Lektüreschlüssel. Tahar Ben Jelloun: Les Raisins de la galère - Tahar Ben Jelloun - E-Book

Lektüreschlüssel. Tahar Ben Jelloun: Les Raisins de la galère E-Book

Tahar Ben Jelloun

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Reclams "Fremdsprachen-Lektüreschlüssel" folgen dem bewährten Aufbau- und Darstellungsprinzip der Lektüreschlüssel zur deutschen Literatur. Sie beziehen sich auf den fremdsprachigen Originaltext (wenn möglich in Reclams Roter Reihe), sind aber auf Deutsch verfasst und unterstützen ebenso die Lektüre der deutschen Übersetzung. Eine "Checkliste" enthält Aufgaben zur Verständniskontrolle in der Fremdsprache. Unter dem Darstellungstext stehen Übersetzungshilfen und Schlüsselbegriffe in der Fremdsprache, um die Bearbeitung dieser Aufgaben und ein fremdsprachiges Referieren über das Werk zu erleichtern. Lektüreschlüssel erschließen einzelne literarische Werke. Um eine Interpretation als Zentrum gruppieren sich 10 wichtige Verständniszugänge: * Erstinformation zum Werk * Inhaltsangabe * Personen (Konstellationen) * Werk-Aufbau (Strukturskizze) * Wortkommentar * Interpretation * Autor und Zeit * Rezeption * "Checkliste" zur Verständniskontrolle * Lektüretipps mit Filmempfehlungen * Raum für Notizen Ben Jelloun, in Marokko geboren, in Tanger und Paris lebend, kennt die Probleme der zweiten Generation nordafrikanischer Einwanderer. Die ›Heldin‹ des Romans, der in Deutschland unter dem Titel "Früchte der Wut" erschien, ist eine in Paris geborene Algerierin. Aufgewachsen im tristen Milieu heruntergekommener Pariser Vorstadtghettos, in der Familie bedrückt von einem rigorosen, frauenfeindlichen islamischen Traditionalismus, entschließt sie sich zum Kampf um Emanzipation und gesellschaftliche Anerkennung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 74

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



LEKTÜRESCHLÜSSELFÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER

Tahar Ben Jelloun

Les Raisins de la galère

Von Wolfgang Ader

Philipp Reclam jun. Stuttgart

Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe in der Originalsprache: Tahar Ben Jelloun: Les Raisins de la galère. Hrsg. von Johannes Röhrig. Stuttgart: Reclam, 1999 [u. ö.]. (Universal-Bibliothek. 9056.)

Alle Rechte vorbehalten© 2006, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., StuttgartRevidierte Ausgabe 2007Gesamtherstellung: Reclam, DitzingenMade in Germany 2012RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK undRECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetrageneMarken der Philipp Reclam jun. GmbH & Co., StuttgartISBN 978-3-15-960068-0ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015381-9

www.reclam.de

Inhalt

1. Erstinformation zum Werk

2. Inhalt

3. Personen

4. Struktur und Erzähltechnik

5. Interpretation

6. Autor und Zeit

7. Rezeption

8. Dossier pédagogique

9. Lektüretipps

Anmerkungen

1. Erstinformation zum Werk

In einem Interview mit der Zeitschrift Lire erklärt Tahar Ben Jelloun: »Je suis un homme engagé, moralement engagé, et je me moque de ceux qui me considèrent comme un ringard parce que je défends les gens humiliés, ceux que l’on jette dans la fosse commune avec une brutalité inouïe […]. Les écrivains devraient mettre plus souvent les pieds dans la société civile.«1

Diese Haltung liegt auch dem Roman Les Raisins de la galère (erschienen 1996) zugrunde. Nadia, die Protagonistin, weigert sich, die ihr aufgezwungenen Lebensumständestillschweigend zu akzeptieren und die an sie gerichteten Erwartungen »brav« zu erfüllen, sich also fraglos zu assimilieren und »[de mener] une petite vie plate« (127,13)2, wie es die Mehrheit der Immigranten maghrebinischer (nordafrikanischer) Herkunft zu leben sucht.

Im Gegenteil, die Ich-Erzählerin macht sich zum Sprachrohr der Immigranten, indem sie die unangenehmen Wahrheiten, d. h. die Lebensumstände, die Abschiebung in die Ghettos etc., beim Namen nennt. Aber sie bleibt nicht bei einseitigen Schuldzuweisungen stehen, sondern kritisiert ebenso scharf die sich an überkommenen Traditionen ausrichtende Rückwärtsgewandtheit der Immigranten. Das macht sie zur Außenseiterin in mehrfacher Hinsicht: Sie wagt es, als Frau aus dem ihr zugedachten Rollenverhalten auszubrechen, sie kritisiert ihre Landsleute und übt harsche Kritik an der politisch gewollten Ausgrenzung der Immigranten nordafrikanischer Herkunft.

