Leidender Buddha - Glücklicher Buddha - Shunryu Suzuki - E-Book
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Leidender Buddha - Glücklicher Buddha E-Book

Shunryu Suzuki

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Beschreibung

Im Einklang mit der WirklichkeitDiese Zen-Unterweisungen sind das Alterswerk des einflussreichen und weltweit bekannten Zen-Meisters.Die Entwicklung des Zen im Westen ist eng mit der Persönlichkeit Shunryu Suzukis verbunden. Dieses Buch enthält Unterweisungen von Suzuki Roshi, die er anderthalb Jahre vor seinem Tod in den USA gelehrt hat. In ihnen befasst er sich mit dem Sandokai, einem der frühesten Zen-Texte, die uns von den alten chinesischen ChŽan-Meistern überliefert worden sind. Shunryu Suzuki erläutert anhand dieses Textes, wie wir, wenn wir uns von unserer ichzentrierten Sichtweise trennen, unser Leben in Einklang bringen mit der Wirklichkeit und Befreiung inmitten unseres alltäglichen Tuns erfahren können.Der japanische Zen-Meister Shunryu Suzuki (1905 - 1971) war maßgeblich daran beteiligt, Zen im Westen zu etablieren. 1958 kam er von Japan, wo er bereits höchste Anerkennung genossen hatte, in die USA und gründete das San Francisco Zen-Zentrum und später das Tassajara Zen-Zentrum, das erste Zen-Kloster außerhalb Asiens

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Seitenzahl: 200

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Shunryu Suzuki

LEIDENDER BUDDHA – GLÜCKLICHER BUDDHA

Zen-Unterweisungenzum Sandokai

© 1998 San Francisco Zen Center

© der deutschen Ausgabe 1998, 2009 Theseus Verlag in der J. Kamphausen Mediengruppe GmbH, Bielefeld

Satz: Subsonic Media, Bielefeld

Lektorat: Ursula Richard

Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch:

Theo Kierdorf in Zusammenarbeit mit Hildegard Höhr

Umschlaggestaltung: Morian & Bayer-Eynck, Coesfeld,

www.mbedesign.de

Umschlagfoto: © Robert S. Boni

E-Book Gesamtherstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt a. M.

www.weltinnenraum.de

E-Book Ausgabe 2017

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.

ISBN Print 978-3-89901-217-0

ISBN E-Book 978-3-958836-271-8

www.weltinnenraum.de

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe, sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

Inhalt

Vorwort von Mel Sojun Weitsmann

Das Sandokai – Die Harmonie von Verschiedenheit und Gleichheit (I und II)

Der Geist des großen Weisen aus Indien

Von warmer Hand zu warmer Hand

Buddha ist immer da

Der Eichelhäher wird direkt in dein Herz fliegen

Heute sind wir sehr glücklich – was morgen sein wird, wissen wir nicht

Das Boot ist immer in Bewegung

Ohne jede Vorstellung über Erreichen … einfach zu sitzen ist unser Weg

In der Helligkeit da ist tiefste Dunkelheit

Der Schnee vermag die Weide nicht zu brechen

Leiden ist etwas sehr Wertvolles

Zazen repräsentiert das gesamte Universum

Wir sollten nicht zu sehr an Worten oder Regeln haften

Vergeudet eure Zeit nicht

Wir sind nur winzige Teilchen eines großen Seins

Vorwort

Shunryu Suzuki Roshi hat die in diesem Buch veröffentlichten Vorträge über das Sandokai von Sekito Kisen im Sommer 1970 gehalten. Suzuki Roshi lebte seit 1959 in Amerika. Er hatte seinen Tempel in Yaizu in Japan verlassen, um in San Francisco im Sokoji-Tempel für die dortige japanische Gemeinde als Zen-Priester zu wirken. Doch in jenen Jahren scharten sich so viele amerikanische Zen-Schüler um ihn, dass er mit ihnen 1969 in ein Gebäude in der Page Street Nr. 300 umzog, wo sich auch heute noch das San Francisco Zen Center befindet. 1967, zwei Jahre vor jenem Umzug, erwarb die Zen-Gemeinschaft das Gelände und die heißen Quellen des heutigen Tassajara-Zen-Zentrums. Es befindet sich am Ende einer 14 Meilen langen unbefestigten Straße, die sich durch die Los Padres Mountains schlängelt. Die Studenten des Zen-Zentrums haben dort innerhalb von drei Jahren das erste amerikanische Zen-Kloster aufgebaut. Wir haben damals unter Anleitung von Suzuki Roshi ganz von vorn angefangen.

