Papa, was ist der Islam? - Tahar Ben Jelloun - E-Book

Papa, was ist der Islam? E-Book

Tahar Ben Jelloun

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Beschreibung

Ich erzähle hier meinen muslimisch geborenen Kindern vom Islam und von der arabischen Zivilisation - und zugleich allen Kindern, aus welchem Land sie auch kommen, welche Herkunft, Religion, Sprache und welche Hoffnungen sie auch haben. Dies ist weder eine Predigt noch ein Plädoyer. Es ist die einfache und so objektiv wie möglich erzählte Geschichte eines Mannes, der ein Prophet wurde, und auch die Geschichte einer Religion und Zivilisation, deren Beitrag zur Geschichte der Menschheit so groß war. In dieser neuen Ausgabe erkläre ich auch, wie diese Religion und ihre Prinzipien und Werte auf Abwege geführt und in den Dienst einer fanatischen Ideologie gestellt wurden. Mehr denn je muss die Unterrichtung über den Islam und andere monotheistische Religionen verbreitet und vertieft werden. Ich möchte schließlich sagen, dass der Islam mit diesem Buch den Kindern genauso wie ihren Eltern erklärt wird. Tahar Ben Jelloun

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Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlag erschienenen Buchausgabe1. Auflage 2013

ISBN 978-3-8270-7729-5Die Originalausgabe erschien 2002 unter dem TitelL’islam expliqué aux enfantsbei Éditions du Seuil, Paris© 2002 Tahar Ben JellounVorwort und Texte im Anhang der erweiterten Ausgabe:© 2013 Tahar Ben JellounFür die deutsche Ausgabe:© Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin 2002Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, HamburgDatenkonvertierung: psb, Berlin

Erster Tag

Die Schreckensbilder vom 11. September 2001 haben auch vor unseren Kindern nicht Halt gemacht. Die Kommentare in Funk und Fernsehen zu den Terroristen und ihrer Zugehörigkeit zur arabischen und islamischen Welt beschäftigen und beunruhigen sie.

Meine jüngere Tochter fragte mich:

– Papa, bin ich eine Muslimin?

– Ja, genau wie deine Eltern.

– Bin ich auch Araberin?

– Ja, du bist Araberin, auch wenn du nicht arabisch sprichst.

– Aber du hast doch im Fernsehen gesehen: Die Muslime sind bösartig, sie haben viele Menschen getötet, ich will keine Muslimin sein.

– Und? Was willst du nun tun?

– In der Schulkantine werde ich jetzt auch Schweinefleisch essen.

– Wie du willst. Aber bevor du aufhörst, eine Muslimin zu sein, muss ich dir erst mal erklären, dass die Bösen, von denen du redest, keine wahren Muslime sind. Außerdem weißt du, dass es böse Menschen überall gibt.

– Aber sie haben gesagt, das sind Araber …

– Man darf nicht alle in einen Topf werfen. Nicht alle Araber sind Muslime. In Ägypten, Palästina, im Libanon und im Sudan zum Beispiel gibt es christliche Araber.

– Ich habe einen alten bärtigen Mann gesehen, der wie Großvater betet. Dann nimmt er ein Gewehr und schießt auf Bilder. Ist das ein Muslim?

– Wenn er wie dein Großvater betet, ja.

– Warum sind die, die das gemacht haben, dann keine wahren Muslime?

– Allah untersagt, genau wie der Gott der Juden und der der Christen, sich selbst zu töten, also den Selbstmord. Er untersagt auch, andere Menschen zu töten. Deshalb sind diese Leute, die in Flugzeuge gestiegen sind, die Piloten mit Messern umgebracht und die Maschinen in die Hochhäuser in New York gelenkt haben, Ignoranten, die die islamische Religion nicht kennen. Und es sind Fanatiker.

– Was ist ein FANATIKER?

– Einer, der immer Recht zu haben glaubt, er will der Stärkste sein. Wenn du nicht seiner Meinung bist, wird er sehr bösartig.

– Die USA waren nicht ihrer Meinung. Haben sie deshalb die Flugzeuge in die Türme gerammt?

– Das heißt aber noch lange nicht, dass wir Verständnis für ihre Taten aufbringen können. Sie haben etwas Furchtbares getan. Das kann niemand hinnehmen.

– Was hat Amerika ihnen denn angetan, dass sie so grausam geworden sind?

