard sah, wie de Grailly die Kerntruppe zum Angriff führte. Die Erde bebte. Pferde wieherten. Die Armeen prallten aufeinander. Männer brüllten aus Leibeskräften Flüche, andere stießen Schmerzensschreie aus. Schlachtenlärm erhob sich. Beyards Pferd trampelte mit seinen eisenbeschlagenen Hufen Männer nieder. Er hieb abwärts und nach hinten, schlug eine Schneise durch Männer, die mit Lanzen und Speeren nach ihm stießen, während seine Kavallerie Gegner niedermähte, als ritte sie durch ein Weizenfeld. Pferde gingen zu Boden, da die Speere der Franzosen sich ihnen in die Brust bohrten. Manche trugen ihre Reiter noch dreißig oder mehr Schritt weiter und stürzten dann, zuckend vor Qual, während der Reiter sich zu befreien suchte, ehe die Feinde über ihn herfielen und ihn in Stücke hackten.

Beyard sah de Grailly inmitten des Schlachtengetümmels seine Axt schwingen, sein blutbespritzter Schild Zeugnis des wütenden Kampfes. Beyard trieb sein Ross an, ritt noch mehr Männer nieder. Dann fühlte er, wie ein Zucken die Muskeln des mächtigen Tieres durchlief, als vier kühne Gegner das Schlachtross angriffen. Zwei rammten ihm ihre Speere in die Brust, ein dritter schlug nach den Beinen. Das Tier warf den Kopf hoch, die Augen weit aufgerissen, die Zähne vor Schmerz gebleckt. Beyard machte sich auf den Angriff des vierten Mannes gefasst, der einen Streitkolben schwang, während er von dem sterbenden Pferd absprang. Im Todeskampf schlug es wild mit den Hufen und hielt so seine Peiniger in Schach. Beyard stöhnte vor Anstrengung, und Schweiß brannte ihm in den Augen, während er seinen Schild gegen den Angreifer schmetterte, seine Beine aufs äußerste anstrengte, um den größeren Mann aus dem Gleichgewicht zu bringen. Als der Gegner sich seitlich drehte, trennte Beyard ihm mit einem Abwärtsschlag den Arm an der Schulter ab.

Er wandte sich ab und ging auf andere Gegner los, die sich in Pulks zu verteidigen versuchten. Sie gaben den Widerstand auf, als Beyards Gascogner sich ihm anschlossen, die äußeren Männer niederstreckten und so die übrigen angreifbar machten. Die Gascogner rückten weiter vor. Ihre Gegner wichen zurück. Manche flehten um Gnade. Sie blieb ihnen verwehrt. Die Gedanken der Männer gingen im Blutdurst unter, wie ihre Schilde und Kettenhemden unter Blutflecken unkenntlich wurden.

Und doch hielten die Reihen der Franzosen zusammen. Als die Bretonen ihrer Reserve sie verstärkten, gewannen sie den verlorenen Boden zurück. Beyard glitt im blutigen Schlamm aus. Pferdekadaver versperrten den Kämpfenden den Weg. Beyard wandte sich an die Männer an seiner Seite, brüllte, um den Lärm zu übertönen, da bohrte sich ein Armbrustbolzen in den Hals eines Mannes. Instinktiv fuhr Beyard herum. Der Schütze stand keine zehn Schritt entfernt. Hinter ihm war die Brücke. Sie hatten ihr Ziel beinahe erreicht. In diesem Moment traf ihn ein Streitkolben, und er brach in die Knie. Den Schild erhoben, schwang er sein Schwert in weitem Bogen und fühlte, wie es sich in die Beine eines Mannes grub. Er wollte aufstehen, doch in seinem Kopf drehte sich alles, seine Sicht verschwamm, er brach wieder in die Knie und fiel hintenüber. Er hörte Donnergrollen vom klaren Himmel, dann begriff er, dass es der dumpfe Laut von Hufschlägen auf der hölzernen Brücke war. Die Franzosen hatten noch weitere Reserven zwischen den Bäumen jenseits des Flusses versteckt. Die Kraft wich aus seinen Armen, er gab den Widerstand auf und versank in Dunkelheit. Sie hatten verloren.

Kapitel Sechs

Blackstone ging zwischen den Toten umher.

Pferde standen inmitten des Gemetzels, blutverschmiert, mit lose hängenden Zügeln, manche grasten. Blackstones Männer gaben schwerverletzten Tieren und solchen, die mit gebrochenen Beinen einherhinkten, den Rest. Krähen pickten an den Gefallenen, während die Männer das Schlachtfeld nach ihren Gascogner Kameraden absuchten. Wer einen fand, rief laut dessen Namen, und diese traurigen Meldungen waren das Einzige, das die Stille durchbrach. Es dauerte Stunden, die Hunderte Toten in Augenschein zu nehmen. Am Ende hatten sie die Leichen von neun der zwölf Mann geborgen, die unter Beyard gedient hatten. Vom Captal de Buch und seinem Hauptmann fehlte jede Spur. Sie sammelten die Schilde mit de Graillys Wappen ein, fünf Muscheln auf einem schwarzen Kreuz.

