Leichengrund - Emelie Schepp - E-Book

Leichengrund E-Book

Emelie Schepp

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Beschreibung

Ein Fluss voller Leichen, ein schweigsamer Mörder und eine Anwältin, die mit allen Wassern gewaschen ist ... Ein neuer Fall für Jana Berzelius.

Es regnet an dem Tag, an dem sich ein brutaler Mord im schwedischen Norrköping ereignet. Die Leiche einer Frau wird im Fluss gefunden – ihre Beine wurden zusammengenäht. Kurze Zeit später taucht eine zweite »Meerjungfrau« auf, und die Polizei weiß nun, dass sie es mit einem Serienkiller zu tun hat. Als eine weitere Frau vermisst wird, drängt die Zeit. Die eigenwillige Staatsanwältin Jana Berzelius ist die Einzige, die eine Verbindung zum Fall des Mörders Simon Norell sieht. Doch dieser schweigt beharrlich, seit er seine Familie umgebracht hat. Erst wenn Jana Simon erneut zum Sprechen bringt, wird sie den Mörder aufhalten können – doch dazu benötigt sie die Hilfe ihres schlimmsten Feindes ...

Alle Bücher der Jana-Berzelius-Reihe:
Nebelkind
Weißer Schlaf
Engelsschuld
Im Namen des Sohnes
Leichengrund

Die Fälle von Jana Berzelius können einzeln gelesen werden.

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Buch

Es regnet an dem Tag, an dem sich ein brutaler Mord im schwedischen Norrköping ereignet. Die Leiche einer Frau wird im Fluss gefunden – ihre Beine wurden zusammengenäht. Kurze Zeit später taucht eine zweite »Meerjungfrau« auf, und die Polizei weiß, dass sie es mit einem Serienkiller zu tun hat. Als eine weitere Frau vermisst wird, drängt die Zeit. Die eigenwillige Staatsanwältin Jana Berzelius ist die Einzige, die eine Verbindung zum Fall des Mörders Simon Norell sieht. Doch dieser schweigt beharrlich, seit er seine Familie umgebracht hat. Erst wenn Jana Simon erneut zum Sprechen bringt, wird sie den Mörder aufhalten können – doch dazu benötigt sie die Hilfe ihres schlimmsten Feindes …

Autorin

Emelie Schepp, geboren 1979, wuchs im schwedischen Motala auf. Sie arbeitete als Projektleiterin in der Werbung, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Nach einem preisgekrönten Theaterstück und zwei Drehbüchern verfasste sie ihren ersten Roman: Der zuerst nur im Selbstverlag erschienene Thriller »Nebelkind« wurde in Schweden ein Bestsellerphänomen und erscheint mittlerweile als Übersetzung in 30 Ländern; die Jana-Berzelius-Serie hat sich weltweit über eine Million Mal verkauft. 2016, 2017 und 2018 wurde Schepp mit dem renommierten CrimeTime Specsaver’s Reader’s Choice Award ausgezeichnet und damit bereits dreimal zur besten Spannungsautorin Schwedens gekürt.

Von Emelie Schepp bereits erschienen

Nebelkind

Weißer Schlaf

Engelsschuld

Im Namen des Sohnes

Leichengrund

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EMELIE SCHEPP

Leichengrund

THRILLER

Deutsch von Annika Krumacher

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel »Broder Jakob« bei HarperCollins Nordic, Sweden.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright der Originalausgabe © Emelie Schepp 2019

Published by arrangement with Nordin Agency AB, Sweden.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2020 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Sabine Thiele

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotiv: Paul Moore/Arcangel Images

BL · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

ISBN 978-3-641-25625-8V001

www.blanvalet.de

Für Linn

Das Tosen des Flusses war deutlich zu hören, als ich die verlassene Maschinenhalle betrat. Mit der Tasche über der Schulter ging ich auf die weißen und grauen Rohre zu, hinter denen sich der Eingang zu einem langen, schmalen Tunnel verbarg. Ich folgte ihm, bis er sich verzweigte. Es gab noch andere Tunnel und andere Verstecke, aber am besten war das, wohin ich gerade unterwegs war.

Ich hielt die Tasche fester, bog nach rechts ab und ging schneller. Als ich die Türöffnung vor mir erahnte, packte mich freudige Erregung. Ich lief die steile Metalltreppe hinunter und schaltete die batteriebetriebenen Lampen an, die ich auf den Fußboden des kahlen Betonraums gestellt hatte. Das bläulich graue Licht war schwach, aber ausreichend, um die Frau zu sehen, die in dem riesigen Wassertank schwebte.

Die Vorderseite des Tanks war aus Glas, die Abdeckung und die anderen Seiten aus Stahl.

Ohne die Frau aus den Augen zu lassen, stellte ich vorsichtig die Tasche ab, überquerte den feuchten Fußboden und drückte die Hände an die Scheibe. Dann stand ich eine Weile da und betrachtete sie voller Bewunderung, das bleiche Gesicht, die ausgestreckten Arme und das Haar, das ihren Kopf umwogte.

Sie sah mich mit einer Art Verwunderung im Blick an, als hätte sie erst jetzt gemerkt, wer ich eigentlich war.

Sie hatte früher aufgegeben, als ich gedacht hatte. Noch hing an der oberen Abdeckung eine Luftblase, doch immer mehr Wasser wurde aus dem Rohr von oben in den Tank gepumpt.

Ich ging zu dem rostigen Handrad und setzte es mit einiger Anstrengung in Bewegung, um die Wasserzufuhr zu drosseln. Stille senkte sich über den Raum.

Der rote Knopf befand sich an der Wand unterhalb der Treppe. Ich drückte ihn und spürte, wie der Boden im selben Moment zu vibrieren begann, in dem das Wasser abgelassen wurde.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich die wasserdichte Tür aufschließen und mich zur Frau in den Tank begeben konnte. Ich konnte sie nicht tragen, sie war viel zu schwer. Also musste ich sie ans andere Ende des Raums schleifen, wo der Tisch stand.

Mit aller Kraft hievte ich die Leiche auf die raue und fleckige Tischplatte. Ich zog sie aus, legte sie zurecht und strich ihr das nasse Haar aus dem Gesicht.

Der Schweiß lief mir den Hals hinunter, als ich ihre Beine spreizte und ihr Geschlecht begutachtete. Dies war der Moment, dem ich am meisten entgegengefiebert hatte, und mein Puls beschleunigte sich, während ich den Rasierer aus der Tasche zog. Mit sorgfältigen Bewegungen begann ich den dunklen Haarbusch zu entfernen.

Als ich fertig war, holte ich das Skalpell hervor.

Weich glitt die Klinge durch die Haut in der Leistengegend, sie durchschnitt Gewebe und Hautschichten. Blut strömte aus der Wunde, lief auf den Tisch und auf den Boden.

Langsam führte ich die Klinge innen am Oberschenkel weiter, am Knie entlang bis hinunter zum Knöchel.

MONTAG

1

Es war still geworden im Gesprächsraum der Klinik für Forensische Psychiatrie in Vadstena. Nur der Regen war zu hören, der unablässig ans Fenster prasselte.

Danilo Peña und die anderen Patienten saßen müde auf ihren Stühlen, die im Kreis aufgestellt waren. Er ließ den Blick durch die Runde schweifen, ehe er sich wieder an Annie Rosvall wandte. Die rothaarige Psychologin hatte die Beine übereinandergeschlagen. Der Rock ging ihr bis knapp unters Knie, und die Bluse spannte über dem Busen. Ihr Gesicht war niedlich, und sie betrachtete ihn eindringlich, als suchte sie nach etwas in seinem Inneren.

»Sie waren also sieben Jahre alt, als Ihre Eltern starben?«, fragte sie, um ihn zum Erzählen zu ermutigen.

»Ja«, antwortete er und verfluchte, dass diese Therapiestunde so früh am Tag anberaumt war.

Er hasste alles, was mit Gruppentherapie zu tun hatte, und es war die reinste Tortur, vor acht Uhr morgens Fragen über sein Leben beantworten zu müssen.

»Was ist passiert?«, fragte sie.

»Habe ich das nicht schon erzählt?«

»Sie haben kaum etwas erzählt, seit Sie hergekommen sind.«

»Das stimmt!«, mischte sich die Frau ein, die rechts neben Danilo saß. »Jetzt sag schon, was ist eigentlich genau passiert?«

Sophie Engman war fünfundzwanzig Jahre alt, der Bauch hing ihr über die Hose, und ihr blondiertes Haar erinnerte an Zuckerwatte. Danilo wusste, dass sie in die Klinik eingewiesen worden war, weil sie in den Heimen, wo sie den größten Teil ihres bisherigen Lebens verbracht hatte, mehrere Selbstmordversuche unternommen hatte. Das letzte Mal hatte sie das Gebäude angezündet, wobei zwei Mitarbeiter bleibende Schäden davongetragen hatten.

Er seufzte.

»Es war ein … Unfall, könnte man sagen.«

Danilo wollte auf keinen Fall die Wahrheit preisgeben – dass seine Eltern vor seinen Augen erschossen worden waren.

Er hatte sich zusammen mit ihnen und mehreren anderen Familien in einem Container versteckt. Sie waren auf dem Atlantik in Richtung Schweden unterwegs gewesen, weil sie von einem besseren Leben geträumt hatten. Doch es wurde viel schlimmer.