Suzuki Roshi starb am 4. Dezember 1971 im Alter von 67 Jahren an Leberkrebs, eineinhalb Jahre nach seinen Unterweisungen über das Sandokai. Offenbar hatte er eine Vorahnung von seinem nahen Tod, als er sagte, Zen-Lehrer der Soto-Tradition lehrten häufig über das Sandokai, wenn ihr Lebensende nahe.

Die Studenten übten in Tassajara morgens und abends Zazen, führten in der Zeit dazwischen die verschiedensten Bau- und Erhaltungsarbeiten durch, trafen sich dreimal täglich zur Rezitation und waren natürlich auch tagein, tagaus mit den Essensvorbeitungen beschäftigt. Suzuki Roshi beteiligte sich tagsüber, so klein und gebrechlich er auch wirken mochte, am Transport großer Steine und an deren Aufschichtung am Ufer eines Wasserlaufs; eine Arbeit, durch die die Erosion aufgehalten werden sollte. Abends hielt er Vorträge. Wer das Glück hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten, staunte über seine Energie und das Durchhaltevermögen, das er auch noch im hohen Alter besaß, als er schon von der Krankheit gezeichnet war. Die Nächte waren nicht weniger heiß als die Tage. Suzuki Roshi vermittelte uns durch seine Arbeit seinen außerordentlichen Zen-Geist. Wir arbeiteten manchmal einen ganzen Tag lang daran, einen Felsbrocken an die richtige Stelle zu befördern, und wenn uns dies nicht gelang, gab er nicht klein bei, sondern entfernte das Gestein wieder und begann am nächsten Tag von neuem mit der gleichen Arbeit.

Ich war zu jener Zeit Suzuki Roshis persönlicher Assistent. Gewöhnlich folgte ich ihm zur Darbringung des Weihrauchs mit einem Räucherstäbchen zum Zendo, bevor unsere formelle Zazen-Übung und unsere Rezitationen begannen. Während des Tages legte ich ihm immer wieder einen nassen Waschlappen auf den glattrasierten Schädel, um ihm bei der Hitze etwas Kühlung zu verschaffen.

Im Jahr davor hatten die Studenten mit sehr viel Liebe und Sorgfalt eine Steinküche gebaut. In Tassajara lagen überall Steine und Felsbrocken in allen erdenklichen Formen und Größen herum. Zum Transport großer Gesteinsbrocken benutzten wir damals ein altes Autodach als eine Art Schlitten. Im Laufe der Zeit wurden wir sehr versiert im Bauen von Natursteinmauern und -treppen. Außerdem gab es bei uns eine Gruppe von Zimmerleuten; sie wurde von einem Novizen namens Paul Disco geleitet, der später ein Meister in der Kunst japanischer Zimmermannsarbeit wurde. Auch Edward Espe Browns Back- und Kochbücher und Bill Shutloffs Bücher über Tofu, Miso und Tempe sind damals in jener wundervollen Atmosphäre des Aufbruchs entstanden. Zen bedeutete für uns nicht nur Sitzmeditation, sondern umfasste auch die Arbeit und den Dienst an anderen. Die Verbindung dieser drei Faktoren verlieh unserer Übung eine Atmosphäre des Heilsamen, des Umfassenden. Hier in den Bergen bauten wir mit unseren eigenen Händen ein Zen-Kloster. Wir empfanden ungeheure Dankbarkeit gegenüber diesem Ort, gegenüber allen Beteiligten und gegenüber unserem Lehrer. Und natürlich waren wir auch all jenen außerhalb unserer Gemeinschaft dankbar, die uns halfen und unsere Bemühungen unterstützten. Wir hatten das Gefühl, etwas für die gesamte Gesellschaft zu tun, also nicht nur etwas für uns selbst.

In den zwölf Jahren, die Suzuki Roshi in Amerika verbrachte, erlernte er die englische Sprache allmählich immer besser. Obwohl er oft nach dem richtigen Ausdruck suchen musste, fand er ihn gewöhnlich. Und obwohl das Englische für ihn eine völlig neue Sprache war – oder vielleicht gerade deshalb –, war er meist in der Lage zu sagen, was er sagen wollte. Doch selbst in seinem Ringen um den richtigen Ausdruck war er sehr wortgewandt.

