Lektüreschlüssel. Johann Wolfgang Goethe: Faust II - Johann Wolfgang Goethe - E-Book

Lektüreschlüssel. Johann Wolfgang Goethe: Faust II E-Book

Johann Wolfgang Goethe

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Beschreibung

Der Lektüreschlüssel erschließt Johann Wolfgang Goethes "Faust II". Um eine Interpretation als Zentrum gruppieren sich 10 wichtige Verständniszugänge: * Erstinformation zum Werk * Inhaltsangabe * Personen (Konstellationen) * Werk-Aufbau (Strukturskizze) * Wortkommentar * Interpretation * Autor und Zeit * Rezeption * "Checkliste" zur Verständniskontrolle * Lektüretipps mit Filmempfehlungen

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Seitenzahl: 97

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LEKTÜRESCHLÜSSEL FÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER

Johann Wolfgang Goethe

Faust II

Von Walter Schafarschik

Reclam

Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe: Johann Wolfgang Goethe: Faust. Der Tragödie zweiter Teil. Stuttgart: Reclam, 2001 [u. ö.]. (Universal-Bibliothek. 2.)Dem Andenken meines Lehrers Emil Saloga (1885–1964)

Alle Rechte vorbehalten© 2008, 2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartGesamtherstellung: Reclam, DitzingenMade in Germany 2013RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetrageneMarken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-960196-0ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015407-6

www.reclam.de

Inhalt

1. Erstinformation zum Werk

2. Inhaltsübersicht

3. Personen – Personenkonstellationen

4. Zum Werkaufbau

5. Erläuterungen zum Text

6. Aspekte der Interpretation

7. Faust II und der alte Goethe

8. Checkliste

9. Lektüretipps / Filmempfehlungen

Anmerkungen

1. Erstinformation zum Werk

Literarische Werke, die aus zwei Teilen bestehen, haben ein eigenes Schicksal. Häufig wird der zweite Teil des schon bekannten Werkes von den Lesern aus den unterschiedlichsten Gründen nicht so auf- und angenommen wie der erste.

Goethes Faust II ist es so ergangen, und zwar zu Anfang besonders schlecht. Warum das so war, warum Faust I mehr Interesse und Verständnis fand, dafür hat Goethe wie vorausschauend in einem Brief an Philipp Albert Stapfer vom 3. April 1827 eine mögliche Begründung gegeben: »Dieser zweite Teil nun ist in Anlage und Ausführung von dem ersten durchaus verschieden, indem er in höheren Regionen spielt und dadurch von jenem sich völlig absondert.«1 Und seinem Sekretär Johann Peter Eckermann gegenüber präzisiert er vier Jahre später diese Aussage: »Der erste Teil ist fast ganz subjektiv; es ist alles aus einem befangeneren, leidenschaftlicheren Individuum hervorgegangen [...]. Im zweiten Teil aber ist fast gar nichts Subjektives; es erscheint hier eine höhere, breitere, hellere, leidenschaftlosere Welt [...].«2

Als Faust. Der Tragödie Zweiter Teil nach Goethes Tod erschien, war er für lange Zeit nach Inhalt und Form für Leser und Zuschauer fremdartig und wenig verständlich. So entsprach zum Beispiel ein derart gestaltetes Weiterleben Fausts nicht den Vorstellungen der Zeit. Geradezu empörend erschien vielen die Regieanweisung zu Beginn von Faust II: »Faust, auf blumigen Rasen gebettet, ermüdet, unruhig, schlafsuchend. Dämmerung. Geisterkreis, schwebend bewegt, anmutige kleine Gestalten.«

Da gaben Mephistos »Her zu mir!« und Gretchens flehentliches »Heinrich! Heinrich!« am Ende des ersten Teiles für die, die das alte christliche Sünde-Verdammnis-Schema gründlich verinnerlicht hatten, denn doch eine einigermaßen hinreichende Schluss-Befriedigung: der Bösewicht gehört dem Bösen. Darüber hinaus, so fanden sie, gibt es nichts mehr zu sagen.