Drei Männer warteten auf sie, als das Schiff anlegte, und töteten alle Passagiere – bis auf sieben Kinder, die ausgewählt und auf eine Insel gebracht wurden, weit vor der Küste bei Norrköping. Dort waren er und die anderen zu Killern ausgebildet worden, um ein Drogensyndikat zu schützen. Sie hatten Kampftechniken und den Umgang mit Waffen gelernt. Und sie hatten neue Namen erhalten. Namen, die in ihre Haut eingeritzt worden waren, um sie daran zu erinnern, wer sie von nun an waren und für immer bleiben würden.

Er trug in seinem Nacken den Namen des Totengottes Hades. Danilo verzichtete darauf, die Stelle zu verstecken. Es war ihm vollkommen gleichgültig, was ihm als Kind widerfahren war. Er hatte all das hinter sich gelassen und ließ die Dummköpfe abblitzen, die neugierig nach der Bedeutung des Namens fragten.

»Und das war also der Zeitpunkt, als Sie …« Annie Rosvall schaute in ihre Unterlagen. »… als Sie in eine Pflegefamilie kamen?«

»Dürfte hinkommen, ja«, sagte er und starrte in den regenschweren grauen Himmel vor dem Fenster.

»Gab es dort auch andere Kinder?«

»Anfangs ja, aber am Ende waren nur noch sie und ich übrig«, antwortete er und begegnete wieder ihrem Blick.

»Das heißt, du hast eine Schwester?«, fragte der Mann, der Danilo gegenübersaß.

Die meisten Patienten wurden unter der Einnahme von Psychopharmaka übergewichtig, doch Nils Andersson bildete eine Ausnahme. Er war extrem mager, und seine dünnen Hände zitterten. Der sonst so zurückhaltende Mann hatte Stimmen gehört und seine Mutter aufgeschlitzt, um die Uhr zum Schweigen zu bringen, die in ihrem Bauch tickte. Seine Schizophrenie war inzwischen unter Kontrolle, und in einigen Tagen würde er in die ambulante Nachsorge entlassen werden.

»Wir sind keine Geschwister«, zischte Danilo.

»Ach so, natürlich, ich bitte um Verzeihung«, sagte Nils. Nervös lächelte er den vierten Patienten in ihrer Gruppe an, Simon Norell, der schweigend neben ihm saß, mit hängender Unterlippe und den groben Fäusten auf den Knien.

»Aber Sie sind mit ihr aufgewachsen, oder?«, hakte Annie Rosvall nach und legte den Kopf schräg.

Danilo streckte den Rücken.

»Das schon, aber wir haben gar nichts gemeinsam«, erwiderte er.

»Haben Sie noch Kontakt mit ihr?«

»Ich habe mit niemandem aus meiner Jugendzeit Kontakt.«

»Wie heißt sie? Wollen Sie uns das erzählen?«

Danilo schüttelte den Kopf. Er wollte ihren Namen nicht nennen – Jana Berzelius. Und er würde weder der Psychologin noch einem seiner Mitpatienten sagen, dass auch in ihrem Nacken ein Name stand: Ker. Die Göttin des Todes. Im Gegensatz zu ihm tat sie alles, um die Narbe zu verbergen. Wirklich alles. Was für ihn durchaus praktisch war.

Sie waren die einzigen Kinder, die die Zeit auf der Insel überlebt hatten. Zusammen hatten sie beschlossen zu fliehen, doch dann hatten sie sich auf der Flucht aus den Augen verloren. Jana hatte einen Unfall erlitten, und als sie im Krankenhaus aufwachte, wusste sie nicht mehr, wer sie war, was der Name in ihrem Nacken bedeutete oder was sie erlebt hatte. Kurz darauf war sie von dem früheren Reichsstaatsanwalt Karl Berzelius adoptiert worden. Später war sie in seine Fußstapfen getreten und selbst Staatsanwältin geworden.

Doch irgendwann hatten diese nächtlichen Albträume begonnen. Erinnerungsbruchstücke waren zurückgekehrt, und sie wollte wissen, wer sie vor ihrer Adoption gewesen war. Eines Tages hatte sie in Danilos Wohnung gestanden, mit ihren perfekten glatten Haaren, ihrem teuren Mantel und ihren Fragen.

Bei diesem Gedanken musste er grinsen. Ihr gesamtes Erscheinungsbild spiegelte ein Leben wider, an dem er nie hatte teilhaben dürfen. Sie hatte alles auf dem Silbertablett serviert bekommen, während er selbst der Gewalt treu geblieben war. Er hatte keine Ahnung, wie viele Menschen er im Lauf der Jahre ins Jenseits befördert hatte.

»Woran denken Sie gerade?«, fragte Annie Rosvall.

»An gar nichts«, erwiderte er knapp.

»Na gut«, meinte sie, und ihr intensiver Blick erlosch.

Er wusste, was sie wollte. Antworten, Beschreibungen und Erklärungen. Es war so einfach. Aber es gab nichts zu sagen. Er dachte nie zurück. Er hatte seine Gefühle abgeschaltet, sobald er den Fuß auf diese Insel gesetzt hatte.

»Aber an irgendwas musst du doch denken«, sagte Sophie genervt.

»Sophie, bitte«, ermahnte Annie Rosvall sie seufzend.

»Aber das macht Danilo immer.«

»Was mache ich?«, fragte er wütend.

»Du windest dich raus. Jedes verdammte Mal.«

»Woher willst du das wissen?«, entgegnete Danilo und ballte eine Hand zur Faust.

Sophie verdrehte die Augen.

»Du fühlst nichts, hast keine Meinung, denkst nie an irgendwas …«

»Halt die Fresse!«, knurrte Danilo, und Nils zuckte zusammen.

»Okay, okay«, unterbrach die Psychologin. »Jetzt halten alle bitte inne und atmen ein paar Mal tief durch.«

»Warum?«, fragte Sophie.

»Damit wir Kraft schöpfen, um weiterzumachen. Und noch etwas, Sophie. Bis wir fertig sind, stelle nur ich hier die Fragen, niemand sonst.«

Charles Olsson raste auf seinem schwarzen Mountainbike durch den eiskalten Regen. Er brauchte nur wenige Minuten bis zum Bau, der direkt neben dem Motala ström lag – dem Fluss, der durch Norrköping verlief und von allen nur Strömmen genannt wurde.

Er hatte keine Ahnung, was der verlassene Raum früher einmal gewesen sein mochte. Er wusste nur, dass dort Zigaretten und Hochprozentiges aufbewahrt wurden und dass man ihn Bau nannte, weil er unter der Erde lag, genau wie ein Kaninchenbau.

Kevin war schon da. Zumindest ging Charles davon aus, denn das blaue Rad seines Klassenkameraden lag im nassen Gras neben den Büschen, die den Eingang fast vollständig verdeckten. Kevin war ebenfalls vierzehn Jahre alt, aber mindestens zehn Zentimeter größer und zehn Kilo schwerer. Mit seinen harten Fäusten verschaffte er sich Respekt auf dem Schulhof. Charles tat alles, um nicht fertiggemacht zu werden, und deshalb konnte er auch nichts anderes als Ja sagen, als Kevin anrief und ihn fragte, ob er ihm dabei behilflich sein könne, neue Zigaretten zu holen.

Er warf sein Rad neben das von Kevin, schob die Büsche vor dem Eingang des Baus zur Seite und rief in den dunklen Abgrund hinab:

»Hallo?«

Das Echo warf seine Stimme zurück.

Widerwillig nahm er den nassen Rucksack ab, ließ ihn in die Öffnung fallen und kletterte die Eisenleiter hinunter.

Ein muffiger Geruch nach Feuchtigkeit und Dreck schlug ihm entgegen. Es war seltsam still hier unten, nur das Rauschen vom Fluss war zu hören. Und es war verdammt dunkel.

»Kevin?«, rief er.

Wieder das Echo. Aber seine Stimme klang jetzt anders. Er hatte Angst. Angst vor der Dunkelheit.

Nervös zog er sein Handy heraus und ließ den Lichtkegel der Taschenlampe über Wände und Boden des unterirdischen Gangs wandern. Was erwartete er eigentlich hier unten? Vampire? Gespenster?

Er schüttelte über sich selbst den Kopf, griff nach seinem Rucksack und ging los. Erst jetzt sah er die offene Tür am Ende des Gangs.

Ob Kevin dort war? Und wenn ja, warum antwortete er nicht?

Als er zur Türöffnung kam, hielt er das Handy hoch und leuchtete in den Raum hinein. Er war leer. Plötzlich fiel ihm ein, dass sich jemand anders im Bau befinden könnte. Ein Fremder.

Charles wurde eiskalt. Sobald er die Zigaretten gefunden hatte, würde er diesen unheimlichen Ort verlassen.

Er entdeckte eine rostige Pfefferkuchendose auf dem Boden an der Wand, sank auf die Knie und begann darin zu wühlen.

Ein Feuerzeug, eine Schere und …

Da. Ein leises Geräusch hinter ihm.

Er hielt inne. Seine Nackenhaare sträubten sich.