Trotzdem: Die Bearbeitung der in diesem Buch veröffentlichten Texte stellte sich als weitaus schwieriger heraus als die aller anderen Vorträge, die Suzuki Roshi jemals gehalten hat. Die Stimme, die in dem früher veröffentlichten Buch Zen-Geist, Anfänger-Geist spricht, ähnelt der Stimme in den Sandokai-Vorträgen nicht immer. Die Vorträge in Zen-Geist, Anfänger-Geist bestehen aus Auszügen, die längeren Vorträgen entnommen wurden, und diesen Texten ist eine sehr unmittelbare Qualität und eine besondere Kürze und Bündigkeit eigen. In den Sandokai-Vorträgen hingegen befasst sich Suzuki Roshi mit einem klassischen Text, einem Zen-Gedicht, das er über einen Zeitraum von zwei Wochen Zeile für Zeile und Wort für Wort erläuterte, wobei er manchmal Zeilen an verschiedenen Stellen in unterschiedlichen Versionen zitiert.

Suzuki Roshi hat gelegentlich auch selbst sprachliche Wendungen erfunden, die seine nicht-dualistische Sichtweise zum Ausdruck bringen sollen. Beispielsweise benutzt er immer wieder den Begriff »things as it is« (»Dinge, wie es ist«). Dieser scheinbare Konflikt zwischen Plural und Singular in einem Ausdruck zwingt uns, über unsere gewöhnliche Denkweise hinauszugehen.

Außerdem kreiert Suzuki Roshi das Wort »independency«, um die Bedeutung des Sandokai zu erläutern. Seiner Aussage gemäß beinhaltet »independency«, dass etwas abhängig und gleichzeitig unabhängig ist – oder unabhängig und zugleich abhängig.

Wir haben versucht, die Vorträge von Suzuki Roshi so gut lesbar wie möglich zu machen. Eine nur leichte Bearbeitung der Vorträge wäre für Studenten, die Suzuki Roshi noch persönlich kennengelernt haben, kein Problem, weil sie mit seiner Art zu sprechen vertraut sind. Doch da die hier vorgelegte Veröffentlichung für ein breiteres Publikum bestimmt ist, haben wir uns um eine wesentlich gründlichere Bearbeitung bemüht, von der wir hoffen, dass sie Suzuki Roshis Beifall finden würde. Dabei haben wir so weit wie eben möglich versucht, die besondere Qualität von Suzukis Stimme und Stil zu erhalten.

Das Sandokai von Sekito Kisen (chin. Shih-t‘ou Hsi-ch‘ien, 700–900) ist eines der frühesten Zen-Gedichte, die uns von den alten chinesischen Ch‘an-Meistern überliefert worden sind. Zur gleichen Gruppe von Texten zählen das Shinjinmei (chin. Hsin Hsin Ming) des dritten chinesischen Zen-Patriarchen, Kanchi Sosan (gestorben 606), und der Gesang der Erleuchtung, das Shodoka von Yoka Genkaku (655–713). Yoka Genkaku war ein Schüler von Eno (chin. Hui-neng), dem Sechsten Patriarchen, und Sekito, der damals noch sehr jung war, hat die beiden letzten Lebensjahre mit Eno verbracht. Nach dessen Tod im Jahre 713 wanderte Sekito umher und traf schließlich mit Seigen Gyoshi (gestorben 740) zusammen, einem der beiden wichtigsten Schüler Enos (der andere war Nangaku Ejo, der von 677 bis 744 lebte). Wir führen die Soto-Schule des Zen auf Seigen und die Rinzai-Schule auf Nangaku zurück.

Sekito wurde einer der Dharma-Erben von Seigen; er ließ sich schließlich auf einem großen Felsblock in einer Grashütte nieder, wo er 23 Jahre lang lehrte. Sein Name Sekito – »Steinkopf« – leitet sich von seinem Zazen auf dem Felsbrocken her. Er wurde sehr bekannt, und es heißt, Sekito und Matsu hätten die damalige Welt des Zen unter sich aufgeteilt und sie seien die beiden gefragtesten Lehrer ihrer Zeit gewesen.

Zu Sekitos Dharma-Erben zählen Yakusan Igen (751–834) und Tenno Dogo (748–801).

Außer dem Sandokai gibt es noch ein anderes Gedicht, das Sekito zugeschrieben wird, mit Namen Das Lied der Grashütte. Es ist von Kazuaki Tanahashi und Dan Leighton ins Englische übersetzt worden.