– Amerika, besser gesagt die US-Regierung, hat viele Fehler und Ungerechtigkeiten begangen. Seit zehn Jahren bombardieren sie die irakische Bevölkerung. Viele irakische Kinder sind an den Folgen dieser Bombardierungen gestorben. 1991 ist die irakische Armee in das Nachbarland Kuwait eingedrungen und hat es besetzt. Daraufhin haben die Vereinten Nationen den Irak bestraft. Doch bestraft wurde das Volk und nicht sein Regierungschef. Du siehst, die Dinge sind kompliziert. Es ist nicht so einfach, wie du denkst. Die USA sind eine Großmacht und müssen darauf achten, gerecht zu handeln. Dennoch kann es keine Rechtfertigung für die Massaker vom 11. September geben.

– Aber haben denn die Iraker diese Attentate begangen?

– Nein, es waren Menschen, die sich als Araber und Muslime bezeichnen. Für mich sind es Verrückte.

– Aber wieso sind sie verrückt?

– Als sie noch klein waren und zur Koranschule gingen, hat man ihnen beigebracht, dass Allah sie auffordere, die Feinde des Islam zu töten, und ihnen nach getaner Arbeit zur Belohnung einen Platz im Paradies garantiere.

– Das verstehe ich nicht: Muss man jemanden umbringen, um ins Paradies zu kommen?

– Natürlich nicht. Aber das hat man ihnen eingetrichtert.

– Und die glauben das auch noch! Erklär mir mal, wie man sie dazu bringt …

– Man wiederholt immer wieder das Gleiche, führt als Beispiele Soldaten an, die im Kampf gefallen sind, oder zitiert einen Koranvers: »Und sagt nicht von denen, die um der Sache Gottes willen getötet werden, (sie seien) tot. (Sie sind) vielmehr lebendig (im Jenseits)« (Sure 2, Vers 154). Am Ende glauben sie, was man ihnen Tausende von Malen vorgebetet hat.

– Aber das ist ja wirklich bösartig. Leute umbringen, um ins Paradies zu kommen!

– Es beruht alles auf Lügen.

– Aber warum erzählen ihnen ihre Anführer all diese Dinge?

– Weil sie Krieg führen gegen Andersdenkende. Sie lieben das Leben nicht, deshalb opfern sie ihr eigenes Leben, sofern sie möglichst viele andere Menschen dabei mit in den Tod reißen können. Es sind Terroristen.

– Papa, was ist ein TERRORIST?

– Im Begriff Terrorist steckt das Wort »Terror«, das heißt ein großer Schreck, eine gewaltige Angst in einer Gemeinschaft, ein Entsetzen, eine kollektive Furcht, etwas, das Zittern und Panik hervorruft. Ein Horror. Terror hat es in der Geschichte der Menschheit zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gegeben. Zum Beispiel hatte im Jahr 1794 während der Französischen Revolution »der Terror« die Herrschaft übernommen.

– Ich verstehe nicht, warum Leute, die ins Paradies wollen, sich nicht alleine dorthin aufmachen. Warum töten sie und versetzen alle, die sie nicht umbringen, in großen Schrecken?

– Das weiß ich nicht, meine Liebe. Da geht es mir wie dir: Ich verstehe nicht, wie junge Menschen, die studiert haben, die in der Welt herumgekommen sind, die die Freiheit und den Luxus Amerikas genossen haben, eines Tages beschließen können, ein Massaker anzurichten und dabei ihr eigenes Leben zu opfern. Sie tun es im Namen des Islam. Sie schaden damit ihren Familien, dem Islam und allen Muslimen. Das ist keine Religion mehr, die dahinter steht, denn keine Religion fordert das Töten Unschuldiger. Islam bedeutet, »sich dem Frieden unterordnen«, es bedeutet nicht, »Unschuldige töten«. Das ist ein Wahn, den weder du noch ich verstehen.

– Wusstest du als Kind, dass du ein Muslim bist?

– Ja, ich wurde in einer Familie geboren, in der ich meine Mutter und meinen Vater regelmäßig ihre Gebete verrichten sah.

– Und du selbst?

– Auch ich betete, aber ich war faul, besonders im Winter, wenn man früh aufstehen und sich mit eiskaltem Wasser waschen musste. Denn vor jedem Gebet muss man sich unbedingt waschen, das nennt man die Waschungen.