Dass dies kein eigentlicher Schluss ist, denkt man nur an den »Prolog im Himmel« und die »Paktszene«, geriet bei solch engem Verständnishorizont in den Hintergrund.

Wenn nun aber nach dem Willen des Dichters dieser mehrfache »Verbrecher« in einem zweiten Teil dennoch weiterleben soll, so müsste er doch zumindest ein erschütterndes Schuldbekenntnis ablegen – so meinten diese Kritiker. Welche Ratschläge Goethe dafür hätte befolgen müssen, hat der Kunsttheoretiker Friedrich Theodor Vischer, einer der ersten verständnislosen Kritiker von Faust II, 1861 folgendermaßen skizziert: »Wir sollen aus seinem eigenen Munde hören, welche Qualen, welche glühenden Messer in der Brust des Schuldbewussten wühlen. Die Bühne zeige uns zuerst das bekannte Studierzimmer; Faust stürze herein, er komme von Gretchens frischem Grabe, ein furchtbarer Monolog, worin er wie im wilden Fiebertraum Gretchens Hinrichtung malt. Als sähe er sie mit eigenen Augen an, jede Gebärde, Verzweiflung, Händeringen und Wälzen am Boden sage uns, wie es im Innern eines Menschen aussieht, der solche Folgen seiner Schuld so eben erlebt hat.«3

Der so ganz andere Beginn von Faust II zeigte für die damaligen Leser zu viel Verständnis für den »Bösewicht«, ja war geradezu eine Verhöhnung vieler bis dahin gültiger Normen. Solche Empfindungen führten schließlich dazu, dass die vermeintliche Sympathie des Autors für seine Gestalt in eine Antipathie gegenüber dem Autor umzuschlagen drohte.

Die größte Zumutung für die religiösen Eiferer und ethischen Rigoristen war aber dann doch die Tatsache, dass Goethe am Schluss von Faust II dem »Bösewicht« – und er hat zusammen mit dem Bösen weiter Böses getan – auch noch eine Rettung zuteil werden lässt und sich zur Ausgestaltung dieser Rettung traditioneller christlicher Bildvorstellungen bedient.

Faust II war da kaum weniger als ein Skandalon, ein »geistiges Ärgernis des Jahrhunderts«4, des 19. Jahrhunderts. Vielleicht ist er es aber auch heute noch, nur etwas weniger fundamentalistisch.

Zu diesen ideologischen Barrieren für das Verständnis kamen noch andere. Sie waren nicht minder hoch und wurden durch den Bildungshorizont errichtet, den das reine Textverständnis der fünf Akte verlangt. Und dann fehlte auch noch eine einigermaßen nachvollziehbare Handlung, die sich, wie traditionell gewohnt, »folgerichtig« entwickelt.

Da war man denn schnell mit abwertenden Urteilen großen Kalibers bei der Hand: gestelzter Unsinn, Phantastik und Weitschweifigkeit – Ergebnis künstlerischer Impotenz eines alten, einst großen Dichters.

Ausführliche Kommentare und differenzierte Interpretationen aus den letzten hundert Jahren haben vieles von den Fehlurteilen und Vorbehalten beseitigt. Dennoch: Die fünf Akte des Werkes bleiben auch heute, auch für den gutwilligsten Leser, immer noch ein gewaltiges Stück Arbeit. An deren Ende winkt freilich als Lohn eine vorher kaum vorstellbare Horizonterweiterung im Hinblick auf das, was Menschsein bedeuten kann.

Eine Einführung in Faust II muss davon ausgehen, dass Faust I bekannt ist, denn es wird wohl kaum jemand auf den sonderbaren Gedanken kommen, seine Faust-Lektüre mit Teil II zu beginnen.