Das Sandokai enthält die Grundelemente dessen, was Tozan Ryokai (807–869) später weiterentwickelte und in seinem Das Samadhi des Schatzspiegels (Hokyo Zanmat) und in der Unterweisung von den fünf Graden (Go-i Koan) zum Ausdruck brachte.

Wir haben bisher leider keine perfekte Ubersetzung für den Titel des Sandokai gefunden. Die Soto-Shu-Liturgiekonferenz, die im Jahre 1997 stattfand, einigte sich auf den Titel Die Harmonie von Verschiedenheit und Gleichheit. Eine etwas gefälligere Ubersetzung könnte lauten: Der harmonische Gesang von Verschiedenheit und Gleichheit. Das Gedicht ist zu einer Zeit entstanden, in der verschiedene Zen-Linien um den Vorrang stritten. Suzuki Roshi hat mehrere Übersetzungen herangezogen, die zur Zeit der Vortragsserie verfügbar waren, die ihm jedoch alle nicht völlig gefielen; am stärksten hat er sich dabei auf die Übersetzungen von R. H. Blyth und Reiho Masunaga bezogen. Sein Kommentar folgt also keiner der genannten Übersetzungen des Sandokai ganz genau. Deswegen haben wir in dem vorliegendem Buch auch die Übersetzung aufgenommen, auf die sich die Soto-Shu-Liturgiekonferenz in Green Gulch im Jahre 1997 geeinigt hat (siehe S. 17 und 18). [Wir haben zudem die von Suzuki Roshi im Text benutzten Formulierungen der einzelnen Zeilen zu einer zusammenhängenden Version des Textes zusammengefügt. Anm. z. dt. Ausgabe.]

Am Anfang des Sandokai spricht Sekito von der Übermittlung des Buddha-Geistes von Indien nach China. Er sagt, die Fähigkeiten verschiedener Menschen seien unterschiedlich. Dies bedeute jedoch nicht, dass es nur einen authentischen Dharma-Erben des Fünften Patriarchen Daimon Konin gebe.

Die Wahrheit des Buddha, die Quelle, die Dunkelheit, in der es keine Unterscheidungen gibt (Gleichheit), durchströmt die verschiedenen Formen der phänomenalen Welt, der Welt des Lichts (Verschiedenheit). Hell und Dunkel sind ein Paar. Sie sind einander entgegengesetzt und ergänzen einander wie beim Gehen der vordere und der hintere Fuß. Sekito Kisen beschreibt die Harmonie von Gleichheit und Verschiedenheit mit Hilfe verschiedener Vergleiche. Er fordert uns auf, die Dinge unabhängig vom dualistischen Denken zu sehen, uns von unseren beschränkten Sichtweisen zu lösen und zu unserer ursprünglichen Natur zurückzukehren »wie ein Kind zu seiner Mutter« – frei von Greifen und Haften. Wenn wir uns von unserer ichzentrierten Sichtweise lösen, wird unser Leben mit der Wirklichkeit im Einklang sein, wie wenn ein Behälter und sein Deckel zusammenpassen oder zwei Pfeilspitzen in der Luft aufeinandertreffen. Er sagt: »Der Weg liegt direkt vor euch … Doch wenn ihr verwirrt seid, blockieren Berge und Flüsse euren Weg.« Das Sandokai endet mit der Ermahnung: »Alle, die das Geheimnis ergründen, flehe ich respektvoll an: Vergeudet eure Tage und Nächte nicht.«

Mel Sojun WeitsmanSan Francisco, Mai 1998

Das Sandokai – Die Harmonie von Verschiedenheit und Gleichheit

I

Der Geist des großen Weisen aus Indien

wurde direkt von Westen nach Osten übermittelt.

Menschen unterscheiden zwischen Dummen und Klugen,

doch auf dem wahren Weg

gibt es keinen Patriarchen des Südens oder des Nordens.

Die Quelle der Lehre ist rein und ohne Makel.

Bäche, die sich verzweigen, fließen in der Dunkelheit.

An einer Idee zu haften ist Täuschung.

Die Wahrheit zu erkennen ist auch nicht immer Erleuchtung.

Die Sinne und ihre Objekte

sind eng miteinander verbunden

und gleichzeitig voneinander unabhängig.

Doch trotz ihrer unendlichen Verbundenheit

haben sie alle ihren eigenen Ort.