Blackstone bückte sich und schob einen toten Körper zur Seite, der dem Wappen nach aus dem Burgund stammte – die Burgunder waren Verbündete der Franzosen. Der Tote war ein Jüngling, sein Bart spross erst spärlich. Er schien nicht älter als Blackstones Sohn Henry. Offenkundig hatte der junge Ritter Ruhm erringen wollen, und die toten Gegner um seinen Leichnam herum zeugten davon, dass er wacker gekämpft hatte. Er wies keine sichtbaren Verletzungen auf. Sein totes Pferd lag auf der Seite, doch was ihn getötet hatte, war nicht der Sturz gewesen. Blackstone zog den Jüngling aus dem Gewirr der anderen Leichen heraus und sah das verräterische Rinnsal getrockneten Blutes aus einer Wunde in der Leiste. Eine Schwertspitze oder ein Messer war durch seinen Kettenpanzer gedrungen und hatte die Arterie getroffen, sodass ihm das Leben entwichen war: eine gnädige Verletzung, die ihm die Qual abgetrennter Gliedmaßen oder eines zerschmetterten Schädels erspart hatte. Er hatte vermutlich noch ein paar Minuten lang weitergekämpft und dabei gespürt, wie seine Kräfte schwanden. Vielleicht hatte er die tödliche Verletzung selbst gar nicht wahrgenommen.

Blackstone legte seine schwielige Hand auf die kalte Haut des Jünglings. Ein stolzer Vater würde seinen Verlust beiseiteschieben und sich brüsten, sein Sohn habe heldenhaft für den neuen König gekämpft, während eine Mutter trauern würde, vom Schmerz verzehrt.

«Er ist nicht hier», stellte John Jacob fest. «Wir haben sämtliche Toten umgedreht und die Leichen, die kreuz und quer lagen, voneinander getrennt und einzeln in Augenschein genommen. Hier draußen müssen an die tausend sein. Beyard und seine Männer haben gewiss geschlossen gekämpft. Wir haben die Hälfte von ihnen nah beieinander gefunden. Freunde im Leben und im Tod.»

Blackstone stieg über den toten Ritter hinweg. «Die Männer sollen auch am Fluss suchen.»

«Renfreds und William Ashfords Leute haben das Flussufer bereits abgesucht, Sir Thomas», erwiderte sein Knappe.

Im Nachhall einer Schlacht wurden die Männer stets von einem Gefühl des Verlustes erfasst, ganz gleich, welche Siege sie in der Vergangenheit gefeiert haben mochten. Tod in einem solch gewaltigen Ausmaß, dass Hunderte Männer dalagen und verwesten, wirkte selbst auf die Veteranen ernüchternd.

«Wir nehmen die mit, die wir auf dem Schlachtfeld gefunden haben, und sorgen dafür, dass sie begraben werden. Ein paar Meilen von hier war ein Kloster am Weg», sagte Blackstone.

John Jacob nickte zur Bestätigung und ging, um die Anweisung auszuführen.

«Das war ein erbitterter Kampf, Thomas», bemerkte Killbere und warf ein blutverschmiertes Falchion von sich. «Gott selbst hat hier blutige Tränen geweint. Eine ganze Heerschar tapferer Männer liegt tot auf diesem Schlachtfeld. Und so mancher junge Ritter wurde aufgespießt, andere in Stücke gehackt und in Todesqualen liegen lassen. Es wundert mich, dass wir das Getöse nicht bis zu unserem Lager gehört haben.»

«Wären wir weniger als einen Tagesritt entfernt gewesen, dann hätten wir gar nicht anders gekonnt, als ihnen zu Hilfe zu kommen.»

«Ja, umso bedauerlicher, dass wir nicht zur Stelle waren. Bald werden die Wölfe und Wildschweine sich hier gütlich tun.»

«Wenn Beyard nicht hier ist, muss er in Gefangenschaft geraten sein.» Blackstone ließ den Blick über das von verrenkten Leichen übersäte Gelände wandern. Von hier bis zur Brücke von Vernon war es zu Pferde nur eine Stunde. De Grailly war noch einen halben Tagesritt von Paris entfernt gewesen. So nah dran.

«Sir Thomas!», rief Meulon. Er hatte weitergesucht und deutete nun in die Ferne. Jenseits der hölzernen Brücke kamen zwischen den Bäumen Reiter zum Vorschein. Sie machten keine Anstalten, sich zu nähern, sondern beobachteten einfach Blackstones Männer. Es bestand kaum Zweifel daran, dass noch mehr außer Sicht warteten.

«Gilbert, mache die Männer bereit», sagte Blackstone und bestieg das Bastardpferd.

«Wo in Gottes Namen willst du hin?»

«Herausfinden, wo de Grailly und Beyard festgehalten werden.»

John Jacob ritt an seine Seite.

«Ich bezweifle, dass sie in der Stimmung für ein Gespräch sind, Thomas», wandte Killbere ein.

«Dann mache dich auf eine Auseinandersetzung gefasst», entgegnete Blackstone und ritt mit seinem Knappen davon.