Langsam drehte er sich zur Türöffnung und blickte auf. Er schrie, als er ein Gesicht mit weit aufgerissenen Augen sah.

»Mann, hast du mich erschreckt!«, rief er.

Kevin grinste ihn an und entblößte dabei seine schiefen Zähne.

»Das war doch Sinn der Sache«, sagte er. »Warum sitzt du auf dem Boden herum?«

»Ich suche die Zigaretten.«

»Du hast doch nicht etwa geglaubt, dass sie in der Dose liegen? Da findet sie doch jeder. Ich verstecke sie immer oben auf einem Rohr an der Decke. Komm jetzt.«

Charles atmete erleichtert aus, als sie die Eisenleiter hochkletterten und wieder ins Freie gelangten. Während er sein nasses Fahrrad aufrichtete, beschloss er, dass dies das letzte Mal gewesen war. Er würde nie wieder in den Bau hinuntergehen.

Nur das regelmäßige Surren der Speichen war zu hören, als sie ihre Räder den Abhang hinunterschoben, auf den Strömmen zu. Sie kamen an der Dragsbron vorbei und ins ehemalige Industriegelände.

Bei den Überresten des niedergebrannten Restaurants Kopparhammaren bogen sie zum Wasser hin ab. Direkt am Ufer ließ Kevin sein Fahrrad fallen und zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Er klopfte zwei Kippen heraus und reichte Charles eine davon.

»Hier«, sagte er. »Und danke für die Hilfe.«

»Ich habe doch gar nichts gemacht«, entgegnete Charles und führte mit zitternden Fingern die Zigarette zum Mund. Er mochte nicht zugeben, dass er noch nie geraucht hatte.

»Ich weiß.« Kevin zündete ihm die Zigarette an. »Aber ich rechne damit, dass du mir künftig helfen wirst.«

»Wann denn?«, wollte Charles wissen.

»Wenn du anfängst, für mich zu dealen.«

Charles wusste, dass er eine gewisse Freude über den Auftrag empfinden sollte, aber das tat er nicht. Stattdessen machte er einen viel zu tiefen Lungenzug. Ihm wurde speiübel. Sofort ließ er das Rad los und lehnte sich über die Wasserkante.

Während er hustend und würgend dastand, entdeckte er etwas Seltsames. Einige Meter von ihm entfernt schwamm ein heller Ball auf der Wasseroberfläche.

Nein, kein Ball, dachte Charles und kniff die Augen zusammen.

»Was hast du denn?«, fragte Kevin hinter ihm.

Aber Charles antwortete nicht, sondern starrte unverwandt auf das Runde im Wasser.

Jetzt war er sich ganz sicher.

Es war kein Ball. Sondern ein Kopf.

Eilig ging Jana Berzelius die Treppen zur Staatsanwaltschaft hinauf, die im siebten Stockwerk eines hellbraunen Bürogebäudes im Zentrum von Norrköping untergebracht war. Die dunklen Haare fielen ihr auf die Schultern, und in der Hand hielt sie eine schwere schwarze Lederaktentasche.

Als sie zum Treppenabsatz des zweiten Stockwerks kam, entdeckte sie einen blonden Mann in enger Hose und grüner Sportjacke, der mit dem Rücken zu ihr stand. Sie hielt abrupt inne.

War das Per?

Der Mann drehte sich um. Janas Schultern sanken herab, als ihr klar wurde, dass es nicht Per war, sondern ein Fahrradkurier, der vor einem Buchhaltungsbüro auf Einlass wartete.

Erleichtert lächelte er sie an.

»Wollen Sie auch hier rein?«, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf und hörte, wie der Fahrradbote vor sich hin schimpfte, während er die Treppen wieder hinunterlief.

Langsam ging sie weiter nach oben und dachte dabei an Per. Der ehemalige Staatsanwalt war bislang der einzige Mann gewesen, mit dem sie sich öfter getroffen und den sie wirklich gemocht hatte. Sie hatten sich auch außerhalb der Arbeit gesehen, miteinander zu Abend gegessen und sich unterhalten. Langsam, aber sicher hatte er sie dazu gebracht, sich zu öffnen und Veränderungen in ihrem etwas eingefahrenen Leben zuzulassen. Sie hatte sogar seinen Lieblingssport ausprobiert, Tennis.

Aber vor acht Monaten hatte er ihr die Freundschaft gekündigt, und da Jana wusste, dass es ihre Schuld war, grübelte sie immer wieder darüber nach, wie es dazu gekommen war.

Damals hatte Per die Staatsanwaltschaft verlassen, zugunsten einer Stelle in einer der besten Rechtsanwaltskanzleien der Stadt. Am Landgericht hatte sie ihn mehrmals aus der Ferne gesehen, und auch ihm war vermutlich nicht entgangen, dass sie da war, aber sie hatten kein Wort gewechselt, ja, sie hatten einander nicht einmal gegrüßt.

Jana hatte ihr gesamtes Berufsleben in der Staatsanwaltschaft verbracht. Es war für sie selbstverständlich gewesen, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, und er hätte es nie akzeptiert, wenn sie einen anderen Beruf gewählt hätte. Während sie nun die Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft betrat, dachte sie, dass ihr die Arbeit tatsächlich noch immer gefiel, obwohl sie die Entscheidung für ihren beruflichen Werdegang nicht selbst getroffen hatte.

»Jana?«

Sie hob den Blick und sah ein Stück entfernt auf dem Flur ihren Chef stehen, der heute einen dunkelgrauen Anzug trug.

»Ich müsste mal mit dir reden«, sagte Torsten Granath mit ernstem Blick.

»Worüber?«

»Das besprechen wir am besten in meinem Zimmer.«

»Gibst du mir eine Minute, damit ich meinen Mantel aufhängen kann?«, fragte sie.

»Du bekommst zwanzig«, antwortete er.

Kriminalkommissar Henrik Levin hielt die heiße Kaffeetasse mit beiden Händen umfasst und sah aus dem verregneten Küchenfenster seines Hauses in Smedby. Draußen fuhren Autos vorbei, deren Insassen vermutlich unterwegs in die Schule oder zur Arbeit waren. Sie wirkten gestresst, und ihre Gesichter waren so finster wie das Aprilwetter, fand Henrik und wandte sich seinem Sohn Vilgot zu, der im Hochstuhl saß und mit einem Butterbrot kämpfte.

Er hörte, wie Felix und Vilma sich an der Treppe stritten, wer als Erster unten angekommen war. Während er ihnen zurief, dass sie sich bitte wieder vertragen sollten, kippte Vilgot seine Milch auf den Küchenfußboden. Das Gesicht des Kleinen leuchtete auf, und er schob glücklich das halb aufgegessene Brot durch die weiße Pfütze, die sich auf dem Tablett seines Stuhls ausbreitete.

Mit einem Seufzer stellte Henrik die Kaffeetasse ab, riss einige Papiere von der Küchenrolle ab und wischte die Milch auf.

»Könntest du Vilgot heute in die Kita bringen? Dann fahre ich Felix und Vilma zur Schule.«

Emma war in die Küche gekommen, um das übrig gebliebene Abendessen von gestern für die Mittagspause mitzunehmen. Nach über einem Jahr Elternzeit mit Vilgot hatte sie wieder angefangen zu arbeiten. Sie trug eine schwarze Hose und eine Strickjacke, hatte sich geschminkt und die Haare hochgesteckt. Henrik gefiel es, sie wieder in ihrer Rolle als professionelle Schulpsychologin zu sehen.

»Natürlich«, antwortete er.

»Ich weiß noch gar nicht, wie du das Holen und Bringen organisieren willst, wenn ich auf der Konferenz bin«, sagte sie und nahm die Tupperdose mit dem Essen aus dem Kühlschrank.

»Du bist doch nur zwei Nächte weg. Denk jetzt nicht daran. Ich finde schon eine Lösung. Wann fährst du am Mittwoch?«

»Der Zug geht um zwei Uhr nachmittags.«

»Ich kann dich hinbringen.«

Emma lächelte. »Weißt du, wir werden den ganzen Tag stillsitzen, da wäre es ganz schön, zu Fuß zum Bahnhof zu gehen.«

Sie stellte die Tupperdose ab, umfasste Henriks Nacken und drückte ihre Lippen auf seine. »Ich werde dich vermissen.«

Er flüsterte zurück: »Ich werde dich auch vermissen.«

Rasch strich sie mit der Hand über seine Schulter, wo eine Narbe an die Ereignisse auf der Baustelle am Ljurafältet letzten Herbst erinnerte. Man hatte auf ihn geschossen, als er einen entführten Jungen retten wollte, und er mochte gar nicht daran denken, was hätte passieren können, wenn die Kugel ihn stattdessen in die Brust getroffen hätte.

Kurz darauf hatte er mit seiner Familie eine Reise nach Thailand gemacht. Dabei hatte er festgestellt, dass er die Arbeit auch mal aus dem Kopf verbannen konnte. Er hatte die Tage damit verbracht, zu baden, gut zu essen und abends, wenn die Kinder schliefen, mit Emma Liebe zu machen.