Dinge unterscheiden sich in Wesen und Form.

Im Geschmack, Klang und Gefühl manifestieren sich gut und schlecht.

Im Dunkeln sind hochwertig und minderwertig

nicht zu unterscheiden.

Im Hellen wird der Gegensatz von rein und unrein deutlich.

Die vier Elemente kehren zu ihrer Natur zurück

wie ein Kind zu seiner Mutter.

Feuer erhitzt,

Wind bewegt,

Wasser nässt,

Erde ist fest.

Für die Augen gibt es Farbe und Form.

Für die Ohren gibt es Klang.

Für die Nase gibt es Geruch.

Für die Zunge gibt es Geschmack.

Jedes Phänomen entspringt der Wurzel,

so wie Zweige und Blätter aus dem Stamm sprießen.

Wurzel und Baumspitze kehren

zu ihrer ursprünglichen Natur zurück.

Hohe und niedrige Worte sind unterschiedlich.

In der Helligkeit da ist tiefste Dunkelheit,

hafte nicht an der Dunkelheit.

In der Dunkelheit da ist Helligkeit,

aber suche nicht nach der Helligkeit.

Dunkelheit und Helligkeit wechseln einander ab

wie beim Gehen der vordere und der hintere Fuß.

Jedes Phänomen hat seinen Wert.

Ihr solltet darauf achten, wie die Wahrheit zum Ausdruck gelangt.

Das Relative passt zum Absoluten wie ein Deckel zu seinem Behälter.

Das Absolute und das Relative entsprechen einander wie zwei Pfeile,

die sich im Flug begegnen.

Hörst du die Worte, solltest du die Quelle der Lehre verstehen.

Entwickle keine eigenen Maßstäbe.

Erkennst du den Weg nicht mit deinen Augen,

wie sollten dann deine Füße um ihn wissen?

In der Übung fortschreiten ist weder fern noch nah.

Im Zustand der Täuschung bist du Berge und Flüsse davon enfernt.

Ich fordere alle Sucher der Wahrheit ehrerbietig auf:

Vergeudet eure Tage und Nächte nicht.

II

Der Geist des großen Weisen aus Indien

wurde direkt von Westen nach Osten übermittelt.

Die Fähigkeiten des Menschen können brillant oder stumpf sein,

doch kennt der Weg keine nördlichen oder südlichen Patriarchen.

Die spirituelle Quelle leuchtet klar im Licht;

Bäche, die sich verzweigen, fließen in der Dunkelheit.

Nach den Dingen greifen ist sicherlich Täuschung;

mit der Gleichheit in Einklang sein ist noch keine Erleuchtung.

Alle Objekte der Sinne

stehen in Beziehung zueinander und auch nicht.

In Beziehung treten führt zu Verstrickung;

aber trotzdem bleibt alles an seinem Ort.

Anblicke unterscheiden sich in Art und Form,

Klänge sind angenehm oder unangenehm.

Geistvolle und gewöhnliche Rede kommen in der Dunkelheit

zusammen,

klare und unverständliche Äußerungen lassen sich im Licht

unterscheiden.

Die vier Elemente kehren zu ihren Naturen zurück

wie ein Kind zu seiner Mutter.

Feuer erhitzt, Wind bewegt,

Wasser näßt und Erde ist fest.

Auge und Anblicke, Ohr und Klänge,

Nase und Gerüche, Zunge und Geschmäcke.

So sprießen diesen Wurzeln entsprechend

aus jedem Ding die Blätter.

Stamm und Zweige haben dieselbe Essenz;

hochangesehen und gewöhnlich ihre je eigene Sprache.

Im Licht da ist Dunkelheit,

doch betrachte sie nicht als Dunkelheit.

Im Dunkel da ist Licht,

doch sieh es nicht als Licht.

Licht und Dunkel sind einander entgegengesetzt

wie beim Gehen der vordere und der hintere Fuß.

Unter all den unzähligen Dingen hat ein jedes sein Verdienst,

das Funktion und Ort entsprechend Ausdruck findet.

Phänomene existieren; Behälter und Deckel passen zusammen;

Wahrheit zeigt sich; Pfeilspitzen treffen aufeinander.

Wenn du diese Worte hörst, so verstehe den Sinn;

entwickle keine eigenen Maßstäbe.

Verstehst du nicht den Weg, der sich direkt vor dir befindet,

wie willst du ihn dann beim Gehen erkennen?