Goethe selbst hätte wahrscheinlich den Versuch, dieses Werk in handlicher Weise zu »entschlüsseln«, mindestens ironisch abgewehrt. Möglicherweise hätte er sich sogar so drastisch-missmutig geäußert, wie er es gegenüber dem Schauspieler Karl von Holtei getan hat. Als der um die Erklärung einer Stelle aus dem III. Akt bat, weil er diesen am nächsten Tag vorlesen sollte, ließ er ihn mit den Worten stehen: »Ja, ja, Ihr guten Kinder, wenn Ihr nur nicht so dumm wäret!«5

Wie er sich den Umgang eines künftigen Lesers mit Faust II vorgestellt hat, wird in einem Brief an den Freund Carl Friedrich Zelter vom 26. Juli 1828 deutlich: »Wenn dies Ding [...] den Leser nicht auch nötigt, sich über sich selber hinauszumuten, so ist es nichts wert. Bis jetzt, denk ich, hat ein guter Kopf und Sinn schon zu tun, wenn er sich will zum Herrn machen von allem dem was da hineingeheimnisset ist.« Und zu Eckermann sagte er wenigen Wochen vor seinem Tode: »[...] wer sich nicht etwas umgetan und einiges erlebt hat, wird nichts damit anzufangen wissen.«6

Solcher Mahnungen durchaus eingedenk, sei mit diesem Lektüreschlüssel dennoch ein Verständnis-Versuch gewagt.

2. Inhaltsübersicht

Erster Akt

In der Szene Anmutige Gegend liegt Faust inmitten von Blumen unruhig schlafend auf der Erde. Der Luftgeist Ariel ruft die Tätigkeit der helfenden Elfen auf, die den Menschen, gleichgültig ob er gut oder böse ist, im Schlafe von den »Schäden« des Tages heilen und für kommende Tätigkeit kräftigen. Faust erwacht und erlebt den Aufgang der Sonne als »feierlichste Stunde« (4696), die ihn in der ringsum erwachenden Natur ins Leben zurückführt, als Wiedergeburt, die ihm Mut zu einem Neuanfang verleiht.

Inzwischen ist Mephisto in die Kaiserliche Pfalz vorgedrungen und hat sich in dem Saal des Thrones umgesehen. In einer Versammlung des Staatsrats dient er sich dem Kaiser als Narr an. In der völlig aussichtslosen Situation, in der sich das Reich des Kaisers finanziell, sozial und moralisch befindet, gibt er vor, finanzielle Abhilfe schaffen zu können. Und als Geist der Täuschung erfindet er das Papiergeld: Ein Wertpapier mit der kaiserlichen Unterschrift sichert den Besitzern als Gegenwert im Erdboden verborgene, vielleicht vorhandene und vielleicht einmal zu findende Schätze zu (vgl. 6057 ff.).

Der junge, lebensunerfahrene und vergnügungssüchtige Kaiser täuscht sich nur allzu gerne über die schlimme Lage seines Reiches und ist, ohne die Unterschrift zu leisten, mit den Vorschlägen Mephistos zufrieden. Wichtig für ihn ist allein, endlich Karneval feiern zu können.

Dazu ist ein Weitläufiger Saal mit Nebengemächern herausgeputzt worden, in dem nun die Mummenschanz, das Maskenfest, stattfindet. Jeweils angekündigt und kommentiert vom Herold, zieht ein großer Zug der unterschiedlichsten Masken vorüber, der sich in einzelne Gruppen gliedert. Hier wird die Welt, das heißt der Mensch in den Karikaturen seiner Schwächen, in seinen Bedrohungen, aber auch in seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten gezeigt. Höhepunkt in diesem ersten Teil der Mummenschanz ist der Auftritt von Viktoria, der Göttin aller Tätigkeit. Sie reitet auf einem mächtigen Elefanten, der von der Klugheit geleitet wird. An der Seite des Tieres sind Furcht und Hoffnung angekettet, »zwei der größten Menschenfeinde« (5441). Beide sind lähmende Mächte, wobei mit Hoffnung die Illusion gemeint ist.