Er lächelte, als er daran dachte, wie gut sie es miteinander hatten und wie glücklich sie waren. Da war nur noch der Fall mit dieser Frau, deren Leiche man vor zwei Tagen im Strömmen gefunden hatte, redete er sich ein. Danach würde er aber ganz bestimmt die Arbeitszeit reduzieren und der Familie mehr Platz in seinem Leben einräumen. Mittlerweile war er über vierzig, und er hatte Emma schon viel zu oft versprochen, etwas zu verändern.

Er strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, ehe er fragte: »Was wünschst du dir zum Geburtstag?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich hatte noch gar keine Zeit, darüber nachzudenken.«

»Aber es sind nicht mal mehr zwei Wochen bis zu deinem Neununddreißigsten. Gib mir wenigstens einen Tipp, was ich kaufen soll.«

»Du musst mir doch nichts kaufen. Ich freue mich noch immer über das Armband, das du mir letztes Jahr geschenkt hast.« Sie zupfte an dem silbernen Armband, das sie am Handgelenk trug. »Es reicht, wenn wir an meinem Geburtstag alle zusammen sind, okay?«

»Okay.« Er nickte.

»Jetzt muss ich mich beeilen. Das Meeting mit den Sozialpädagogen beginnt gleich, und mein Chef mag es sicher nicht, wenn ich zu spät komme«, sagte sie und suchte unter der Spüle nach einer Tüte für ihre Tupperdose.

Henrik ging zu Vilgot, der noch immer im Hochstuhl saß und mit seinem nassen Butterbrot spielte.

»Komm jetzt, mein Kleiner. Du darfst heute bei Papa mitfahren.«

Gerade als er seinen Sohn aus dem Stuhl hob, klingelte das Handy. Der Name des Ermittlungsleiters Gunnar Öhrn erschien auf dem Display, und Henrik klemmte sich das Gerät zwischen Ohr und Schulter.

»Wo steckst du?«, fragte Gunnar.

»Zu Hause.«

»Fahr zum Kopparhammaren, und zwar sofort.«

»Warum denn?«, fragte Henrik, während er Vilgot auf dem Arm balancierte und sich bemühte, das Telefon nicht fallen zu lassen. »Was ist los?«

»Wir haben eine Meldung reinbekommen, dass eine weitere Leiche im Strömmen gefunden wurde.«

Der Blick, mit dem er Emma bedachte, war offenbar so vielsagend, dass sie ihm seufzend Vilgot abnahm.

»Komm, mein Schatz. Du darfst heute mit Mama zur Kita fahren.«

2

»Können Sie jetzt weiterreden? Was meinen Sie?«

Statt der Psychologin zu antworten, betrachtete Danilo seine Mitpatienten Nils, Simon und Sophie, die immer noch mit ihm im Gesprächsraum der Klinik saßen. Dieser Therapiekram dauerte ihm viel zu lang. Klar, er hatte kein Problem damit, Zeit mit Annie Rosvall zu verbringen, sie war eine echte Schönheit. Zumindest im Vergleich zu den anderen Frauen hier. Die vollen Lippen, der intensive Blick, das rote Haar und ihre Figur … Er hätte nichts dagegen, die Rundungen unter ihrer Kleidung zu erforschen, den straffen Körper mit den festen Brüsten.

Ihr Lächeln hingegen gefiel ihm gar nicht. Sie lächelte ihn warmherzig und klug an, als sei es ihr ein echtes Anliegen, ihn zu verstehen. Er fragte sich, ob sie das wirklich wollte. Denn hätte sie nur eine Minute in seinem Kopf zugebracht und von allen Morden erfahren, die er begangen hatte – was zum Teufel hätte sie dann gesagt?

»Sie haben früher mal erwähnt, dass Sie als Kind mit allerlei Gewalt konfrontiert waren«, sagte Annie Rosvall. »Wollen Sie uns von Ihrem ersten Erlebnis erzählen?«

»Über Gewalt weiß ich einiges«, antwortete er, »aber ich habe keine Lust, darüber zu reden.«

Sophie gab ein abfälliges Schnauben von sich, doch die Psychologin ignorierte es.

»Warum nicht?«, fragte Annie Rosvall.

»Ich habe wohl einfach nur einen schlechten Tag«, meinte Danilo, »genau wie Simon.«

Der große Mann blickte verwirrt auf und hob die Hand, als wollte er sich in die Armbeuge kneifen, aber hielt dann mitten in der Bewegung inne. Danilo hatte ihn schon oft dabei beobachtet.

»Aber letztes Mal war Simon immerhin stark genug, um uns zu erzählen, wie schlecht sein Vater ihn behandelt hat«, wandte Sophie ein.

Simon kniff sich in die Armbeuge und nickte langsam, als würde er sich zurückerinnern.

»Mein Vater hat … Er hat immer wieder gesagt, dass ich in den Keller gehöre, und er hat … er hat mich geschlagen, weil ich nicht so war wie …«

»Wenn ich dich noch ein einziges Mal sagen höre, dass es deine Schuld war, dann kotze ich. Kapiert? Dann kotze ich, denn es war nicht deine Schuld«, keifte Sophie.

Danilo bekam Kopfschmerzen von dieser Stimme. Wenn Sophie sprach, klang es so, als würde jemand auf einer Schiefertafel herumkratzen. Aber er biss die Zähne zusammen und schwieg. Annie Rosvall warf Sophie nur einen enttäuschten Blick zu.

»Was denn?«, wehrte sich Sophie. »Er glaubt ja sogar, dass es seine Schuld war, dass er gehänselt und geschlagen wurde und dass die Lehrer nichts dagegen unternommen haben, und ich …«

»Und jetzt«, unterbrach Annie Rosvall sie, »beruhigen wir uns wieder. Ich gebe die Frage an Sie weiter, Nils.«

Die Augen des Mannes, der Danilo gegenübersaß, flackerten unruhig.

»Können Sie uns von Ihrem ersten Gewalterlebnis erzählen?«, bat die Psychologin.

»Muss ich?«

»Man tendiert dazu, Verhaltensmuster zu wiederholen, die man einmal gelernt hat. Wenn man als Kind Gewalt ausgesetzt war, kommt es häufig vor, dass man als Erwachsener gewalttätig wird.«

»Aber ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern«, erwiderte Nils und lächelte die Psychologin unsicher an.

»Aber ich weiß es noch«, meldete sich Sophie zu Wort. »Ich weiß ganz genau, was damals passiert ist.«

»Gut«, meinte Annie Rosvall und wandte sich an sie. »Wie alt waren Sie da?«

»Ich war etwa zehn Jahre alt, als ich zwei Kaninchen von meinem Vater geschenkt bekam. Er dachte, es wären zwei Männchen, bis das eine trächtig wurde. Das Weibchen brachte sechs Junge auf die Welt, aber offenbar hatte sie irgendwelche Probleme. Eines Morgens hatte sie ihren Jungen jedenfalls die Pfoten abgebissen, und die Kleinen lagen blutend und fiepend da. Mein Vater hat das Weibchen so fest gegen die Wand geschlagen, dass das Genick gebrochen ist, und dann hat er die Jungen in einen Beutel gesteckt und mich gezwungen, sie zu ertränken.«

Sophie verstummte und zupfte an den Ärmeln ihres Pullovers, als wollte sie die vielen Narben verbergen, die Rasierklingen und glühende Zigaretten hinterlassen hatten.

»Und diese Geschichte ist irgendwie in meinem Kopf hängen geblieben«, fügte sie hinzu.

»Denken Sie oft daran?«, wollte Annie Rosvall wissen.

»Ja«, antwortete Sophie, »aber es ist das erste Mal, dass ich …«

»Dass Sie darüber sprechen?«

»In einer Gruppe zumindest.«

»Und wie fühlt es sich an?«

»Ehrlich gesagt fällt es mir ziemlich schwer …«

»Das ist mir klar«, entgegnete Annie Rosvall. »Und mir ist natürlich auch klar, in was für eine Situation ich Sie gebracht habe. Die Idee, auf dieser Station eine Gruppentherapie anzubieten, ist völlig neu und ziemlich kühn. Und ich weiß auch nicht, ob die Zeit, die wir gemeinsam investieren, zu den Ergebnissen führen wird, die mir vorschweben, aber ich will der Sache eine Chance geben. Sie alle tragen etwas mit sich herum, was herausmuss, und ich halte es für wichtig, dass Sie Ihre innersten Gefühle mit anderen teilen.«

»Aber hauptsächlich erzähle nur ich«, beschwerte sich Sophie und zupfte wieder an ihren Pulloverärmeln.

»Das weiß ich, aber ich werde Ihnen allen eine Hausaufgabe mitgeben. Sie sollen morgen von einem Traum erzählen – vom Anfang bis zum Ende. Einverstanden?«

»Ich werde doch sowieso bald entlassen …«, wandte Nils ein.

»Das ist mir klar, aber selbst wenn Sie in den zwölf Jahren Ihres Aufenthaltes große Fortschritte gemacht haben, sollten Sie auch in Zukunft üben, anderen von Ihnen und Ihren Gefühlen zu erzählen.«

»Natürlich, ich verstehe«, sagte er.

»Simon?«

Er nickte zur Antwort.