Fortschritt ist keine Frage von fern und nah,

doch bist du verwirrt, versperren dir Berge und Flüsse den Weg.

Alle, die das Geheimnis ergründen, flehe ich respektvoll an:

Vergeudet eure Tage und Nächte nicht.

Der Geist des großen Weisen aus Indien

Das Sandokai ist einer unserer wichtigsten Lehrtexte. Sein sprachlicher Ausdruck ist so elegant und geschliffen, dass es schwierig sein mag, beim Lesen seine tiefe Bedeutung zu empfinden. Der Urheber dieses Gedichts, Sekito Kisen oder Sekito Musai Daishin, wie er nach seinem Tode genannt wurde, ist der Dharma-Enkel des Sechsten Patriarchen, Huineng (jap. Daikan Eno) und der direkte Nachfolger von Seigen Gyoshi, der als Siebter Patriarch bezeichnet wird. Wie ihr vielleicht wisst, hatte Eno viele Schüler, doch die bedeutendsten unter ihnen waren Seigen Gyoshi und Nangaku Ejo. Später setzte Meister Tozan Ryokai Seigens Traditionslinie als Soto-Schule des Zen fort, und Meister Rinzai Gigen setzte Nangakus Linie fort. Aus dem Erbe des Sechsten Patriarchen sind also die Soto- und die Rinzai-Schule hervorgegangen, die zu den dominierenden Strömungen des japanischen Zen wurden.

Verglichen mit Nangakus Weg ist der Weg von Seigen und Sekito sanfter. In Japan nennen wir ihn den Weg des älteren Bruders. Nangakus Weg ist eher wie der des zweiten oder dritten Sohnes, der oft ziemlich eigenwillig ist. Der ältere Bruder mag nicht so begabt und intelligent sein, doch dafür ist er sehr sanft. So verstehen wir den Unterschied zwischen Soto und Rinzai. Im Soto-Zen sagen wir: menmitsu no kafu – und meinen damit, dass wir die Dinge sehr behutsam und aufmerksam tun.

Seigens Weg besteht darin, alles in sich selbst zu finden. Dies bedeutet, den großen Geist zu finden, der alles umfasst, und diesem gemäß zu üben.

Wir bemühen uns im Zen, alles so wahrzunehmen, »wie es ist«. Doch selbst wenn wir uns dies vornehmen, nehmen wir nicht unbedingt alles so wahr, »wie es ist«. Wir sagen: »Hier ist mein Freund, dort drüben ist der Berg, und da oben am Himmel steht der Mond.« Doch euer Freund ist nicht nur euer Freund, der Berg ist nicht nur der Berg, und der Mond ist nicht nur der Mond. Wir denken vielleicht: »Ich bin hier, und der Berg ist dort drüben« – dies ist die dualistische Sicht der Dinge. Wir sagen, um nach San Francisco zu kommen, müssen wir den Tassajara-Berg überqueren. So sehen wir die Dinge gewöhnlich. Doch das ist nicht die buddhistische Sichtweise. Wenn wir uns diese zu eigen machen, finden wir den Berg oder den Mond oder unseren Freund oder San Francisco in uns selbst. Gleich hier. Das ist der große Geist, in dem alles existiert.

Schauen wir uns nun den Titel, Sandokai, einmal genauer an. San bedeutet wörtlich »drei«, doch in diesem Fall bedeutet es »Dinge«. Do bedeutet »Gleichheit«. Ein Ding mit einem anderen zu identifizieren ist do. Dieses Wort bedeutet auch »Einssein« oder »unser ganzes Sein« – was hier gleichbedeutend mit »großer Geist« ist. Es wird also zum Ausdruck gebracht, dass es ein umfassendes Sein gibt, ein Sein, das alles in sich einschließt, und dass die Vielfalt der Dinge in diesem einen umfassenden Sein enthalten ist. Obgleich wir von »vielen Dingen« sprechen, sind diese allesamt Teile des einen umfassenden Seins. Wenn wir »viele« sagen, so ist dieses Sein viele, und wenn wir »eins« sagen, ist es eins. »Viele« und »eins« sind nur verschiedene Beschreibungen des einen umfassenden Seins. Die Beziehung zwischen dem einen großen umfassenden Sein und seinen vielen Facetten zu verstehen ist kai – »einander die Hände geben«, »Freundschaft empfinden«. Empfinden wir in dieser Weise, so haben wir das Gefühl, dass wir selbst und die andere Person eins sind. Ebenso sind auch dieses eine umfassende Sein und die vielen Dinge gute Freunde – oder sogar mehr als nur gute Freunde, weil sie im Grunde ein und dasselbe sind. Deshalb sagen wir »kai«, als würden wir einander die Hände schütteln. »Hallo, wie geht es dir?« – das ist die Bedeutung des Namens dieses Sutras.