Dann erscheint Faust auf einem von Flügeldrachen gezogenen Prunkwagen in der Maske des Plutus, Gott des Reichtums. Hinter ihm Mephisto hockend als der Geiz. Dieser Wagen wird vom »Knaben Lenker« geführt. Er besitzt im Gegensatz zur Goldfülle in der Schatzkiste des Plutus das Gedankengold der dichterischen Phantasie und bezeichnet sich als die Verschwendung, die Poesie. In diese Gruppe drängt sich schließlich eine derbe Schar von Faunen, Satyrn, Gnomen und Nymphen. Mit ihnen erscheint der Kaiser in der Maske des griechischen Naturgottes Pan (in der Überlieferung: gehörnt, bärtig, krummnasig, rauhbehaart, geschwänzt, ziegenfüßig).

Als der Kaiser sich neugierig-gierig über Plutus’ flammende Goldtruhe beugt, entzündet sich sein künstlicher Bart. Durch einen Zauberregen, den Plutus-Faust auslöst, wird der Kaiser gerettet.

Am nächsten Tag, im Lustgarten, gibt der Kaiser zu verstehen, dass er »dergleichen Scherze« (5988) durchaus genießt, vor allem da von überall gemeldet wird, wie durch Mephistos trügerische ›Geldschöpfung‹ das Reich gerettet scheint und Wohlstand winkt. Und so verlangt er nach mehr Unterhaltung. Faust soll Helena und Paris vor ihm erscheinen lassen (vgl. 6183–85), die Urbilder menschlicher Schönheit.

Faust zieht sich mit Mephisto in eine Finstere Galerie zurück. Die Erfüllung des kaiserlichen Wunsches ist für beide eine gewaltige Aufgabe. Höchst ungern beschreibt Mephisto einen Lösungsweg. Faust muss ins Reich der Mütter, wo er, »umschwebt von Bildern aller Kreatur« (6289), mit Hilfe eines goldenen Schlüssels, den er von Mephisto erhält, einen Dreifuß finden soll. Es gelingt Faust, in dieses geheimnisvolle Reich des Schöpferischen, des Werdens und Vergehens, der Urbilder einzudringen.

Währenddessen schlendert die Hofgesellschaft durch Hell erleuchtete Säle, und Mephisto muss ihr bis zu Fausts Rückkehr mit allerlei Hokuspokus und Quacksalberei die Zeit vertreiben. Dann versammeln sich alle im Rittersaal, um die versprochene Vorführung »Helena und Paris« zu genießen. Faust bringt im Gewand eines antiken Priesters den Dreifuß mit. Als er diesen mit dem Schlüssel berührt, erscheinen die beiden antiken Gestalten, begleitet von Bewunderung und Häme der Hofgesellschaft. Doch als Paris sich anschickt, Helena zu entführen, berührt der von ihr hingerissene Faust ihn mit dem Schlüssel. Die darauf folgende Explosion wirft Faust bewusstlos zu Boden, und die beiden beschworenen Gestalten verschwinden. Mit höhnischen Worten schleppt Mephisto den Bewusstlosen fort.

Zweiter Akt

Mephisto bringt den bewusstlosen Faust in dessen Hochgewölbtes enges gotisches Zimmer, Schauplatz zu Beginn von Faust I. Doch im Traum kreisen Fausts Wünsche weiter um Helena. Währenddessen sieht Mephisto sich um und trifft auf bekannte Gestalten. Da ist zunächst der Famulus Nikodemus, der für Professor Wagner arbeitet. Dann der Schüler, den er in Faust I mit seiner ›Studienberatung‹ an der Nase herumgeführt hat und der sich jetzt als Baccalaureus ihm gegenüber sehr kritisch-arrogant aufführt. Es folgt ein Besuch im benachbarten Laboratorium