»Gut, und Sie, Sophie?«

»Für mich ist es okay. Aber Danilo muss auch mitmachen, sonst können wir die Sache ja gleich lassen, oder? Was meint ihr dazu, Nils und Simon?«

Danilo sah, wie sich die Blicke der anderen auf ihn richteten, und begriff, dass er keine andere Wahl hatte. »Ich bin dabei.«

»Mach bitte die Tür hinter dir zu«, sagte Torsten, ohne sich zu ihr umzudrehen.

Jana betrat das Zimmer ihres Chefs, das ganz hinten im Flur der Staatsanwaltschaft lag. Der große Raum wurde von einem enormen Schreibtisch dominiert. An den Wänden hingen auffällig viele Fotos von seiner Frau, den drei Kindern und mehreren Enkeln.

Der grauhaarige Mann stand mit den Händen auf dem Rücken vor den hohen Fenstern, von denen aus man auf die Drottninggatan mit ihren Geschäften blickte. Er hatte nur noch wenige Jahre bis zur Pensionierung und versuchte, bis dahin seine Motivation aufrechtzuerhalten, aber Jana wusste, dass er im Grunde von seiner Arbeit genug hatte und immer mehr Zeit auf dem Golfplatz verbrachte.

»Scheußliches Wetter«, bemerkte er.

»Jetzt sag schon, warum ich hier bin«, erwiderte Jana knapp.

Er drehte sich um und lächelte sie an wie Eltern einen trotzigen Teenager. Vermutlich amüsierte es ihn, dass sie kein Interesse an Smalltalk hatte, sondern gleich zur Sache kam.

»Gut«, sagte er und setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl. »Einer deiner Angeklagten hat eine vorzeitige Entlassung beantragt.«

»Das kommt vor.«

»Ja, aber es ist das erste Mal, dass dieser Angeklagte es tut.«

Sie runzelte die Stirn.

»Von wem sprechen wir denn?«

»Von Danilo Peña.«

Jana dachte an den Mann, der mehrmals in ihr Leben getreten und wieder daraus verschwunden war. Der alles zerstört hatte. Und in ihr flammte das Verlangen auf, ihn zu töten.

»Das Gericht hat seine Unterbringung in der Forensischen Psychiatrie angeordnet. Eine vorzeitige Entlassung setzt eine besondere diesbezügliche Prüfung voraus«, sagte sie und hoffte, dass man von außen nicht sehen konnte, wie heftig ihr Herz plötzlich pochte.

»Ja, das stimmt.« Torsten beugte sich über den Schreibtisch, und das dunkelgraue Sakko spannte am Rücken. »Wir hatten bisher keine Gelegenheit, darüber zu sprechen, aber findest du es nicht seltsam, dass er nicht zu einer Haftstrafe verurteilt wurde?«

Etwas in seinem Tonfall alarmierte Jana.

»Danilo Peña hat bereits Berufung gegen das Gerichtsurteil eingelegt, doch sie wurde in allen Instanzen abgelehnt«, erwiderte sie möglichst neutral.

»Ja, und er gibt nicht auf. Also muss jetzt das Verwaltungsgericht entscheiden, ob Peña vorzeitig aus dem Maßregelvollzug entlassen wird oder nicht. Als zuständige Staatsanwältin musst du ein Gutachten abgeben, in dem du seinem Antrag entweder stattgibst oder ihn ablehnst.«

»Was gibt es denn da noch zu sagen? Wenn er schon in allen Instanzen …«

»Jana«, unterbrach Torsten sie und lehnte sich zurück. »Du musst dich nicht rechtfertigen.«

Sie senkte den Blick.

»Das ist zwar nicht mein Fall«, fuhr Torsten fort, »aber ich weiß, dass der Prozess gegen Peña ziemlich turbulent verlaufen ist und dass sein Verhalten vor der Gerichtsverhandlung bei dir starke Emotionen ausgelöst hat.«

Jana schüttelte den Kopf.

»Danilo Peña und ich haben nichts miteinander zu schaffen.«

»Das habe ich auch nicht gedacht. Ich meinte nur, dass Per Åström von Peña bedroht wurde.«

Sie sah auf und schluckte.

»Ich habe Per ja gewarnt, aber er hat trotzdem die Forderung nach Objektivität ignoriert und den Prozess weitergeführt.«

»Jetzt rechtfertigst du dich schon wieder.« Torsten lächelte. »Ich weiß ja, dass es für dich schwer gewesen sein muss, aber ich wollte dir nur sagen, dass du richtig gehandelt hast, als du Per wegen Befangenheit angezeigt hast. Es ist nicht deine Schuld, dass er seine Stelle als Staatsanwalt aufgegeben hat. Das war sein eigener Entschluss.«

Jana wusste, dass das nicht der Wahrheit entsprach. Sie trug die Schuld daran, dass Per nicht mehr als Staatsanwalt tätig war. Wäre es nicht um Danilo gegangen, dann wäre das alles nie passiert. Sie wünschte, sie hätte es ihm erklären können, aber das war unmöglich. Dass sie und Danilo dieselbe blutige Vergangenheit teilten, konnte sie niemandem erzählen.

Danilo wusste, dass sie alles tun würde, um ihre gemeinsame Geschichte geheim zu halten. Er wusste auch, wie viel Per ihr bedeutete. Und er hatte dieses Wissen ausgenutzt, als er wegen organisierten Drogenschmuggels, Menschenraubs, versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung angeklagt wurde.

Per hatte den Prozess gegen ihn geführt. Danilo war klar gewesen, dass er zu einer langen Haftstrafe verurteilt werden würde. Und er hatte nachdrücklich versucht, Per zur Abgabe des Falles zu bewegen. Aber Per hatte Danilos Drohungen nicht ernst genommen. Ganz im Gegenteil – er hatte sie als persönliche Kränkung aufgefasst und war erst recht fest entschlossen gewesen, den Prozess gegen Danilo bis zum Ende durchzufechten und dafür zu sorgen, dass er eine harte Strafe bekam.

Aber Per wusste nicht, wozu Danilo in der Lage war.

Wie sollte er auch?

Keiner wusste es.

Keiner außer ihr.

Als Danilo angedroht hatte, Per zu töten, war Jana davon überzeugt gewesen, dass er es ernst meinte. Um Pers Leben zu retten, hatte sie ihn wegen Befangenheit angezeigt und selbst das Verfahren übernommen.

Per konnte ihr Verhalten nicht nachvollziehen, sondern hatte es als bitteren Verrat interpretiert, und es schmerzte sie, dass sie ihm nie die Wahrheit würde sagen können.

Das Ganze würde erst ein Ende haben, wenn sie sich an Danilo gerächt hatte. Er hatte ihr Leben zerstört. Und sie würde nicht zulassen, dass das noch einmal geschah. Nie wieder.

Torsten räusperte sich.

»Ich will darauf hinaus, dass es logischer wäre, wenn Danilo zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden wäre«, sagte er.

»Dafür habe ich ja auch plädiert.«

»Du hast für eine kurze Gefängnisstrafe plädiert, Jana. Viel zu kurz, wenn du mich fragst, und wenn ich an das Gerichtsverfahren zurückdenke, dann …«

Er verstummte und bedachte sie mit einem ernsten Blick.

»Es gab nichts, was ich hätte tun können, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen«, erklärte Jana.

Das Leder des Bürostuhls knarzte, als Torsten sich wieder zurücklehnte.

»Ich zweifle nicht an dir.«

»Woran dann?«

»Ich frage mich, ob das Urteil rechtens ist.«

Es hatte aufgehört zu regnen, doch es war noch immer ungemütlich. Die kalte Luft drang durch die verschlissene Regenjacke von Mia Bolander, die aufmerksam vor dem niedergebrannten Restaurant Kopparhammaren direkt am Flussufer stand.

Von hier aus konnte die zweiunddreißigjährige Kriminalobermeisterin das graugrüne Wasser des Strömmen sehen und hören, das am Bergsbrowehr hinabstürzte, ehe es durch die Stadt und hinaus in den Bråviken floss.

Auf beiden Seiten des Flusses lagen die für Norrköping so charakteristischen gelbverputzten alten Industriegebäude. Allerdings waren die Baumwollspinnerei und die Papierfabrik hinter den Fassaden längst durch Büros und Restaurants ersetzt worden.

Mia war sich der vielen Schaulustigen sehr wohl bewusst, die mit ihren Handys am Absperrband standen, das sie wohlweislich ein Stück vom Flussufer entfernt gezogen hatten. Die Journalisten riefen nach ihr, aber sie beachtete sie nicht weiter. Stattdessen wandte sie ihren Blick zum Fluss und beobachtete den Kopf, der an der Wasseroberfläche hin und her schaukelte.

Direkt daneben befand sich ein Boot der Wasserwacht, auf dem drei Taucher ihre Ausrüstung systematisch und übertrieben langsam überprüften. Am liebsten hätte Mia ihnen zugerufen, dass sie sich beeilen sollten, denn sie wusste, was das Wasser mit einer Leiche anstellte und wie mit jeder Minute ihre Möglichkeiten schwanden, brauchbare Spuren zu sichern.

Ungeduldig zog sie ihr Handy heraus. Nur zu gern hätte sie die Dating-App Tinder geöffnet, schämte sich dann aber. Wie um alles in der Welt konnte sie in diesem Moment an so etwas denken? Sie konnte doch nicht mit Antony chatten, wenn sie eine Leiche vor sich hatte. Später. Immer wieder machte sie sich das klar, und trotzdem stand sie jetzt mit dem Telefon in der Hand da.