Ursprünglich war Sandokai der Titel eines taoistischen Buches. Indem Sekito denselben Titel wählte, wollte er die Lehre des Buddha in ähnlicher Weise beschreiben. Was ist der Unterschied zwischen taoistischen und buddhistischen Lehren? Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen beiden, und liest man die Unterweisungen, mögen sie gleich erscheinen. Doch wenn ein Buddhist ein solches Buch liest, ist es ein buddhistischer Text, und wenn ein Taoist es liest, ist es ein taoistischer Text. Im Grunde ist es aber ein und dasselbe. Ebenso ist ein bestimmtes Gemüse, wenn ein Buddhist es isst, eine buddhistische Speise, und wenn ein Vegetarier das gleiche Gemüse isst, ist es ein vegetarisches Gericht. Trotzdem ist und bleibt es im Grunde einfach etwas Essbares. Um diese Art von Unterschied geht es. Wir essen eine aus einem bestimmten Gemüse zubereitete Speise nicht deshalb, weil sie gewisse Nährstoffe enthält oder weil sie yin oder yang ist. Etwas zu essen ist einfach ein Bestandteil unserer Übung. Das ist der Unterschied. Wir essen nicht nur, um unser Leben zu erhalten, und auch nicht so, wie ein Säugetier oder ein Fisch es tut. Einfach nur Nahrung zu sich zu nehmen, ohne die Aktivität des Essens als Übung zu verstehen, entspricht eher dem Taoismus.

Der buddhistische Weg ist: »Indem wir diese Nahrung zu uns nehmen, folgen wir unserem Pfad!« So wird der große Geist in unsere Übung einbezogen. Es entspricht nicht unserem Verständnis zu denken: »Das ist nur ein Gemüse.« Innerhalb unserer Praxis und innerhalb des großen Geistes behandeln wir alle Dinge wie Teile von uns selbst. Der kleine, begrenzte Geist hingegen ist der Geist, der den Einschränkungen der Begierden, jeglicher Art von emotionaler Überkrustung und der Unterscheidung zwischen Gut und Böse unterliegt. Wir glauben zwar, wir würden alles so wahrnehmen, »wie es ist«, doch tun wir dies tatsächlich nie. Warum? Weil wir dazu neigen, Unterscheidungen zu treffen, oder weil wir unseren Begierden folgen. Der buddhistische Weg beinhaltet, dass wir uns mit allen verfügbaren Kräften bemühen, uns von emotionalen Unterscheidungen zwischen Gut und Böse ebenso zu lösen wie von unseren Vorurteilen, und dass wir bestrebt sind, alles so zu sehen, »wie es ist«.

Wenn ich sage, alles so zu sehen, »wie es ist«, meine ich, dass wir uns mit aller Kraft bemühen müssen, und zwar nicht darum, uns von unseren Begierden zu lösen, sondern darum, uns über ihre Existenz und ihr Wirken klar zu werden. Wenn ihr dabei einen Computer benutzen wollt, müsst ihr zunächst alle notwendigen Informationen eingeben. Eine Kategorie könnte dabei die der Begierden sein: so viel Begierde und diese Menge Nahrung, diese Art von Farbe und so viel Gewicht. Da unsere Begierden zur Vielzahl unserer Eigenschaften zählen, müssen wir sie einbeziehen. Tun wir dies, so sehen wir alle Dinge so, wie sie sind. Wir denken im Allgemeinen nicht unablässig über unsere Begierden nach. Ohne innezuhalten, um über die Ichzentriertheit unseres Urteils zu reflektieren, sagen wir: »Er ist gut« oder: »Er ist schlecht.« Doch jemand, der mir gegenüber schlecht ist, muss nicht unbedingt immer schlecht sein. Jemand anderem gegenüber kann er durchaus ein guter Mensch sein. Durch diese Art von Reflexion können wir allmählich lernen, alles so zu sehen, wie es ist. Dies ist der Buddha-Geist.

Das Gedicht beginnt mit den Worten chikudo daisen no shin – »Der Geist des großen Weisen aus Indien«