Vor dem Hintergrund zunehmender Unruhen in Frankreichs Trabantenstädten (Vorstädten) und der wachsenden Gewaltbereitschaft derer, die keinerlei Aussicht auf ein menschenwürdiges Leben haben, weil sie »weggeschlossen« sind, bietet dieser Roman zwar keine konkreten Antworten, er fordert jedoch den Leser zu einer respektvollen Haltung gegenüber dem Fremden, Unbekannten auf, der als Mensch in seiner Andersartigkeit zu achten ist.

Lebensumstände: les conditions (f.) de vie

stillschweigend: sans rien dire

Erwartung: l’attente (f.)

Sprachrohr: le/la porte-parole

unangenehm: embarrassant(e)

Außenseiter/Außenseiterin: l’outsider (m./f.)

Hintergrund: le fond

Unruhe: l’émeute (f.)

wachsend: grandissant(e)

Aussicht: la perspective

menschenwürdiges Leben: une vie digne de ce nom

weggeschlossen sein: être reclus(e)

2. Inhalt

Historische Hintergründe

Das Romangeschehen findet in einem ganz bestimmten historischen Rahmen statt, weswegen es unabdingbar ist, die geschichtlichen wie sozio-kulturellen Hintergründe, auf die immer wieder angespielt wird, kurz zu skizzieren.

Die handelnden Personen sind unentwirrbar mit der französisch-algerischen Geschichte verbunden. Diese beginnt zunächst als Kolonialgeschichte mit der Eroberung Algeriens im Jahr 1830. Ab 1840 setzt eine massive Einwanderung von Franzosen nach Algerien ein, die später als pieds-noirs bezeichnet werden. 1848 wird Algerien in drei Départements unterteilt. Das Land gehört von nun an zum französischen Kernland (Mutterland). Daher haben die Regierungen der Dritten Republik die Gleichstellung Algeriens mit dem Mutterland zum politischen Ziel. Allerdings besitzt das Kolonialgebiet kein Wahlrecht. Von 1912 an müssen die Einheimischen in der französischen Armee ihren Militärdienst ableisten.

Während des Ersten Weltkriegs (1914–18) stellen sich die muslimischen Soldaten (les harkis) auf die Seite Frankreichs, wofür sie nach dem Krieg mit dem Wahlrecht belohnt werden. Dies gilt jedoch nur für die ehemaligen Kriegsteilnehmer.

Bereits während der Kolonisation Algeriens immigrierten Algerier in das französische Mutterland. Diese Bewegung nahm in den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu, als man infolge der Industrialisierung im Mutterland billige (ungelernte) Arbeitskräfte benötigte.

Während des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besetzung sind die algerischen Siedler politisch geteilt. Die Mehrzahl von ihnen unterstützt die Vichy-Regierung unter Maréchal Pétain. Nur eine Minderheit unterstützt die von Général de Gaulle angeführte Widerstandsbewegung. Noch während des Krieges veröffentlicht der algerische Politiker Ferhat Abbas das Manifeste du peuple algérien, in dem er sich im Namen des algerischen Volkes gegen die politique d’assimilation, d. h. die völlige Integration Algeriens in das französische Mutterland wendet und die Forderung nach Gründung eines unabhängigen algerischen Staates erhebt.

1945 kommt es zum Aufstand von Sétif, bei dem mehrere tausend Algerier und hunderte von Franzosen den Tod finden. Der Aufstand wird von der französischen Armee niedergeschlagen.

Im Jahr 1947 wird die algerische Abgeordnetenversammlung begründet, die sich je zur Hälfte aus französischen und algerischen Abgeordneten zusammensetzt. (Die französischen Delegierten vertreten 920 000 Europäer, die algerischen 7 800 000 Muslime.)

Anfang der 50er Jahre beginnt die zweite große Einwanderungswelle von Nordafrikanern nach Frankreich. Viele dieser Arbeitskräfte kehren jedoch am Ende des Arbeitslebens in den Maghreb zurück.

1954 wird die FLN (Front de Libération Nationale) von den beiden nationalistischen algerischen Politikern Ferhat Abbas und Ben Bella gegründet. Im gleichen Jahr beginnt der französisch-algerische Krieg, der offiziell jedoch als pacification und als maintien de l’ordre bezeichnet wird. Die FLN beginnt mit einem Guerillakrieg. Die Reaktionen der französischen Regierung sind äußerst hart. Es kommt zu verstärkten Personenkontrollen und Verhaftungen von Algeriern in Frankreich.