»Bist du dir sicher, dass es sich um Frida Norberg handelt?«

Henrik war fröstelnd neben sie getreten. Er trug wie immer Jeans und eine blaue Daunenjacke. Sein Blick war nachdenklich, und Mia wurde bewusst, dass sie ihn fast nur so kannte: ernsthaft und verbissen, das Ermittlergehirn ständig im Einsatz.

»Sicher kann man ja nie sein, aber ich wäre schon verdammt erstaunt, wenn es nicht Frida Norberg wäre«, antwortete sie und steckte ihr Handy wieder ein.

Henrik nickte langsam. »Wer hat sie gefunden?«

»Ein vierzehnjähriger Schüler namens Charles Olsson«, sagte Mia, ohne das Boot aus den Augen zu lassen. Inzwischen war die Kontrolle der Ausrüstung endlich abgeschlossen.

Einer der Taucher nickte und ließ sich im nächsten Augenblick ins Wasser fallen.

Langsam näherte er sich der toten Frau. Noch ehe er zu ihr gelangt war, drehte sich der Kopf zur Seite, und die Leiche verschwand unter der Wasseroberfläche.

»Wir dürfen sie nicht verlieren«, sagte Henrik und ging rasch am Flussufer entlang.

Mia folgte ihm, suchte mit ihrem Blick nach der Toten, aber sah sie nicht.

»Dort!«, rief sie plötzlich und deutete mit dem Finger in den Fluss.

Der Kopf der Frau war wieder an die Wasseroberfläche gelangt, zusammen mit dem Taucher. Er zeigte den Kollegen im Boot einen hochgestreckten Daumen und hielt die Leiche fest, während sie langsam aus dem Wasser gehoben wurde.

Mia lehnte sich vor und sah ins Boot hinunter, während es anlegte. Die tote Frau lag auf dem Rücken. Ihr Gesicht war bleich, die nassen Haarsträhnen klebten an den Schultern und am Hals, auf dem eine Tätowierung zu sehen war. Der nackte Oberkörper wies lange und tiefe Schürfwunden auf.

Mia schnappte nach Luft, als sie ihren Blick weiter zu den Beinen der Frau wandern ließ.

Sie waren von der Scham bis zu den Fußknöcheln zusammengenäht.

Das kann doch nicht wahr sein, dachte sie und schüttelte den Kopf. Das darf nicht wahr sein.

Denn diesen Anblick kannte sie bereits.

Jana saß in ihrem Büro in der Staatsanwaltschaft und starrte auf den Schreibtisch. Nach dem Gespräch mit ihrem Chef war ihr unbehaglich zumute. Sie hätte gern das Gefühl abgeschüttelt, von ihm infrage gestellt zu werden, aber in ihrem tiefsten Inneren wusste sie, dass Torsten recht hatte.

Die Entscheidung des Gerichts war falsch.

Sie hatte für eine möglichst kurze Haftstrafe plädiert, um sich nach Danilos Entlassung für all das zu rächen, was er ihr angetan hatte. Aber das Verfahren war ganz anders verlaufen, als sie gedacht hatte.

Danilo hatte zwar durchaus Züge eines Psychopathen, aber er war nicht psychisch krank. Dennoch war er zum Maßregelvollzug mit einer besonderen Entlassungsprüfung verurteilt worden, und sie hätte nichts tun können, um den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen.

Denn es war schon im Voraus entschieden gewesen.

Jana zuckte zusammen, als Oscar Nordvall die Tür aufschob und eintrat. Er sah sie lächelnd an und schien nicht zu wissen, was sie von Leuten hielt, die unangemeldet ihr Büro betraten.

Mit seinen leuchtenden Augen und dem ungebändigten Haar hatte der sechsundzwanzigjährige Staatsanwalt etwas Jungenhaftes. Er war neu in der Behörde, und Jana hatte bislang ihr Bestes getan, um ihm und seinen hartnäckigen Fragen zu den Arbeitsabläufen aus dem Weg zu gehen.

»Was ist denn?«, fragte sie und musterte das weiße Taschentuch, das er artig in die Brusttasche seines Jacketts gesteckt hatte.

»Ich wollte nur was fragen«, sagte er und ließ den Blick neugierig über die Regale gleiten, in denen Aktenordner mit schwarzem Rücken in perfekten Reihen standen.

»Und was?«, entgegnete sie mit kaum verhohlenem Ärger.

Oscars Lächeln verschwand.

»Na ja, ich richte mir ja gerade das Büro nebenan ein. Dabei habe ich in einer Schreibtischschublade ein Notizbuch gefunden. Es steht kein Name drin, aber da Per Åström das Zimmer vor mir hatte, vermute ich, dass es seins ist.«

»Ich verstehe die Frage nicht.« Demonstrativ griff sie nach ihrem Handy, statt ihren Kollegen anzusehen.

Sie hatte es auf lautlos gestellt und entdeckte jetzt, dass Henrik Levin es zweimal bei ihr probiert und ihr dann eine SMS geschickt hatte. Eine weitere Leiche war am Kopparhammaren gefunden worden, und Levin bat sie, zur Besprechung aufs Polizeirevier zu kommen.

Oscar begriff nicht den Wink mit dem Zaunpfahl.

»Weißt du, ob es Per Åström gehört?«, fragte er und hielt ihr ein schwarzes Notizbuch hin.

Jana warf einen raschen Blick darauf, ehe sie sich erhob.

»Woher soll ich das wissen?«

»Ihr wart doch ziemlich eng, oder nicht?«

Sie warf ihm einen strengen Blick zu und griff nach ihrer Aktentasche.

»Dann ruf ihn doch an und frag ihn selbst«, sagte sie und ging an ihm vorbei zur Tür hinaus.

»Hast du denn seine Nummer?«, rief er ihr hinterher.

»Nicht mehr!«

3

Henrik saß im Konferenzraum des Polizeigebäudes und betrachtete die Fotos von der toten Frau, die an der Wand hingen. Am Tisch saßen außer ihm Mia, Jana Berzelius, der Ermittlungsleiter Gunnar Öhrn, die Kriminaltechnikerin Anneli Lindgren und der IT-Forensiker Ola Söderström. Sie schwiegen alle, als müssten sie die Brutalität, mit der sie soeben konfrontiert worden waren, eine Weile auf sich wirken lassen, ehe sie darüber sprechen konnten.

»Bei der Frau auf dem Foto handelt es sich um die vermisste Frida Norberg«, sagte Gunnar schließlich und schob die Ärmel seines weinroten Pullovers hoch. »Sie wurde vor zwei Tagen als vermisst gemeldet, und wie ihr auf Annelis Fotos vom Fundort seht, ist die Vorgehensweise dieselbe wie beim Mord an Sonja Eriksson. Mit zwei Opfern ist der Fall nun weitaus größer und komplexer …«

Gunnar verstummte, und Henrik verstand, warum. Er hatte die Hoffnung gehabt, dass der Mord an Sonja Eriksson rasch gelöst werden würde, obwohl sie keinen brauchbaren Hinweis gehabt hatten.

»Gibt es diesmal irgendwelche Spuren?«, fragte Gunnar und wandte sich an Anneli.

Die Kriminaltechnikerin hatte ihren weißen Rollkragenpullover bis zum Kinn hochgezogen. Ihr Gesicht hatte weiche Züge, aber ihr Blick war hart. Trotz der schwierigen Trennung von Gunnar konnte sie ihn weiter als Chef akzeptieren. Henrik wusste, dass sie Arbeit und Privatleben schon immer streng getrennt hatten. Hier bei der Polizei konzentrierten sie sich auf Tod und Gewalt – für anderes war gar kein Platz.

»Bisher nichts«, sagte sie, »aber wir haben noch Kriminaltechniker vor Ort, und ich fahre gleich nach der Besprechung wieder hin.«

Henrik dachte an Frida Norberg. Sie hatte einen zehnjährigen Sohn und war verheiratet gewesen. Sie hatte als Masseurin in einem Fitnesszentrum gearbeitet und war in ihrer Freizeit gern geschwommen. Am Samstagnachmittag um fünf war sie aufgebrochen, um an ihrem Arbeitsplatz ein paar Buchhaltungsordner zu holen. Danach hatte sie zum Supermarkt im Einkaufszentrum von Ingelsta fahren wollen.

Doch dort war sie nie angekommen.

Ihr Mann Thomas Norberg hatte versucht, sie zu erreichen, und sich nach zwei Stunden auf die Suche gemacht. Als er ihr verlassenes Auto vor dem Fitnesszentrum vorfand, hatte er die Polizei verständigt. Die Befragung ihrer Arbeitskollegen, Freunde und Verwandten hatte nichts ergeben. Die Fahndung verbreitete sich schnell über die sozialen Medien, aber obwohl man Frida Norberg durch den roten Piercingschmuck in der Augenbraue und die am Hals eintätowierte Rose leicht hätte identifizieren können, wusste niemand, was passiert war.