– Ach, und du hast dich also nicht gewaschen?

– Doch, aber mein Vater merkte, dass ich es oberflächlich tat und das sehr kalte Wasser nicht mochte.

– Was hat er da gesagt?

– Eines Tages hat er meinen Bruder und mich zu sich gerufen und uns gesagt: »Meine Söhne, ihr seid im Islam geboren, ihr schuldet euren Eltern und Gott Gehorsam. Aus Prinzip müsst ihr die fünf täglichen Gebete verrichten und den Fastenmonat Ramadan einhalten. Im Islam gibt es aber keinen Zwang. Niemand hat das Recht, euch zu zwingen, die Gebete zu verrichten, weder Gott noch euer Vater. Das Sprichwort sagt: Am Tag des Jüngsten Gerichts wird jedes Schaf an seiner eigenen Pfote aufgehängt. Daher seid ihr frei. Denkt darüber nach. Das Wesentliche ist, weder zu stehlen, noch zu lügen, noch auf Schwache und Kranke einzuschlagen, keinen Verrat zu begehen, die Besitzlosen nicht zu beschämen, seine Eltern nicht zu misshandeln und vor allem keine Ungerechtigkeit zu begehen. Das ist es, meine Söhne, den Rest müsst ihr selbst herausfinden. Ich habe meine Pflicht getan. Es ist nun an euch, ein Leben in Würde zu führen.«

– Ja und …?

– Ich habe die Hand meines Vaters geküsst, wie ich es jeden Tag tat, und habe mich frei gefühlt. An dem Tag habe ich begriffen, dass ich ein Muslim sein konnte, ohne die Regeln und Gesetze des Islam sehr diszipliniert befolgen zu müssen. Ich erinnere mich auch an unseren Koranlehrer, der sagte: »Gott ist barmherzig!« Er wiederholte: »Gelobt sei Gott, der Barmherzige.« Das bedeutet, dass er zu verzeihen weiß.

– Ja gut, aber hast du denn nun deine Gebete verrichtet oder nicht?

– Hör mal, das ist eine Frage, die man nicht stellen darf. Man soll solche Fragen auch nicht beantworten, denn sie berühren die Freiheit des Individuums. Wenn ich bete, geht das nur mich etwas an. Wenn ich bete, so nicht, um den anderen zu zeigen, dass ich ein guter Muslim bin. Manche gehen in die Moschee, um dort gesehen zu werden, andere, weil sie aufrichtig ihrer Pflicht als Gläubige nachgehen.

– Papa, ich habe Angst. Ich kann nicht einschlafen.

– Beruhige dich. Entspanne dich.

– Ich habe gehört, es gibt Krieg.

– Was für ein Krieg?

– Ich weiß nicht. Sogar in der Schule haben sie gesagt, wir sollen aufpassen. Wenn wir eine Tasche in einer Ecke herumliegen sehen, sollen wir die Lehrerin rufen. Ich weiß nicht. Ich habe Angst.

– Beruhige dich. Das Leben ist trotz alledem schön!

Zweiter Tag

Ich habe mir ausgemalt, wie eine solche Diskussion mit zehn- bis fünfzehnjährigen Kindern und Jugendlichen weiter verlaufen wäre.

Ich habe mir ihre Fragen, ihre Sorgen und ihre Ungeduld vorgestellt. Deshalb will ich hier meinen Kindern, die als Muslime geboren sind, aber auch allen anderen Kindern den Islam und die arabische Zivilisation erklären. Allen Kindern, egal, wo sie leben, aus welchem Land sie stammen, welcher Religion sie angehören, welche Sprache sie sprechen und welche Hoffnungen sie in sich tragen. Das hier soll vor allem keine Predigt und kein Plädoyer sein. Ich versuche nicht, zu überzeugen, ich erzähle so objektiv und so klar wie möglich die Geschichte eines Mannes, der zum Propheten wurde, die Geschichte einer Religion und einer Zivilisation, die der Menschheit sehr viel gegeben hat. Ich habe den Koran erneut gelesen, mich in Bücher von Experten vertieft, in der Enzyklopädie des Islam nachgesehen und versucht, in wenigen Seiten fünfzehn Jahrhunderte Geschichte nachzuerzählen. Meine Hoffnung ist, dass dies ein wenig beitragen kann zum besseren Verständnis der jetzigen Ereignisse.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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