Durch die im Jahr 1961 von französischen Extremisten gegründete OAS (Organisation de l’Armée Secrète) verstärkt sich der Kampf zugunsten der Algérie française zwischen OAS und FLN. Von beiden Seiten werden zahlreiche Attentate begangen.

Am 20. April 1961 beginnen schließlich in Evian die Verhandlungen zwischen den nationalistischen algerischen Vertretern und der französischen Regierung. Diese werden mit den Accords d’Evian im März 1962 abgeschlossen, an deren Ende ein souveräner algerischer Staat steht: Am 3. Juli 1962 wird die Unabhängigkeit ausgerufen.

Nach der Ölkrise von 1973 und der darauffolgenden Wirtschaftskrise 1974 unternimmt die französische Regierung Versuche, die Einwanderung einzudämmen und an ihrer Stelle die Familienzusammenführung zu forcieren. Die meisten Immigrantenfamilien werden in HLM (habitations à loyer modéré, also in Sozialwohnungen) untergebracht, die in sogenannten cités-dortoirs (»Schlafstädten«) am Rande der Großstädte errichtet worden sind. Ab 1976 wird die Familienzusammenführung rechtlich per Erlass geregelt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass jeder in Frankreich Geborene die französische Staatsbürgerschaft besitzt. Dieses Recht wird als droit du sol (ius soli) bezeichnet.3

Nach 1974 unterstützen die französischen Regierungen die Rückkehr der Immigranten durch »Rückkehrhilfen«. Zu gleicher Zeit versucht der französische Staat der zunehmenden heimlichen Zuwanderung durch Ausweisung Herr zu werden. Erst im Oktober 1981 wird die Rechtslage der Immigranten insgesamt juristisch neu geregelt.

Arbeitslosigkeit, Ängste vor sozialem Abstieg, Unkenntnis der Sprache, der anderen Kultur und Religion sowie die Zusammenballung der Immigranten in den Banlieues führen unter anderem zu zunehmenden fremdenfeindlichen Tendenzen in Teilen der französischen Bevölkerung. Verstärkt werden diese durch die im Jahr 1972 gegründete nationalistische, fremdenfeindliche Partei Front National.

Jean-Marie Le Pen, ihr Gründer und Oberhaupt, erhält bei den Europawahlen im Jahr 1984 elf Prozent der Stimmen und zieht in das Europaparlament ein. Im Oktober desselben Jahres gründet als Reaktion auf die Zunahme rassistischer Übergriffe Harlem Désir die Vereinigung SOS-Racisme. Am 1. Dezember geht sie mit dem Slogan Touche pas à mon pote an die Öffentlichkeit.

Im Jahr 1989 wird mit der ersten Kopftuch-Affäre an einem Gymnasium in Creil die laïcité, d. h. die grundsätzliche Trennung von Staat und Religion in Frage gestellt. Mit diesem Vorfall beginnt die Wahrnehmung in der französischen Öffentlichkeit, dass sich ein konservativerer, fundamentalistischer Islam vor allem in den Banlieues auszubreiten beginnt. Genährt wird er z. T. durch Islamisten, die wegen staatlicher Verfolgung in Algerien nach Frankreich emigrieren.

Sozio-kulturelle Hintergründe

Die aus den Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko stammenden Immigranten haben eine gemeinsame Kultur, die als berbéro-arabo-musulmane bezeichnet werden kann.4 Sie ist am Schnittpunkt zwischen westlich-okzidentaler und östlich-orientalischen Kulturen entstanden.

Im Mittelpunkt der familiären Struktur steht das Haus, die Familie wird als Clan (Großfamilie) verstanden. Zu ihr gehören sowohl die Eltern, deren unverheiratete wie verheiratete Söhne sowie deren Frauen und Kinder. Die Töchter hingegen gehören nicht dazu.

Das »Haus« ist die Basis in wirtschaftlicher wie rechtlicher Hinsicht, die Gruppe (Familie) dominiert den Willen des Individuums.

Die Familie ist patriarchalisch gegliedert. Der Vater verwaltet nicht nur die Großfamilie im ökonomischen Sinne, er ist ihr spirituelles Oberhaupt und verkörpert sie in der Öffentlichkeit. Die Familienstruktur ist patrilinear geordnet. Das bedeutet, dass das Erbe vom Vater auf den Sohn übergeht. Um die Familienbande zu festigen, wird zum Teil immer noch traditionsgemäß innerhalb der Großfamilie geheiratet. Bevorzugt wird die Verheiratung von Cousin und Cousine.

Die Mutter wird verehrt