Henrik betrachtete die Fotos von Sonja Eriksson, die ebenfalls an der Wand hingen. Die grauhaarige Frau mit den goldenen Ohrringen war am Donnerstag nach einem Abendkurs im Stadtzentrum verschwunden. Das Auto stand noch auf einem Parkplatz vor dem Gebäude, wo der Kurs stattgefunden hatte, ansonsten gab es keine Spuren von der zweiundsechzigjährigen Rentnerin. Am Samstag war ihre Leiche von einem Hundespaziergänger an der Bergsbron gefunden worden.

Am selben Tag war Frida Norberg als vermisst gemeldet worden.

»Zwei Tote«, fasste Henrik zusammen. »Und zwei Tage zwischen den beiden Leichenfunden. Was wissen wir noch über den zeitlichen Ablauf?«

»Da Björn Ahlmann es noch nicht geschafft hat, Sonja Erikssons Leiche zu obduzieren, können wir dazu bislang kaum etwas sagen«, antwortete Gunnar. »Wir wissen, wann die Opfer verschwunden sind und wann sie aufgefunden wurden, aber nicht, wann oder wie sie gestorben sind. Die beiden Mordfälle haben oberste Priorität. Ich habe Björn Ahlmann schon gebeten, die Obduktionen vorzuziehen. Wir müssen jetzt schnell sein. Daher habe ich auch Verstärkung angefordert. Vier Polizeimeister werden uns als Zusatzkräfte bei der Ermittlungsarbeit unterstützen. Ich werde für die interne Kommunikation verantwortlich sein. Ab sofort möchte ich auch, dass Henrik, Mia und Sie, Frau Berzelius, noch enger zusammenarbeiten, verstanden?«

Jana Berzelius nickte.

»Wir müssen uns als Allererstes die Frage stellen, nach welchen Kriterien der Täter die beiden Opfer ausgewählt hat«, sagte sie. »Was für Gemeinsamkeiten haben sie?«

»Wenn es überhaupt Gemeinsamkeiten gibt«, meinte Mia. »Sonja Eriksson war Rentnerin und lebte mit ihrem Mann in einer Wohnung im Stadtzentrum, während Frida Norberg als Masseurin arbeitete und mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einem Einfamilienhaus außerhalb von Norrköping gelebt hat.«

»Das heißt, der Täter hat sie nicht aufgrund ihres Wohnortes, ihres Alters oder ihres Berufs ausgewählt«, schlussfolgerte Henrik.

»Aber beide sind demselben schweren Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen«, erwiderte Jana Berzelius. »Haben wir irgendeine Vermutung zum Tatmotiv?«

»Wir sind bisher von der Theorie ausgegangen, dass der Täter aus der unmittelbaren Umgebung von Sonja Eriksson stammt«, sagte Gunnar. »Aber nach dem Mord an Frida Norberg glaube ich, dass es sich um einen ganz anderen Typ von Täter handelt.«

»Oder Tätern«, warf Mia ein.

»Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass eine Gruppe von sadistischen Irren die Morde begangen hat«, gab Gunnar zu bedenken. »Ich denke, wir können davon ausgehen, dass es sich um einen Einzeltäter handelt. Aber ich kann mir kein Motiv vorstellen, das ihn antreiben könnte.«

»Oder sie«, ergänzte Mia.

»Könnte es sich bei dem Täter denn wirklich um eine Frau handeln?«, fragte Anneli.

»Das würde mich wundern«, sagte Ola, der bis jetzt geschwiegen hatte. »Die Statistik zeigt ja auch, dass die meisten Gewaltverbrechen von Männern begangen werden.«

Der IT-Forensiker schob seine gelbe Mütze zurecht, die er ständig trug, auch im Haus. Schon immer hatte Henrik den manchmal sturen, aber immer scharfsinnigen Kollegen gemocht, der die Tage vor dem Computer verbrachte und nach virtuellen Spuren fahndete. Und fast immer gelangte er zu einem Ergebnis.

»Vielleicht geht es um Macht, Nervenkitzel oder Rache?«, schlug Henrik vor.

»Aber den Frauen die Beine zusammennähen«, gab Mia zu bedenken. »Ist das nicht ein ganz schön aufwändiger Racheakt? Wer kommt eigentlich auf so eine gestörte Idee?«

»Keine Ahnung«, sagte er. »Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass wir es mit einem Serienmörder zu tun haben.«

»Und das sind fast immer Einzeltäter«, stimmte Gunnar ihm zu.

»Haben sich schon Zeugen gemeldet?«, fragte Jana Berzelius.

»Nein«, antwortete Gunnar.

»Sehr seltsam«, sagte Mia. »Irgendwer muss ihn doch gesehen haben, als er die Frauen umgebracht hat. Da sind ja genug Leute am Strömmen unterwegs.«

»Aber glaubst du wirklich, dass er sie vor Ort getötet hat?«, wandte Henrik ein. »Die Prozedur dürfte ziemlich kompliziert und zeitraubend sein, und der Täter würde sich doch nicht trauen, das unter freiem Himmel zu machen. Ich denke, wir sollten davon ausgehen, dass Tatort und Fundort nicht identisch sind.«

»Aber dann müsste doch wenigstens jemand gesehen haben, wie er die Frauen entführt oder die Leichen ins Wasser geworfen hat«, meinte Mia. »Die können ja nicht von selbst dort gelandet sein.«

»Ich stimme dir zu«, sagte Gunnar. »Aber bisher haben wir nur jede Menge wertloser Hinweise bekommen.«

»Ich habe in der Zwischenzeit eine Liste von Personen angelegt, die in Schweden wegen Mordes verurteilt sind oder unter Mordverdacht stehen, aber noch auf freiem Fuß sind«, sagte Ola. »Das Problem ist, dass ich auf keinen einzigen Fall gestoßen bin, der an diesen erinnert, insofern hat meine Suche nichts gebracht.«

Henrik schwieg. Der Täter könnte jederzeit erneut zuschlagen. Oder hatte es womöglich schon getan.

»Du siehst nachdenklich aus, Henrik«, bemerkte Gunnar.

»Ich denke noch immer über den zeitlichen Ablauf nach«, erklärte Henrik und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Frida Norberg wurde am selben Tag als vermisst gemeldet, an dem man Sonja Eriksson gefunden hat. Das könnte bedeuten, dass er an demselben Tag, an dem er eine Leiche im Fluss deponiert, eine neue Frau entführt.«

»Du meinst also, dass heute eine dritte Frau verschwinden wird oder bereits verschwunden ist?«, fragte Gunnar.

»Wenn der Täter bei seinem bisherigen Rhythmus bleibt, dann schon.«

»Ola, bitte geh sofort das Register der vermissten Personen durch«, bat Gunnar den IT-Forensiker. »Am besten noch vor der Pressekonferenz.«

»Ich kümmere mich darum«, versprach Ola.

»Wann fängt die Pressekonferenz an?«, fragte Jana Berzelius.

Gunnar warf einen Blick zur Wanduhr, auf der es fünf vor zehn war.

»In einer Stunde, und wie immer werde ich so wenig wie möglich sagen. Bis dahin sollten wir die Leute aus Frida Norbergs Bekanntenkreis befragen und herausfinden, ob sie irgendeine Verbindung zu Sonja Eriksson hatte.«

»Wir müssen auch baldmöglichst mit Thomas Norberg sprechen«, sagte Jana Berzelius. »Er muss vom Tod seiner Frau erfahren, bevor es in der Zeitung steht.«

»Allerdings«, stimmte Gunnar zu. »Henrik und Mia, ihr fahrt sofort hin. Und Sie, Frau Berzelius, begleiten bitte die beiden.«

Thomas Norberg hatte kein Wort gesagt, seit sie das neugebaute Einfamilienhaus in Marby, etwa zehn Kilometer außerhalb von Norrköping, betreten hatten. Er hatte nur genickt und ihnen mit einer Handbewegung einen Platz auf dem grünen Sofa angeboten. Dann hatte er sich auf den Sessel sinken lassen und sein Gesicht in den Händen vergraben.

Mia hatte keine Ahnung, was sie zu dem fünfundvierzigjährigen Mann mit dem halblangen Haar sagen sollte. Sie musterte ihn schweigend, während sie leises Getrappel aus dem oberen Stockwerk hörte. Nein, es war besser, Henrik das Gespräch zu überlassen. Oder Jana Berzelius, die reglos und mit übereinandergeschlagenen Beinen neben ihr saß.

Wie oft hatte sich Mia schon gewünscht, dass die Staatsanwaltschaft jemand anders schicken würde als ausgerechnet Jana Berzelius. Sie konnte ihre scharfen Züge, ihr glänzendes Haar und ihre perfekten Lippen nicht ausstehen. Sie hasste auch ihre dunklen Augen und das Gesicht, das nie ihre Emotionen verriet. Mia fand an ihr nur gut, dass sie stets darauf bestand, mit ihrem eigenen Auto zu fahren, wenn sie irgendwo hinmussten.

Henrik ergriff das Wort. »Ich muss mit der Frage beginnen, ob Sie allein zu Hause sind.«

Doch er verlor den Faden, als eine beunruhigte Männerstimme aus der Küche zu hören war.

»Thomas? Wer hat geklingelt?«

Im nächsten Moment stand ein Mann um die siebzig in der Türöffnung. Das kornblumenblaue Küchenhandtuch in seinen Händen hatte dieselbe Farbe wie sein Hemd.

»Wer sind Sie?«, fragte er.

»Wir sind von der Polizei«, erklärte Henrik. »Und Sie sind …?«

»Fridas Vater. Haben Sie sie gefunden? Wo ist sie? Was ist mit ihr passiert?«

Thomas Norberg blickte zu ihm hoch.

»Setz dich bitte«, sagte er.

Im selben Moment, in dem Fridas Vater die ernste Miene seines Schwiegersohns sah, schien er zu begreifen, weshalb die Polizei gekommen war. Er schluckte schwer, zog einen Hocker heran und nahm neben Thomas Norberg Platz.

»Ist sonst noch jemand im Haus?«, wollte Henrik wissen.

Thomas Norberg antwortete nicht, sondern sah Mia mit glasigem Blick an.

»Sie haben sich geirrt«, warf er ihr vor.

»Geirrt?«

»Nachdem ich Frida als vermisst gemeldet hatte, haben Sie gesagt, dass Leute manchmal verschwinden, um eine Weile allein zu sein, und dass sie fast immer zurückkommen. Und dass sie irgendwo sein muss, dass sie lebt. Aber jetzt sind Sie hier, um uns zu informieren, dass sie tot ist, oder?«

Ein Gefühl von Panik ergriff Mia.

»Es tut mir leid«, antwortete sie. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Sagen Sie, dass es nicht wahr ist, sagen Sie, dass es nicht wahr ist«, flüsterte Frida Norbergs Vater.

Mia hasste es, Angehörige zu benachrichtigen. Das war einer der schwierigsten Aspekte ihrer Arbeit. Deshalb schwieg sie, während Henrik übernahm.

»Es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Frida heute früh tot aufgefunden wurde.«

»Nein, nein, nein …«, murmelte ihr Vater. Dann überwältigten ihn seine Gefühle. »Mein einziges Kind«, weinte er. »Meine Frida …«

Thomas Norberg legte die Arme um ihn, und sie hielten einander fest, als wäre sonst niemand im Raum.

Mehrere Minuten vergingen, bis sich Thomas Norberg von seinem Schwiegervater löste.

»Was ist passiert?«, fragte er. »Und wie …?«

»Darauf kann ich nicht näher eingehen«, sagte Henrik. »Aber Sie werden die genaueren Umstände zu gegebener Zeit erfahren.«

»Wo ist sie jetzt? Dürfen wir sie sehen?«

»Sie müssen leider warten, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Erst dann dürfen Sie sie sehen und sich von ihr verabschieden«, erklärte Jana Berzelius.

Fridas Vater begann wieder zu weinen, doch er hörte abrupt auf, als erneut Getrappel aus der oberen Etage zu hören war.

»Sie haben keine Ahnung, ob Frida Feinde gehabt haben könnte, oder?«, fragte Henrik, nachdem sich die beiden Männer ein wenig gefasst hatten.

»Nein«, entgegnete Thomas Norberg und wischte sich die Tränen von den Wangen. »Frida hatte auch keinen anderen, falls Sie das meinen. Wir haben eine gute Ehe geführt. Und ich würde nie … Ich meine, natürlich haben wir uns mal gestritten, das tun ja alle Paare, aber ich würde ihr nie etwas zuleide tun. Ich habe nichts mit der Sache zu tun.«

»Das haben wir ja auch gar nicht behauptet«, beruhigte Henrik ihn. »War Frida irgendwie anders als sonst, bevor sie verschwunden ist? Vielleicht ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?«

»Nein, mir nicht und meinem Schwiegervater auch nicht.«

Henrik blickte zu Fridas Vater, der kein Wort herausbekam. Vielleicht war ihm erst jetzt klar geworden, dass der Tod seiner Tochter sein Leben für alle Zeiten verändern würde.

»Mein Schwiegervater war am Samstag, als Frida nicht nach Hause gekommen ist, zufällig bei uns zu Besuch«, erklärte Thomas Norberg. »Seitdem ist er hier.«

Henrik zog sein Handy hervor.

»Wir würden Sie gern fragen, ob Sie diese Frau hier kennen.«

Er zeigte den Männern das Display, auf dem ein Foto von Sonja Eriksson zu sehen war.

»Irgendwas an ihrem Gesicht kommt mir bekannt vor, aber ich habe keine Ahnung, wo ich sie schon mal gesehen habe«, antwortete Thomas Norberg.

»Das heißt, Sie erkennen sie?«

»Ja«, bestätigte er und studierte das Foto noch eingehender. »Moment mal, ist das nicht die Frau … Ist das die Frau, deren Leiche man im Strömmen gefunden hat? Diese Sonja E., ist sie das? Warum fragen Sie?«

Henrik antwortete nicht.

»Wollen Sie damit sagen«, fuhr Thomas Norberg fort, »dass Frida auch dort gefunden wurde? Dass sie … dass sie …«

Sein Schwiegervater auf dem Hocker neben ihm sackte wieder in sich zusammen.

»Warum?«, sagte Thomas Norberg. »Wer hat denn …«

Er verstummte und schüttelte schockiert den Kopf.

»Wir werden alles tun, um herauszufinden, wer Ihre Frau getötet hat«, versicherte Henrik.

Es wurde wieder still im Zimmer.

»Bevor wir gehen – gibt es noch irgendetwas, was Sie uns erzählen wollen?«, fragte Jana Berzelius.

»Nein«, erwiderte Thomas Norberg. »Wir haben schon alles gesagt.«

»Papa?«, rief plötzlich ein Junge oben an der Treppe.

Thomas Norberg hob eine zitternde Hand an den Mund.

»Mein Gott, wie soll ich … Wie soll ich ihm das nur erklären?«

»Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie schlimm das sein muss«, sagte Henrik Levin und sah auf den Boden.

Jana warf ihm einen fragenden Blick zu. Es war elf Uhr vormittags, sie hatten das Haus in Marby verlassen und standen nun vor ihren Autos, die sie neben dem weißen Zaun abgestellt hatten. Auf dem nassen Asphalt hatten sich nach dem heftigen Regen am Morgen große Wasserpfützen gebildet.

»Was meinen Sie?«, hakte sie nach.

»Es muss furchtbar sein, wenn man seinem Kind erzählen muss, dass die Mutter gestorben ist. Ich frage mich, was ich sagen würde, wenn Emma etwas zustieße.«

»Das kann man wohl kaum im Vorfeld wissen«, sagte Jana.

»Mag sein«, erwiderte Henrik Levin und sah zu Mia Bolander, als erwarte er, dass auch sie sich dazu äußerte, aber sie stand einfach nur mit finsterer Miene neben dem blauen Volvo. Vermutlich dachte sie gerade daran, dass sie Thomas Norberg tatsächlich zu viel versprochen hatte, als sie behauptete, seine Frau sei sicherlich freiwillig verschwunden und komme bald wieder zurück.

»Was halten Sie von Thomas Norberg?«, warf Jana in die Runde.

»Sein Schwiegervater hat ja ausgesagt, dass er seit Fridas Verschwinden die ganze Zeit mit ihm zusammen war, also hat er ein Alibi. Und ohnehin stellt sich alles ganz anders dar, seit wir es mit zwei Morden zu tun haben.«

»Aber wen jagen wir denn? Einen perversen Sexualstraftäter?«, fragte Mia Bolander.

»Das wissen wir erst nach den Obduktionen«, entgegnete Jana.

»Wenn die Morde nichts mit Sex zu tun haben, warum sollte der Täter die Opfer dann ausziehen und ihre Beine und Genitalien zusammennähen?«, gab Mia Bolander zu bedenken.

»Vielleicht, um die Frauen zu erniedrigen?«, schlug Jana vor. »Es scheint ihm wichtig zu sein, dass die Leichen entdeckt werden. Sonst hätte er sie nicht einfach in den Fluss geworfen, sondern mit Gewichten beschwert.«

»Warum hat er sie überhaupt im Strömmen deponiert?«, überlegte Mia Bolander laut.

»Das ist eine Frage, die wir uns schon längst hätten stellen müssen«, sagte Henrik Levin. »Es könnte sein, dass der Täter irgendeine Verbindung zum Fluss hat oder eine Botschaft verbreiten will.«

»Was denn für eine Botschaft?« Mia Bolander rümpfte die Nase.

»Keine Ahnung«, gab Henrik Levin zurück. »Aber es muss einen Grund geben, warum er die Leichen in den Fluss geworfen hat.«

»Oder er wollte einfach nur alle Spuren verwischen«, meinte Jana.

»Vielleicht.« Henrik Levin seufzte.

»Warum seufzt du so?«, fragte Mia Bolander.

»Weil wir keine konkreten Anhaltspunkte haben. Vor Abschluss der Obduktionen wissen wir nicht einmal, wann und wie Sonja Eriksson und Frida Norberg gestorben sind.«

»Dann finden wir es eben heraus.«

Mia Bolander öffnete die Autotür.

»Du meinst, wir sollten zur Rechtsmedizin fahren?«, fragte Henrik Levin.

»Genau das«, bestätigte sie. »Komm jetzt.«

»Frau Berzelius, was sagen Sie?«, wollte Henrik Levin wissen.

»Ihre Kollegin hat recht«, antwortete sie. »Wir sehen uns dort.«

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